27. Opfer

       

Als er sich umdrehte, schienen die Kämpfe nicht weniger geworden zu sein. Hermine hockte wimmernd auf dem Boden und blickte ihn mit angsterfüllten Bernsteinen an. Sie war hilfloser denn je und hatte keine Ahnung, wie man ohne Zauberstab kämpfte. Er schaute sich um, doch immer mehr Auroren strömten in den Saal und schienen die Oberhand zu gewinnen.

Hermine sah sich panisch um. Wo waren Harry, Ron und McGonagall? Da erblickte sie Harry, der grade einen Maskierten zu Boden warf, den Zauberstab griff und einen anderen Eindringling mit einem Schockzauber stoppte.

Von Ron und McGonagall keine Spur.

Snape packte Hermine am Arm, zog sie hoch und lief mit ihr, dicht gepresst an der Wand, zum Ausgang des Saals. Dieser schien für einen kurzen Moment frei zu sein, da sich der Kampf mittlerweile mehr im Inneren zutrug. Er rannte mit Hermine durch die offene Tür, bog in einen dunklen Gang ab und stieß die Tür zum Treppenhaus auf.

„Wir können nicht disapparieren", keuchte er, Hermines Hand festumklammert. Sie sagte kein Wort, zu schockiert war sie über den plötzlichen Ausbruch. "Hermine!"

Snape blieb mitten auf der Treppe stehen, sodass die  junge Frau unsanft gegen ihn stieß und ihn verwirrt ansah.

„Hey!", rief er schluckend, nahm ihr Gesicht in seine Hände und schaute sie mit einem durchdringenden Blick an. „Es wird alles gut. Wir werden in der Eingangshalle disapparieren."

Zitternd presste sie ihre Lippen aufeinander und schlang ihr Arme um seine Taille. Er drückte ihren Kopf gegen seine Brust und vergrub seine Nase in ihrem verstrubbelten Haar. Für einen kurzen Moment blieben sie wie angewurzelt stehen. Jeder versuchte seinen Herzschlag zu beruhigen. Snape kam nicht umhin zu bemerken, dass Hermine vollkommen unter Schock stand. Niemand hatte damit gerechnet, auch nicht er, aber sie war völlig neben sich und schien fast nichts mehr mitzubekommen.

Die Tür zum Treppenhaus wurde aufgerissen und ein blutender Auror stolperte keuchend die Stufen hinunter.

„Ihr müsst...in....die....Halle.", stieß er bebend hervor, um dann zusammenzuklappen. Hermine starrte auf den leblosen Körper, der regelrecht entstellt war. Blut tropfte aus allen möglichen Stellen an seinem Körper und hinterließ eine immer größer werdende rote Lache unter ihm.

Snape griff nach dem, am Boden liegenden, Zauberstab, drehte sich wieder um und umklammerte Hermines Hand.

„Wir müssen in die Eingangshalle. Schaffst du das?", fragte er nervös, da sie scheinbar immer noch keinerlei Regung zeigte. Zitternd drückte sie seine Hand ein wenig fester und nickte ausdruckslos.

Erleichtert gab er ihr einen Kuss auf die Stirn und zog sie Treppenabsatz für Treppenabsatz mit sich. Sie verließen das Treppenhaus nicht, zu gefährlich waren die Gänge und Korridore des Ministeriums. Es war unglaublich, dass es überhaupt Todesser ins Zaubereiministerium geschafft hatten. Dieses Gebäude war fast das sicherste Gebäude des Landes. Er versuchte den Gedanken auf später zu verlegen, um Hermine erstmal in Sicherheit zu bringen.

Kurz vor dem Erdgeschoss, wurde die Tür aufgestoßen und ein fast zahnloser, schäbig aussehender Todesser stolperte auf sie zu. Snape baute sich vor Hermine auf und schoss reflexartig einen Fluch auf den Angreifer ab.

„Stupor!", rief er laut. Der Todesser flog mit voller Wucht gegen die nahegelegene Wand und mit einem lauten Knacken brach sein Genick. Er fiel sofort tot zu Boden.

„Oh mein Gott...", flüsterte Hermine wimmernd, Tränen flossen unaufhaltsam über ihre Wangen. „Ich kann das nicht...ich kann das nicht nochmal...nein..."

Zitternd schritt sie einige Meter zurück und lehnte sich ängstlich an die Wand.

„Hermine!", sagte Snape scharf. „Wir haben es fast geschafft. Bitte!"

Doch die junge Frau schüttelte resigniert mit dem Kopf, während ihre Augen auf dem toten Mann haften blieben. Ohne weiter darüber nachzudenken, wie er sich in dieser Situation verhalten sollte, griff er nach ihrem Arm und zog sie unbarmherzig mit sich. Doch sie wehrte sich nicht. Sie tat nichts. Sie ließ sich einfach von ihm mitziehen.

In der Eingangshalle lagen etliche leblose Körper. Sobald sie den Boden berührten, versuchte Snape zu disapparieren. Doch hier war noch immer eine Sperre eingerichtet.

„Verdammter Mist!", fluchte er laut, was Hermine zusammenzucken ließ. Er zog sie weiter mit sich, versuchte die toten Körper zu umgehen und ihr keine Möglichkeit zu gewähren, die Gesichter der Leblosen genauer anschauen zu können. In der Halle war sonst niemand. Alle Auroren schienen im Gerichtssaal zu sein, viele Journalisten und Zuschauer waren sofort disappariert, nur wenige hatten es anscheinend lebend aus dem Saal geschafft. Es mussten Hunderte Todesser gewesen sein. Es war unfassbar.

Plötzlich stieß Hermine einen spitzen Schrei aus und ruckartig blieb Snape stehen. Alarmiert riss er seinen Kopf herum, doch niemand schien sie angreifen zu wollen. Erst im zweiten Moment folgte er ihrem Blick, der auf einen Mann am Boden gerichtet war. Seine Augen standen offen, sein Mund war vor Schreck geweitet. Wie erstarrt, blieb sie wenige Meter vor dem toten Mann stehen und schluchzte laut auf. Der Mann hatte rote Haare, einen rötlich, schimmernden Bart und schien ansonsten unversehrt. Anscheinend wurde er sofort von einem tödlichen Fluch getroffen.

Snape musste Hermine hier rausbringen. Sie konnte nichts mehr für den Jungen tun. Er zog an ihrem Arm, um sie fortzuziehen, als er Gebrüll und Schritte aus dem Treppenhaus hörte.

„Hermine!", bat er sie flehend. Sie musste sich zusammenreißen.

„NEIN!", schrie sie wütend und erstmals schien wieder Leben in ihren Körper zu kommen. Sie sank schluchzend auf ihre Knie und presste ihre Hände auf seinen leblosen Körper. Snape schaute sich unruhig um, die Schreie aus dem Treppenhaus wurden lauter. Er wusste nicht, ob es Auroren, oder Todesser waren, aber mit einem Zauberstab, der ihm nicht gehörte und einer völlig schockierten Hermine, wollte er kein Risiko eingehen.

Er musste drastischere Maßnahmen anwenden.

Er packte Hermine, die sich weinend in seinem Griff wandte, hob sie gewaltsam hoch und presste sie an sich. Schreiend trommelte sie mit ihren Händen auf seine Brust, doch er ließ sie nicht los. Sie mussten sofort von hier verschwinden. Er könnte es sich niemals verzeihen, wenn ihr etwas zustoßen würde. Mit aller Kraft schob er sie in einen der Kamine, krallte sich ein wenig Flohpulver und warf es auf dem Boden. Grüner Rauch verschluckte das Paar und ließ sie im Flohnetzwerk verschwinden.

Kurze Zeit später, kamen sie hustend in seinem Wohnzimmer an. In seinem Haus. In Spinner's End.

Ehe er sich umschauen konnte, griff er nach Hermine, die sich weinend von ihm losgerissen hatte und apparierte mit ihr vor die Tore von Hogwarts. Er wollt kein Risiko eingehen. Prasselnder Regen empfing sie, als sie hart auf dem Boden aufschlugen, der ihre Kleidung sofort durchnässte.

Hermines Körper bebte schluchzend, als Snape sich wieder aufrappelte und sich neben sie kniete.

„Hermine.", sagte er hilflos. Doch sie blieb einfach dort liegen, mitten im Gras, mitten im Regen. Unaufhaltsam durchnässte er ihre Körper. „Bitte."

Er berührte, diesmal vorsichtiger, ihren Arm, doch sie riss sich von ihm los, sprang auf und rannte auf die Mauern des Schlosses zu. Herzklopfend ballte Snape seine Hände zu Fäusten, um ihr kurze Zeit später zu folgen. Als sie die Tore erreichten, kam ihnen eine besorgte Minerva McGonagall entgegen. In ihrem Gesicht zeichnete sich deutliche Erleichterung ab, als sie aber Hermines schockierten Ausdruck sah, erschien dort Besorgnis. Ohne ein Wort zu sagen, rauschte sie an McGonagall vorbei und verschwand im Inneren des Schlosses. Snape blieb keuchend vor ihr stehen.

„Was ist passiert?", fragte McGonagall mit zitternder Stimme. Er hob seinen Kopf.

„Der Weasley Junge hat es nicht geschafft.", erklärte er emotionslos.

„Oh, nein.", hauchte sie erschrocken. „Und Harry? Kingsley?"

„Ich weiß es nicht. Als wir den Saal verließen, hat Potter gegen einige Todesser gekämpft.", brummte er abweisend. Er musste zu Hermine.

„Wir schließen die Tore, die Schüler wurden in ihre Türme geschickt, die Hauslehrer sind bei ihnen.", sagte McGonagall mit fester Stimme, als sie in die Halle traten und Filch um die Ecke kam, um das Tor von Hogwarts zu schließen. „Severus, wie viele waren es?"

Kopfschüttelnd starrte er auf die schließenden Eingangstüren.

„Hunderte."

„Wie kann das...?", sprach sie den Satz aus, der immer wieder in seinem Kopf hallte.

„Ich weiß es nicht.", flüsterte er. „Es waren Todesser, Minerva."

Sie nickte.

„Ja, ich habe es mir schon fast gedacht. Aber was wollten sie? Sie haben wahllos Menschen getötet, nicht nur Ministeriumsbedienstete, nein, auch viele Zuschauer. Wieso?"

Er schüttelte den Kopf.

„Ich muss zu Hermine.", erklärte er schluckend. McGonagall seufzte tief.

„Ron hat das nicht verdient.", erwiderte sie leise. „Er war ein guter Mensch."

Alarmiert hob Snape seinen Kopf.

„Was ist zwischen den beiden passiert?", fragte er neutral, auch wenn die Frage ihm schon seit Stunden auf der Seele brannte. Er musste Hermine sehr verletzt haben. Oder sie den Weasley Jungen?

Überrascht hob McGonagall eine Augenbraue, sagte aber nichts dazu.

„Ron und Hermine waren vor fünf Jahren ein Paar. Aber Hermine hat Ron immer nur als guten Freund angesehen, er jedoch, war in sie verliebt. Er brach den Kontakt zu ihr ab, reagierte auf keine Anrufe, Briefe oder Karten und kapselte sich vollkommen von ihr ab. Hermine hat lange damit zu kämpfen gehabt, schließlich waren sie jahrelang sehr gute Freunde gewesen. Dieser Streit hat das Trio wirklich auseinandergerissen, Harry stand immer zwischen zwei Stühlen. Oh Gott.", erklärte sie ihm fassungslos. „Die arme Molly, der arme Arthur..."

Traurig senkte die alte Hexe ihren Kopf.

„Ich muss zu Hermine.", wiederholte Snape sich, anscheinend völlig ausdruckslos. McGonagall nickte und wandte sich von ihm ab.

„Ich werde auf eine Reaktion von Kingsley warten. Sobald sich die Lage beruhigt hat, wird sich wohl jemand aus dem Ministerium melden. Vielleicht sollte ich den Orden aktivieren...", murmelte sie im Weggehen, völlig in sich gekehrt. Snape würde sich später darum kümmern. Eine eiskalte Angst machte sich in ihm breit, als er an Hermines verzweifelten Gesichtsausdruck dachte. Was war sie im Stande zu tun? Würde sie sich etwas antun?

Herzklopfend rannte er die Stufen hoch, bog in einige Korridore ab und blieb atemlos vor ihrer Tür stehen. Zögernd hob er seine Hand und klopfte vorsichtig an.

***

Hermine schloss ihre Tür mit einem lauten Knall und fiel schluchzend auf ihre Knie. Ihre nasse Kleidung klebte an ihrem Körper und ließ sie vor Kälte erzittern. Weinend ließ sie sich auf alle Viere fallen, das Bild von Rons leblosem Körper hämmerte unaufhaltsam weiter in ihrem Kopf. Sie starrte auf ihre verdreckten Hände, um dann zitternd Luft zu holen.

„Nein...", hauchte sie verzweifelt, schlug mit der Hand auf den Boden und atmete schwer. „NEIN!"

Was war passiert? Wie konnten so viele Todesser in das Ministerium eindringen und so viele unschuldige Menschen umbringen? Wie konnte das Ministerium das zulassen? Wo waren die Auroren gewesen? Was war passiert? Was wollten sie? Wollten sie tatsächlich wahllos Zauberer und Hexen umbringen? Aber es waren viele Reinblüter dort gewesen, wie konnten sie ihresgleichen umbringen? Was war ihr Ziel gewesen?

Plötzlich krallte sich eine Erinnerung in ihre Gedanken, die sie schon vollkommen verdrängt hatte. Bevor Snape und sie nach Hogwarts gekommen waren, wurde er vor den Schutzmauern angegriffen. Sie hatten nie wieder darüber gesprochen, zu viel war seitdem geschehen. Und eigentlich hatte sie gedacht, dass es ein Auror gewesen war, jemand, der Snape gefangen nehmen wollte. Aber es war ein Todesser gewesen. Aber wieso? Was wollten sie von Snape? 

Ihr Herz raste, als sie sich zitternd erhob, den Kopf auf den Boden gerichtet, auf dem eine dicke, nasse Schmutzspur prangte. Ihr Körper wollte ihren Gedanken immer noch nicht gehorchen. Ron war tot. Er war tot. Sie konnte nie wieder mit ihm sprechen. Er wollte sich bei ihr entschuldigen, doch sie hatte nur Augen für Snape gehabt. Wieso? Wieso war sie so ein egoistisches Miststück? Sie wollte sich mit Ron versöhnen! Sie vermisste ihn. Sie wollte ihn wieder als Freund haben, ihren Ron, ihre Freundschaft. Aber er war tot.

Schreiend trat sie mit ihrem Fuß gegen ihr Bett und sank schmerzend in ihren Sessel. Es war ihr egal, dass sie ihr komplettes Zimmer verschmutzte. Sie war eine egoistische Kuh. Wenn sie nicht so stur gewesen wäre, dann hätte sie mit Ron reden können. Dann wäre vielleicht alles anders gelaufen. Sie hätte ihm gesagt, dass er nicht für Snape aussagen müsste, dass sie ihm auch so verzeihen würde, dann wäre er nicht im Zeugenstand gewesen und vielleicht hätte er sich retten können. Sie war schuld an seinem Tod. Sie hatte Schuld.

Ein plötzliches Klopfen, holte die junge Hexe wieder in die Realität. Sie riss ihren Kopf herum, erhob sich schwerfällig und öffnete die Tür.

Snapes Augen sahen sie besorgt an, als ihr Blick über sein blutverdrecktes Sakko glitt und seine nassen, klebenden Haare.

„Hermine.", begann er leise, doch sie zeigte keinerlei Wirkung. Sie hatte nur Augen für Snape gehabt. Wenn sie nicht so stur gewesen wäre, wenn sie einfach mit Ron gesprochen hätte.

Ein kleiner Teil in ihrem funktionierenden Gehirn, teilte ihr mit, dass das Schwachsinn war. Weder sie, noch Snape, hatten Schuld an seinem Tod. Aber dieser kleine Teil wurde sofort von weiteren Emotionen überrollt. Schuld, Wut, Traurigkeit.

Hilflos senkte sie ihre Arme und starrte Snape an. Was sollte sie tun? Sie hatte so etwas nie wieder erleben wollen. Sie hatte nie wieder mitansehen wollen, wie Menschen um sie herum starben. Sie wollte das nicht mehr. Nein.

„Darf ich dich in den Arm nehmen?", fragte Snape vorsichtig und ruckartig hob sie ihren Kopf. Wieso sollte er das nicht tun? Wieso war er auf einmal so vorsichtig.

Reserviert nickte sie langsam mit ihrem Kopf.

Sofort trat der alte Tränkemeister auf sie zu, schlang ihre Arme um ihren Körper und presste sie fest an sich. Wieder rannen Tränen ihre Wangen herunter, auch wenn sie steif wie ein Brett stehen blieb und nicht wagte, sich zu bewegen. Ihr Körper wollte ihr einfach nicht gehorchen.

Snape schwieg eindringlich, stieß sie aber sanft in ihr Zimmer und schloss leise die Wohnungstür hinter sich.

Da blitzte ein Gedanke in ihr auf.

„Harry.", flüsterte sie unter Tränen. Er hatte gekämpft. Er durfte nicht sterben.

„Es geht ihm gut.", log Snape leise, aus Angst, sie würde nochmals zusammenbrechen. Er hatte sie dort rausholen müssen. Er hatte es einfach gemusst.

Kurze Erleichterung blitzte in ihr auf. Es ging ihm gut. Harry lebte. Zitternd umklammerte sie jetzt seine Taille, sog seinen Duft in sich auf und versuchte krampfhaft, ihren schrecklichen, angsterfüllten Gedanken Einhalt zu gewähren. Sie musste sich zusammenreißen. Ron hätte das nicht gewollt.

„Du zitterst.", stellte Snape unruhig fest, ließ sie los und hielt sie wenige Zentimeter vor ihm entfernt, fest. „Komm mit."

Er zog sie sanft in ihr Badezimmer, schaltete das Licht ein und ließ die Badewanne mit warmem Wasser volllaufen. Hermine blieb mitten im Raum stehen, während sie ihm dabei zusah, wie er die Temperatur des Wassers maß.

Nach wenigen Minuten, schritt er auf sie zu und streifte vorsichtig ihren Blazer ab. Immer noch schwieg sie. Sie sah sehnsüchtig in die vollgelaufene Badewanne.

Snape zog ihr T-Shirt über ihren Kopf und öffnete behutsam ihren BH, um ihn dann abzustreifen.

Hermine versuchte in seinem Blick zu erkennen, was er denken musste. War er enttäuscht von ihr? Hasste er sie, für ihre Schwäche? Was dachte er?

„Zieh deine Hose aus.", murmelte er leise und willig gehorchte sie seiner beruhigenden Stimme. Sie wollte nicht weiter darüber nachdenken. Er sollte sie in den Arm nehmen.

Als Hermine vollkommen nackt vor ihm stand, holte er tief Luft und führte sie zum Rand der Badewanne. Sie stieg langsam in das warme, wohltuende Wasser und setzte sich in eine Ecke. Ihre Augen starrten ausdruckslos an die Wand. Snape zog sich sein Sakko aus, das T-Shirt über den Kopf und kniete sich Oberkörperfrei an den Rand der Badewanne. Er schnappte sich einen Schwamm und seifte ihn ein, um dann vorsichtig ihren Arm mit Wasser zu übergießen. Sanft schrubbte er ihren Dreck Zentimeter für Zentimeter fort. Immer wieder musterte er sie besorgt, doch auch wenn sie langsam aufzuwachen schien, zeigte sie fast keine Reaktion. Nachdem ihr Gesicht, ihr Hals und ihre Hände sauber waren, wusch er auch seine Arme und Hände ab und stützte sich dann auf dem Badewannenrand ab.

Erst jetzt drehte Hermine ihren Kopf zu ihm herum. In ihren Augen lag ein tiefer Schmerz, der ihm große Angst bereitete. Sie sah so verzweifelt aus, wie sie dort saß, die Beine angewinkelt, die Arme um ihre Knie geschlungen.

„Ich bin schuld", flüsterte sie mit rauer Stimme, als er wortlos eine nasse Strähne aus ihrem Gesicht strich. Irritiert versuchte er ihre Worte zu begreifen.

„Du bist nicht schuld, Hermine.", sagte er eindringlich. Sie senkte traurig ihren Kopf.

„Doch.", hauchte sie leise. „Ich hätte mit ihm reden sollen."

Was für ein Schwachsinn! Hermine gab sich die Schuld an seinem Tod? Was konnte sie dafür, wenn der Weasley Junge zu doof war, sich in Sicherheit zu bringen? Doch das würde er ihr niemals sagen. Zwar war er kein empathischer Mensch und es fiel ihm schwer sich vorzustellen, was Hermine empfinden musste, doch wenn er daran dachte, dass auch ihr etwas hätte zustoßen können, wurde sein Herz schwer wie Blei. Er hätte sich das niemals verzeihen können.

„Hermine.", sagte Snape sanft, hob zärtlich bestimmt ihr Kinn und bedeutete ihr, ihn anzusehen. Ihre tieftraurigen Bernsteine, begegneten seinen Schwarzen. Sie litt und genau das, brach ihm fast das Herz. „Ron hätte so oder so für mich ausgesagt, egal, ob du vorher mit ihm gesprochen hättest. Wenn er das nicht getan hätte, hätte er in den Zuschauerbänken gesessen und von ihnen sind fast alle tot. Diese Todesser haben heute Hunderte von Menschen umgebracht. Ich habe keine Ahnung, wieso, aber sie wollten Menschen töten. Ron hat es bis in die Eingangshalle geschafft. Er hat gekämpft. Er hatte keine Chance, Hermine."

Bedeutungsvoll blickte er in ihre Augen und strich liebevoll ihre Tränen fort, die weiterhin ihre Wangen herunterliefen. Ausdruckslos starrte sie ihn an.

„Du bist nicht schuld an seinem Tod, Hermine.", wiederholte er sich besorgt. „Du bist nicht schuld an seinem Tod."

Verzweifelt verzog sie ihr Gesicht.

„Hermine, du bist nicht schuld an seinem Tod."

Sie schüttelte langsam ihren Kopf.

„Hermine.", bat er sie eindringlich.

„Ich bin nicht...", wisperte sie schmerzerfüllt und wollte ihren Kopf abwenden, doch er bedeutete ihr, sie weiterhin anzuschauen.

„Du bist nicht schuld.", sagte er mit fester Stimme, um sie dann abwartend anzublicken.

„Ich bin nicht schuld.", flüsterte sie unter Tränen und er nickte.

„Nein, du bist nicht schuld."

Erleichtert, dass sie zumindest diese Regung zeigte, zog er ihren nassen Kopf an seine Brust und strich beruhigend über ihren Rücken. Hermine schlang, fast schon hilflos, ihre Arme um seinen Oberkörper und lauschte seinem ruhigen, regelmäßigen Herzschlag.

Sie war nicht schuld an seinem Tod. Aber ein kleiner Teil in ihrem rationalen Gehirn, glaubte ihr das nicht.





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tbc


Bitte hasst mich nicht! Hoffe, dass es euch trotzdem gefallen hat! Glg! :)



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