Kapitel 2: Rosa Einhorn-Drama-Love-and-Glamour-Handys
Wir haben jetzt die ganze Zeit dem Middle School Leiter Mr Whoop gelauscht, der über wirklich sehr langweilige und wirklich sehr klischeehafte Sachen philosophierte. Irgendetwas mit, dass wir jetzt alle ganz tolle Freunde werden, dass wir dieses Jahr nie vergessen werden und so weiter und so fort.
Aber irgendwie mag ich ihn. Er ist alt, aber nicht sehr alt. Zehn Jahre älter als mein Vater, vielleicht. Er ist plusterig, aber nicht all zu sehr. Und seine Augen sind sehr hell, sie leuchten fast, aber es wirkt nicht gruselig.
Immer wenn er lächelt sieht sein Gesicht ein bisschen mehr wie eine Walnuss aus als vorher. Seine Backen plustern sich dann immer so auf wie bei einem Eichhörnchen. Er erinnerte mich auch total an ein Eichhörnchen aus einer Kinderserie, denn das Eichhörnchen war auch alt und es war Bürgermeister und trug auch immer so einen Anzug, mit einer grauen, gestreiften Hose. Gerade kommt mir das ein wenig seltsam vor.
Nachdem Mr Whoop seine wirklich langweilige Rede gehalten hat und er immer noch sympathisch rüberkommt, werden wir in Klassen verteilt. Ich lande irgendwie in der Klasse 5b, aber ich kann mir nur den Namen der jungen Lehrerin merken, nicht des Lehrers. Miss Underhaud.
Wir stehen alle in verschiedenen Ecken zusammen, und ja, einige, und ich meine damit wirklich alle, die in meiner Nähe sitzen schauen mich an. Was ich am banalsten finde ist, dass sogar einige kleine Kinder in der Aula sich recken, um mich sehen zu können, denn offenbar ist mein Gesicht jetzt bekannter als eine bunte Giraffe. Die Eltern drängen sie aber alle wieder runter, was aber nicht unbedingt viel besser ist.
Ich bin kompliziert, ich weiß.
Natürlich könnte ich jetzt sagen, dass ich am liebsten im Erdboden versinken würde, aber bringen würde es ziemlich wenig, oder? Ein paar Jungs hinter mir, die mein Gesicht noch nicht gesehen haben, kichern und geben Miss Underhaud den inoffiziellen Namen Miss Underwear.
Jetzt passiert das, was ich seid der ersten Klasse nicht mehr miterlebt habe. Ein Mädchen rückt von mir weg, und ich vergesse für einen Moment, dass es wegen meinem Gesicht ist und frage mich dümmlich, ob ich schlecht rieche oder so. Aber das Mädchen ist nicht angewidert. Es ist erschreckt.
Vielleicht hat es auch Angst, ich könnte ansteckend sein. Also, nochmal fürs Protokoll: nein, ich bin nicht ansteckend. Ganz sarkastisch ausgedrückt könnte man fragen, ob man vor seiner Oma auch Angst hat. Seit die erste Klasse vorbei ist, hat so etwas keiner mehr gemacht. Alle kannten mich. Es war wie in einem sehr großen Freundeskreis (zumindest nach der dritten Klasse). Aber keiner von denen, die mit mir in einer Klassen waren, wie Humphrey, Nick oder Aliyah sind auf dieser Middleschool Schule.
Am miesesten.
,,Okay", höre ich die Stimme des namenlosen Lehrers. Ich drehe mich um, er wirft einen Blick in die Runde, und an dem winzigen Blinzelns – nur August Pullmann kann mich jetzt verstehen- weiß ich, dass er versucht, politisch korrekt keinen Unterschied zwischen mir und den anderen Kindern zu sehen. Game over, Mr Namenlos.
,,Okay.", sagt er nochmal. ,,Ihr stellt euch gleich in Zweierreihen auf – ich habe gleich gesagt!", ruft er laut, als sich schon ein paar Mädchen drängeln und Händchen haltend zu ihm empor schauen.
,,Und dann folgt ihr mir und Miss Underhaud. Alles klar? Okay."
Was ich ja an Veranstaltungen am wenigsten mag, ist der Fakt, dass man immer etwas zusammen machen muss. Gruppenarbeit, Zweierreihen, Vertrauensfall und so weiter.
Wow. Wer hätte es gedacht? Alle stellen sich gedrängt zu zweit auf, übrig bleibt nur ein Junge mit einer eckigen Brille, der genauso wenig Lust auf mich hat, wie die anderen. Ach ja, und wie ich vielleicht.
Er läuft mindestens einen Meter von mir entfernt, fummelt grummelnd an seinem Hemdsärmel herum. Ich sage vielleicht nicht, dass es wehtut, das heißt aber nicht, dass es nicht wehtut.
Während wir eine Treppe hinunter gehen höre ich Mr Namenlos und Mr Underhaud vorne irgendetwas palavern, was ich hinten nicht verstehen kann. Dann höre ich ein lautes Dong und auf einmal steht Eckbrille nicht mehr neben mir. Kann er auch gar nicht, denn er liegt neben mir auf dem Boden. Genauer gesagt hält er sich sein Knie, der eine Schuh liegt gefühlte fünf Meter von ihm entfernt. Fakt ist, er ist gestolpert.
Die anderen gehen einfach weiter und ein bisschen ärgere ich mich darüber. Unschlüssig stehe ich da, und frage mich, was ich tun kann. Dann gehe ich in die Knie.
,,Alles...okay?", frage ich und strecke meine Hand nach ihm aus, aber er robbt panisch zurück. Das tut wirklich weh. Also jetzt wirklich, ohne Witz.
,,Bist du – ansteckend?", keucht er, nachdem sich aufgesetzt hat. Das ist gerade wie ein Schlag ins Gesicht. Ich meine, er fragt nicht mal wie ich heiße oder so.
,,Glaubst du, wenn ich ansteckend wäre, würde ich hier sein?"
Eckbrille zuckte die Schultern, zieht sich seinen Schuh an und steht mühsam auf.
,,Wer weiß."
Nett. Wirklich nett. Die anderen sind weit hinten, und wir laufen – humpeln auf sie zu.
Eine peinliche Stille breitet sich aus.
,,Wie heißt du?", frage ich schnell um irgendetwas zu sagen.
,,Kevin", sagt er knapp. Kevin. Das passt. Er sieht schon aus wie so ein richtiger Kevin.
,,Was ist mit dir", fragt Kevin aka Eckbrille, und ich bin schon fast stolz, eine richtige Konversation zu führen.
,,Oh...ich bin Bobbie", sage ich, und versuche, irgendwie ein Zittern zu unterdrücken.
,,Nicht dein Name", herrscht er mich auf einmal an, und es wäre gelogen, wenn ich nicht sage, dass ich wirklich hart zusammenzuckte.
,,Was ist mit dir los? Deinem Gesicht, meine ich. Was ist falsch damit?"
An dieser Stelle möchte ich sagen, dass ich schon einige Menschen getroffen habe, bei denen ich mir meinen Teil dachte, aber hier bin ich einfach nur noch sprachlos.
,,Ich-", stammele ich. Ja, ich stammele, nicht der beste Weg in so einer Situation cool zu wirken, aber Bobbie Armstrong stammelt nun mal wenn sie aufgewühlt ist.
,,Ich habe..."
,,Ist ja auch egal", unterbricht mich Kevin hochnäsig und beschleunigt seine humpelnden Schritte.
Ich bin tatsächlich einfach nur noch fassungslos, als ich sehe, wie Kevin beginnt, mit einem anderen Jungen zu sprechen. Ich wollte helfen, er fragt mich ob ich ansteckend bin. Ich wollte Konversation führen und er fragt mich, was falsch mit meinem Gesicht ist.
Nur um das klarzustellen, ich habe kein Problem, wenn Leute mich nach meinem Gesicht fragen. Aber es kommt auf dir Art an, wie es jemand fragt. Und Kevins Art war auf jeden Fall daneben. Er toppt wirklich alles, denn ich glaube er ist der erste, der mich willentlich verletzt.
Man sagt immer, bist du nett zu mir, bin ich nett zu ihr. Very easy.
Aber so easy ist das gar nicht, oder ich habe eine verdrehte Sicht von der Welt. Okay, es wäre nicht das einzig verdrehte, aber hey, war ich gemein? Oder provozierend? Also, wenn ja, ich würde es wirklich gerne wissen, dann bin ich vielleicht doch so merkwürdig wie die Leute meinen.
Ich hab gehört, Psychopathen wissen nicht, dass sie verrückt sind. Vielleicht gehöre ich ja wirklich in die Klapse.
Wie dem auch sei, der Schreck, den Kevin mir eingejagt hatte, ist nicht der beste Einstieg ins neue Leben. Vielleicht hat etwas in mir drinnen gedacht, es würde irgendwie doch ein Neustart sein, aber insgeheim weiß ich doch, dass es das nicht ist.
Ich weiß es nicht, weil ich gerade so eine böse, depressive und total buchtypische Einstellung habe, sondern einfach, weil ich allein sitze, obwohl neben mir noch ein Platz ist, und ich die Rufe von Miss Underhaud mitbekommen:
,,Kinder? Kinder! Sucht euch euren Platz gut aus, er bleibt bis zum Ende des Schuljahres!"
Wisst ihr, die goldene Regel bei der Freundesuche ist es nicht, nett zu sein oder gerne zu helfen, sondern Markenklamotten, ein hübsches Gesicht, und Humor, Beliebtheit, die du irgendwie sofort errangen musst, und am besten, du hast davor schon ganz viele Freunde.
Nun, ich habe nur zwei Sachen davon, und die reichen bei weitem nicht aus, um mich mit den schicken Mädchen zwei Reihen vor mir zu messen, denn die sehen mit ihrem Lipgloss und aus, als könnten sie es mit der ganzen Welt aufnehmen.
Nachdem sich das Chaos ein wenig gelegt hat, klatscht Miss Underhaud in die Hände.
,,Schön. So bleibt ihr sitzen? Schön.", sie lässt den Blick über die Menge schweifen, doch sie kann ihre Reaktion bei meinem Anblick nicht so gut verstecken wie Mr Namenlos das schaffte.
Sie formt ihren Mund zu einem O, und wenn ich ehrlich bin, sie sieht wirklich ziemlich dümmlich dabei aus. Dumm und wenig intelligent.
,,Oder... also-", sie stammelt, wendet den Blick ab und setzt ein nicht wirklich überzeugendes Lächeln auf. Ich will nur kurz erwähnen, dass jeder dieser Blicke sich anfühlt, als würde man einen stumpfen Gegenstand in meine Brust rammen.
,,Ich...denke, wir werden die Plätze - vielleicht doch tauschen."
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