Kapitel 37: First Date (2.126)
Taehyung's Sicht:
Prüfend stehe ich vor dem Spiegel und lobe mich schon fast selbst, wenn nur nicht meine Haare so unordentlich aussehen würden, denn ja, es ist schon soweit. Jungkook wird bald hier sein, um mich für unser Date abzuholen. Ich will nicht, dass meine Haare gewollt aussehen, weshalb sie nun ein einziges Durcheinander sind. Ich hantierte einfach viel zu viel an ihnen rum und nun sehen sie aus wie die Haare des Struwwelpeters.
Alles andere passt, nur meine dämlichen Haare wollen nicht so, wie ich will.
Panik ergreift mich, als ich plötzlich das Türklingeln vernehme.
Er ist zu früh, zu früh, zu früh!
„Aish." sage ich und versuche noch immer erfolglos meine Haare irgendwie zu richten. „Taehyung! Jungkook ist da!" ruft auch schon meine Mutter und meine Panik, diese verdammte Frisur irgendwie zu richten, steigt noch mehr.
„Ja, ich bin gleich da!" rufe ich zurück und kämme mir nochmal durch meine Haare, ehe es mich wie der Blitz trifft.
Ich sollte meine Mutter besser nicht alleine mit jemandem lassen, vor allem nicht mit meinem Freund.
Wer weiß schon, wie viele peinliche Geschichten sie ausgraben wird, auch wenn sie nicht mal fünf Minuten hat?
Also renne ich schnell runter und sehe tatsächlich, dass sich meine Mutter und Jungkook unterhalten, während sie gemeinsam am Küchentisch sitzen.
Das ist meine Mutter, wie sie leibt und lebt.
Sie war schon immer ein sehr aufgeschlossener Mensch. Eine Sache, die ich in den meisten Situationen auch bewundere. Egal, wo sie hingeht, so gut wie jeder Mensch mag sie direkt aufgrund ihres freundlichen Auftretens.
In dieser Hinsicht komme ich eher nach meinem Vater, der sich meistens eher im Hintergrund hält und nur dann für eine kurze Zeit in den Vordergrund kommt, wenn er etwas wichtiges los werden muss.
Und jetzt würde ich mir wünschen, dass nicht meine Mutter Jungkook die Tür geöffnet hätte, sondern mein Vater oder noch besser ich. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass sie gleich mit einer peinlichen Geschichte ankommen wird, weshalb ich nun schnellen Schrittes zu ihnen eile und an Jungkook gerichtet sage: „Wir können los."
Sofort nickt Jungkook und steht auf, ehe er sich nochmal lächelnd an meine Mutter wendet: „War nett sich mal wieder mit Ihnen unterhalten zu haben, Sunmi." Er verbeugt sich kurz höflich und noch immer lächelnd nachdem er zu Ende gesprochen hat. „Das gebe ich gerne zurück. Und wir sind doch schon lange beim Du, Jungkook." „Aah, stimmt. Entschuldige." entgegnet er dann freundlich, ehe meine Mutter wieder das Wort ergreift: „Na dann geht mal los, ihr zwei. Amüsiert euch schön." „Das werden wir. Bis später, Eomma." verabschiede ich mich nun von ihr und ziehe Jungkook direkt mit nach draußen, bevor meiner Mutter doch noch eine peinliche Story rausrückt.
„Wo gehen wir hin?" frage ich direkt neugierig, als Jungkook und ich Hand in Hand etwas mehr in Richtung Stadt gehen. „Ich dachte mir, wir gehen was essen. Da kannst du mich so viel fragen, wie du willst und ich werde versuchen deine Fragen zu beantworten. Danach können wir sehen, was der Abend noch so bringt." beantwortet er lächelnd meine Frage und meine Vorfreude steigt noch mehr an.
Seit ich den Schwarzhaarigen kenne, war er schon immer echt ganz schön verschlossen, weshalb ich mich umso mehr auf den heutigen Abend freue. Er kann sich darauf gefasst machen, in einer Art Verhör zu landen.
Nach einem kleinen, schweigsamen Spaziergang, steuert Jungkook schließlich ein Lokal an, welches zwar nicht sonderlich luxuriös aussieht, aber dennoch Stil hat. Umso besser. Denn ich hasse überteuerte Restaurants. „Ich hoffe es wird dir gefallen, Baby." sagt Jungkook, als wir vor dem Lokal stehen bleiben und er mir einen Kuss auf die Wange gibt, was mich mal wieder erröten lässt. „Ich glaube mittlerweile nämlich zu wissen, dass du eher so auf schlichte Sachen stehst. Oder irre ich da?" „Nein. Es ist perfekt, Kookie." beantworte ich lächelnd seine Frage und nun drücke ich ihm einen Kuss auf die Wange, was nun auch bei ihm einen leichten Rosaschimmer hervorruft.
Zusammen betreten wir nun das Lokal und Gentleman, wie er ist, schiebt Jungkook meinen Stuhl etwas zurück, sodass ich mich darauf setzen kann und schiebt ihn dran, sodass ich an den Tisch komme. Er geht nun auch um den Tisch, um sich auf seinen Stuhl zu setzen und nur kurz darauf kommt auch schon ein Kellner mit den Speisekarten zu uns. Schnell haben wir uns entschieden und die Bestellung aufgegeben.
„Okay, dann fang mal an, TaeTae. Was willst du wissen?" „Was hast du geträumt?" frage ich direkt, da mich dieser Albtraum von ihm schon den ganzen Tag beschäftigt. „Ich dachte mir schon, dass das deine erste Frage sein wird. Aber wie gesagt weiß ich nicht mehr genau, was ich geträumt habe." „Dann erzähl mir, an was du dich noch erinnerst." fordere ich, woraufhin der Jüngere kurz tief Luft holt.
„Ich...Ich weiß nur noch, dass du drinnen vorkamst und in Gefahr warst." beantwortet er mit gen Boden gerichteten Blick meine Frage und ich kann sehen, dass ihm wieder Tränen in die Augen steigen, weshalb ich seine Hand greife, die auf dem Tisch liegt und sie sachte drücke, ehe ich schnell das Thema wechsle. Schließlich will ich den Abend ja nicht ruinieren, sondern lediglich mehr über meinen verschlossenen Freund erfahren.
„Warum bist du eigentlich so verschlossen? Hat das einen tieferen Sinn?" frage ich weiter, als nun auch schon die Getränke an unseren Tisch gebracht werden und nur kurz darauf auch schon unsere Bestellungen.
„Ja, hat es schon. Nur ich rede nicht gerne darüber." beantwortet der Jüngere meine Frage und nimmt einen Schluck seiner Sprite. „Du hast doch gesagt, dass ich dich fragen kann, was ich will und du mir versuchst zu antworten. Also wenn du antworten kannst, dann antworte mir bitte auch." spreche ich auf ihn ein, woraufhin er wieder tief Luft holt.
„Ja, du hast ja Recht. Es ist nur...Ich renne lieber vor meiner Vergangenheit davon, als mich ihr zu stellen. Ich rede nicht gerne über Vergangenes, da es immer wieder alte Wunden aufreißt. Aber ich habe es dir versprochen, also werde ich auch antworten. Doch zuvor möchte ich, dass du dir unter gar keinen Umständen Vorwürfe machst. Versprochen?" Irritiert über diese Aussage nicke ich also einfach.
Was habe ich denn mit seiner Vergangenheit zu tun?
„Also, fangen wir damit an, dass du dich sicherlich schon gefragt hast, warum ich in Bezug zu deinen Depressionen immer so geklungen habe, als wüsste ich wovon ich spreche. Als hätte ich es selbst erlebt. Liege ich da richtig?" Noch immer irritiert nicke ich wieder.
„Das liegt daran, dass ich es erlebt habe und noch immer erlebe."
Direkt stockt mir der Atem und mein Herz scheint stehen zu bleiben.
„Das hat alles angefangen, als meine Eltern gestorben sind. Ich bin abgerutscht und konnte es einfach nicht verkraften. Ich verfiel in Depressionen. Ich versuchte sie für mich zu behalten, weil ich Jimin, Hoseok und Jin, der ja selbst mit dem Verlust seiner Eltern zurechtkommen musste, nicht auch noch zusätzlich mit meinen Problemen belasten wollte."
Genau wie ich.
„Ich habe mich fast jede Nacht in den Schlaf geweint, weil ich meine Eltern so tierisch vermisst habe."
Auch ich habe mich immer in den Schlaf geweint.
„Gegenüber Jin, Jimin und Hoseok hatte ich immer ein Lächeln im Gesicht, doch innerlich war ich leer und tot. Ich war halt verschlossen."
Genau wie ich bei meinen Eltern.
„Eines Tages konnte ich nicht mehr. Ich wollte, dass diese Leere endlich verschwindet. Dass diese Schmerzen verschwinden, die ich tagtäglich wegen des Verlustes meiner Eltern verspürte. Ich wollte sterben."
Nun schlägt mein Herz ungesund schnell und ich sehe den Schwarzhaarigen mit großen Augen an, während ich das Gefühl habe, nicht mehr atmen zu können.
Jungkook wollte sterben?
Dieser so glücklich und sorglos wirkende Junge?
„Ich ging also eines Tages zur Mapo-Brücke über dem Han-River und sah einfach nur in den Abgrund. Ich dachte mir: Nur ein kleiner Sprung und du bist erlöst."
Mein Herz wird immer schwerer, als er mir das erzählt und die Tränen werden mehr, die meinen Augen entweichen.
„Ich kletterte über das Geländer und war drauf und dran zu springen, als ich jedoch plötzlich spürte, wie jemand meine Hand hielt und mich somit von meinem Vorhaben abhielt. Es war Jin. Er muss mir wohl gefolgt sein, als ich mitten in der Nacht das Waisenhaus verließ, indem ich mich raus schlich. Ich werde niemals sein Gesichtsausdruck vergessen. So voller Verletzung und Verzweiflung. So voller Sorge und vor allen Dingen Angst."
Genau wie ich. Auch ich werde niemals wieder dein Gesicht vergessen, als du mich mit der Rasierklinge im Bad gefunden hast.
„Er redete auf mich ein, weshalb ich einfach in Tränen ausbrach, mir jedoch von ihm dabei helfen ließ, wieder zurück zu klettern. Als ich wieder auf der anderen Seite des Geländers war, sanken wir auf den Boden, während er mich ganz fest an sich drückte. Von da an musste ich ihm versprechen immer zu ihm zu kommen. Egal, was mich bedrückt."
Genau wie du mich einfach in den Arm genommen und mir gesagt hast, ich solle mit dir reden, wenn mich etwas fertig macht.
„Ich sollte immer mit ihm reden, da ich es sonst nur noch schlimmer machen würde. Sowohl mir würde es noch schlechter gehen, als auch meinen Mitmenschen, da ich mich immer mehr vor ihnen verschloss und dazu auch noch Suizid gefährdet war. Sie hätten sich unendliche Sorgen gemacht, da sie nie sicher sein konnten, ob es mir wirklich gut gehen würde. Ständig hätten sie die Angst im Hinterkopf, dass ich mich selbst umbringen könnte."
Auch du machtest dir damals Sorgen um mich.
„Als ich merkte, dass ich meine einzige Familie, die mir geblieben ist, mit meiner Verschlossenheit noch mehr verletzen würde, als wenn ich die Probleme einfach mit ihnen teilen würde, entschloss ich mich dazu, mein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Nur dummerweise gelang es mir bis heute, gut fünf Jahre später, noch nicht hundertprozentig."
Direkt stockt wieder mein Atem.
„Ich habe etwas erfahren, was mich wieder zurückgeworfen hat. Wieder fiel ich in dieses Loch, nur dass es dann noch viel schlimmer war. Doch dieses Mal vertraute ich mich meinem Bruder an und redete mit ihm über meine Gefühle, weshalb es dieses Mal nicht zu einem Suizidversuch kam. Auch heute noch habe ich diese Phasen, in denen ich einfach zusammenbreche und mir die Augen aus dem Kopf heule. Meine Depressionen sind zwar nicht so schlimm wie damals, aber sie sind dennoch da und ich denke auch, dass sie niemals komplett verschwinden. Allerhöchstens dann, wenn wir wieder normal leben können."
An sich würde ich jetzt fragen, was er genau mit 'normal leben' meint, doch viel zu sehr bin ich von seiner eben erzählten Geschichte bedrückt.
„Du...Du hast Depressionen? Und ich habe nichts davon gemerkt?" hauche ich leise.
Die ganze Zeit über dachte ich nur an meine Probleme und meine Depressionen, während die Person, die ich liebe, selbst darunter leidet?
Was bin ich nur für ein Freund, der nicht einmal die schlechte Verfassung seines Partners mitkriegt?
„Tae. Du hast mir versprochen, dass du dir keine Vorwürfe machen wirst." „Aber..." will ich gerade widersprechen, während die Tränen ununterbrochen aus meinen Augen kommen. Jedoch werde ich unterbrochen, als Jungkook aufsteht und sich vor mich hockt, während er meine Hand in seiner hat und die freie an meine Wange legt, um mir die Tränen wegzuwischen, während er sagt:
„Sssht. Baby. Bitte mach dir keine Vorwürfe. Bitte nicht. Genau deshalb wollte ich es dir nicht sagen. Du kannst absolut nichts dafür, dass du es nicht mitbekommen hast, okay? Du konntest es auch gar nicht mitbekommen. Ich kann meine wahren Gefühle einfach gut verstecken und das habe ich eben auch vor dir gemacht. Bitte mach dir keine Vorwürfe. Bitte."
Als er zu Ende gesprochen hat, legt er nun auch seine zweite Hand an meine Wange und wischt so nun auf beiden Seiten mit seinen Daumen die Tränen weg, während wir uns einfach tief in die Augen sehen.
„Bitte hör auf zu weinen. Das bricht mir das Herz." sagt er, ehe er sich meinem Gesicht nähert und unsere Lippen miteinander verbindet. Wie auch beim Kuss von heute früh, steckt auch in diesem so unendlich viel Verzweiflung und Trauer.
Als er den Kuss löst, lehnt er seine Stirn an meine, während meine Augen noch immer geschlossen sind und ich einfach seine Nähe genieße.
Von nun an muss ich definitiv auch mehr auf meine Mitmenschen achten. Jedem Menschen der mir wichtig ist kann es schlecht gehen, ohne dass ich davon was weiß. Ich sollte meine Augen mehr öffnen und meine Ohren mehr weiten.
Bei Jungkook hat es schon viele Anzeichen von Depressionen gegeben, doch ich habe sie einfach nicht wahrhaben wollen, dafür hat er immer so viel und schön gelächelt wie der sorgloseste Engel, den es gibt.
Es ist beängstigend, was ein Lächeln verbergen kann.
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Es ist wirklich beängstigend, was ein einfaches Lächeln alles verbergen kann.
Die Menschen, die am meisten lächeln, sind meistens die, die innerlich immer mehr an ihre Grenzen kommen.
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