9. Die Kollegin im Hintergrund...

Eine halbe Stunde nach der Vernehmung der Studierenden, ging der FBI-Agent Daniel O'Connors festen Schrittes auf den schwarzen Lieferwagen zu, der noch immer etwas abseits auf dem Hof des Polizeireviers parkte.
Kaum hatte O'Connors den Wagen erreicht, wurde plötzlich direkt vor ihm die Seitentür aufgezogen. Daraufhin sah man, wie im Inneren des Wagens eine rothaarige Frau an eine Art kleinem Tisch saß und den ankommenden FBI-Agenten skeptisch in Augenschein nahm, während ein etwas unwichtigeres Mitglied des FBI die Wagentür bis zu ihrer hintersten Stellung zurückzog und einrasten ließ.

"Und, wie ist es gelaufen", fragte die Frau und schaute O'Connors mit ihren blauen Augen kühl an.
Der Gefragte blieb direkt an der geöffneten Seite des Wagens stehen und brummte mit zuckenden Achseln. "Sie haben mir ihre Geschichte erzählt", meinte er, "aber das Ganze bleibt fragwürdig. Ich bin mir sicher, dass sie etwas verbergen."
Die rothaarige Frau seufzte und schlug die Augen für einen längeren Moment nieder. "Sind Sie sicher?", fragte sie mit ihrer etwas tieferen, leicht rauchigen Stimme. "Ich glaube ja noch immer nicht, dass die Beiden etwas mit dem Fall zu tun haben." Ihre Skepsis war unüberhörbar.

"Hhm", brummte O'Connors verärgert und sah seine Kollegin scharf an. Sie hatte wieder diesen Besserwisserblick drauf, den er inzwischen schon kannte. Den Kopf hielt sie dabei zur Seite. Die Haarspitzen ihrer roten, halblangen Haare, die sie bis zum Hals trug, hingen aufgrund ihrer Kopfhaltung ein wenig in der Luft und verstärkten die doktorhafte Aura, die sie immer umgab.
"Ich sehe das anders", antwortete O'Connors schließlich, "die wissen mehr von der ganzen Sache, als ich erst dachte. Für einen Augenblick hatte ich sogar das Gefühl, dass sie den Dolch schon mal gesehen hatten."

"Hhm", brummte nun seine Kollegin und schürzte ihre Lippen. "Das wäre in der Tat äußerst seltsam."
O'Connors nickte und stellte dann die Frage, die ihm schon unter den Nägeln brannte: "Haben Sie meine Vermutung überprüft?"
Die rothaarige Frau mit den blauen Augen nickte. "Was das angeht, hatten Sie Recht", sagte sie, "die Beiden haben wirklich Tickets in die USA. Ihr Flieger geht Montag früh von Berlin nach New York."
"Na so ein Zufall, was?!", meinte O'Connors bissig und ließ seine Zähne aufblitzen.

Die FBI-Agentin senkte ein weiteres Mal ihre Augen. Sie seufzte, rutschte etwas vor, sah O'Connors wieder an. "Hören Sie, Daniel", sagte sie mit Wohlwollen in der Stimme, die nun noch einen Ticken tiefer klang. "Das sind Studenten. Die werden die Tickets vor Monaten gebucht haben."
Ihr Kollege brummte nur abschätzig und erwiderte dann: "Das heißt noch lange nichts. Sie können trotzdem mit drin stecken und bereits vor längerer Zeit kontaktiert worden sein."
"Hhm", brummte die FBI-Agentin und schaute wieder etwas ernster. "Sie glauben doch nicht im Ernst, dass der Orden diese Entführung monatelang im Voraus geplant hat", meinte sie skeptisch. "Vielleicht wochenlang - ja. Und selbst wenn, klingt es doch weit hergeholt, dass Studenten aus Germany dem Professor bei der Tat geholfen haben."

O'Connors schnaubte unwillig und betrachtete seine Kollegin verärgert. Sie hielt ihren Mund in einer typischen Geste etwas vorgestreckt. Der aufgetragene rote Lippenstift wirkte aufgrund ihrer sehr blassen Haut wie ein bunter Fleck in einer kargen Landschaft.
"Glauben Sie, was Sie wollen", gab O'Connors von sich, "ich sehe darin jedenfalls eine Spur und der werde ich nachgehen."
Die Agentin schlug erneut betont langsam die Augen nieder. Plötzlich sah sie ihn wieder an und man konnte Fürsorge in ihrem Blick erkennen. "Ich möchte nur nicht, dass Sie sich zu sehr in etwas verrennen", meinte sie mit wieder ruhigerer Stimme. Sie zögerte, schürzte ihre roten Lippen und ergänzte: "Hören Sie - ich kenne den Grund, warum Sie unbedingt diesen Fall übernehmen wollten." Sie schaute ihn durchdringend an. "Ich weiß von ihrem persönlichen Bezug zu Silent Hill..."

"Das geht keinen was an!", brach es sofort aus O'Connors hervor.
"Wenn einem Kollegen die Professionalität abgeht, schon", konterte die Agentin mit nun schärferer Stimme. O'Connors kniff verärgert den Mund zusammen.
"Von mir aus hängen Sie sich an die Beiden ran, wenn Sie es unbedingt wollen", sagte sie dann mit wieder etwas versöhnlicher, "ich möchte nur, dass Sie auf sich achtgeben, Daniel." Ihre blauen strahlten Besorgnis aus. O'Connors wirkte besänftigt und nickte kurz.
"Und was auch immer Sie vorhaben", fügte seine Kollegin mit festerer Stimme hinzu, "auf keinen Fall - ich wiederhole - auf keinen Fall fahren Sie nach Silent Hill!"

Der FBI-Agent schaute mürrisch drein. Es war sofort zu erkennen, dass ihm diese Ansage nicht passte. Er straffte die Schultern und musterte seine im Wagen sitzende Kollegin bohrend. "Ist das eine offizielle Dienstanweisung?", fragte er brummig.
"Leider ja", erwiderte die Agentin sofort mit Bestimmtheit in der Stimme. "Und zwar nicht von mir, sondern der ganz obersten Etage." Sie hielt den Kopf wieder zur Seite und sah O'Connors musternd an. "Sie wissen doch, was mit Anders und Murphy voriges Jahr geschah." Die blauen Augen schauten fragend in sein Gesicht.
Zögerlich nickte O'Connors.
Kaum hatte er das getan, fuhr seine Kollegin fort: "Das hat ganz große Wellen geschlagen. Bis nach ganz oben. Also, wenn Sie auf keine Suspendierung scharf sind, Daniel, sollten Sie sich besser daran halten."
O'Connors schnaubte, sah zur Seite und schüttelte den Kopf.
"Abgesehen davon wär's mir lieber, wenn Sie aus diesem Fall heil in einem Stück herauskommen", fügte die Agentin wieder mit etwas ruhigerer Stimme hinzu.

Agent O'Connors brummte nur und sah die Kollegin mit hochgezogener Braue an. "Keine Bange, Scully...", erwiderte er leicht sarkastisch, "so leicht werden Sie mich nicht wieder los."
Seine Kollegin schmunzelte leicht. Dann meinte Sie ernster: "Wenn Sie wollen, besorge ich Ihnen Tickets nach New York. Alles Weitere liegt dann bei Ihnen."
O'Connors grinste nun fast fröhlich. "Das wäre großartig", meinte er betonend mit einem Haifischgrinsen.
Die Agentin Scully nickte, erhob sich und wollte die Seitentür des Wagens wieder zumachen.
"Was haben Sie eigentlich als Nächstes vor?", fragte O'Connors eindeutig interessiert.
Scully hielt mit der Hand an der Wagentür inne, schaute ihren Kollegen an und erwiderte: "Ich habe in Germany noch etwas zu überprüfen. Es geht um die Vampirvorfälle in diesem kleinen Ort namens Eichenstedt."

O'Connors guckte erst irritiert, dann nickte er wissend. "Ah ja - die Sache in New Orleans, richtig?!"
Scully nickte. "Ganz Recht", antwortete sie betonend. "Wie dem auch sei - ich werde noch etwas länger hier zu tun haben. Melden Sie sich einfach aus New York bei mir, wenn es etwas Neues von den Studenten gibt."
Ihr Kollege nickte. "Alles klar, Scully."
Doch noch während er das sagte, flog die Seitentür des schwarzen Lieferwagens bereits mit einem großen Rumms vor seiner Nase zu.

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