Kapitel 1

- 2 Monate nach dem Ausbruch -

Das Funkgerät rauscht. Immer und immer wieder. "Schwarzer Falke? Hörst du mich? Bitte melden". Verzweifelt wurde die Nachricht zig mal wiederholt. "Das ist immer noch ein furchtbarer Name", nach gefühlten Ewigkeiten meldete sich jemand zurück, seine Stimme amüsiert, doch zugleich gestresst, als würde er wissen, die Not in ihrer Stimme konnte nichts gutes heissen."Ach Komm, du bist 'nen klasse Jäger, wie ein Raubvogel eben, das passt", erwiderte die weibliche Stimme mit einem erleichterten und amüsierten Seufzen, doch die guten Emotionen hielten nur für einen kurzen Moment, sie hatten nicht viel Zeit. "Du musst raus aus der Stadt. Sofort", sprach die Frau in einem autoritären Ton. "Wovon redest du? Ich kann hier nicht weg, die Kinder sind noch nicht zurück". Für einen Moment herrschte Stille. „Du musst sie finden und mit ihnen verschwinden, die Stadt wird bombadiert - ich hab zwar 'nen hohen Rang aber da hab ich nichts mitzureden, ich kann dich diesmal nicht beschützen", Verzweiflung wuchs in der Frau und folgend auch hörbar in der männlichen Stimme. Er verstand, dass es da nichts mehr zu diskutieren gab, sie kannten sich zu gut. „Wie kann ich dich finden..?", er wusste, dass die Zeit drängte, sie hatten sich auf wichtige Dinge zu konzentrieren. „Der Plan ist Quarantäne-Zonen aufzubauen.. Such dort nach mir.. Ich weiß noch nicht, wo ich hin versetzt werde. Pass auf dich und deine Kinder auf, versprich es mir". Keiner der beiden war je gut mit Gefühlen, es war selten, dass sie ihre Sorgen umeinander deutlich machten. „Ich versprechs. Ich werde dich finden. Wir sehen uns wieder".

„Jules- Hey Jules, wach auf - du träumst schon wieder..", ich schreckte auf als sich warme Arme um mich schlangen in der Hoffnung mich zu beruhigen. „Hey - Pscht.. Alles gut - Ich bins", glücklicherweise erkannte ich die Stimme bevor ich meinen Reflexen folgte und um mich schlug, aber er hatte aus seinen Fehlern gelernt, hielt seine Arme fest um meine damit ich gar nicht die Gelegenheit hatte aus Schreck auf ihn einzuprügeln. „Wieder der selbe Traum..?", fragte Tommy einfühlsam und strich mir eine verschwitzte Strähne aus dem Gesicht. Seine blonden Locken standen verwuschelt in alle Richtungen, als ich ihn kennengelernt hatte waren sie immer kurz und gepflegt, aber seit dem Ausbruch war Aussehen von geringer Priorität. Ich nickte nur, es war nichts neues, schon lang nicht mehr und er kannte meine Träume inzwischen vermutlich so auswendig wie ich selbst. „Es ist lächerlich, ich habe in Kriegen gekämpft aber mein schlimmster Albtraum ist das letzte Gespräch mit meinem besten Freund?". Ich streckte meine erschöpften Gliedmaßen von mir, wirklich erholsamen Schlaf konnte sich ohnehin keiner mehr leisten, aber die Träume machten mir wirklich zu schaffen. Tommy drückte mir einen Kuss auf die Wange, „Du sollst das nicht immer so schlecht reden, er war dir eben wichtig". „Er ist", unterbrach ich ihn schroffer als gewollt, „Er ist mir wichtig und er ist nicht tot - vorallem ist er keiner von den Infizierten". Wir hatten dieses Gespräch schon häufiger, Tommy hatte es aufgegeben mich davon zu überzeugen in Betracht zu ziehen, dass mein bester Freund vermutlich tot war. Aber ich war überzeugt, dass er noch lebt. Daryl war ein Überlebenskünstler, ein Jäger, schon in unserer frühsten Kindheit, er würde sich nicht von mörderisch infizierten Menschen fressen lassen..

Mit einem Seufzen erhob sich mein Freund von seiner Seite des Bettes, „Gehen wir frühstücken?", fragte er während er sich anzog. Ich beobachtete wie sich die Tarnfarbende Uniform an seinen Körper schmiegte, das grün harmonierte mit seinen Augen.. - Ich hatte schon immer eine Vorliebe für Männer in Uniformen, vermutlich bin ich deswegen selbst zur Army gegangen. „Ich komme gleich nach. Erfrag schon mal für mich wie Owens Patrouille lief, das würde mich interessieren". Eine der Außenposten hatte regelmäßig Probleme, täglich musste ich mich um meine Leute sorgen. Die Infizierten waren einfach überall.. Als Leiterin der Quarantänezone hatte ich eine Menge Verantwortung, mehr als mir lieb war.. Ich musste für die Sicherheit von allen garantieren können.. Tommy nickte, lehnte sich übers Bett und gab mir einen Kuss, „Ich erkundige mich".

Ich blieb noch ein paar Minuten unter der warmen Bettdecke, versuchte der Realität nur noch ein klein wenig länger zu entfliehen, da meine Träume aber etwa genauso düster waren, brachte es mir reichlich wenig. Mit einem Strecken beugte ich mich übers Bett um nach meiner Jacke zu greifen, aus der Tasche zog ich ein altes Bild, was jedes mal wenn ich es in die Hand nahm mehr und mehr Papierfetzen verlor. Technik funktionierte nicht mehr, es war nicht möglich es einfach nochmal neu auszudrucken, so war es mein einziges Andenken an mein Leben vor dem Ausbruch. Die Belichtung des Bildes war eine Katastrophe, aber was sollte man erwarten, mitten im Wald vor einer einsamen Hütte bei einem Jagdausflug? Vier Leute lachten mich an, darunter eine jüngere Version von mir selbst, sowie die Menschen die ich meine Familie nannte, auch wenn wir nicht genetisch miteinander verwandt waren. Daryl, mein bester Freund, zusammen hatten wir es gemeistert unsere verkorkste Kindheit wenigstens ertragen zu haben, seine dunklen Haare auch auf diesem Bild eher ungepflegt und fettig, aber das gehörte zu seinem Charme. Seine zwei Kinder lachten besonders auf dem Bild, Henry und Ray - die eigentlich Avery hieß aber selten bei ihrem Namen genannt wurde, sie hatten sich kurz vorher wieder einen Scherz erlaubt, wie so oft wenn ich zu Besuch war.

Trotz Daryls stetiger Angst ein schlechter Dad zu sein waren seine Kinder absolute Perfektion. Henry war im Football-Team der Highschool und super beliebt, jobbte nebenbei in einer Werkstatt - an Motorrädern und Autos rumschrauben war sein absolutes Hobby, was er sicher zum Beruf gemacht hätte.. Und Ray oder Peanut - wie ich sie liebevoll nannte, war eine kleine Rebellin. Nicht im schlechten Sinne, denn sie war genau so, wie ich mir meine Tochter vorgestellt hätte, mir dem Punkt das ich nie Kinder hatte oder haben werde, aber charakterlich war sie genau so. Taff, rebellisch, stur; eine Kämpferin die ihr Ding durchzieht und vor nichts zurück schreckt - und dafür hab ich sie immer ganz besonders geliebt. Daryl hatte oft Scherze gemacht, dass ich mehr wie ihre Mutter wirkte als ihre leibliche und jedes mal wieder war ich stolz, auch wenn es oft nur aus Spaß gemeint war.

Was würde ich dafür geben um nochmal das überglückliche "Tante Jules" zu hören.. Ob von Henry oder von Ray, es würde mir beides so viel bedeuten.. Aber ich wusste nicht mal ob sie noch lebten, oder ob Daryl lebte.. Ich wusste nicht, ob er seine Kinder gefunden hatte oder ob sie durch die Bomben, die die Army auf die Städte geworfen hat, getötet worden waren.. Ich wusste auch nicht, ob sie nicht längst infiziert sind.. infiziert und irgendwo als hirnlose Kannibalen umher stolperten.. - Ein weiterer wiederkehrender Albtraum.

Ich atmete tief durch, steckte das Bild zurück in meine Tasche und zog meine Uniform an. Wenn der Staat auch längst gefallen war, so war ich trotzdem noch Soldatin. Colonel Bennet. Den Titel hatte ich mir hart erkämpft und ich war stolz darauf. Nicht besonders stolz jedoch war ich auf die Taten der Army, die Befehle die wir beim Ausbruch bekommen hatten und ausführen mussten. Ich verstand die Zurückhaltung der Überlebenden gut, die geteilten Meinungen in meiner Zone, die geheime Furcht - das Militär war gefährlich- aber das waren normale Menschen auch - und vorallem infizierte Menschen.
Und wir hatten alle eine Gemeinsamkeit: wir wollten alle überleben.

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