Chapter 18
Ivory Wheeland
"Das tut mir Leid. Aber deine Großmutter scheint dich wirklich sehr, sehr lieb zu haben.", sprach ich mit einem aufmunternden Lächeln. Scheinbar waren manche Väter einfach dazu veranlagt Arschlöcher zu sein. Wahrscheinlich wären sein Vater und meiner gute Freunde werden können.
Ein Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken. Anstatt auf ein 'Herein' oder ähnliches zu warten, wurde die Tür jedoch einfach geöffnet. Eine der wohl nervigsten Macken meiner Mutter. Sie klopfte zwar, betrat danach dann aber sofort den Raum.
"Ivy, ich wollte einmal fragen was...", begann sie bereits beim reinkommen, brach dann aber ab als ihr Blick auf Michael fiel. Sogleich wandte sie sich mir mit ernster Miene zu. "Ich muss dich einmal sprechen, sofort."
Genervt verdrehte ich die Augen und ließ mich dann vom Schreibtisch hinunter gleiten, um meiner Mutter vor die Tür zu folgen, welche sie auch sogleich schloss, als ich im Flur stand.
"Warum ist er hier? Du weißt doch, dass du keinen Kontakt zu meinen Patienten haben sollst.", sprach sie mit gedämpfter Stimme.
"Wir sind Klassenkameraden und verstehen uns gut, außerdem ist er unser Nachbar. Was ist falsch daran, wenn ich ihn hier her einlade?", wollte ich wissen, machte mir aber nicht die Mühe leiser zu sprechen, damit Michael es nicht hörte. Meine Mutter schien das jedoch anders zu sehen und flüsterte nun sogar.
"Er könnte gefährlich sein. Auf viele Leute, die bei mir in Behandlung sind trifft das zu. Ich möchte nicht, dass du dich mit einer potentiellen Gefahr abgibst.", meinte sie.
"Eine potentielle Gefahr?", wiederholte ich leicht lachend. "Das ganze Leben ist eine potentielle Gefahr. Autos, Mitschüler, Treppen, alles kann einen umbringen. Selbst wenn ich mich in meinem Zimmer einschließe bin ich noch deinen sogenannten potentiellen Gefahren ausgesetzt."
"Es reicht jetzt Ivory!", sprach meine Mutter nun mit lauterer Stimme, ehe sie die Tür des Zimmers öffnete. "Ich muss dich bitte zu gehen Michael. Demnächst werde ich bei dir zu Hause anrufen und einen Termin ausmachen, aber vor diesem Termin möchte ich dich nicht noch einmal in diesem Haus sehen."
Ich stand hinter meiner Mutter und konnte nichts anderes tun, als dabei zusehen wie sie ihn einfach raus schmiss.
Michael Langdon
Scheiße. Einfach nur Scheiße.
Genau das ging in meinem Kopf vor, als ihre Mum schließlich reinplatzte.
Sie gingen kurz vor die Tür und ich atmete tief durch, ehe die beiden wieder die Tür öffneten und ihre Mum mich bat, zu gehen.
"Das...das kann ich verstehen", murmelte ich leise, kaum hörbar, und merkte, wie sich alles in mir anspannte.
"Tut mir leid", fügte ich hinzu, während ich mir dann eilig meine Schuhe anzog. Ich stand nun auf, mein Blick wanderte von ihrer Mum zu Ivy.
"Wir sehen uns morgen in der Schule", sagte ich leise zu Ivy, ehe ich mich eilig an den beiden vorbei drängte und die Treppe hinunter lief, die Haustür dann hinter mir zuzog.
In diesem Moment war ich...so wütend. Und enttäuscht zugleich.
Ich rannte nahezu zu unserem Haus.
Das war eine riesengroße Scheiße.
Ivory Wheeland
Regelrecht niedergeschlagen blickte ich Michael hinterher. Ich konnte nicht fassen, dass meine Mutter ihn einfach aus dem Haus geschmissen hatte.
"Was sollte das? Du wolltest doch immer, dass ich Freunde finde und jetzt wo ich mich mit jemanden gut verstehe, schickst du ihn einfach weg?", fragte ich aufgebracht.
"Er ist kein guter Umgang für dich. Ich will dich doch nur beschützen.", versuchte meine Mutter sich zu rechtfertigen.
"Ich brauche keinen Schutz! Ich brauche Freunde wie Michael. Jemand authentischen, der nicht dem neusten Modetrend hinterher rennt oder andere demütigt, um beliebt zu sein.", erwiderte ich, ehe ich in mein Zimmer ging und die Tür zuknallte. Bevor ich dies tat blickte ich meine Mutter jedoch noch einmal an und ich konnte ihr ansehen, dass es ihr Leid tat. Trotzdem war ich in diesem Moment zu wütend und enttäuscht, um ihr zu verzeihen und zu versuchen ihr Handeln nachzuvollziehen. Stattdessen drehte ich die Musik, welche noch immer lief, um einiges lauter und schmiss mich dann auf mein Bett.
Michael Langdon
Ich riss schließlich nahezu die Haustür auf und knallte sie hinter mir wieder zu.
Verzweifelt fuhr ich mir durch die blonden Haare.
In diesem Moment war ich so verdammt wütend. Da hatte ich mal jemanden gefunden, den ich mochte und schon wurde mir verboten, sie zu sehen. Dachte ihre Mum tatsächlich, ich würde eine Bedrohung für sie darstellen? War ich wirklich so krank, dass ich nicht mal den Kontakt zu ihrer Tochter pflegen durfte?
"Schätzchen, ist alles okay?", ertönte die Stimme meiner Großmutter.
Ich lief im Flur hin und her, versuchte dabei immer wieder meine Atmung unter Kontrolle zu bekommen. Meine Anspannung loszuwerden.
"Bitte...geh' einfach", murmelte ich leise.
Doch sie machte bloß einen Schritt auf mich zu, streckte die Hand nach meiner Schulter aus, doch ich schlug diese beiseite.
"Lass mich...einfach in ruhe", zischte ich nun deutlich lauter und sah sie fest an.
Sie sah mich erschrocken an, auch wenn es nicht das erste mal war, dass ich so reagierte.
Sie zog sich nun doch langsam zurück und ging wieder in die Küche.
Darüber war ich mehr als froh, denn gerade brauchte ich meine Ruhe.
Ivory Wheeland
Ich konnte beim besten Willen nicht verstehen was an Michael gefährlich sein sollte und das war es, was mich am meisten enttäuschte an der ganzen Sache. Meine Mutter sah nur die Probleme die er hatte und nicht den Menschen, der hinter diesen Problemen steckte. Sie betrachtete ihn als Psychiaterin und nicht als meine Mum oder seine Nachbarin. Es war einfach so...so ignorant von ihr.
Frustriert zog ich mir die Bettdecke über den Kopf und vergrub mein Gesicht im Kissen. Mir war zum heule zu Mute, doch ich tat es nicht. Ich weinte so gut wie nie, das hatte ich damals zu oft getan. Stattdessen schrie ich nun meine ganze Wut in mein Kissen und verstummte erst, als plötzlich die Musik ausging. Jedoch war die CD keinesfalls zu Ende, denn sie war mitten im Lied gestoppt. Zögernd kroch ich unter der Bettdecke hervor und sah mich kurz um. Niemand war hier. Ich stand auf, um zum CD-Player hinüber zu gehen. Lediglich die Musik hatte gestoppt, angeschaltet war er noch. Ich entschied mich dazu ihn auszuschalten und als ich zurück zum Bett wollte viel mein Blick auf die Tafel an der Wand. Sie hing bereits dort, als wir hier eingezogen waren und ich hatte sie einfach dort gelassen, jedoch noch nicht beschrieben oder bemalt. Nun stand jedoch ein einziges Wort auf ihr.
"Taint.", murmelte ich leise und legte den Kopf leicht schief. Das was Constance erzählt hatte entsprach also mit großer Wahrscheinlichkeit der Wahrheit. Dieses Haus war nicht normal und wir waren nicht alleine. Mich hätte es wohl beunruhigen sollen, doch momentan war mir alles egal. Ich konnte nur an Michael denken.
Michael Langdon
Nach etwa 20 Minuten, in denen ich nur im Flur herum gestiefelt war, hatte ich mich wieder etwas beruhigt.
Mein Puls war runtergegangen, meine Anspannung war weitestgehend erloschen...
Ich atmete tief durch, ehe ich mich dann auf den Weg in die Küche begab.
Grandma sah zum Fenster hinaus, hatte eine Zigarette zwischen ihrem Zeige- und Mittelfinger. Ich sah sie kurz von der Seite aus an, bevor ich vorsichtig auf sie zuging.
Sie hatte geweint, das hörte ich an ihrem leisen Schniefen und sah es, weil sie sich die restlichen Tränen aus den Augen wischte.
Sachte umarmte ich sie von hinter, legte mein Kinn auf ihre Schulter.
Dass ich sie so traurig gemacht hatte, brachte bei mir selbst ein paar einzelne Tränen hervor.
"Es tut mir so leid", murmelte ich.
Ich hatte das nie gewollt.
Ivory Wheeland
Den Rest des Tages kam ich nicht mehr aus meinem Zimmer und stand auch nicht von meinem Bett auf. Ich lag einfach da und dachte zuerst über Michael nach und dann schließlich über gar nichts mehr. Stattdessen starrte ich die Zimmerdecke an, bis ich müde wurde und mir die Augen zu fielen. In dieser Nacht schlief ich ziemlich unruhig. Ich träumte zwar nicht direkt etwas, hörte aber immer wieder eine Frau weinen und fragen wo ihr Kind wäre.
Am nächsten Morgen wachte ich durch das Klingeln des Weckers auf. Müde quälte ich mich aus dem Bett und das nur aus dem Grund, dass ich Michael sehen konnte, wenn ich zur Schule ging.
Ich zog mir also frische Kleidung an, bestehend aus einem schwarzen Rock, einem karierten Hemd und einer schwarzen Strumpfhose. Ausnahmsweise band ich meine Haare mal zu einem lockeren Zopf zusammen, ehe ich dann das Zimmer verließ.
Ich lief nach unten in die Küche, traf meine Mutter aber dort nicht an. Überrascht darüber lief ich in ihr Zimmer, doch auch dort war sie nicht. Als nächstes führte mein Weg mich also in ihr Arbeitszimmer, wo ich sie schlafend vorfand. Sie saß auf ihrem Schreibtischstuhl, die Arme auf dem Tisch und den Kopf auf den Armen. Um sie herum lagen einige Taschentücher, welche mir verrieten, dass sie gestern wohl geweint hatte. Mit einem leisen Seufzer lief ich ins Wohnzimmer und schnappte mir eine Wolldecke, welche ich dann wenig später über meine schlafende Mutter legte.
"Ich hab dich lieb.", flüsterte ich und ließ kurz meine Hand auf ihrem Rücken ruhen, ehe ich mich dann in den Flur begab. Dort zog ich meine Schuhe an, schnappte mir die Schultasche und verließ das Haus. Anstatt jedoch Richtung Schule zu laufen, ging ich zum gegenüberliegenden Haus hinüber und wartete vor dem Grundstück auf Michael.
Michael Langdon
Es war der nächste morgen. Auch in dieser Nacht hatte ich zwar, wenn auch nur um die 3 Stunden, Schlaf bekommen, jedoch waren da wieder diese Stimmen und sie waren lauter als zuvor. Und klarer zugleich. Die meiste Zeit über hatte ich eine Frau gehört, wie sie verzweifelt nach ihrem Kind schrie. Und einen Kerl, der irgendeinem Mädchen nach heulte, keine Ahnung. Es war eh nur reiner Mist.
Ich ging duschen, zog mir dann meine schwarze, zerrissene Jeans, einen dunkelgrau gestreiften Pulli und meine Chucks an. Meine Haare machte ich ebenfalls noch etwas zurecht, ehe ich nach unten zu Grandma in die Küche ging. "Guten Morgen, mein Schatz. Was willst du frühstücken?", fragte sie mich sogleich lächelnd.
"Hab kein Hunger. Trotzdem Danke", murmelte ich leicht lächelnd.
"A-aber du musst doch was essen. Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages", widersprach sie mir.
"Ich weiß, Grandma. Trotzdem...heute nicht. Ich muss los, bis nachher", sagte ich und gab ihr einen sanften Kuss auf die Wange.
Dann lief ich zum Eingangsbereich, zog mir meine schwarze Jeansjacke an und schnappte mir meinen Rucksack. So verließ ich dann das Haus und zog die Tür hinter mir zu, doch...okay, damit hätte ich nicht gerechnet.
"Hey", meinte ich und ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich Ivy vor meinem Haus stehen sah, und ging auf sie zu.
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