Für mich ist das Leben wie ein Buch. Jeden Tag wird eine weitere Seite geschrieben. Bis das Buch zu Ende ist und wir nur noch Staub sind. Das Ende von Sanjos Geschichte kam unerwartet am 14.11.2018. Im Juni 2019 starb Elfriede. Damit endet in meiner eigenen Geschichte das Kapitel „Haustiere in Ba-Wü". Doch meine restliche Geschichte geht weiter.
Mittlerweile sitze ich in NRW. Ein neues Kapitel begann für mich. Es gilt jetzt wieder leere Seiten zu füllen. Was für mich kommt, kann mir niemand sagen. Wer weiß, wie lange ich alleine in NRW leben werde. Wer weiß, wie lange ich dieses Mal ohne Haustiere leben werde. Ich spür es schon, dass es wieder mein Wunsch ist, jemanden an meiner Seite zu haben. Am liebsten ein kleines Kätzchen. Das wäre mein Traum. Doch ich lasse es auf mich zu kommen. Denn was passiert, wird einfach geschehen. Ich werde mich jetzt nicht mehr dagegen wehren. Ich werde nicht mehr dastehen und mein Glück für die Trauer um meine Katze aufgeben. Er hätte das nicht gewollt.
Glück und Trauer. Die beiden Stimmungen dürfen jetzt wieder zusammen in meinen Leben geben. Ich kann wieder glücklich sein, doch am nächsten Tag auch wieder traurig über den Verlust in seinem Sessel sitzen und die Welt verfluchen. Ich lass es wieder zu, dass ich am einen Tag glücklich durch die Welt tanzen werde, während ich am nächsten Tag aus lauter Trauer und Frust die Schokolade in mich hineinfressen werde. Und ich werde seine Geschichte jetzt wieder mit einem Lächeln und den Tränen in den Augen weiter erzählen.
Wenn ich über meine Trauerzeit nachdenke, dann fällt mir eines auf. Viele Menschen werden es nicht verstehen, wenn ich so über ein Tier trauern werde. Ein Tier ist ein Tier mehr auch nicht. Die meisten Menschen sehen in den Tieren nicht das was ich sehe. Für viele Menschen sind das dumme Kreaturen, die keine Gefühle fühlen können. Sie verstehen nicht, was ein Tier wirklich ist. Was es bedeutet, ein Tier zu haben.
Sanjo war mein Kater, mein Kind, mein Seelenverwandter. Er zeigte mir oft, wieso ich mich mehr zu den Tieren hingezogen fühlte, als zu den Menschen. Wann immer mich jemanden trösten musste, war er da. Er hat viel durchgemacht. Musste die Dummheit der Menschen spüren. Und erlebte doch die die Wärme und Liebe der anderen Menschensorte. Wir lernten viel von einander, ohne dass wir uns verständigen mussten. Es reichte meist nur ein Blick und wir wussten, was der andere wollte. Für ihn hätte ich alles aufgegeben. Auch wenn ich wusste, dass wir nicht für immer zusammen sein würden.
Seit 2 Jahren ist er jetzt weg. 2 Jahre, in denen ich alleine klar kommen musste. Von 16 Jahren sind mir nur Bilder erhalten geblieben. Videos, die seine letzte Tage zeigte. Die zeigen, wie er noch atmete, wie er noch nach Liebe bettelte. Letztendlich habe ich es dann doch geschafft. Nach den 2 Jahren kann ich wieder atmen. Ich kann wieder weitergehen, mich auf das Neue freuen.
Die Trauer wird immer wieder hochkommen, dass ist mir nun klar. Doch ich lass es jetzt zu. Niemand kann meinen Schmerz verstehen. Selbst wenn jemand ein Tier hatte. Und diejenigen, die ohne Tiere aufwuchsen, können es sowieso nicht verstehen. Eine Freundin erzählte einst, dass sie es nicht nachvollziehen kann, da sie selber keine Tiere hat. Da hat sie Recht. Ich kann nicht nachvollziehen, wie es ist ein Kind zu verlieren, da ich keins habe. Aber ich kann mir vorstellen, dass es so ist, wie wenn ich meine Tiere verliere. Es zerreißt einen, bis einem der Atem stockt. Der Mensch braucht seine Trauerphasen. Doch in Deutschland vergessen das so viele. In Deutschland muss jeder funktionieren. Egal, was geschah.
Ich geh nun gegen diese Einstellung. Wenn ich eine Pause brauche, nehme ich sie mir ganz einfach. Wenn ich atmen muss, ruhe ich mich aus. Wenn ich weinen will, lass ich die Tränen fließen. Im Endeffekt ist es mein Leben. Ich bin nicht da, um andere zu gefallen. Ich bin da, um mich voll und ganz um mich selbst zu kümmern.
Mit dem Buch befreie ich mich ein stückweit jetzt von meiner Trauer. Alles was mich belastet hatte, steht jetzt auf den wenigen Seiten. Zwei Jahre auf ein paar Seiten nieder geschrieben. Irgendwann werde ich das mal wieder lesen. Entweder ich lache dann oder mir kommen wieder die Tränen. Vielleicht werde ich auch lachen, wenn ich mir die Kommentare der Tiere durchlese. Auch wenn ich sie selbst geschrieben und ausgedacht habe, auch wenn es meine Wunschvorstellung von ihren Gedanken war, so fühlt es sich an, als hätten sie meine Hände geführt. Sicher werde ich nicht sein. Aber es war befreiend die Kommentare zu lesen.
Wie beendet man nun ein Buch, das nie zu Ende gehen wird? Wie beendet man ein Buch, dessen restliche Kapitele ab sofort nur noch für einen selbst bestimmt ist? Das sind nun Fragen, die ich mir stellen muss. Für jeden, der das interessiert, wird es nun zu Ende sein. Für mich wird das Trauerbuch weitergehen.
Ich danke dir für 16 wunderschöne Jahre. Für 16 Jahre voller Glück, Trauer, Lachen und Freude. Ich danke dir für den Trost in all den Jahren. Für die Liebe in all den Tage. Ich danke dir für alles was du getan hast und wünsche dir alles Gute in der anderen Welt. Hab viel Spaß mit Elfriede, Schokotörtchen, Mausi und all den anderen süßen Tierchen, die ich hatte. Wartet dort oben auf mich. Irgendwann werde ich nachkommen. Ich hab es dir zu wenig gesagt, deswegen will ich es jetzt noch sagen. Denn ich weiß, dass du es mitbekommen wirst. Weil du es sehen wirst.
Sanjo, ich habe dich unglaublich doll lieb. Ich liebe dich mehr als die Welt.
Du fehlst mir, Butzele.
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