Vergebung
Ebenjener Harry steht mir gerade gegenüber und blickt ängstlich auf die Thestrale. "M-mon-ster", ächzt er voller Abscheu. Plötzlich fühle ich einen Stich in meinem Herzen. Würde er, wenn er mein wahres Ich sehen würde, mich ebenfalls für ein Monster halten ? Würde er mich mit dem gleichen Abscheu anblicken, der in Snapes Blick lauert wenn er mich ansieht ? Amüsiert stelle ich fest, dass er sich schützend vor mich gestellt hat. "Das sind bloss Thestrale, die tun dir Nichts", murmle ich leicht verträumt. "Sie ziehen die Kutschen ins Schloss." Der Zweifel in seinem Blick verärgert mich etwas, manchmal ist es echt ätzend wenn man von allen für verrückt gehalten wird ! "Weshalb sehe ich sie heute zum ersten Mal?", murmelt er zweifelnd. Vorsichtig nähere ich mich dem anmutigen Geschöpf. Sanft beginne ich seine Schnauze zu tätscheln. "Hallo Tenebrus", lächle ich zärtlich. "Weisst du was das Besondere an Thestralen ist ? Abgesehen davon, dass sie immer ihr Ziel finden? Eigenartigerweise sehen sie nur jene Menschen, die den Tod eines Menschen miterlebten." Nonchalant ignoriere ich die darauf folgende peinliche Stille. Ich ahne bereits, welche Frage ihm derart unter den Nägeln brennt. Ich zögere, bin hin und her gerissen. Doch als ich mich an seinen Abscheu beim Anblick der Thestrale erinnere, fällt es mir leicht zu lügen. "Meine Mutter. Sie starb bei einem Experiment, als ich noch sehr jung war. Ich wurde damals schwer verletzt, einige attestieren mir ja heute noch einige lockeren Schrauben", lächle ich süffisant. Ich bin fassungslos ob der Bitterkeit und dem abgrundtiefen Schmerz, die in meiner Stimme mitschwingen. Ich vermisse meine Familie immer noch schrecklich, es will mir einfach nicht gelingen, zu vergessen. Als er mich vorsichtig in eine tröstliche Umarmung zieht, schnürt mir mein schlechtes Gewissen beinahe die Brust zu. Doch Albus und Snape sind solch ein riesiges Risiko eingegangen um mir dies alles zu ermöglichen, ich würde es ihnen schlecht danken, wenn ich alles aus Gefühlsduseligkeit auffliegen lassen würde.
Einige Zeit ist vergangen, als ich meinen geliebten Thestral Tenebrust wieder sehe. Als Harry erklärt, dass wir schnellstmöglich ins Ministerium müssen, um seinen Paten Sirius zu retten, ist mir sofort klar, dass wir auf den Thestralen reiten werden. Auch wenn schlussendlich einige Überzeugungsarbeit nötig gewesen ist, um die Anderen zum Aufsteigen zu bewegen. Zum Glück sehen Neville und Harry die Thestrale auch, ansonsten hätten die anderen wohl gedacht, das Ganze sei eine meiner Spinnereien. Seufzend gestehe ich mir ein, dass ich Angst habe. Wie noch nie zuvor in meinem Leben. Ich habe schon sehr oft dem Tod ins Auge geblickt. Ein kleines Schmunzeln kann ich mir nicht verkneifen, beim Gedanken an meine waghalsigen Entdeckungstouren im Verbotenen Wald. Doch das Lächeln verlischt allzuschnell. Dieses Mal bin ich nicht allein, alle Menschen die ich liebe, begleiten mich. Und dieser Gedanke ängstigt mich zutiefst. Als mich Neville schüchtern anlächelt, obwohl er offensichtlich ebenso viel Angst hat wie wir alle, erwidere ich sein Lächeln dankbar. "Danke", murmle ich, doch der Flugwind trägt meine Worte ungehört davon. Energisch schiebe ich die Gedanken beiseite. Ich werde sie alle unverletzt aus diesem Schlamassel rausboxen oder beim Versuch abkratzen.
Meine innere Ruhe und Gefestigtheit geraten ins Wanken, als ich den Schleier erblicke. Als ich ihn plötzlich wiedersehe. Sofort sind all die widerstreitenden Gefühle wieder da: Zärtlichkeit, Glück, Liebe und zugleich auch Schmerz, Verzweiflung, Wut. Ich bin wieder das zehnjährige Mädchen, das an ihrer Schuld am Tod ihres Bruders zu zerbrechen droht. "Es tut mir so leid", flüstere ich, spüre die Tränen in meinen Augenwinkeln. Zu meiner Überraschung lächelt er mich an und legt seine Hand auf sein Herz. Unser alter Gruss. Als ich ihn ebenfalls lächelnd erwidere, fällt eine riesige Last von meinen Schultern. Er ist glücklich. Er hasst mich nicht. Sichtlich zufrieden betrachtet er mich, neigt seinen Kopf ein letztes Mal und verschwindet wieder. Ehe ich in Versuchung geraten kann, ihm zu folgen, schliesst sich Ginnys Arm schraubstockartig um den meinigen und ich werde aus meiner unheimlichen Trance gerissen. Erst viel später habe ich begriffen, dass in dieser Nacht der Geist meines Bruders endlich seinen Frieden gefunden hat.
Mein Hochgefühl schwindet, als weder der Dunkle Lord noch Sirius in der Ministeriumsabteilung sind. Mit einem flauen Gefühl beobachte ich, wie Harry die Prophezeiung an sich nimmt und sehe mich bestätigt, als die Todesser plötzlich auftauchen. Ich kämpfe wie eine Löwin um meine Freunde zu beschützen, doch ich versage....
Als ich meine Augen öffne, blicke ich in seine vertrauten schwarzen Augen. Glücklich und noch etwas weggetreten lächle ich ihn an. "Ich liebe dich", lalle ich kaum verständlich. Obwohl er keine Miene verzieht, sehe ich das verdächtige Glitzern in seinen Augen. Um ehrlich zu sein, werde ich ihn in den Ferien am meisten vermissen. Bevor ich wieder einschlafe, spüre ich die sanfte Berührung seiner Lippen meiner Stirn.
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