6. Besuch

„Verdammter Mist!", schimpfte Hermine laut und lief mit mehreren Einkaufstüten über die Straße. Es regnete in Strömen und den ganzen Tag über hatte sie sich vor einem Einkauf gedrückt. Am Abend jedoch hatte sie schlecht gelaunt ihre Wohnung verlassen und war zu Fuß durch das Unwetter zum Supermarkt gelaufen. Ein lästiges Übel. Diese großen Supermärkte, voller Menschen und Regale, voller Produkte dessen Namen sie noch nicht einmal aussprechen konnte.

Gott, sie hasste es einzukaufen.

Nach einer halben Stunde und einer gefühlte Ewigkeit an der Kasse, hatte sie es endlich geschafft und rannte nun durch den strömenden Regen über die Straße zu ihrer Haustür.

Keuchend schloss sie auf und schleppte ihre Tüten in den ersten Stock. In ihrer Wohnung angekommen, brachte sie ihren Einkauf in die Küche, zückte ihren Zauberstab und ließ die Produkte von selbst an ihren Platz schweben. Dann ging sie seufzend ins Bad und föhnte ihre Haare. Kopfüber. Als sie wieder in den Spiegel blickte musste sie Lachen. Ihre Haare sahen aus wie die Mähne eines Löwen. Sie standen in alle Richtungen ab und hatten sich voluminös an ihren Kopf gelegt.

Lachend hielt sie sich am Beckenrand fest und schüttelte unaufhaltsam den Kopf. Wie sie aussah! Schnell drückte sie ihre Haare mit ihren Händen platt und zog hastig ihre durchnässte Kleidung aus. In einer halben Stunde würden Harry und Ginny zum Essen kommen und sie hatte weder gekocht, noch irgendetwas anderes vorbereitet. Beide hatten sich erst gestern angekündigt und wollten ihr etwas Erfreuliches mitteilen. Was, das wusste sie noch nicht, da Harry es ihr auch nach einer langen Diskussion am Telefon nicht sagen wollte. Sie wollten unbedingt bei ihr vorbeischauen und auch wenn Hermine sich innerlich dagegen sträubte, so müsste sie beiden von ihrer Kündigung beim Ministerium erzählen. Harry würde es so oder so bald herausfinden.

Nur in Unterwäsche bekleidet, lief sie aus dem Badezimmer und steuerte schnell auf ihren Kleiderschrank zu, der im angrenzenden Schlafzimmer stand. Sie zog sich eine enge Jeans, ein rotes Top und ein dunkles Sweatshirt an. Nach Aufbrezeln war ihr momentan eher weniger zumute.

Kurz darauf schlug sie ihre Kleiderschranktür zu und wollte grade in die Küche gehen, als sie zu ihrer Rechten ein Geräusch war nahm.

Instinktiv griff sie nach ihrem Zauberstab und drehte sich ruckartig um. Dort im Wohnzimmer, neben ihrem Sofa, stand eine schwarze Gestalt.

„Stupor!", brüllte Hermine, ohne weiter zu überlegen, und die Gestalt prallte mit voller Wucht gegen die Wand. Sie stöhnte auf und zitternd näherte sie sich ihr.

„W-wer sind sie?", stotterte Hermine und ihr Herz raste. Wieso brach jemand in ihre Wohnung ein?

Die Gestalt hatte eine Kapuze über ihren Kopf gezogen, man erkannte jedoch deutlich den Körper eines Mannes.

Niemand, den Hermine kannte, würde unangemeldet in ihre Wohnung eindringen!

Stöhnend krümmte sich der Mann auf dem Boden und schüttelte heftig den Kopf.

„Granger.", stöhnte er und Hermine blieb wie angewurzelt stehen. Den Zauberstab immer noch auf die Gestalt gerichtet, keuchte sie zitternd.

Das konnte nicht wahr sein! Das...Diese Stimme! Gänsehaut bereitete sich auf ihrer Haut aus.

Jetzt zog der Mann langsam seine Kapuze von seinem Kopf und hervor kamen lange, schwarze Haare – durchzogen mit grauen Strähnchen, einer Hakennase und einem dünnen Mund.

„Severus!", rief sie vollkommen perplex und starrte den alten Professor an. Er sah abgehetzt und erschöpft aus. Die Ränder unter seinen Augen traten dunkel hervor und waren nicht zu übersehen. Erschrocken und zitternd, steckte sie ihren Zauberstab weg und kniete sich hastig neben ihn.

„Severus! Was – was machen Sie hier?", fragte Hermine leise und schüttelte den Kopf. „Tut Ihnen etwas weh?"

Schnaubend schluckte Snape und beobachtete Hermine. Es kam ihm vor wie in einem seiner Träume. Sie hatte sich neben ihn gekniet und blickte ihm erschrocken und hilflos in die Augen. Ja. Sie war es gewesen. Sie hatte ihn gerettet. Ohne Zweifel. Wie eine Wucht prallte diese Erkenntnis auf ihn ein.

Ächzend lehnte er sich gegen die Wand und stieß sich langsam daran hoch.

Auch Hermine stand nun auf und er bemerkte, wie ihr Körper vor Zittern bebte.

„Keine Sorge, ich werde Ihnen nichts tun.", murmelte er sarkastisch und schüttelte leicht amüsiert den Kopf. Reflexe hatte die Kleine, das musste man ihr lassen. Auch wenn seine Reflexe etwas verlangsamt waren, so schnell hatte er selten jemanden reagieren sehen. Immer auf der Hut.

„Was wollen Sie hier? Wie haben Sie mich gefunden?", platzte es nun aus ihr heraus und es war, als ob ihr Herz aus ihrer Brust springen würde. Er hatte sie gefunden! Wieso erst jetzt? Wieso war er in ihre Wohnung eingebrochen? Was wollte er jetzt von ihr?

Snape hielt mit seiner Hand schmerzend seine Schulter fest. Durch den Aufprall brannte seine Narbe nur noch schlimmer und der Schmerz zuckte durch seinen ganzen Arm. Er bemerkte etwas Heißes, Klebriges an seinem Hals. Schluckend fühlte er mit seiner Hand an seiner brennenden Wunde und wurde herzklopfend bestätigt. Es war Blut.

„Oh Gott!", flüsterte Hermine plötzlich und schnappte nach Luft. „Das - das wollte ich nicht! Warten Sie!"

Hastig verschwand sie in einem anderen Zimmer und Snape setzte sich müde auf das rote Sofa, dass in der Mitte des Raumes stand und das Wohnzimmer fast gänzlich ausfüllte. Die Wohnung war klein und geräumig und mit strahlenden Farben tapeziert. Mit hochgezogenen Brauen blickte Snape auf Hermine, die aus dem Zimmer gestürmt kam und eine kleine Phiole in der Hand hielt.

„Was ist das?", fragte er misstrauisch und sie öffnete die Phiole.

„Pepper Up.", antworteten beide gleichzeitig, da Snape den Trank nach kurzem Überprüfen sofort erkannte.

Stirnrunzelnd blickte er sie an.

„Woher haben sie den, Granger?", fragte er Hermine und sie hob überrascht ihre Augenbrauen.

„Selbst hergestellt, Professor.", meinte sie zynisch. Musste er sie sofort wie eine Schülerin behandeln?

Seine Augen wurden immer größer.

„Sie – wie bitte?"

„Ich habe Zaubertranklehre studiert, Sir.", schnauzte sie ihn an und schüttelte den Kopf. „Zeigen sie mal her."

Sie drückte ihm die offene Phiole in die Hand und packte behutsam seinen Kopf, um ihn zu drehen und die Wunde zu inspizieren.

Erschrocken über ihre Berührung, wich Snape zurück und starrte sie mit weitaufgerissenen Augen an.

„Meine Güte! Ist das ihr Ernst? Ich kann die Wunde schließen. Nun zeigen sie schon her!", rief sie ungeduldig und wurde immer nervöser. In wenigen Minuten würden Harry und Ginny hier auftauchen und wie sollte sie ihnen erklären, dass der jahrelang verschwundene, Untote, Ex-Todesser nun in ihrem Wohnzimmer saß – dazu noch blutend und verletzt? Verdammter Mist!

Widerwillig brummte Snape und ließ Hermine einen Blick auf ihre Wunde gewähren.

Sie zückte ihren Zauberstab und ehe er sich versah, murmelte sie einen Heilzauber.

„Episkey.", hauchte Hermine leise und aus ihrem Zauberstab kringelten sich dünne, eisblaue Fäden, die sich auf seine blutende Narbe legten und sie langsam verschlossen.

„Respekt, Miss Granger.", nickte Snape amüsiert. Sie starrte ihn wütend an.

„Verdammter Mist! Wieso tauchen sie plötzlich unangemeldet hier auf, Snape?! Und wieso platzt ihre Wunde nach 6 Jahren auf?", fauchte sie nun und verschränkte drohend ihre Arme vor der Brust.

„Niedlich.", dachte Snape sich und schüttelte innerlich den Kopf. Niedlich?

„Sind wir nun wieder beim „Sie" angelangt, Miss Granger?", fragte er nur, doch bevor er weitersprechen konnte, klingelte es.

„Mist!", rief Hermine panisch und blickte sich hektisch um. „Das sind Harry und Ginny. Snape – sie müssen gehen!"

War das ihr Ernst? Zuerst verpasste sie ihm einen Fluch und dann warf sie ihn raus?

Skeptisch blieb Snape sitzen und trank die Phiole mit einem Schluck aus.

„Ich muss mit Ihnen sprechen, Granger.", zischte er dann und kniff seine Augen zusammen. Es brannte wie Pfeffer.

„Ja, aber nicht jetzt!", rief sie hektisch und fuchtelte wild mit ihrem Zauberstab hin und her. Sie reinigte das Blut an der Wand und auf dem Sofa und sah sich im Spiegel an. Sie sah aus wie eine Irre! Ihre Augen waren vor Schreck geweitet und ihre Haare standen in alle Richtungen ab. Ihr Ärmel war voller Blut und heftig atmend wandte sie sich wieder an Snape. Dieser hatte sie die ganze Zeit beobachtet.

„Sie sehen gut aus, Granger. Kein Grund, sich für Potter herzurichten.", schmunzelte er amüsiert. Auch wenn sie etwas...irre aussah, so hatte sie sich doch zu einer attraktiven Frau entwickelt.

„Wir haben keine Zeit für Späße! Gehen sie in mein Schlafzimmer. Ich werde mit Harry und Ginny etwas Essen gehen und solange werden Sie hier warten! Sie verlassen nicht meine Wohnung und gehen nirgendwohin, haben sie mich verstanden?"

„Sagt wer?", antwortete er spöttisch. War das nun ihr Ernst?

„Entweder so, oder sie verschwinden von hier! Wissen sie eigentlich, wie gefährlich das ist? Ein Wunder, dass noch kein Auror hier aufgetaucht ist!", schüttelte Hermine hektisch den Kopf. „Jetzt gehen sie in mein Schlafzimmer!"

Also suchten sie doch noch nach ihm? Verdammter Mist!

Er erhob sich langsam und überlegte schnell.

Wenn er jetzt verschwinden würde, dann würde er keinerlei Antworten bekommen. Aber hier zu warten? Das kam ihm noch absurder vor.

Snape blickte Hermine in die Augen und schnaubte.

Es klingelte wieder.

„Jetzt machen sie schon, Snape! Bitte!", flehte sie ihn an und schob ihn sanft in Richtung Schlafzimmertür.

Ehe er sich versah, wurde die Tür hinter ihm zugeknallt und er befand sich in einem kleinen, eckigen Raum, in dem nur ein großes Bett und ein Kleiderschrank standen. Mehr würde in diesen kleinen Raum auch nicht reinpassen. Seufzend lehnte Snape sich an die Wand und atmete tief durch. Seine Schmerzen wurden allmählich weniger und beunruhigend blickte er auf seine Narbe. Sie blutete zwar nicht mehr, war jedoch angeschwollen und stark gerötet. Wieso ausgerechnet platzte sie nach 6 Jahren wieder auf? Als Snape Stimmen hörte, stellte er sich mit einem Ohr lauschend an die Tür und hielt den Atem an.

***

Hermine stellte sich vor den Spiegel, richtete ihre Haare, warf ihr blutdurchtränktes Shirt ins Badezimmer, hastete zur Wohnungstür, drückte auf den Summer und suchte zweifelnd nach einer guten Ausrede.

„Mine!", rief Harry vorwurfsvoll, als Ginny und er vor ihr standen. „Wieso lässt du uns denn im Regen stehen?"

Sie ließ die beiden in ihre Wohnung und schluckte merklich.

„Ich stand unter der Dusche und habe euch zu spät gehört – hört mal, wie wäre es, wenn wir Essen gehen? Ich lade euch ein?", sagte sie schnell und hielt abwehrend die Hände hoch, als Ginny ihren Mantel ausziehen wollte.

Harry blickte zuerst seine hochschwangere Frau und dann Hermine skeptisch an.

„Mine, was ist los?", fragte er misstrauisch und kniff seine Augen zusammen. Hermine nestelte nervös an ihrem Sweatshirt.

Verdammt! Harry kannte sie einfach zu gut. Sie musste die Situation entschärfen und ihm einen halbwegs ehrlichen Grund geben, wieso sie so aufgelöst schien.

„Ich habe meinen Job gekündigt!", platzte es aus ihr heraus und Harry, wie auch Ginny, rissen beide ihre Augen auf.

„Du hast, WAS?", rief Harry erschrocken und schüttelte energisch den Kopf. „Das ist nicht dein Ernst, Hermine!"

„Wieso?", fragte Ginny – wesentlich gefasster – und warf ihrem Mann einen strengen Blick zu.

„Also, Harry, Ginny, ihr kennt doch Lynch – ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten! Er tyrannisiert mich wo er nur kann und Kingsley hat meinen Antrag abgelehnt, ich war so wütend, so emotional – da habe ich einfach gekündigt.", erklärte sie durcheinander und schaute betreten zu Boden.

Harry fuhr sich durch seine pechschwarzen Haare und schüttelte den Kopf.

„Das ist alles Snapes schuld!", sagte er aufgebracht und wollte an Hermine vorbeigehen, die ihn jedoch panisch zurückhielt.

Verdammter Mist! Musste er ausgerechnet jetzt davon anfangen?

„Du solltest ihn endlich besuchen, Mine! So kann das doch nicht weitergehen, es kann doch nicht sein, dass du ständig von ihm träumst und nicht mit der Sache –.", rief er und redete sich immer mehr in Rage. Hermine unterbrach ihn schnell.

„Nein, nein! Lass uns Essen gehen, Harry, bitte. Komm, Ginny.", sagte sie, nervöser als beabsichtigt, und zog ihre beiden Freunde zur Tür.

„Hermine, verdammt, was soll das?", schüttelte Harry sie ab und sie blickte betreten zu Boden. Ginny seufzte.

„Mine, wir machen uns wirklich schreckliche Sorgen um dich. Bitte rede doch mit uns, wir wollen dir doch nur helfen!", sprach sie sanft auf ihre Freundin ein und legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter.

„Ist das der Grund, wieso ihr so kurzfristig mit mir reden wolltet?", fragte Hermine misstrauisch.

Harry und Ginny tauschten einen kurzen Blick miteinander aus.

„Ähm - also, ja und nein, Mine.", sagte er lächelnd. „Ginny und ich...wir wollten dir als Erste den Namen unseres ungeborenen Sohnes mitteilen. Und natürlich fragen, ob du Patentante werden willst."

Hermine riss überrascht ihren Kopf hoch.

„Natürlich!", sagte sie lächelnd. „Und wie ist der Name?"

Kurz blieb es still, anscheinend wussten die Beiden nicht, wer zuerst reden sollte. Hermine verstand nur Bahnhof.

„Albus Severus Potter.", flüsterte Ginny kurz darauf und Hermine zog ihre Augenbrauen hoch. Die Überraschung über den Namen war ihr durchaus ins Gesicht geschrieben.

„Du willst deinen Sohn Severus nennen?", fragte sie prompt und zweifelnd schaute sie zu ihrer Schlafzimmertür. Hoffentlich würde Severus davon nichts mitbekommen!

„Ja. Mine, du weißt, was er alles für mich getan hat. Er hat Lily geliebt. Ich habe ihm verziehen und falls du ihn jemals wiedersehen solltest, dann richte ihm meinen Dank aus.", erklärte Harry sich und legte fürsorglich einen Arm um seine Frau.

„Das hast du grade selbst getan.", dachte Hermine im Stillen und versuchte krampfhaft zu Lächeln.

„Wunderbar!", sagte sie nun. „Wollen wir jetzt Essen gehen?"

Harrys Gesichtsausdruck wurde wieder misstrauisch. Doch nach einem kurzen Blick zu Ginny, nickte er nur.

„Okay, Mine. Wie du willst. Aber wir müssen uns ernsthaft über deine Situation unterhalten. Du kannst nicht ewig davor wegrennen.", sprach er im Hinausgehen, als sie ihn und Ginny zur Tür schob und mit einem lauten Knall ihre Wohnung schloss.


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