26. Verhandlung
Als Hermine und Snape mit McGonagall in der Eingangshalle des Ministeriums apparierten, wurden sie sofort von einigen Auroren in ein Hinterzimmer begleitet. In der Halle war schon die Hölle los. Es schien, als wären etliche Zauberer und Hexen an diesem Montagmorgen nach London appariert, um die Verurteilung des undurchsichtigen Ex-Todessers Severus Snape mitanzusehen. Journalisten warteten in der Halle, stürmten auf das Trio zu, als sie apparierten und wurden von Ministeriumsangestellten zurückgewiesen.
Die Drei wurden durch eine eiserne Tür geführt, in der Harry mit seiner Frau auf einem Stuhl saß und aufsprang, als er sie erblickte.
„Hermine!", rief er erleichtert, stürmte auf sie zu und drückte sie fest an sich. Harry Potter trug ein weißes Hemd, eine graue Hose und ein schwarzes Businesssakko. Seine widerspenstigen Haare hatte Ginny ihm mühselig nach hinten gegelt, seinen drei Tage Bart hatte er rasiert. Er sah unglaublich verjüngt aus, ein kompletter Gegensatz zu dem sonstigen Familienvater, Ehemann und Leiter der Aurorenzentrale.
„Harry!", begrüßte Hermine ihn, erwiderte seine Umarmung und nahm dann die hochschwangere Ginny in den Arm. „Wow, wann ist es soweit?"
„In einer Woche.", grunzte sie glücklich, was ihren Mann dazu veranlasste, ihr einen liebevollen Kuss auf die Stirn zu drücken.
Lächelnd nestelte sie an ihrem schwarzen Blazer. Die beiden mürrischen, breiten Auroren, verließen den Raum und positionierten sich vor der Tür.
„Mr. Snape.", nickte Harry ihm kühl zu, um dann McGonagall in die Arme zu schließen. Snape kniff leicht seine Augen zusammen und stellte sich in eine Ecke. Man sah ihm an, dass er diese Verhandlung als überaus unsinnig empfand. Doch auch, wenn seine emotionslose Maske keine Emotionen in ihm widerspiegelte, war Hermine die einzige die wusste, wie er sich tatsächlich fühlte. Während Harry und McGonagall einige Punkte der Verhandlung durchgingen, gesellte sie sich zu ihm und griff unauffällig nach seiner Hand. Er drückte sie kurz, ließ sie sogleich aber wieder los. Seine Mimik schien undurchdringlich. Seit heute Morgen hatte er fast kein Wort mit ihr gesprochen, nichts gegessen und jede ihrer Bemühungen ihn aufzumuntern, ignoriert. Sie wusste, dass er es nicht böse meinte, doch sie hatte Schwierigkeiten damit zurecht zu kommen.
„Harry, weißt du, wer die Anhörung leitet?", fragte Hermine nervös, als dieser das Gespräch mit McGonagall beendet hatte.
Sein Gesichtsausdruck wurde ein wenig düsterer.
„Thomas McFarlane, neuer Leiter des Zaubergamots.", erklärte er missmutig. „Ein wirklich ekelhafter Kerl."
„Ja, ich kenne ihn.", murmelte sie unruhig. „Wie wird die Verhandlung denn ablaufen?"
Sie wusste, wie eine Verhandlung im Gerichtssaal ablief. Sie hatte es schon etliche Male erlebt, als sie hier gearbeitet hatte. Doch sie wollte die Situation ein wenig auflockern und Snape die Angst nehmen, die ihm doch augenscheinlich ziemlich zusetzte. Auch wenn niemand, der ihn nicht besser kannte, merken würde, dass er nervös war, so spürte sie das aufgebrachte Aufblitzen in seinen schwarzen Augen, wenn er sie kurz ansah, ohne ein Wort mit ihr zu sprechen. Am liebsten würde sie ihn einfach in den Arm nehmen, doch das wäre ihm sicherlich unangenehm. Ihr war auch nicht ganz klar, wieso Snape so nervös war, schließlich sprach wirklich alles für seine Unschuld. Selbst wenn das Gericht ihn, aus irgendwelchen Umständen, verurteilen würde, würde Harry Einspruch erheben. Er würde nicht nach Askaban geschickt werden, Das würde auch sie nicht zulassen. Alle standen hinter ihm und doch verhielt er sich merkwürdig angespannt – zumindest für seine Verhältnisse.
Harry erklärte den Anwesenden kurz, was passieren würde, wenn die Anhörung startete und wie das Gericht die Verhandlung leitete.
„Es wird schon alles gut gehen!", beruhigte McGonagall Hermine lächelnd, die wenige Meter weiter in der Mitte des Raums stand und ihr freundlich zulächelte. Die Beziehung zu Minerva war in den letzten Wochen noch intensiver geworden, als zuvor. Sie freute sich sowohl für Hermine, als auch für Snape, der durch die Beziehung wirklich deutlich annehmbarer geworden war. Und das Schöne an ihrer Freude war, das sie zu hundert Prozent ehrlich gemeint war.
Nach einigen Minuten des Schweigens, in denen sie nur darauf warteten, dass sie abgeholt wurden, wurde die Tür plötzlich aufgestoßen und ein rothaariger, abgehetzter Mann betrat den Raum. Seine blauen Augen suchten die Bernsteine von Hermine und verkrampft holte sie tief Luft.
Ronald Weasley trug einen noblen, schwarzen Businessanzug. Seine roten, strohigen Haare schienen in alle Richtungen abzustehen und sein deutlich sichtbarer Bart machte den 27 Jährigen um glatt 10 Jahre älter. Auch wenn er in seinem Outfit keinesfalls schäbig aussah, stachen die dunklen Ränder unter seinen Augen deutlich hervor. Er sah abgeschlagen und erschöpft aus.
Harry zog überrascht seine Augenbrauen hoch und Ginny lächelnde zufrieden, nachdem Ron die Tür geschlossen hatte und betreten im Raum stehen blieb.
Keiner der Anwesenden sprach ein Wort. Jeder wusste, wie kritisch die Beziehung zwischen Hermine und Ron war. Jeder, außer Snape, der misstrauisch zwischen Ron und seiner Geliebten hin und hersah. Augenbrauenhochziehend verschränkte er seine Arme vor der Brust und wartete auf irgendeine Regung der fünf Anwesenden.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, räusperte Ron sich und kratzte beschämt seinen Hinterkopf.
„Hermine...", begann er leise. „Können wir kurz miteinander sprechen?"
Skeptisch kniff diese ihre Augen zusammen, während Harry und Ginny sie mit einem aufmunternden Blick ansahen.
„Kann das nicht warten?", fragte sie sachlich. Wieso musste er ausgerechnet jetzt hier auftauchen?
„Natürlich...", murmelte er verschüchtert. Doch Harry schien da anderer Meinung zu sein.
„Ron wird für Severus aussagen.", erklärte der junge Zauberer und alle Beteiligten rissen ungläubig ihre Köpfe herum. Es war das erste Mal, dass Harry Snape beim Vornamen ansprach.
„Wieso?", fragte Hermine scharf, wandte sich wieder an Ron und schüttelte aufgebracht mit dem Kopf. „Du hast vor Jahren den Kontakt zu mir abgebrochen, mich wie ein Stück Dreck behandelt und jetzt willst du einen Mann verteidigen, den du nie mochtest? Wieso solltest du für Severus aussagen wollen?"
In ihrem Ton lag all der Vorwurf, all der Schmerz, den sie jahrelang zurückgehalten hatte. Zitternd holte sie tief Luft, als er zu einer Erklärung ansetzte.
„Ich weiß, dass Snape – eh, also, Severus, unschuldig ist. Ich möchte...mich...also...", stotterte er mühsam. „Ich will mich bei dir entschuldigen, Hermine. Ich habe mich wie ein Volltrottel - ."
„Das stimmt!", unterbrach Ginny ihn streng, wurde von ihrem Mann aber zurückgehalten.
„Ich habe mich wie ein Volltrottel benommen. Es tut mir leid. Hermine, als ich im Propheten gelesen habe, dass du auf der Flucht bist und Severus hilfst... Ich wusste, dass du unschuldig bist. Ich habe es überall rumerzählt.", redete Ron sich in Rage und wedelte wild gestikulierend mit den Händen vor seinem Gesicht hin und her. „Ich stand immer auf deiner Seite! Ich war damals so verletzt und dann ist eins zum anderen gekommen...es tut mir leid."
Atemlos schluckte er merklich und wartete gespannt auf eine Reaktion. Doch für Hermine schien das der falsche Zeitpunkt zu sein.
Bevor sie etwas darauf erwidern konnte, wurde die Tür aufgestoßen und Kingsley Shacklebolt trat mit den zwei mürrisch, dreinblickenden Auroren in den kleinen Raum.
„Es ist so weit!", verkündete der Zaubereiminister im dunklen Timbre. „Mr. Snape, ich muss sie bitten mitzukommen. Die Zeugen werden separat begleitet."
Snape nickte missmutig und sah Ron noch einmal scharf an. Der Rothaarige Junge hatte wirklich ein mieses Timing. Er wusste nicht, was zwischen Hermine und ihm vorgefallen war und etwas in seinem Kopf sagte ihm, dass das im Moment seine kleinste Sorge war, doch erst jetzt wurde ihm bewusst, wie wenig er von Hermine wusste. Und wie wenig sie von ihm wusste.
„Wir sehen uns gleich.", flüsterte Hermine ihm zu, stellte sich auf ihre Zehenspitzen und umarmte ihn fest. Zuerst versteifte sich sein Körper, da ihm die Situation deutlich unangenehm war. Doch dann vergrub er seinen Kopf in ihrem braunen, duftenden Haar und schloss für einen kurzen Moment seine Augen.
Die Anwesenden starrten mit einem peinlich berührten Gesichtsausdruck auf die beiden Liebenden. Ron schien den Mund nicht mehr zuzubekommen, Harry hatte sich immer noch nicht an den Anblick gewöhnt, nur McGonagall und Ginny schienen ehrlich froh über das Glück der beiden zu sein. Die mürrischen Auroren verzogen keine Mimik, Kingsley lächelte kurz und schaute dann unruhig auf seine Uhr.
Snape löste sich, wenn auch ein wenig widerwillig, von Hermine und blickte durchdringend in ihre Bernsteine. Dann wandte er sich von ihr ab und nickte Kingsley zu.
Bevor er dem Minister folgen konnte, hielt ein Auror ihn zurück.
„Ihr Zauberstab, Mr. Snape."; sagte er tonlos, streckte seine Hand aus und starrte ihn mit einem kalten Blick an. Hermine fuhr ein Schauer über den Rücken. Der Auror war ihr wirklich beängstigend.
„Ganz sicher nicht.", sagte Snape kopfschüttelnd, doch Kingsley war mit wenigen Schritten bei ihm.
„Das ist nur eine reine Vorsichtsmaßnahme. Alle Anwesenden müssen ihre Zauberstäbe abgeben. Nach der Verhandlung bekommen Sie sie wieder zurück!", erklärte er wie selbstverständlich und ließ seinen Kopf einmal durch den Raum gleiten. „Wir müssen uns beeilen, ihre Verhandlung fängt in wenigen Minuten an."
Überaus unfreiwillig, griff Snape in die Innentasche seines schwarzen Sakkos und gab dem mürrischen Auror seinen Zauberstab. Kingsley nickte zufrieden und verschwand durch die eiserne Tür. Dicht gefolgt von dem anderen Auror, Snape und dem zweiten Auror.
Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, wurde es totenstill.
Ron stand wie erstarrt mitten im Raum, McGonagall setzte sich nun auf einen freien Platz neben Ginny, die immer noch auf einem Stuhl saß. Harry trat auf Hermine zu und lächelte ihr ermutigt zu.
„Was meinst du, wie lange die Verhandlung dauern wird?", fragte Hermine unsicher, da ihr das Prozedere doch ein wenig Angst machte. Sie hatte nie in ihrem Leben ihren Zauberstab abgeben müssen, auch nicht wenn sie arbeiten ging. Vermutlich war das einfach nur eine neue Vorsichtsmaßnahme.
„Vielleicht eine Stunde.", rätselte Harry achselzuckend. „Zuerst wird Minerva aussagen, dann du, dann Ron und zum Schluss ich. Je nachdem wie lange unsere Aussagen dauern und der Zaubergamot sich beraten muss."
„Bist du jetzt mit dem zusammen?", unterbrach Ron sie kurzerhand, als Harry sich wieder von ihr abgewendet hatte und Ginny fragte, ob sie etwas trinken wolle.
Harry riss seinen Kopf herum, als er den verurteilten Ton in Rons Stimme hörte und verzog nervös sein Gesicht. Hermine kniff wütend ihre Augen zusammen.
„Ja.", sagte sie mit fester Stimme, ohne weitere Erklärung. Ron schien das anscheinend zu genügen. Er nickte kurz und senkte dann seinen Blick zu Boden. Jeder im Raum konnte spüren, wie sehr ihn diese Worte, auch nach 4 Jahren und einer funktionierenden Ehe mit hochschwangerer Frau, verletzte. Doch im Moment hatte Hermine definitiv andere Probleme. Wenn Ron sich tatsächlich versöhnen wollte, dann würden sie das auch nach der Anhörung tun können. In Ruhe und unter vier Augen. Oder lieber unter sechs Augen, damit das Gespräch nicht ausartete. Schließlich stand Harry immer zwischen den beiden.
Kurze Zeit später, in der niemand ein Wort sagte, wurde die Tür erneut aufgestoßen und vier Auroren betraten das Zimmer.
Ein großer, dunkelhaariger Auror betrat als letzter den Raum und stellte sich als John Dawlish vor.
„Minerva McGonagall, Hermine Granger, Ron Weasley und Mr. Harry Potter.", las er von einer Pergamentrolle vor, hob kurz seinen Kopf und nickte seinem Vorgesetzten zu. „Ich muss Sie bitten, ihre Zauberstäbe abzugeben."
Alle Anwesenden legten die Stäbe in eine Box, die sogleich zusammenschrumpfte und in die Jackentasche eines Aurors gestopft wurde. Dawlish fuhr fort.
„Kommen Sie bitte mit. Mr. Potter, ihre Frau?", fragte er irritiert, da Ginny die einzige war, die nicht für Snape aussagte.
„Sie wird wieder nach Hause apparieren.", erklärte er kurz angebunden und gab Ginny einen flüchtigen Kuss auf den Mund. Ginny musste wieder nach Hause, um James und Ted zu beaufsichtigen.
Bevor Hermine McGonagall, Ron und Harry folgte, umarmte sie ihre Freundin noch einmal.
„Wir sehen uns später.", flüsterte Ginny lächelnd. „Es wird schon alles gut gehen! Mach dir keine Sorgen!"
Dankbar nickte Hermine.
„Bestell Ted und James liebe Grüße von mir!", sagte sie im Weggehen, um dann den Anwesenden zu folgen. Der vierte Auror lief hinter ihr her und dirigierte sie zum Fahrstuhl.
Alle quetschten sich in den kleinen, engen Fahrstuhl, der durch magische Weise zwanghaft vergrößert wurde. Nach wenigen Sekunden sprach eine imaginäre Stimme.
„9. Stock, Mysteriums-Abteilung."
Die Anwesenden stiegen aus und wurden sofort in einen engen Flur gebracht, über den es mit einer Treppe in den 10. Stock ging. Zu den Gerichtssälen.
Hier schien ein Chaos ausgebrochen zu sein. Wenn man schon in der Eingangshalle überrumpelt wurde, hatten die Auroren auf dem Flur noch größere Schwierigkeiten, die Zauberer und Journalisten zurückzudrängen.
Herzklopfend schlängelten sie sich durch die Menschenmassen, eng aneinandergepresst, bis sie schließlich an einer großen Doppeltür aus Messing stehen blieben.
„RUHE!", brüllte Dawlish mit einem verstärkten Sonorus, als die Menge laut pöbelnd ein Foto der Zeugen machen wollte. Hermine verstand beim besten Willen nicht, wieso sie nicht einfach mit den Auroren in den Gerichtssaal apparierten. So würden sie weniger Aufmerksamkeit erzeugen und weniger Auroren zur Sicherheit benötigen. Aber anscheinend war dieser Vorgang Absicht. Snapes Aussage, über ein etwaiges Schauspiel des Prozesses vom Ministerium, kam ihr in den Sinn. Jetzt verstand sie ihn.
Der Lautstärkepegel senkte sich ein wenig und Dawlish nickte Potter zu. Er stieß die Türen auf und ein riesiger Raum wurde sichtbar. Mehrere Zauberer und Hexen saßen auf den freien Bänken, die links und rechts positioniert waren. In der Mitte befand sich ein Gang, durch den die Auroren die Zeugen führten. Der Leiter des Zaubergamots war noch nicht anwesend, doch als Hermine den ganzen Saal erblickte, stockte ihr der Atem. In der Mitte saß Snape. Auf einem steinernen Stuhl, wie auf dem Präsentierteller. Seine Miene schien undurchdringlich. Herzklopfend ballte die junge Hexe ihre Hände zu Fäusten.
Um den Stuhl herum, baute sich ein erhöhtes Podest auf, auf dem etliche Hexen und Zauberer des Zaubergamots saßen. Sie trugen weinrote Umhänge und viereckig geformte Hüte, die, wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, durchaus lustig aussahen. Die Hälfte, in denen der Minister und Leiter des Zaubergamots sitzen sollte, war aufgebaut, wie in einem Kolosseum. Snape musste den Kopf heben, um seine Vollstrecker anzuschauen. Es war demütigend.
Hermine nahm mit den anderen Zeugen links neben Snape Platz, zwischen ihnen befand sich eine steinerne Mauer und circa fünf Meter Abstand.
Er drehte den Kopf nicht herum, auch wenn sie stetig versuchte, Blickkontakt herzustellen.
„So ein Unsinn.", murmelte McGonagall erbost, als sie sich gesetzt hatten und die Auroren sich an den Türen positionierten. Hermine nickte resigniert. Der Anblick von Snape schnürte ihr die Luft ab und ließ ihre Gedanken einfrieren. Dieses ekelhafte Ministerium!
Harry berührte entschuldigend ihren Arm. Er wusste, wie eine Anhörung von Todessern ablief und war nicht sonderlich überrascht, dass das Ministerium anscheinend alle Register zog. Es hätte ihn auch nicht überrascht, wenn sie Snape auf dem Stuhl angekettet hätten. Da dieser aber auf freiem Fuß war, hatten sie offensichtlich kein Recht dazu.
Mit einem lauten, vibrierenden Gong, wurde die Anhörung gestartet. Alle Anwesenden, sowohl Zuschauer, Zaubergamotsbedienstete, als auch Zeugen, erhoben sich respektvoll. Nur Snape blieb sitzen. Hermine wusste nicht, ob es komplette Resignation, oder einfach nur ein deutliches Zeichen der Abneigung war. Als sie schon dachte, das Ministerium würde solch ein Verhalten zulassen, schritten zwei mörderisch, dreinblickende Auroren auf Snape zu, packten grob seine Arme und rissen den alten Tränkemeister hoch. Hermine schnappte nach Luft und schluckte den erschrockenen Schrei herunter, der in ihrem Hals stecken blieb. Sie sah den schmerzhaften Ausdruck in seinen Augen, als die Auroren ihn wenige Zentimeter vor seinen Stuhl schleiften und mit eiserner Miene stehen blieben.
Thomas McFarlane betrat den Raum. Seine kurzen, grau-melierten Haare unterstrichen sein markantes Gesicht und den kühlen Blick in seinen Augen. Er trug eine schwarze Robe und blieb vor seinem Podest, direkt gegenüber des Angeklagten, stehen. Angeekelt blickte er auf ihn herunter, hob die Hand und nickte den Anwesenden zu. Diese setzten sich gleichzeitig mit ihm wieder auf ihre Plätze. Hermine konnte die kalten, durchdringenden Augen von McFarlane auf ihrem Körper spüren. Das spöttische Grinsen, ließ sie erschaudern. Irgendetwas bereitete der jungen Hexe plötzlich große Angst.
„Meine Damen, meine Herren.", begrüßte McFarlane die Zuschauer und Zeugen mit einem Sonorus. „Hiermit startet die Anhörung des Angeklagten Severus Tobias Snape. Mr. Ivanova, bitte lesen Sie die Anklage vor."
Ein gutaussehender, Mitte vierzig jähriger, Mann, erhob sich nickend und rollte ein großes Pergament auseinander.
„Der Angeklagte, Severus Tobias Snape, wohnhaft in Italien, Florenz, wird vom Ministerium beschuldigt, während des Kampfes gegen Tom Vorlost Riddle, als Todesser fungiert zu haben. Er wird beschuldigt, unschuldige Zauberer und Hexen gefoltert, vergewaltigt und ermordet zu haben. Zum Weiteren ist er schuldig an dem Mord von Albus Wulfric Percival Brian Dumbledore. Für seine Unschuld sagen vier Personen aus. Minerva McGonagall, Schulleiterin der Zauberschule Hogwarts, Hermine Granger, Ex-Ministeriumsangestellte und Professorin für Zaubertränke - .", las Ivanova vor. Bei ihrem Namen spürte sie den abschätzigen Blick von McFarlane und begegnete ihm eisern. Seine eiskalten, blauen Augen ließen ihr Herz für einen Moment aussetzen. Dieser Mann hatte nicht vor, Snape gehen zu lassen. Dieser Mann wollte Blut sehen. „Ronald Weasley, Auror des Ministeriums und Harry James Potter, Leiter der Aurorenzentrale und Professor für Verteidigung gegen die dunklen Künste in Hogwarts."
Die Menge raunte und einige schrien auf.
„Wie kann Harry Potter für einen Todesser aussagen!"
„Verrat!"
„Ab nach Askaban mit ihm!"
„Korruption!"
Die Zuschauer stachelten sich immer weiter an und einige Auroren führten die Verursacher grob aus dem Raum, die bis zum Schluss Protestschreie von sich gaben. Wenige Augenblicke später, hatten sich alle wieder einigermaßen beruhigt, sodass McFarlane fortfahren konnte.
„Vorerst findet die Befragung des Angeklagten statt. Mr. Snape, bitte erheben Sie sich."
Snape schnaubte geringschätzig, begegnete dem Blick der Auroren und erhob sich augenbrauenhochziehend.
„Mr. Snape, schwören Sie, dass Sie nach bestem Wissen und reiner Wahrheit aussagen und nichts verschweigen werden?"
Snape fixierte ihn mit einem abfälligen Ausdruck.
„Ich schwöre es."
„Mr. Snape, Sie werden beschuldigt, als Todesser fungiert zu haben und an etlichen Morden und Vergewaltigungen schuldig zu sein. Ist das korrekt?", fragte McFarlane kalt. Seine eisblauen Augen bohrten sich in seine Schwarzen.
„Zum Teil.", entgegnete Snape lässig.
Die Menge schnappte nach Luft.
„Konkretisieren Sie ihre Aussage.", erwiderte McFarlane.
„Ich habe Menschen gefoltert, vergewaltigt und ermordet.", erklärte Snape kalt. „Ich war ein Todesser und habe den dunklen Lord unterstützt, aber -."
Die Zuschauer rasteten aus. Hermine hielt erschrocken die Luft an. Er hatte Frauen vergewaltigt? Ein eisiger Schauer lief über ihren Rücken. Und auch der jungen Hexe wurde nun klar, wie wenig sie doch über Snape wusste.
„RUHE!", brüllte Ivanova plötzlich, kochend vor Wut. „WENN SICH DIE ANWESENDEN ZUSCHAUER NICHT BERUHIGEN KÖNNEN, WIRD DER SAAL GERÄUMT!"
Seine Drohung ließ die Menge erneut ruhigstellen. Natürlich wollten Sie nichts verpassen.
Snape kniff verächtlich seine Augen zusammen und fuhr gelangweilt fort.
„Aber, ich habe als Spion fungiert und zum Sturz des dunklen Lords beigetragen."
Hermine rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her, als er seine Aussage beendet hatte. Wieso war er bloß so stur! Würde er sich einmal dem Ministerium beugen, dann ständen seine Chancen deutlich besser.
„Ist es nicht eher so, dass Sie bis kurz vor Schluss gewartete haben und erst später die Seite wechselten, als klar war, dass Riddle unterliegen würde?", fragte McFarlane sachlich.
„Nein."
„Bitte werden Sie etwas genauer, Mr. Snape.", sagte der Leiter des Zaubergamots genervt. „Ich möchte Ihnen nicht alles aus der Nase ziehen."
„Nein, ich war von Anfang an im Orden des Phönix tätig und habe eng mit Mr. Dumbledore zusammengearbeitet.", erklärte er bebend. Er wusste, welche Frage nun kam.
„Wieso haben sie Albus Dumbledore dann ermordet? Vor den Augen der Todesser Mrs. Lestrange und Fenrir Greyback?"
Es überraschte Harry, als auch Hermine und Snape, dass er Draco Malfoy nicht aufzählte.
„Weil er mich darum gebeten hat.", antwortete er ungebührlich.
Alle im Saal hielten die Luft an.
„Sie wollen also sagen, dass Albus Wulfric Percival Brian Dumbledore Sie gebeten hat, ihn zu töten?", stellte McFarlane sich absichtlich dumm.
„So ist es."
Einige der Zauberer im Zaubergamot lachten abfällig, da sie ihm kein Wort glaubten.
„Können Sie das bezeugen, Mr. Snape?"
„Dafür habe ich ja Zeugen.", erklärte er zynisch und tat so, als ob McFarlane vollkommen verblödet war. Ein amüsiertes Zucken umspielte seine Lippen, dass das Fass zum Überlaufen brachte.
McFarlane haute mit der Faust auf den Tisch.
„Zügeln Sie ihren Ton, Mr. Snape!", zischte er, beruhigte sich sogleich wieder und setzte ein kaltes Lächeln auf. „Dann bitte ich jetzt die erste Zeugin in den Zeugenstand."
McGonagall wurde von einem Auror in den Zeugenstand gebracht, der etwas erhöht, neben den Hexen des Zaubergamots stand.
Die direkten, kurzen Fragen, wurden sachlich von ihr beantwortet. Sie bezeugte, dass Snape schon immer im Orden war, eng mit Dumbledore zusammengearbeitet hatte und erzählte von einigen Gesprächen mit dem Gemälde des verstorbenen Schulleiters. Nach zehn Minuten wurde sie entlassen und Hermine wurde in den Zeugenstand gebracht.
Sie hielt ihren Kopf gesenkt und wagte es nicht, Snape in die Augen zu schauen.
„Ich habe Menschen gefoltert, vergewaltigt und ermordet.", hallte es in ihrem Kopf wider. Er hatte Menschen gefoltert. Frauen vergewaltigt. Plötzlich wurde ihr schwindelig und sie krallte sich mit ihren Händen schluckend in das Podest des Zeugenstandes.
„Miss Granger, schwören Sie, dass Sie nach bestem Wissen und reiner Wahrheit aussagen und nichts verschweigen werden?"
„Ich schwöre es.", antwortete sie schluckend.
„Miss Granger, bezeugen auch Sie die Unschuld des Angeklagten?", säuselte McFarlane ölig und forcierte sie mit einem kühlen Blick.
„Ja.", entgegnete sie mit zittriger Stimme.
„Stimmt es, dass Sie eine intime Beziehung mit dem Angeklagten führen?", bohrte er unhöflich nach und rümpfte angewidert die Nase.
„Ja.", wiederholte sie sich, weiterhin darauf bedacht, Snape nicht in die Augen zu sehen. Sie wollte ihn nicht anschauen. Doch sie spürte seine Augen auf ihrem Gesicht, sie spürte, dass er ihr in Gedanken zurief, sie solle ihn anschauen. Aber sie konnte es nicht. Sie wusste, dass er schlimme Dinge vollbrach hatte, um den Orden und Harry zu unterstützen, aber die Tatsache, dass er Frauen vergewaltigt haben sollte, ließ ihren Körper erbeben und ein kleiner Teil in ihrem Gehirn schrie sie an, wie abscheulich diese Tat doch gewesen war.
„Sind sie trotzdem im Stande, die Unschuld des Angeklagten sachlich zu bezeugen?"
Irritiert sah Hermine auf und schaute McFarlane an.
„Die Beziehung zu Mr. Snape und mir hat nichts mit seiner Unschuld zu tun und beeinflusst meine Aussage nicht im Geringsten. Mr. Snape hat als Doppelagent fungiert und Albus Dumbledore auf dessen Wunsch hin umgebracht. Er hat sein Leben geopfert, um Tom Riddle zu stürzen. Er hat wichtige Informationen an den Orden des Phönix weitergegeben. Ohne Ihn, würde die Zauberwelt nun von einem dunklen, schwarzmagischen Diktator regiert werden.", sagte sie mit fester Stimme und schaute Snape erstmals tief in die Augen.
Den Schmerz, den sie in seinem Blick vorfand, raubte ihr für einen Moment den Atem. Er hatte nicht gewollt, dass sie in ein Kreuzverhör genommen wurde. Doch das war sie ihm schuldig.
„Miss Granger.", fuhr McFarlane unbeirrt fort, während Hermine und Snape sich immer noch ansahen. „Macht es Ihnen nichts aus, dass Mr. Snape als Todesser etliche Frauen vergewaltigt hat, um sie dann zu foltern und Tom Riddle zu überbringen?"
Sein Gesichtsausdruck schien belustigt, als Hermine ihren Kopf herumriss und ihn entgeistert anstarrte. Das Publikum lachte laut auf, sogar einige Auroren grinsten abfällig.
Snape raste vor Wut. Dieses verdammte Arschloch wagte es doch tatsächlich, solch eine öffentliche Frage zu stellen. Auch Kingsley und Harry schienen aufgebracht zu sein.
„Miss Granger?", hakte McFarlane unerbittlich nach.
Ehe sie ihren Mund aufmachen konnte, um ihn auf die Intention seiner Frage aufmerksam zu machen, kam Snape ihr zuvor.
„Es reicht!", knurrte er wütend. „Das hat nichts mit dem Prozess zu tun!"
McFarlane lächelte begeistert.
„Mr. Snape, das war die erste Abmahnung. Wenn Sie es wagen, noch einmal zu sprechen, ohne dass sie angesprochen wurden, wird die Verhandlung abgebrochen und Sie werden ihre Zeit bis zur nächsten Anhörung in Askaban verbringen."
Hermine holte tief Luft und versuchte sich krampfhaft zu beruhigen. Dieser Prozess schien dem alten, ekelhaften Typen tatsächlich Spaß zu machen.
„Nein, das macht mir nichts aus.", beantwortete sie seine Frage nun tapfer.
„Schön. Dann wissen wir ja Bescheid.", erwiderte McFarlane kopfschüttelnd, als er Ivanova zunickte.
Dieser erhob sich schnell, um dann von einem neuen Pergament vorzulesen.
„Mr. Ronald Weasley wird nun in den Zeugenstand berufen.", las er laut vor. Hermine wurde von einem Auror gebeten, den Zeugenstand zu verlassen.
Und dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig.
Die Tür zum Saal wurde aufgerissen und etliche maskierte Zauberer stürmten in den Raum. Hermine traute ihren Augen nicht, als die maskierten Männer Flüche in das Publikum abschossen und einige Zuschauer tot zu Boden fielen.
Harry, Ron, Kingsley und McGonagall sprangen erschrocken auf, als immer mehr Maskierte in den Raum stürmten und etliche Auroren mit Flüchen beschossen.
Die Anwesenden des Zaubergamots schrien panisch auf, rissen ihre Zauberstäbe hoch und versuchten sich verzweifelt zu wehren. Doch fast niemand von ihnen hatte einen Zauberstab zur Hand. Einige wurden von schwarzmagischen Flüchen getroffen und krümmten sich schmerzerfüllt auf dem Boden. Es schien, als würden die Maskierten zu Hundert sein. Hermine stand der Schreck in den Gliedern. Wo war ihr Zauberstab?
In einer Box.
Angsterfüllt blieb sie wie erstarrt stehen und zitterte. Sie fühlte sich hilfloser denn je. Ein Maskierter steuerte auf sie zu und hob seinen Zauberstab.
„Avada Keda –„, schrie er im dunklen Timbre, wurde aber von einer dunkelhaarigen Gestalt zu Boden gerissen. Snape holte aus und schlug auf den Maskierten ein, dessen Nase mit einem lauten Knacken brach. In Snapes Gesichtsausdruck spiegelte sich keinerlei Emotion wider.
Durch den ganzen Saal schossen nun etliche Flüche, man wusste nicht mehr, ob von Maskierten oder Auroren. Hermine zitterte am ganzen Körper und starrte auf Snape, der den Angreifer bewusstlos geschlagen hatte. Blut klebte an seinen Händen, doch sie konnte keinerlei Angst oder Zögern in seinen Augen erkennen.
Sofort war er bei ihr, packte sie und riss sie auf den Boden, als ein Fluch an ihnen vorbeischoss. Der Lautstärkepegel im Saal stieg ins Unermessliche. Keiner wusste, wer die Maskierten waren, was sie wollten oder warum sie wahllos Menschen töteten. Einige Ministeriumsbedienstete lagen leblos auf dem Boden, andere schrien, wieder andere lieferten sich einen gefährlichen Kampf mit den Eindringlingen.
„Wir müssen hier raus!", rief Snape laut, stieß sie erneut zur Seite, als ein Maskierter auf sie zusprang und seinen Stab erhob, um einen Cruciatus Fluch auf ihn abzuschießen. Snape schlug ihm den Zauberstab gekonnt aus der Hand, trat dem Angereifer mit voller Wucht ins Knie, sodass es mit einem lauten, ekelhaften Knacken brach und er schreiend zu Boden fiel. Snape packte ihn, schlug mit seiner geballten Faust in sein Gesicht und hob ihn hoch, um ihn mit aller Kraft gegen die Wand zu stoßen.
„Wer seid ihr?", fauchte er wütend, während er seinen Körper immer wieder gegen die Wand stieß. Aus einer Platzwunde am Kopf des Maskierten und seiner Nase schoss Blut heraus, das die Kleidung des alten Tränkemeisters völlig verdreckte.
Der Mann lächelte kalt und schüttelte grinsend den Kopf. Hermine starrte das schreckliche Schauspiel an. Er sah aus wie ein Irrer.
„Na, du Verräter?", zischte dieser nun lachend. Snape erstarrte für einen kurzen Moment. Verräter. Ein eiskalter Schauer lief über seinen Rücken. Er schlug mit der Faust auf den grinsenden Mann und ließ ihn bewusstlos zu Boden fallen.
Diese Männer waren Todesser.
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tbc
Wir neigen uns einem dramatischen Ende zu! *grins* Liebe Grüße!
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