14. Grauen
Es knallt laut, hallt von den hohen Wänden wieder. Dann kehrt Stille ein, die selbst von den Anwesenden nicht unterbrochen wird. Gespannt, erregt, in freudiger Erwartung auf das Folgende.
Ich sehe die beiden massigen Männer mit ihrem Körper, der an haarlose Stiere erinnern. Ihre bulligen Arme liegen frei, dennoch tragen sie rote Handschuhe. Doch sie bestehen nicht aus Stoff.
Die verkniffenen, fetten Gesichter lassen jegliche Mimik verschwinden. Selbst die Augen sind nicht zu erkennen. Aufgequollen wie die Gesichter einer Wasserleiche, widerlich.
Obwohl sie aussehen, als wögen sie mehr als ein Stier, hinterlassen ihre Schritte keinen einzigen Ton auf dem Marmor.
Es ist komplett still, wäre da nicht dieses eine Geräusch.
Tropf, Tropf, Tropf
Ihre Füße schleifen über den Boden. Keine Kraft mehr selbstständig zu gehen.
Tropf, Tropf, Tropf
Das Gesicht hängt herab. Ein Vorhang aus blutigem Haar.
Tropf, Tropf, Tropf
Der Körper willenlos, leblos. Eine Puppe, mit der nicht mehr gespielt wird.
Ich falle auf die Knie. In meinen Adern gefriert das Blut und mein Verstand kann nicht begreifen, was ich da sehe. Schmerz erfasst mich, kein körperlicher, sondern ein Grauen, das mein Bauch zu einem Stein werden lässt. Zu schwer, um auf den Füßen zu stehen.
Die Bullen kommen zum Stehen und werfen Ida, als sei sie Müll, von sich. Ihr Körper schlittert ein Stück über den Boden, bleibt regungslos liegen.
Sofort rutsche ich an sie heran, drehe sie auf den Rücken und erstarre. Ihr Gesicht sieht fast so aus wie das der Bullen, nur ist ihres blau und rot.
Ihr linkes Auge ist komplett zugeschwollen, die Lippe aufgesprungen, die Wangen zerkratzt.
Ich schluchze laut auf und ziehe sie in meine Arme. Horche, ob noch ein Atemzug ihren geschundenen Mund verlässt. Doch da ist nichts. Stille antwortet.
Panik überfällt mich, ich taste nach ihrem Puls, lege mein Ohr auf ihre Brust, doch immer noch ist da nichts.
Gelächter umgibt mich. Ich blicke auf und kann es kaum glauben. Die Anwesenden, diese Wesen, sie lachen. Lachen mich aus. Lachen über meine Angst, meine Panik, meinen Verlust. Lachen, als hätten sie einen guten Witz gehört oder ein amüsantes Stück gesehen.
Wie kann man nur so grausam sein?
Ein glockenhelles Gelächter mischt sich in die anderen und ich muss mich nicht umdrehen, um zu wissen, von wem es kommt.
"Sie lebt... noch", kommt es hüstelnd.
Ich fahre herum, "Woher wollt Ihr das wissen?!"
Jelena kichert. "Weil ich noch ein zartes Flattern höre. Vielleicht schlägt ihr Herz nicht mehr allzu lange. Bei diesen Verletzungen", sie nimmt eine nachdenkliche Haltung ein, "sicherlich verständlich."
"Was wollt Ihr?" Ich spucke ihr die Frage hingegen, als sei sie ein bitterer Geschmack auf der Zunge.
Jelena steht auf. Ihre Haare sind so lang, dass sie den Boden berühren und hinter ihr her schleifen, als sie beginnt auf und ab zu schreiten. Die Arme hat sie vor der Brust verschränkt und mit der einen Hand reibt sie ihr Kinn.
"Was will ich?", fragt sie langgezogen und fokussiert einen Punkt in weiter Ferne. "Hmmm... Ein gutes Glas Wein, vielleicht den Sonnenuntergang betrachten, ein schönes Fest geben", zählt sie auf.
Wut lodert heiß in mir. Sie spielt Spielchen. Weiß ganz genau, was ich wissen will, dennoch hält sie mich hin. Glucksen erfüllt nun die Luft. Scheinbar amüsiert es ihre Höflinge, wenn sie dumm tut.
"Was wollt Ihr von uns?! Was haben wir getan?!"
"Oh", sie bleibt stehen und wirbelt zu mir herum, "Ihr habt gar nichts getan. Nur du."
"Ich?", entkommt es mir und sehe sie verwirrt an.
Was habe ich den Arraris getan oder überhaupt mit ihnen zu schaffen?
Sie nickt. "Hmmhmm, du." Als würde sie mit einem Kind reden. "Wegen dir sind zwei meiner besten Späher tot", sie unterbricht sich, "Naja einer, der andere ist aber auf dem besten Weg dahin."
Meine Verwirrung steigert sich ins Unermessliche.
"Ich habe niemanden getötet!" Die Worte entschlüpfen meinen Lippen noch ehe ich es verhindern kann.
Die Königin lacht. "Natürlich nicht, du bist ein Mensch. Wie könntest du auch nur einen von uns verletzen?" Sie schüttelt den Kopf, als sei allein die Vorstellung mehr als unrealistisch.
"Was wollt Ihr dann, verdammt?"
Ich umschlinge Ida noch mehr, als könnte allein meine Umarmung sie schützen.
Innerlich bete ich, einfach aufzuwachen. Einfach die Augen aufschlagen, das Hüttendach zu sehen, wieder daran erinnert zu werden, es reparieren zu müssen und dann aufzustehen, um meinen Tagwerk nachzugehen.
Ich bete, dass ich mich schüttele, weil der Traum so verdammt real gewesen ist und ihn irgendwann belächele.
Doch, ich wache nicht auf. Nach wie vor hocke ich auf dem kalten Marmor.
"Zwei Leben für zwei Leben. Ich bin gnädig. Ich habe nicht das Ziel euch zu töten. Solltet ihr allerdings sterben ist das euer Wille."
Ich muss mir ein Auflachen verkneifen. Was für ein gedrehter Schwachsinn ist das denn?
"Vorrangig möchte ich mit dir reden, Alva. Ein kleiner Plausch zwischen zwei Frauen. Nicht mehr und nicht weniger. Vielleicht wirst du ein Gespräch mit mir sogar genießen."
"Wohl kaum", rutscht es mir heraus, bevor ich es verhindern kann.
Jelena grinst, "Täusch dich nicht. Ich bin eine sehr gute Zuhörerin. All meine Gesprächspartner betteln irgendwann um ein Gespräch mit mir."
Galle steigt meine Kehle empor. Mein Magen verkrampft sich. Die Drohung ist überdeutlich und gleichzeitig ist es eine Warnung vor dem Bevorstehenden.
Mir wird schlecht.
"Bringt sie ins Loch und ihre Schwester, die könnt ihr nach Arinkas schicken. Vielleicht ist sie noch nützlich, wenn sie den Weg überlebt."
Die Höflinge lachen.
Beherzt wollen die beiden Bullen Idas Arme greifen, doch ich werfe mich förmlich über sie.
"Finger weg!", fauche ich, als die Hände mich stattdessen packen und von Ida wegzuziehen versuchen. Ich halte mich an ihr eisern fest. Auf keinen Fall werde ich zulassen, dass sie sie nach, weiß der Geier, wohin mitnehmen.
Die Griffe werden stärker, der Zug schlimmer. Schmerzen lassen mich laut aufstöhnen, doch ich lasse nicht los.
"Nun macht schon", kommt es gelangweilt von der Königin und im nächsten Moment spüre ich einen Schmerz, der sämtliche Luft aus meiner Lunge presst.
Reflexartig lasse ich los. Es ist nur ein Moment, ein Moment, in dem ich mir die Seite halte, doch da ist Ida schon weg.
Einer der Bullen zieht sie von mir weg, schultert sie, als sei sie ein Sack Mehl und schlendert mit ihr davon.
Ich will ihr nach, rappel mich trotz der Schmerzen auf, stehe schon, da greift eine große Hand nach meinem Hinterkopf und drückt ihn mit einer enormen Wucht nach vorne. Ich stolpere, sehe den Boden näher kommen, spüre den Aufprall und im nächsten Moment den Schmerz, der wie eine Flamme in meinem Körper auflodert.
Ich will erneut aufstehen, doch die Hand legt sich wieder auf meinen Hinterkopf, drückt ihn hinab. Ich zapple. Meine Wange wird auf den kalten Boden gepresst, ich schmecke Blut, Tränen schießen mir in die Augen.
Durch den salzigen Schleier sehe ich die Beine des anderen Bullen. Er hockt neben mir und drückt mich herab, als würde ich weniger wiegen als ein Neugeborenenes. Es scheint ihm keine Mühe zu bereiten, trotz meiner Befreiungsversuche.
"Ins Loch mit ihr!", herrscht nun eine ungeduldige Stimme und im nächsten Moment werde ich hochgezogen. Ich schlage um mich, schreie, beleidigen den Bullen, doch er zuckt nicht mal mit der Wimper. Zieht mich gnadenlos hinter sich her.
Die Angst ist übermächtig. Nicht nur wegen meinem Schicksal, sondern auch wegen Idas. Ob wir einander jemals wiedersehen?
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