Chapter 1
Ivory Wheeland
"Bitte versuch an deinem ersten Tag keinen Ärger zu machen.", sprach meine Mum zu mir, als ich an diesem Morgen in die Küche kam, um mir eine Mandarine zu nehmen, welche ich zum Frühstück verspeisen wollte. Anstatt auf ihre Frage zu antworten, blickte ich mich flüchtig um.
"Wo ist Dad?", wollte ich wissen, woraufhin meine Mutter ihren Blick von mir abwendete und hastig ihrer momentanen Tätigkeit weiter nachging, nämlich dem abwaschen.
"Er musste heute Nacht weg. Ein dringender Anruf und ein wichtiger Termin.", antwortete sie so knapp wie möglich. Sogleich verdrehte ich die Augen, sagte aber nichts weiter dazu. Stattdessen machte ich mich daran die Küche zu verlassen. Im Türrahmen verharrte ich und drehte mich zögernd zu meiner Mum um, musterte sie von hinten. Ein kurzer mitfühlender Blick meinerseits. Sie hatte das nicht verdient.
"Ich werde mir Mühe geben.", versprach ich ihr dann doch noch auf ihre Frage, ehe ich den Raum verließ.
Im Flur zog ich mir meine schwarze Dr. Martens an, schnappte mir die Schultasche, welche ich schulterte und verließ dann das Haus. Nun ging es also in die Schule. In die neue Schule. Es wäre eine Lüge, wenn ich sagen würde, dass ich mich freute. Auf dem Weg dorthin schälte ich meine mitgenommene Frucht und schmiss die Schale in die Büsche, an denen ich hin und wieder vorbei kam. Ich liebte den Geruch von Mandarinen, ebenso wie den Geschmack. Aber nur, wenn sie noch ein wenig säuerlich und nicht gänzlich süß waren. Glücklicherweise war es bei diesem Exemplar der Fall.
Michael Langdon
Neuer Tag, neues Glück.
Eigentlich. Außer, wenn es sich bei diesem Tag um einen Montag und somit dem Start in eine nächste Schulwoche handelte.
Es fiel mir schwer, das Bett zu verlassen, so wie es eigentlich an nahezu jedem morgen der Fall war. Ich war noch nie wirklich ein Mensch gewesen, der das Glück von sanften und erholsamen Nächten und Träumen hatte. Stattdessen schlief ich zumeist schlecht und meine Träume waren...naja, auch nicht gerade die besten.
Schließlich schaffte ich es doch, mich aus dem Bett und unter die Dusche zu quälen. Lag vielleicht auch nur an dem Geruch von Frühstück, welcher bereits von unten aus der Küche auf mein Zimmer hinauf strömte. Eilig zog ich mir nach dem Duschen ein paar zerrissene, schwarze Jeans, ein altes Pearl Jam Shirt und meine dunkelroten Chucks an, ehe ich mich dann nach unten in die Küche begab.
"Morgen", grüßte ich meine Grandma, während ich mich daran machte, den Küchentisch zu decken. Sie stand am Herd und wendete gerade einen Pancake, als sie sich kurz zu mir umdrehte und leicht lächelte. "Guten Morgen, mein Schatz. Wie hast du geschlafen?", fragte sie mich.
Ich zuckte lediglich mit den Schultern, während ich die Teller auf dem Tisch platzierte. "Geht. Und Du?", erwiderte ich.
"Hach, naja", murmelte sie leicht seufzend.
"Vergiss bitte heute Nachmittag deinen Termin bei dieser neuen...Therapeutin nebenan nicht, Ja?", erinnerte sie mich.
"Psychaterin. Sag's doch, wie es ist", meinte ich dann, nicht einmal vorwurfsvoll oder sonst was. Es entsprach einfach nur der Wahrheit. Grandma wollte mich schon seit langem zur Therapie schicken, weil sie sich davon wahrscheinlich irgendeine Art von Besserung für mich erhoffte, keine Ahnung. Sie war jedenfalls mehr als glücklich gewesen, als sie herausgefunden hatte, dass nebenan eine neue Familie einzog, bei der ein Familienmitglied Psychaterin war. Natürlich hat sie sofort eine Probesitzung für mich organisiert.
"Heute um 16:30", erinnerte sie mich erneut.
"Verstanden", murmelte ich.
Wir saßen schweigend beieinander und aßen Frühstück, ehe ich dann meinen schwarzen Rucksack und meine schwarze, etwas zu groß sitzende Jeansjacke schnappte und mich auf den weg zur Schule machte.
Ivory Wheeland
Und dann stand ich schließlich vor dem Gebäude, welches meine neue Schule darstellte. Ein leiser Seufzer entwich mir. Erwartungen hatte ich keine. Diese Irrenanstalten waren sowieso alle gleich. Lehrer, die Sachen unterrichteten, die man später so gut wie gar nicht benötigte, außer man hatte selbst die Absicht Lehrer zu werden und Schüler, die dachten ein guter Ruf wäre das wichtigste auf der Welt und ihr Ego pushten, in dem sie andere runtermachten. Und es gab immer die gleichen Gruppierungen an jeder verdammten Schule. Ich selbst gehörte wohl zur Gruppe der Einzelgänger, die stets Ärger machten und sich kaum am Unterricht beteiligten. Trotzdem schrieb ich glücklicherweise einigermaßen annehmbare Noten, weshalb meine Versetzung nie gefährdet war. Ich hatte auch nicht das geringste Quäntchen Lust ein Schuljahr wiederholen zu müssen und dadurch noch ein weiteres Jahr meines Lebens in der Schule zu verschwenden.
Ich aß das letzte Stück meiner Mandarine und atmete noch einmal tief durch, ehe ich dann das Schulgelände betrat. Sicheren Schrittes und mit stets nach vorn gerichteten Blick, lief ich auf den Haupteingang des Gebäudes zu, welchen ich bereits kurz darauf erreichte. Ich betrat die Schule und blickte mich einmal flüchtig um. Erstaunlicherweise hatte man es auf dieser Schule geschafft den Weg zum Sekretariat auszuschildern, weshalb ich es recht schnell fand. Kurz klopfte ich an, wartete aber nicht auf eine Reaktion, sondern ging einfach hinein.
"Ivory Wheeland, ich bin neu hier. Wo muss ich hin.", kam ich gleich zur Sache. Keine Begrüßung, keine aufgesetzte Höflichkeit und ich erwartete auch nicht, dass die Dame mittleren Alters, welche hinter dem Schreibtisch saß, mir dies entgegen brachte. Ich wollte schlichtweg Fakten und keinen ätzenden Smalltalk. Sie schien dies nicht zu begreifen, begrüßte mich stattdessen, hieß mich willkommen und redete elendig lange um den heißen Brei herum.
Michael Langdon
Mein Schulweg war nicht sonderlich lang, weshalb ich auch ohne Probleme zu Fuß gehen konnte. Naja, so musste ich mich immerhin nicht in einen vollkommen überfüllten und stickigen Bus mit all den anderen, nervigen Mitschülern zwängen, sondern konnte ganz in Ruhe an der frischen Luft und mit Kopfhörern in den Ohren, über welchen gerade Rise Against lief, Richtung Schule laufen. Nach vielleicht 20 Minuten entspannten Gehens war ich dann bei dem großen Schulgebäude angekommen und seufzte innerlich auf. Ich war nie ein großer Freund von der Schule gewesen. Na gut, an sich war die Schule ganz okay, nur die Schüler konnten ziemlich nerven. Hier zählte ich wohl eher zu den Außenseitern, aber ich wollte auch um Gottes Willen nicht "dazu gehören". Hatte ich noch nie gewollt. Ich betrat die Schule und lief sogleich zu meinem Schließfach, um dort mein Mathe Buch für die nächste Stunde hervor zu kramen. Ich hoffte einfach, den Schultag irgendwie gut zu überstehen. Ohne irgendwelche Vorfälle wie letzte Woche.
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