1. Kapitel

„Ach komm schon, Tilda, so schwer ist das doch nicht. Jetzt trau dich schon", rief ich meiner kleinen Schwester zu.

Sie war fünf Jahre jünger als ich und ich musste jeden Moment auf sie aufpassen, dass sie nichts Dummes anstellt. Das tat sie nämlich für gewöhnlich sehr oft und gerne.

„Ich trau mich aber nicht", rief Tilda mir entgegen.
Sie stand ängstlich auf dem Steg und starrte ins Wasser.

„Wenn du es jetzt nicht machst, machst du es nie", rief ich ihr von dem Fischerboot aus zu.

„Na gut ich machs, aber nur für drei Sekunden", rief sie mir zu und schloss die Augen.

Nach kurzer Zeit jedoch öffnete sie diese schon wieder. „Ich trau mich trotzdem nicht", meinte sie kleinlaut.

Ich seufzte. Wenn man nur einmal Spaß haben wollte, musste einem die kleine Schwester schon wieder einen Strich durch die Rechnung machen. Nur weil sie sich nicht traute.

„Ach komm schon, Tilda. Oder muss ich dich etwa reinschubsen?", rief ich ihr entgegen.

„Nein, nicht schubsen", kreischte diese.

„Das ist wirklich lustig, glaub mir. Und danach hattest du wenigstens eine schöne Abkühlung", versuchte ich sie nochmals zu überreden, ins Wasser zu springen, „Ich bin ja auch reingesprungen und siehst du, ich bin noch quicklebendig", zum Beweis versuchte ich möglichst nicht zu zittern vor lauter Kälte.

Im späten Herbst war es eben doch noch was ganz Anderes, als im Hochsommer, in den See zu springen. Trotzdem war es deutlich lustiger, als es nicht zu tun.

Ich schnappte mir also die beiden Ruder des Bootes und ruderte die Paar Meter, zurück zum Steg.

„Vielleicht schaff ich es ja morgen", meinte meine Schwester vorsichtig.

Ich seufzte nochmal. Morgen musste ich bestimmt viel zu viel putzen, um nochmal ins Wasser zu springen.

Seit unsere Mutter gestorben war musste ich alle Hausarbeiten übernehmen und das konnte schon nach einigen Wochen ganz schön nervig sein.

Aber was sollte das schon? Irgendwer musste sich schließlich um all das kümmern.

Es war noch nicht allzu spät am Nachmittag und so musste ich noch nicht Kartoffeln für das Abendessen schälen.

Es ist ja nicht so, dass ich nicht gerne mithelfe, ganz im Gegenteil ich koche sogar sehr gerne. Aber wenn die Alternative zum Kochen draußen in der Abenddämmerung die Vögel beobachten ist, dann habe ich das alles satt.

Meine kleine Schwester und mein Bruder Bain mussten so gut wie nie im Haus mithelfen. Wenn das nicht mal gemein war.

Da kam mir eine Idee, was ich bis zum Abendessen machen könnte. Ich wollte meinen kleinen Bruder aufsuchen. Der hatte bestimmt keine Angst davor, in den eiskalten See zu springen. Mit ihm machten solche Spiele sogar richtig Spaß.

Also suchte ich, nachdem ich mich in ein Fischernetz gewickelt hatte, um etwas wärmer zu werden, meinen zwölfjährigen Bruder auf.

Er schlug die Zeit bis zum Abendessen auf eine andere Art und Weise tot. Er schnitzte sich aus Stöcken, die lang genug waren, Schwerter und Speere, die den wirklichen Schwertern ziemlich nahekamen und spielte alte Kämpfe, von denen er gehört hatte mit seinen Freunden nach.

„Willst du mit in den See springen?", fragte ich Bain gleich. Dieser schnitzte gerade an einem Holzspeer herum, das ganz schön faszinierende Schnitzereien hatte, die bestimmt viel Arbeit gemacht hatten.

„Ja, klar", meinte er gleich, als hätte er nur darauf gewartet, dass ihn irgendwer so etwas fragen würde.

Er legte sein Speer beiseite und wir sprangen gemeinsam in den See. Unsere Klamotten zogen uns zwar nach unten, aber es machte trotzdem tierischen Spaß, im Wasser bis zu den nächsten Booten zu paddeln und sich dann gegenseitig von seinen Booten zu werfen.

Tilda stand am Rand des Steges, von dem wir gesprungen waren (hier in Seestadt gibt es eine ganze Mengen von denen) und feuerte uns an.

Somit wurde es doch noch ein wunderschöner, freier Nachmittag, der damit endete, dass der wütende Bootsbesitzer uns von seinen Booten scheuchte.

Ungefähr jeder in der Stadt war Fischer, sowie auch unser Vater, der sich oft weit draußen auf dem See befand und Fische fing, und ungefähr jeder in der Stadt sprang ohne Erlaubnis auf die Boote anderer Leute, die dann diesen jemanden nach Belieben ausschimpfen durfte.

Es war ein ewiger Kreislauf und es würde wohl nie jemand aufhören, auf die Boote anderer zu steigen (es sei denn es war vielleicht das Boot des Bürgermeisters). Dazu war das einfach viel zu praktisch und lustig.

Als der Abend bereits dämmerte, gingen wir drei Geschwister, zwei tropfend und zitternd vor Kälte und eine ziemlich heißer vom Rumschreien und Kreischen, zurück zu unserem Haus.

Ich machte mich schnell an die Arbeit, um noch einige Kartoffeln zu braten und etwas Zwiebeln zu rösten.

Heute Abend sollte eigentlich mein Vater wieder nach Hause kommen. Er hatte eine leere Lieferung an Fässern in unser Dorf zu bringen und dies sollte nicht allzu lange dauern.

Manchmal war unser Vater wochenlang weg, um Fische zu fangen und die Vorräte wurden knapp, aber dem war dieses Mal zum Glück nicht so.

Ich hasste es, wenn mein Vater weg war.

Bain und Tilda, beide in eine warme Decken gewickelt saßen am Feuer, wärmten sich auf und erzählten sich Gruselgeschichten. Ich gab jedem von uns einen Teller und wir aßen diesmal eben vor dem Feuer, da uns so kalt war, unsere Bratkartoffeln.

Die Nacht brach herein, als ich das Geschirr spülte. Bain und Tilda lagen schon im Bett. Ich rechnete damit, dass mein Vater jeden Moment auftauchen würde. Schließlich konnte es ja nicht mehr lange dauern. Außerdem war seine Portion Bratkartoffeln schon wieder kalt geworden.

Fest entschlossen, solange wach zu bleiben, bis mein Vater kommen würde, saß ich vor dem Kaminfeuer.

Die Flammen ließen den gesamten Raum immer wieder aufflackern. Es war still geworden und der Mond schaute durchs Fenster.

Ich wartete und wartete. Die Stunden strichen dahin. Das Feuer wurde immer kleiner.

Ich hätte dringend ein paar Holzscheite drauflegen sollen, aber dazu war ich viel zu müde.

Ich dachte an die Zeit, in der ich noch klein gewesen war und meine Mama immer das Essen für mich gemacht hatte und mich dann ins Bett gelegt hatte.

Ich dachte an die Zeit, wo mein Vater noch öfter zuhause gewesen war, weil er so viele Fische gefangen hatte, dass diese für eine lange Zeit ohne Fischen gereicht hatte.

Ich vermisste diese Zeit.

Und wie ich da so in meine Gedanken versunkten saß und darüber nachdachte, was ich jetzt wohl machen würde, wenn meine Mutter noch leben würde und wann denn mein Vater endlich nach Hause kommen würde, schlief ich schließlich im Schein des Kaminfeuers ein.



Hallo und schön, dass ihr das erste Kapitel schon überstanden habt!!! Und hier habe ich noch die Adresse, woher ich das Bild habe (das habe ich nämlich aus dem heißgeliebten INTERNET!!!) Ach ja, und übrigens macht bei allen meinen Kapiteln meine große Schwester die Absätze rein, weil ich das nämlich nicht kann. Also Ein hoch auf den Baum!!!

https://webtapete.de/der-hobbit-smaugs-einoede-making-lake-town/

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