16. Philipp, der V.

Zeit ist vergangen. Wie viel, kann ich nicht sagen. Es könnten Stunden sein, Tage, vielleicht aber auch nur Sekunden. Zeit ist in Dunkelheit nicht greifbar, nicht spürbar.

Ich weiß nicht, wann ich die Augen wieder aufgeschlagen habe, wie lange ich schon an der Wand lehne und mir die Arme reibe. Meine kläglichen Versuche so zumindest ein wenig Wärme zu erzeugen, münden dahin, dass ich die Kälte nur noch stärker wahrnehme. Die Sehnsucht in mir wird unermesslich.

Meine Versuche aus dem Loch herauszukommen, habe ich vollständig eingestellt. Es raubt mir zu viel Energie, dafür, dass es am Ende zwecklos ist.

Ich schließe die Augen und sofort schiebt sich Kaminfeuer, heißer Tee und eine kuschelige Decke in meine Gedanken. Alles Bilder, die mich quälen, all das, was ich nicht habe.

Vermutlich werde ich hier sterben. Erfroren oder ertrunken oder beides in einem Loch außerhalb von Wenterra. Für etwas, was ich nicht getan habe, wovon ich gar nicht weiß, was für eine Schuld ich auf meine Schultern geladen haben soll.

Ich hebe den Kopf. Schritte ertönen über mir. Müde blicke ich hinauf, als das Licht von einer zierlichen Gestalt verdeckt wird. Ein Monster in der Haut einer Göttin blickt auf mich herab. Sie sagt etwas und plötzlich verliert sich mein Körper im Nichts. Es fühlt sich an, als würde er sich auflösen. Farben fliegen an mir vorbei und dann sitze ich im Gras. Einfach so, von Hier auf Jetzt.

"Maéhinas", haucht die Schönheit und die Luft um mich herum erwärmt sich merklich. Wie eine Decke hüllt sie mich ein und zieht mich sanft aus der kalten Umarmung des Loches heraus. Das Bibbern meiner Zähne lässt nach, in meine tauben Beine kommt wieder Leben. Sie kribbeln, als würden Ameisen über sie laufen.
Auch wenn die Kälte meinen Körper freigegeben hat, so spüre ich dennoch eine bleiernde Müdigkeit.

"Ich kann nichts sagen, was ich nicht weiß", entkommt es mir schwach, während ich aus kleinen Augen zu der goldenen Gestalt emporblicke.
Jelena lächelt, als sie vor mir in die Hocke geht und meine Wange liebevoll streichelt.
Sanft gleiten ihre Finger meinen Hals hinab. Kraulen die empfindliche Haut.

Stockend atme ich ein und versuche von ihr wegzurutschen, doch ihre andere Hand schnellt wie eine Schlange vor, packt meine Schulter und unterbindet dies. Wie ein Schraubstock umgreift sie sie, während auf der anderen Seite ihre Hand dazu übergegangen ist meine rechte Schulter zu massieren.

"Was wollt Ihr?", keuche ich. Mein Körper ist erstarrt. Hin- und her gerissen zwischen Angst und Genuss, sehe ich ihr direkt ins Gesicht. Es fällt mir schwer ihrem Blick standzuhalten.

"Ich will wissen, was du mit dem Hof des Nordens zu schaffen hast."
"Mit dem Hof des... Was?"
Ich habe keine Ahnung wovon sie redet.
"Stell dich nicht dumm. Ich habe einen Zeugen für eure Verbindung."
"Ich habe keine Verbindung. Zu niemanden und auch zu keinem Hof!", rechtfertige ich mich mit dem letzten Fünkchen Kraft, während ich ungelenk versuche mich von ihren Händen zu befreien.

"Du möchtest dich also noch nicht unterhalten?" Auch wenn ihre Stimme sanft, ja gerade zu zaghaft klingt, schwingt eine überdeutliche Drohung in ihr mit.
"Ich kann nicht reden, wenn ich nichts weiß", murmle ich.

"Dann soll es so sein", sagt sie betrübt. Ihre Hände rutschen von meinen Schultern, selbst die Schraubstock- Hand löst sich. Kopfschüttelnd und mit Trauer im Blick, als hätte ich sie verletzt, steht sie seufzend auf.

"Dann versuchen wir es mit einer anderen Motivation." Ihr sanftes Gesicht verzieht sich zu einer bösartigen Fratze.
"Mehenis", haucht sie und plötzlich spüre ich erneut, wie sich mein Körper auflöst. Sehe wieder die Farben an mir vorbeifliegen und dann knalle ich in die Realität. Dieses Mal ist sie nur nicht so weich wie das Gras eben.

Der Aufprall raubt mir sämtliche Luft. Ein Pfeifen entkommt meiner Kehle, als die Luft aus meiner Lunge heraus gepresst wird. In meinen Ohren klingelt es. Ein unangenehmer, schriller Ton, der sich erst beim Aufsetzen verliert.

Als hätte sich ein Schleier über meine Augen gelegt, betrachte ich meine Umgebung mit unscharfen Blick. Grau in Grau, Dunkel und hell, orangefarbenes Licht. Erst nach einiger Zeit schärft sich meine Sicht.

Ein Gewölbe mit einem Torbogen- Tunnel. Knisternde Flammen. Fackeln, die die Dunkelheit sanft aufbrechen. Doch es sind zu wenige und ihr Lichtkegel ist zu klein, um den gesamten Raum zu erhellen. Die Dunkelheit erinnert an einen hereinbrechenden Tag, wenn die Nacht noch vorherrschend ist, sich aber bereits das erste Licht des Tages mit ihr vermischt.

Zwischen den Torbögen stehen Stein-Statuen. Wackelig stehe ich auf und nähere mich einer von ihnen. Die Fackel neben ihr taucht den Körper in oranges Licht. Das Gesicht ist das eines Mannes. Schulterlange Haare, Stoppeln im Gesicht und faltige Gesichtszüge. Kämpferisch blickt er dem Betrachter entgegen. Vor seine Brust hält er ein quadratisches Schild, in seiner Hand, die hoch über dem Kopf erhoben ist, ein Schwert.
Der Bildhauer hat ganze Arbeit geleistet. Denn das Schwert und Schild sind so detailreich gearbeitet, das ich noch einen Schritt näher heran trete, um das Wappen zu betrachten.

Ein Adler sieht mir entgegen. Die Flügel ausgebreitet, als wolle er sich in die Lüfte erheben. Sterne wurden um ihn herum in den Schild gemeißelt.
In meinem Kopf klingelt es. Irgendwie kommt mir dieses Bild bekannt vor. Nur woher?

Fieberhaft überlege ich und überlege... Wo habe ich den Adler schon mal gesehen? Am Königshof vielleicht? Ich schüttle den Kopf. Nein, da war es nicht. Auf einem Gemälde? Erneut schüttle ich den Kopf. Kann auch nicht sein, soviele habe ich noch nicht gesehen und die, die ich sah, waren meist Abbildungen von einer erfolgreichen Jagd.
"Hmmm", mache ich und wende mich nachdenklich ab.

Was mache ich hier gerade?
Ich sollte einen Weg hier raus finden, anstatt über einen irgendeinen Adler nachzudenken.

Kopfschüttelnd, dass ich mich tatsächlich so leicht habe ablenken lassen, wende ich mich von der Statue ab und entscheide mich, tiefer in das Gewölbe hineinzugehen. Irgendwo muss es ja enden und vielleicht, ganz vielleicht finde ich eine Möglichkeit ihm zu entkommen. Meine Schritte hallen dumpf von den Mauersteinen wieder.
Warum mich die Königin der Arraris hier herein teleportiert hat, ist mir ein mittelschweres Rätsel. Hier ist nichts.

Nichts, das mir gefährlich werden könnte, außer vielleicht die Dunkelheit und die Möglichkeit zu verhungern, wenn ich hier nicht rauskomme. Eine Vorstellung, die in der Tat, ziemlich beängstigend ist. Durchlaufe ich gerade mein eigenes Grab? Ich schlucke.
Eine Gänsehaut stellt meine Armhärrchen auf.

Ich schüttele den Kopf. 
Nein, so darf ich nicht denken, versuche ich mir selbst Mut zu machen. Es gibt immer einen Ausweg.

Die Statuen beobachten mich bei meinem Gang. Ich gehe an Frauen und Männer, jung und alt, vorbei. Sie alle haben etwas gemein, sie alle haben einen Krieg gekämpft.
Schwerter, Lanzen, Dolche und Schilde; massenhaft Schilde in verschiedenen Größen und Formen halten sie in ihren Händen. Sie sehen triumphierend aus, als hätten sie gewonnen, doch wenn ich an die Geschichten des Krieges denke, weiß ich, das dass nicht der Fall war. Je länger ich durch das Gewölbe laufe, das gefühlt kein Ende nehmen will, desto mehr komme ich zu der Einsicht, dass das hier eine Art Trophäensammlung sein muss.
Gefallene Krieger im Kampf gegen einen übermächtigen Gegner und plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen.

Ich sehe förmlich diesen Wälzer vor mir, einer der vielen aus Vaters Sammlung. Ein olivgrüner Einband mit geschwungener Schrift: Die Reiche von Mistis.
Jedes Reich wurde darin mit dem Stammbaum der Königsfamilien, den Taten, die sie zu Legenden gemacht haben und eben auch den Wappen vorgestellt.

Ein Adler umgeben von Sternen. Ich klatsche mir gegen die Stirn. Warum kam ich nicht eher darauf?
Ruckartig bleibe ich stehen, als die Erkenntnis gnadenlos in meinen Geist sickert. Der Adler, das Schild, das Abbild eines Kriegers. Arraris, das erste Land, das dem Erdboden gleich gemacht wurde.

Mir wird übel, als die Erkenntnis zu einem Gefühl des Schreckens heranwächst.
Ich bin mir sicher, dass die goldene Schönheit nicht nur eine Schlacht geschlagen hat. Und die Knochen, aus dem ihr Thron besteht... Ich erschaudere bei dem Bild. Wie viele mussten wohl ihr Leben lassen, damit sie sich diesen imposanten Thron bauen konnte und wie viele sind tatsächlich durch ihre Hand gestorben, durch die, der Arraris?

Mein Herz beginnt zu rasen. Ich stehe in meinem eigenen Grab. Das wird es werden und ich werde nichts, gar nichts, dagegen tun können. Genauso wenig wie es die armen Seelen vor mir konnten.

"Hör auf", maßregel ich mich sofort, nachdem mich die Hoffnung zu verlassen drohte, "Du musst einen kühlen Kopf bewahren."
"Bewahren... Bewahren... Bewahren...", hallt meine Stimme von den Wänden wieder.
Ich schüttle mich, versuche das Gefühlschaos zum Verstummen zu bringen und bevor ich wirklich der Panik verfalle, wende ich mich der nächsten Statue zu.

Zugegebenerweise nicht die klügste Idee, doch mit Angst im Herzen verstummt der Kopf. Etwas, was ich nicht gebrauchen kann. Ich muss eine klare Sicht behalten. Unbedingt.
Um mich abzulenken, betrachte ich sie genau und überlege, wem ich gegenüber stehe.

Ich muss nicht lange überlegen.
Ein Junge, von nicht mal 13 Jahren sieht mir ins Gesicht. Auch hier hat der Bildhauer ganze Arbeit geleistet. Ich gehe näher heran.
Er sieht kämpferisch aus, aber betrachtet man die Züge um seine Augen, sieht man seine Angst.

Ich weiß sofort, wen ich vor mir habe. Philipp der V.
Er übernahm den Thron im zarten Alter von 11 Jahren, nachdem sein Vater an einer Lungenembolie verstarb. Er war noch ein Kind, kaum fähig für sich selbst Verantwortung zu übernehmen und dann sollte er es plötzlich für ein ganzes Land. Als der Krieg kam, saß er noch nicht mal ein Jahr auf dem Thron und er wurde von ihm zerrissen. Es gibt unzählige Geschichten darüber, was die Arraris mit dem kleinen Philipp gemacht haben, nachdem sein Schloss überrannt wurde.
Die Beschreibung seines Martyrium unterscheiden sich von Erzählung zu Erzählung, doch in einer Hinsicht sind sie alle gleich gewesen: Der Tod kam nicht schnell.

Galle steigt meine Kehle empor. Dass die Arraris gewissenslose Monster sind, weiß jeder in Wenterra, doch es selbst zu sehen, ist wie ein Schlag ins Gesicht.

Ich trete an Philipps Statue näher heran, weiß auch nicht genau warum, doch irgendwie möchte ich ihm Respekt zollen. Vorsichtig strecke ich meine Hand aus, berühre sanft seine Wange. Es ist nur ein kurzer Moment bevor ich die Hand wieder fallen lasse, doch genau in diesem Moment öffnet die Statue ihre Augen. Wobei Öffnen ist das falsche Wort. An die Stelle der steinernen Augen treten menschliche.
Mein Mund formt sich zu einem O und ihm entkommt ein quietschender Ton, als ich zurück stolpere und mir die Hände vor den Mund schlage.

Die Augen der Statue rucken panisch hin und her, ehe sie mich fokussieren.
Wie gebannt starre ich sie an und sehe zu wie aus den grauen Stein-Lippen die eines Menschen werden: zart rosa geschwungene

"Oh heilige Mutter", keuche ich, "Was ist hier los?" Meine Hände sinken langsam hinab. Der rechte Zeigefinger zittert vor Aufregung.

"Komm näher." Die schwache Stimme kommt wie ein Windhauch bei mir an, "Schenk mir noch mehr Wärme. Bitte."
Automatisch sehe ich von meinen Fingerspitzen zu der Statue und wieder zu meinen Fingern.
"Was?", schaffe ich es zu sagen, da fleht sie weiter, "Bitte Wärme, so kalt."
Mir geht ein Licht auf. Meine Körperwärme... Gebe ich ihm mehr davon, wird er vielleicht wieder zu einem Menschen und kann mir helfen hier raus zu kommen, und ich bin nicht mehr auf mich alleine gestellt. Eine tröstliche Vorstellung.

Ohne weiter zu überlegen, trete ich wieder näher heran und lege meine komplette Hand auf ihre Wange. Die Statue seufzt wohlig und das Leichenblasse verschwindet aus ihrem Gesicht. Das Grau ihrer Wangen wird zu einem rosigen Farbton.
Kälte ergreift von meiner Hand Besitz, eine Kälte, die die Finger taub werden lässt und sämtliches Gefühl raubt.

Mit großen Augen beobachte ich wie meine Hand grau wird. Ruckartig ziehe ich die zurück, doch da ist es schon zu spät.
"Nein bitte, komm zurück!" Das Gesicht der Statue sieht wieder komplett menschlich aus. Selbst die Haare sind keine graue Steinmasse mehr, sondern feine, gelockte Strähnen. Meine Hand hingegen ist schwer, viel zu schwer.

"Was ist das?!" Ich hebe den Stein an meinem Arm an und blicke schockiert herab.
"Das ist die Strafe", keucht die ehemalige Statue vor mir. Ich habe das Gefühl zu träumen. Nicht nur, dass meine Hand zu Stein wurde, sondern auch, dass ich mit einer Statue spreche.

"Was für eine Strafe?" Ich kann es nicht fassen, "Was ist passiert? Was?" Panisch schüttele ich meinen Arm, doch der Stein bleibt dran.
"Das ist ihr Fluch. Meine Bürde", antwortet das Gesicht des Jungen kläglich und blickt an sich herab.
"Aber wie?" Ich stehe noch immer völlig neben mir.
"Du gabst mir deine Körperwärme. Mein Gesicht ist frei, zumindest jetzt. Es wird nicht lange andauern."
"Also bekomme ich meine Hand bald zurück?"
Ein wenig schäme ich mich diese Frage zu stellen, immerhin bedeutet das im Umkehrschluss, dass sein Gesicht wieder versteinert.

"Ja." Ein wehmütiger Hauch und in mir eine Erleichterung, die ich unterdrücke nicht zum Ausdruck zu bringen.
Zumindest nicht vor ihm.
"Ihr seid Philipp, der V.", stelle ich fest und ignoriere den Klumpen an meinem Arm.
"Einst war ich es." Er nickt.

"Wie seid Ihr hier her gekommen?"
Ich kann es nicht glauben. Wer kann schon von sich behaupten mit einem der Könige aus dem Krieg zu sprechen? So etwas dürfte nicht möglich sein. Vielleicht weiß er, was die Arraris sind und wie man sie verletzen kann. Es wäre gut die Stärken und Schwächen des Gegners zu kennen. Zumindest las ich das in dem Werk von General Schops über moderne Kriegsführung. Ein anderer Wälzer aus Vaters Sammlung.

Philipp bitteres Lachen holt mich aus meinen Gedanken.
"Ich habe einen Krieg verloren, den ich nie gekämpft habe. Verschanzt habe ich mich. Ich wollte all das nicht, wollte kein König sein, kein Land und schon gar keinen Krieg führen. Ich habe mich ergeben, als mein Hof gestürmt wurde. Dachte, ich könnte entkommen oder würde einfach schnell umgebracht..."
"Doch dem war nicht so", murmele ich und schäme mich erneut, dass ich danach überhaupt gefragt habe. Er ist nie gestorben. Sie hat ihn zu Stein werden lassen. Er lebt, ohne zu leben. Was für eine gruselige Vorstellung.

Er schüttelt den Kopf.
"Bis ich zu dem hier wurde", er blickt an sich herab, "vergingen viele Tagesanbrüche. Ich sah das Aufgehen der Sonne unzählige Male und betete, es würde der letzte, den ich sehe."
Seine Gesichtszüge verziehen sich zu einer Maske des Schmerzes. Mit glasigen Augen sieht er sich um.
"Selbst jetzt bin ich noch immer bei ihr. Nur manchmal erlöst sie mich, um sich an meinem Leid zu ergötzen. Das ist unsere Strafe. Unser aller Strafe, die hier unten sind."

All die anderen Krieger... In meinem Magen rumort es. Ich halte die Hand vor meinem Mund und bete, dass ich mich nicht genau hier erbreche. Wie kann man nur so ekelerregend grausam sein?

"Es tut mir leid, was Euch angetan wurde", keuche ich hinter meiner Hand und rufe mich innerlich zur Ruhe. Ich kann an seinem Schicksal nichts ändern, auch wenn ich es gerne würde. Meines ist aber noch nicht in Stein gemeißelt.
"Aber wisst Ihr vielleicht wie ich hier herauskomme?"

Er seufzt. "Es gibt keinen Ausweg."
Ich trete einen Schritt zurück. "Gar keinen?"
"Nein, gar keinen. Der einzige Weg hier runter oder raus ist ihre Magie. Wenn sie dich nicht raus lässt, dann kommst du hier auch nicht raus."

"Aber, aber, wie...", stottere ich zusammenhangslos.

Pscht!

Philipp sieht mich aus wachen Augen an ehe sein Blick an mir vorbei in die Dunkelheit des Gewölbe schweift.
Seine Mimik ist wie erstarrt und je länger ich ihn so betrachte, desto größer wird das Unwohlsein. Mein Herzschlag verdoppelt sich.

"Was?", traue ich mich zu flüstern.
Er sieht mich nicht an, als er antwortet: "Wir sind nicht mehr alleine."

Nun starre auch ich in die Dunkelheit. Versuche irgendwas in ihr auszumachen. Die Fackeln an den Wänden erhellen diese wunderbar, doch in der Mitte des Gewölbes steht eine undurchdringbare Schwärze.
Ich lausche, doch abgesehen von meinen eigenen Atem, der viel zu schnell meine Lippen verlässt, höre ich nichts, das die Stille unterbricht.

"Da ist nichts", hauche ich und trete wieder näher an Philipp heran, als könnte er mir Schutz bieten.
"Doch", widerspricht er mir, "Ich spüre es."
"Ihr spürt es..."
"Als Teil des Hofes, spüre ich ihn", murmelt er, "Aber es ist schwach, noch nicht richtig da."

Ich verstehe gar nichts von dem, was er da redet. Vielleicht haben seine Torturen dazu geführt, dass er nicht mehr bei Verstand ist. Wobei er zuvor sehr klar gewirkt hat. Doch seine Worte ergeben keinen Sinn, seine Angespanntheit hingegen macht mich nervös.

Philipp Augen weiten sich merklich. Er sieht zu mir. In seinem Gesicht das pure Grauen.

"Lauf!"

"Was?", schaffe ich es zu fragen, da donnert er plötzlich los.
"Nun lauf schon! Er ist da!"
"W-we-?" Erneutes Stammeln von meiner Seite.

Das Gewölbe erzittert. Die Wände, der Boden, selbst die Decke, als würde ein Erdbeben alles ins Wanken bringen. Philipps Steinkörper rutscht den Boden entlang, während ich mich kaum auf den Füßen halten kann.

"Lauf! Lauf!", schreit er wie von Sinnen, "Er ist da! Er ist da! Mahena ist da! Und er wird dich verschlingen!"
Nein, er schreit nicht. Er singt.

Das Erdbeben lässt nach, doch nun bringt etwas anderes das Gewölbe zum Erzittern.
Ein ohrenbetäubendes Brüllen hallt von den Wänden wieder und dann donnert etwas durch die Dunkelheit auf uns zu.

Ich wirble herum und bevor ich loslaufe, fällt mein Blick auf Philipp.
Er lächelt.

"Ich habe dich gut abgelenkt, dafür wird sie mir bestimmt kurz ihre Wärme schenken."
Seine Worte kommen kaum bei mir an, da bin ich schon losgelaufen, doch eines weiß ich, Philipp hat Recht. Er ist ein Teil des Hofes geworden.

Sein irres Lachen verfolgt mich, doch das macht mir keine Angst. Die donnernden Schritte dafür umso mehr. Etwas Großes und Schweres ist hinter mir und es kommt stetig näher.

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