02 - Barbecue on the rocks


Der Regen fiel in Strömen auf sie herab, nun hatten sie ein Problem. Geschieht euch recht, dachte Laura.

Gut, dass sie nicht zum Einkaufen mitgefahren war. Zusammen mit der ganzen Gruppe in dem Pickup? Natürlich waren diese blöden Idioten bei ihrer Rückkehr nicht mehr nüchtern gewesen und hatten schon die nächste Flasche am Start, während sich der Rest im See tummelte. Lauras Bikini war nur zum Sonnenbaden geeignet, und einen zweiten hatte sie nicht dabei. Baden fiel also für sie flach. So hatte sie sich das „romantische Wochenende am See" nicht vorgestellt. Es hätte so schön werden können, nur sie vier – ihr Liebster und sie, Andy und Lucy. Obwohl Toms kleine Schwester um Längen erträglicher als diese beiden Typen war, denen – anders als Laura – die sich zusammenballenden Gewitterwolken schietegal waren.

Sie schaute den anderen zu, von denen ein paar im Wasser planschten. Lucys unbeholfene Flirtversuche kommentierte sie, nur für sich selbst und unhörbar für die anderen, mit einem mitleidigen Schnauben. Leider sah Toms kleine Schwester nicht, dass Andy an ihr nicht interessiert war. Schade um die vertane Zeit. Mit einem genervten Seufzen griff Laura nach ihrer Tasche und verschwand nach drinnen, um sich umzuziehen, denn so langsam wurde es unangenehm kühl. Sich für das passende Outfit zu entscheiden, dauerte schier ewig.

Sie wusste nicht, wie lange sie sich schon in ihre Garderobe vertieft hatte, aber als plötzlich die ersten Donnerschläge durchs Tal krachten, war das der Startschuss für die jäh einsetzende Sintflut. Es dauerte eine Weile, bis David und Julian auf die Beine kamen. Wie durchweichte Ratten sahen sie jetzt aus. Ratten, ertränkt in Wodka Red Bull. Das Zeug zog ihr persönlich ja die Schuhe aus, aber Toms Kumpel waren da aus härterem Holz geschnitzt. Dabei hatte der Vormittag so unspektakulär begonnen...

Während Lucy die paradiesische Ruhe am See genoss, hatte sich Laura nochmal auf die andere Seite umgedreht. Paradiesische Ruhe? Das Knattern eines Motorrads hatte diese jäh zerrissen, und kurz darauf war Andys Freund in der Hütte erschienen. Wer hatte ihn bloß eingeladen? Unter dem Tritt seiner schweren Stiefel erzitterten die Dielenbretter. Geht's noch lauter, stöhnte Laura innerlich. Ihr Schädel brummte von zu wenig Schlaf. War spät geworden, letzte Nacht. Nach der Vorstellungsrunde nahm sich Andys Freund Alex einen Becher mit Kaffee und verzog sich wieder nach draußen, zu den anderen. Laura schloss sich der Gruppe an und bekam aber schon auf der Türschwelle Schnappatmung.

Wir quetschen uns alle in den Toyota! Der durchdachte Plan von David hatte einen Haken: Mehr als fünf Leute passten nicht in den Wagen, und sie waren zu siebt. Darauf hatte Laura keine Lust. Sie zog es vor, die Sonne zu genießen und ihre Bräune zu pflegen. Die Bemerkung Julians, sie solle sich nicht so anstellen, quittierte sie, indem sie ihm den Vogel zeigte. Wenn es auf der Rückbank selbst für Lucy noch Platz gab, dann würde sie doch auch noch locker reinpassen?

„Du hast sie doch nicht alle", warf sie ihm an den Kopf und schnappte sich ihre Badesachen und ein Taschenbuch.

„Viel Spaß noch mit deinen Fifty Shades", rief ihr Julian hinterher. Ohne Erfolg. Laura reagierte gar nicht erst auf diesen blöden Witz, den niemand außer Julian komisch fand, während Tom irritiert die Stirn runzelte.

Fifty Shades of Veilchen, dachte Lucy beim Blick in sein genervtes Gesicht. Schön, dass Lucy nicht die Einzige war, der dieser Idiot auf den Zeiger ging und dass sie im Toyota nicht direkt neben ihm sitzen musste. Andy hatte sie auf die Rückbank gescheucht, wo sie sich zwischen David und Alex quetschen musste. Tom rief vom Beifahrersitz aus Laura ein letztes Mal zu, ob sie wirklich nicht mitkommen wolle. Doch die hatte sich bereits in ihren Schmöker vertieft.

Viel Spaß mit deinen Fifty Shades? Wohl eher fifty shades of Sonnenbrand. Schon bei der Vorstellungsrunde war Lucy eine verräterische Rötung an Lauras Schultern aufgefallen. Wenn diese nicht aufpasste, wäre sie bei ihrer Rückkehr oben herum pink statt bronze, und sie würde Toms Umarmungen weniger leidenschaftlich als letzte Nacht erwidern. Den Gedanken verfolgte Lucy nicht weiter, schon allein wegen Andys Fahrstil. Ob es wirklich so eine gute Idee war, sich mit Restalkohol ans Steuer zu setzen und einen Kavalierstart mit quietschenden Reifen hinzulegen? Sie konnte sich nirgends festhalten und wurde unsanft gegen Alex gedrückt. Aber wenigstens waren die Fenster geöffnet. So war die von David ausgehende Schnapsfahne nicht ganz so unerträglich. Wer hatte eigentlich das Gerücht in die Welt gesetzt, dass man exzessiven Wodkakonsum vom Abend zuvor anderntags nicht wahrnahm? Noch ein Grund, das Zeug zu meiden.

Warum hatte sie sich bloß dazu überreden lassen, mitzukommen? Steaks, Würstchen und Bier konnten Toms Freunde auch alleine kaufen, dazu brauchten sie sie nicht. Hatte ihr Bruder Angst, dass sie sich alleine zu Tode langweilte? Sie konnte sich wirklich Spannenderes vorstellen, als umringt von Schnapsleichen in die Stadt zu fahren... Der Fairness halber musste sie sich korrigieren: zwei Schnapsleichen, ein halbwegs nüchterner Fahrer und drei Passagiere, die noch gar nichts getrunken hatten. Aber das konnte sich jederzeit ändern.

Eigentlich hätte sie es sich schon vorher denken können. Eine fußbetriebene Pumpe für ihre Luftmatratze war nirgends aufzutreiben und Ohropax anscheinend auch nicht. Klar, an diesem Wochenende war die halbe Republik unterwegs nach Wacken – kein Wunder, dass sie den See für sich hatten. Das Grillgut und den Fünf-Liter-Eimer Kartoffelsalat hatten sie Lucy aufgehalst, denn David und Julian hatten eine viel wichtigere Fracht zu tragen: den Wodka. Nimm sechs, zahl fünf. Schnaufend wuchtete Lucy die schwere Ladung hoch, nachdem sie sie zum wiederholten Male absetzen musste. Tom war ihr natürlich auch keine Hilfe, denn er und Andy schleppten einen Kasten Bier. Und Alex?

Der stand plötzlich neben ihr und sprach zu ihr: „Komm, lass mich Dir mit dem schweren Zeug helfen." Aha, der Herr konnte reden. Und Manieren hatte er anscheinend auch. „Du bist Toms kleine Schwester, richtig?"

Lange Haare, kurzes Gedächtnis? Kleine Schwester? Na super, reibt es mir ruhig unter die Nase, dass ich für euch alle nur das Küken ohne erinnerungswürdigen Namen bin. Die Kleine. Das Anhängsel. Das fünfte Rad am Wagen. Ein schöner Kavalier war das. Sollte er doch ruhig den schweren Eimer schleppen!

Vielleicht war die Übergabe doch mit etwas zu viel Schwung vor sich gegangen, aber kaum hatte sie den Eimer an Alex ausgehändigt, landete Lucy mit dem Fuß in einem Schlagloch und verlor das Gleichgewicht. Wie auf Kommando ließ ihr Kavalier den Eimer fallen, um Lucy aufzufangen und zu verhindern, dass sie der Länge nach hinschlug. Die Ladung ging zu Boden und zerbrach mit einem unschönen Knirschen. Der Kartoffelsalat war sprichwörtlich für den Eimer und zu nichts mehr zu gebrauchen. Gebrochen war auch die Sohle von Lucys Turnschuh.

„Da kann man wohl nichts machen", stellte Alex fest, als er Lucys Füße inspizierte. „Und du bist wirklich in Ordnung?"

Vorsichtig trat Lucy auf. Gebrochen war nichts, verstaucht und gezerrt auch nicht. Da hatte sie nochmal Glück gehabt. Außer einem kaputten Schuh fehlte ihr nichts. Nur gut, dass sie ein Ersatzpaar dabei hatte. Das hatte sie aber auch nur gedacht.

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