10. Irrtum
Hermine saß auf dem Sitz, den Blick aus dem Fenster gerichtet und auf die Straße starrend. Wie immer regnete es in Strömen und der Bus fuhr quietschend auf den nassen, stark befahrenen Straßen durch London.
Snape saß ihr gegenüber, die Hände ruhig auf den Beinen abgelegt und einen imaginären Punkt aus dem Fenster fixierend. Sein Gesichtsausdruck verriet nichts Gutes und unweigerlich schluckte Hermine. Sein Zustand besorgte sie, wie konnte es sein, dass er immer noch Symptome einer Vergiftung zeigte? Nach 6 Jahren? Wieso war er nicht...
Innerlich unruhig biss sie sich auf die Unterlippe und seufzte tief. Snape war bei Weitem nicht mehr der Mann, den sie gekannt hatte. Er hatte sich verändert. Inwiefern, das wusste Hermine noch nicht, aber er schien verändert. Er schien...zermürbt, einsam und erschöpft zu sein. Sie schob diese Anwandlung auf den Gesundheitszustand seinerseits, hoffte jedoch inständig, dass er sich wirklich verändert hatte. Der Mann, der Severus vor dem Krieg war, war ihr definitiv nicht so lieb gewesen, wie der Mann, der ihr nun gegenüber saß.
Seine zynische, sarkastische Art hatte er dennoch nicht komplett abgelegt, wie sie seit ihrer Begegnung des Öfteren bemerken musste. Zwar behandelte er sie immer noch wie eine Schülerin, war aber überraschenderweise doch ein annehmbarer Geselle und längst nicht mehr so furchteinflößen wie zu ihrer Schulzeit.
Sechs Jahre Einsamkeit blieben nicht spurlos an einem Menschen hängen. Und auch, wenn er es nie preisgeben würde, Hermine war fest davon überzeugt, dass er einsam war. Genau wie sie. Wieso sonst, sollte er Alpträume haben? Wieso sonst, hatte er Minerva einen Brief geschickt? Er hatte sich verändert. Das stand außer Frage.
Snape hatte sich nicht geregt, er schaute sie nicht an und starrte weiterhin unaufhaltsam aus dem Fenster, während sie ihm verstohlen einige Blicke zuwarf.
Nach einer guten Viertelstunde, räusperte sich Hermine und er sah sie skeptisch an.
„Wir müssen hier raus."
Snape nickte leicht und beide erhoben sich. Sie drängten sich an den vielen Menschen vorbei und jeder der es wagte, ihn anzusehen, bekam einen verächtlichen Blick zugeworfen, den die meisten sofort zurückschrecken ließ.
Mit einem Ruck stoppte der Bus plötzlich und Snape wäre fast auf Hermine gefallen, hielt sich aber kurzerhand an der Stange fest, was einen stechenden Schmerz in seinem Arm zurückließ und ihn schmerzhaft das Gesicht verziehen ließ. Verdammter Mist! Er hasste es, so wehleidig zu sein, aber seine Narbe pochte unaufhaltsam weiter und intensive Stiche zuckten durch seinen Arm, der leicht zu kribbeln begonnen hatte.
„Ist alles in Ordnung?", fragte Hermine besorgt, als sie auf dem Gehweg stehen geblieben waren und der Bus von dannen fuhr.
Er brummte nur etwas Unverständliches und sie runzelte fragend ihre Stirn.
Langsam setzte sie ihren Weg fort und ihr Begleiter ging schweigend neben ihr her.
„Wir sind gleich da.", sagte sie seufzend und schaute ihn von der Seite aus an.
Er begegnete ihrem Blick und spitzte die Lippen.
„Ich werde definitiv nicht mehr mit diesem Bus fahren, Granger.", sagte er mit zusammengekniffenen Augen und sie blieb ruckartig stehen.
Snape drehte sich irritiert um und sie starrte ihn wütend an.
„Hören sie endlich damit auf, Severus!", fauchte sie und ballte ihre Hände zu Fäusten. „Ich bin, verdammt nochmal, nicht mehr ihre Schülerin! Ich will ihnen helfen!"
Er runzelte leicht die Stirn und zuckte die Schultern.
„Ich kann mich nicht daran erinnern, sie um Hilfe gebeten zu haben.", antwortete er sarkastisch und schüttelte den Kopf.
„Ach ja? Was meinen sie denn, würden sie ohne mich tun, Severus?", sagte Hermine bissig. „Wieso sind sie zu mir gekommen und geblieben, wenn ihnen meine Hilfe egal zu sein scheint?!"
Sie ging einige Schritte auf ihn zu und blickte ihm direkt in die Augen.
Snape schnappte nach Luft. Was erlaubte sie sich? So mit ihm zu reden? Er hatte nicht um Hilfe gebeten! Zorn brodelte in ihm auf.
„Ich bin auch gut ohne sie klar gekommen, Granger!", zischte er verbissen und starrte sie mit einem mörderischen Blick an.
Seine plötzliche Zurückweisung kränkte Hermine. Er war so stur!
„Sie sind einfach ein stures Arschloch, Snape!", rief sie plötzlich erbost und wedelte wütend mit ihrem Finger vor seinem Gesicht herum.
Anerkennend zog er seine Augenbrauen hoch und schnaubte.
„Wo ist denn die allwissende, brave Hermine Granger abgeblieben?", fragte er spöttisch und auch wenn ihn ihre Respektlosigkeit wütend machte, ihre neue Persönlichkeit gefiel ihm – auf eine merkwürdige Art und Weise. Er hatte schon immer Frauen verabscheut, die flennten oder schwach zu sein schienen. Der Kampf hatte sie stärker, älter und reifer werden lassen. Es waren schließlich auch 6 Jahre seitdem vergangen.
„Die existiert nicht mehr.", antwortete Hermine knapp und presste die Lippen aufeinander. „Wenn ich ihnen helfen soll, dann behandeln sie mich gefälligst nicht wie eine Schülerin."
Er wägte kurz seine Möglichkeiten ab.
Wenn er sich von Granger helfen lassen würde, dann hatte er definitiv mehr Chancen auf eine Antwort, als alleine. Das lag aber nur daran, dass er sich nicht mehr frei bewegen konnte, seit die Auroren so schnell aufmerksam auf ihn geworden sind. Er fühlte sich hilfloser denn je – fast verzweifelt. Wenn er nicht apparieren konnte, seinen Zauberstab unter keinen Umständen benutzen durfte und eine Horde Auroren hinter ihm her waren, dann würde er nicht mehr lange hier verweilen. Zudem war er geschwächt und verletzt, die Wunde an seinem Hals pochte und sein Kreislauf schien ihm immer wieder einen Strich durch die Rechnung machen zu wollen. So ärgerlich er es sich auch eingestehen musste und so unwirklich ihm die Tatsache vorkam – er würde ihre Hilfe brauchen. Er war wie gefesselt.
„Nun gut.", grummelte Snape einlenkend. „Hermine."
Überrascht wollte sie grade etwas darauf erwidern, beließ es aber dann dabei. Es war manchmal klüger, den Mund zu halten.
„Jugsons Wohnung ist nur noch eine Seitenstraße entfernt.", meinte sie deshalb nur, ging an ihm vorbei und bog in eine Straße ein.
Wenige Minuten später, blieb sie vor einem gewöhnlichen Reihenhaus stehen, doch bevor sie die Klingel betätigen konnte, griff er grob nach ihrem Arm und blickte sie scharf an.
„Woher wissen wir, dass wir diesem Heiler vertrauen können?", fragte er und seine innere Stimme brach in schallendes Gelächter aus. Seit wann war er so naiv und vertraute dem Mädchen blind? Wieso hatte er es kein einziges Mal in Betracht gezogen, dass er ihr nicht vertrauen konnte?
‚Weil sie dein Leben gerettet hat, du Trottel! ', wiederholte seine innere Stimme die Worte von vorhin und er musste sich eingestehen, dass sie Recht hatte.
Mit hochgezogenen Augenbrauen schaute sie ihn wütend an.
„Sie tun mir weh!"
Sofort ließ Snape sie los und wich einige Schritte zurück. Er schüttelte den Kopf und zog scharf Luft ein.
„Wir können Jugson vertrauen. Er ist ein...ähm...guter Freund von mir.", erklärte sie ihm ruhig und geriet ins Stolpern. Sie musste ihm ja wohl keine Rechenschaft ablegen!
Snape war das Stottern nicht entgangen und misstrauisch blickte er sie an.
Wieso vertraute er diesem Mädchen? Was, wenn sie sich irrte?
‚Es ist deine einzige Chance, du Narr. ', meldete sich seine innere Stimme erneut und ärgerlich verbat er ihr in Gedanken den Mund.
Er holte tief Luft, schaute sie an und nickte.
„Gut.", sagte er fest, während er mit dem Kopf in Richtung Tür deutete.
Hermine sah ihn noch einmal prüfend, bevor sie die Klingen betätigte. Lange geschah nichts und sie dachte schon fast, dass er nicht zuhause war, doch dann sprach eine dunkle, weiche Stimme durch die Sprechanlage an der Hauswand.
„Ja?", rief Jugson und sie seufzte erleichtert.
„Ich bin es, Hermine!", rief sie in die Anlage und sofort surrte die Tür. Hermine stieß sie auf und bat Snape mit einem Wink einzutreten.
„Nach Ihnen.", brummte dieser nur als Antwort und blieb an Ort und Stelle.
Sie verdrehte nur die Augen, betrat den Flur des Hauses und stieg die Treppen hoch, in die 2. Etage. Snape folgte ihr.
Jugson stand in der Tür, sein Lächeln war breiter als sein Mund und schon von weitem konnte Snape erkennen, dass er diesen Mann nicht ausstehen konnte. Seine schwarzen, grau melierten Haare lagen ungepflegt auf seinem Kopf, seine schwarze Brille nahm sein halbes Gesicht ein und seine Kleidung glich der seiner fast identisch. Der Unterschied war nur, dass Snape diesen Kleidungsstil verabscheute und ihn für ungepflegt, chaotisch und niveaulos befand. Das Sahnehäubchen an seinem kompletten Aussehen, waren aber nicht seine verdreckten Chucks oder seine Jeans, sondern sein Bart, der in seinem Gesicht wucherte, wie Unkraut. Mit einem skeptischen Blick bedachte er den Mann, der Hermine herzlichst umarmte und riss überrascht seine Augen auf, als er ihr den Hintern tätschelte.
Verdammte Scheiße! Was...?!
„Darf ich vorstellen, Jugson, Severus – Severus, Jugson.", sagte sie nun erklärend und winkte mit der Hand zwischen ihnen beiden hin und her. Jugson grinste leicht und nickte.
„Freut mich sie kennen zu lernen!", sagte er freundlich und hielt ihm die Hand hin, während ihm deutlich anzusehen war, wie sein Gehirn arbeitete. Irgendetwas sagte Jugson, dass er diesen Mann kannte – aber er brachte ihn mit niemand bestimmten in Verbindung!
Misstrauisch folgte Snape der ausgestreckten Hand mit einem scharfen Blick.
„Jugson, wir brauchen deine Hilfe.", unterbrach Hermine die unangenehme Situation, da Snape anscheinend nicht gewillt war, der ausgestreckten Hand Beachtung zu schenken.
Jugson zuckte nur teilnahmslos die Schultern und steckte die Hände in die Hosentaschen.
„Dann tretet mal ein. Mine, sei froh, ich wollte grade in die Winkelgasse! Aber das kann warten!", rief er lächelnd, legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie fröhlich mit in die Wohnung. „Du hast dich lange nicht mehr gemeldet!"
Hermine redete etwas von „Viel zu tun", legte ihren Arm um seine Taille und ließ sich widerstandslos mitziehen.
Snape blieb kurzerhand draußen stehen und starrte auf das so vertraute Paar, das im Inneren der Wohnung verschwunden war.
‚Soso, ein „guter Freund" also', dachte er sich und ärgerte sich dabei. Wieso ärgerte es ihn? Stirnrunzelnd ignorierte er seine aufkeimenden Emotionen, trat in die Wohnung und schloss die Tür hinter sich. Die Diele war klein und eng und von dort gingen vier Türen ab. Er ging einige Schritte weiter und trat in einen offenen Raum. Hermine saß auf dem Sofa und hatte die Beine übereinander geschlagen. Jugson war verschwunden.
Mit verschränkten Armen blieb er in der Tür stehen und starrte sie an.
„Was?", fragte Hermine, leicht gereizt, da ihr der selbstgefällige, spöttische Blick von Snape nicht gefiel.
Bevor er antworten konnte, kam Jugson in das Wohnzimmer gehuscht, stellte drei Becher Kaffee auf den Tisch und ließ sich neben Hermine auf das Sofa fallen. Sein doch so älteres Aussehen, wurde durch sein kindliches Verhalten wettgemacht und Snape fragte sich im Stillen, wie alt dieser Kerl wohl sein mochte.
„Setzen sie sich, Mister Snape.", meinte Jugson nach einer Weile und kratzte sich am Kopf, da er immer noch stehen geblieben war. „Kaffee – mit Milch und Zucker?"
„Schwarz.", antwortete dieser knapp und begab sich in eine der Sessel gegenüber. Er beobachtete, wie Jugson Hermine einen Becher mit schwarzem Kaffee in die Hand drückte und sie dabei unverfroren anlächelte.
‚Was für ein Schleimer', dachte er sich und schüttelte den Kopf.
„Also, Mine, was führt dich...euch...zu mir?", begann er und lehnte sich entspannt zurück, den einen Arm auf der Sofalehne ablegend. Sein Blick ruhte auf Snape und anscheinend konnte dieser Mann sich immer noch nicht an ihn erinnern.
Hermine lächelte ihn freundlich an.
„Jugson, kennst du Severus Snape?", fragte sie ihn gradeheraus, da sie sich nicht sicher war, ob er sich noch an die etlichen Tagespropheten erinnern konnte, die vor 6 Jahren Snapes gesamte Lebensgeschichte, natürlich von Rita Kimmkorn persönlich, veröffentlicht hatten.
Sobald sie seinen Namen ausgesprochen hatte, fiel es Jugson wie Schuppen von den Augen. Seine Kinnlade fiel herunter und er riss erschrocken die Augen auf.
„W-was, der Severus Snape? Jetzt – ach du heilige Scheiße!", rief er und fuhr in die Höhe. Er zückte seinen Zauberstab und zielte auf den Ex-Todesser, der ruhig im Sessel sitzen geblieben war und ihn abfällig anschaute.
Hermine stieß einen erstickten Schrei aus. Sie zog Jugsons Arm herunter und schüttelte heftig den Kopf.
„Nein, Jugson! Nicht! Er ist nicht der, für den du ihn hältst!", rief sie energisch und stellte sich sicherheitshalber vor Snape, da Jugson keinerlei Anstalten machte, seinen Arm zu senken. Snape blickte nun überrascht auf ihr doch sehr ansehnliches Hinterteil.
Sie hob abwehrend ihre Hände und blickte ihn flehend an.
„Was – Hermine, verdammt! Geh mir aus dem Weg! Er ist ein Todesser!", knurrte Jugson wütend und beließ den Zauberstab an Ort und Stelle.
„Nein! Jugson, bitte nimm den Zauberstab runter.", erklärte sie ihm ruhig, während ihre Hand zu ihrem Zauberstab wanderte.
Jugson beobachtete sie misstrauisch.
„Hermine, er ist ein gesuchter – nein, ein toter Todesser! Wie konnte er den Angriff von dieser Schlange überleben? Der Tagesprophet hat seinen Tod bestätigt! Das ist unmöglich!", sagte er bestürzt und runzelte die Stirn. „Hermine, was ist hier los? Wieso lieferst du ihm nicht dem Ministerium aus?"
Seine Stimme schien zittrig und Snape musste innerlich lachen.
‚Was für eine Memme!", dachte er sich. Bis jetzt, nahm der diesen Kerl nicht ernst.
„Verdammt, geh mir aus dem Weg!", rief Jugson erneut und streckte bedrohlich seinen Arm aus. „Hermine! Ich will dir nicht wehtun!"
Er schluckte merklich, doch man sah ihm deutlich an, dass er es ernst meinte. Snape wurde jetzt unruhig. Hermine stand immer noch dicht vor ihm, die Hand an ihrem eigenen Zauberstab und erstarrt in ihrer Bewegung.
Sie konnte nicht glauben was sie da sah. Wieso misstraute er ihr so? Meinte er wirklich, sie würde einen gefährlichen Todesser mit sich rumschleppen?
„Jugson."; sagte sie betont ruhig – wie zu einem verletzten Tier, dass sich in die Ecke gedrängt fühlte. Seine Hand zitterte unkontrolliert und sie hob vorsichtig ihre Hände abwehrend in die Höhe.
Jugson schaute sie böse an und zischte leise.
Snape ballte nun die Hände zu Fäusten und starrte auf das Szenario. Bereit, sofort aufzuspringen und Hermine wegzureißen, falls dieser weinerliche Typ einen Fluch abschießen sollte. Er hatte gewusst, dass er ihm nicht trauen konnte! Wie immer, hätte er sich einfach auf seine Intuition verlassen müssen! Und jetzt?! Kurz dachte er an seine Bereitschaft Hermine zu schützen und musste überrascht feststellen, dass er sie, ohne zu Übergelen, wegreißen würde, wenn es die Situation erzwingen sollte.
„Severus wird dir nichts tun. Jugson, bitte nimm den Zauberstab herunter. Wir brauchen deine Hilfe.", sprach sie ruhig und betont langsam weiter und blickte in direkt an. Sie hoffte ihr Blick würde ihn beruhigen, auch wenn eine gewisse Panik in ihren Augen zu erkennen war.
Dieser jedoch schüttelte den Kopf.
„Geh zur Seite!", knurrte er, während er tief Luft holte.
„Jugson, bitte! Meinst du allen Ernstes, ich würde mit einem Todesser durch die Straßen laufen, wenn ich ihm nicht selbst zu hundert Prozent vertrauen würde?", flehte sie ihn nun an, ihre eine Hand sicherheitshalber wieder am Zauberstab.
Jetzt flimmerte zum ersten Mal Unsicherheit in seinen Augen auf. Er senkte langsam den Arm und starrte sie wütend an. Snape presste die Lippen aufeinander und erstarrte. Es war wohl besser, wenn er sich nicht bewegen würde.
„Was hat das zu bedeuten, Hermine?", fragte er rau, den Arm immer noch auf halber Höhe ausgestreckt. Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gebildet und seine Hand hatte sich an seinen Zauberstab verkrampft. Seine Knöchel traten weiß hervor.
Hermine hielt die Luft an, als Jugson nun endlich seinen Arm senkte, den Stab aber immer noch festumklammert und in Kampfhaltung.
„Wir brauchen deine Hilfe. Bitte lass es mich erklären.", sagte sie nun und wurde sich erst in dem Moment bewusst, wie nah sie vor Snape stand. Peinlich berührt, wich sie vorsichtig einige Schritte zurück, aber immer noch vor ihm stehend und Jugson zugewandt.
Sie holte tief Luft, als dieser nichts erwiderte, und begann zu erzählen. Auch wenn ihr die Erklärung nicht leicht fiel und sie bei weitem nicht mit so einer extremen Reaktion seinerseits gerechnet hatte, versuchte sie ihm die Wahrheit über Snapes Überleben und seiner Rolle als Held nahezulegen. Nach wenigen Minuten hatte sie das Gröbste erklärt, während ihr Gegenüber schwieg und gebannt an ihren Lippen hing. Er runzelte nach ihrem Monolog die Stirn, ließ seinen Zauberstab jedoch nicht los. Lediglich seine Gesichtszüge hatten sich ein wenig entspannt und seine Haltung schien nicht mehr ganz so aggressiv.
„Was hast du ihm damals genau gegeben?", fragte er nun langsam, während sowohl Hermine, als auch Snape, leise erleichtert ausatmeten. Wenn Jugson einen Fluch auf Snape gehetzt hätte, dann hätte Hermine zaubern müssen und auch wenn das nicht weiter schlimm gewesen wäre, da man Hermine niemals in Verbindung mit Severus Snape bringen würde, so hätten sie fliehen müssen und Jugson hätte mit Sicherheit die Auroren verständigt, was ihren Drang auf Antworten deutlich erschweren würde.
„Weinrautenessenz.", antwortete Hermine erneut prompt, während sie ihn anlächelte. „Jugson, können wir uns jetzt wieder hinsetzen? Auch wenn du ihm nicht trauen magst – vertraue mir. Wir brauchen deine Hilfe."
Snape hatte derweil keinen Ton von sich gegeben und sich nicht gerührt. Er hatte es für besser gehalten, Jugson in diesem unkontrollierten Zustand nicht auch noch zu provozieren oder zu verängstigen, da er unberechenbar schien. Er lauschte Hermines Worten und es fiel ihm mehr als einmal auf, dass sie sie und ihn als „Wir" betitelte – ganz selbstverständlich. Doch er zweifelte stark an Jugsons Intelligenz – konnte dieser Mann ihnen wirklich eine vernünftige Antwort geben?
„Das kann nicht sein.", antwortete dieser nun tonlos, ließ sich auf sein Sofa fallen und legte den Zauberstab ruhig in seinen Schoß. Hermine nickte ihm dankend zu, während sie sich neben Snape auf einen Sessel setzte. Dieser folgte ihr mit einem undefinierbaren Blick, den sie jedoch nicht sah, da ihre Augen voll und ganz auf Jugson gerichtet waren.
„Ich weiß, das ist unmöglich, aber wie kannst du dir das sonst erklären?", bohrte sie nun weiter nach und er runzelte fragend die Stirn. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er Snape an, die Arme hatte er vor der Brust verschränkt. In seinem Blick lag Misstrauen, Wut – aber auch Neugier. Auch wenn Snape diesem Mann definitiv nicht trauen konnte – eines hatte er mit Hermine gemeinsam - seine unverhohlene Wissbegier.
„Das ist aber unmöglich. Das Weinrautenessenz hat das Gift der Schlange sofort aus seinem Körper entzogen. Woher hattest du es überhaupt so schnell zur Hand, Hermine?", fragte er plötzlich und sah sie überrascht an.
Sie errötete leicht und kaute auf ihrer Unterlippe. Snape starrte sie an und kam nicht umher zu merken, wie...niedlich... sie dabei aussah. Verdammt, was war eigentlich mit ihm los?!
„Naja, ich hatte für Harry, Ron und mir natürlich einiges zusammengepackt – du weißt, für die...Reise. Und da war unter anderem Weinrautenessenz dabei. Nur für alle Fälle..."
Schnell blickte sie auf den Boden, um Jugsons und Snapes Blick auszuweichen, sehr wohl wissend, dass das Mädchen von früher fast nichts mehr mit der Frau von heute gemein hatte. Auch wenn sie sich äußerlich fast nicht verändert hatte, innerlich fühlte sie sich alt, verbittert und leer. Sofort riss Hermine sich jedoch wieder zusammen und seufzte.
„Was meinst du kann es dann sein, Jugson?", meinte sie laut denkend und dieser schnaubte.
„Alles Mögliche. Und damit meine ich wirklich Alles. Diese Symptome könnte man natürlich analysieren und dadurch einiges ausschließen, aber ich nehme mal stark an, dass die Schlange von...Du-weißt-schon-wem... voller dunkler Magie war. Und das setzt das Spektrum an dunklen Flüchen auf eine gewisse ... Unendlichkeit. An dem bloßen Gift der Schlange kann es jedoch nicht liegen.", vollendete er seinen Satz und blickte die Beiden prüfend an. „Darf ich mir die Narbe einmal ansehen?"
Snape erstarrte und zog seine Augenbrauen gen Himmel. Was erlaubte sich der Kerl eigentlich? Grade noch wollte er ihm einen Fluch auf den Hals hetzen und nun wollte er sich seine Narbe ansehen?
Hermine hatte sich zu ihm umgedreht und sah ihn flehend an.
„Bitte, Severus, vielleicht kann er uns helfen!"
Dieses Mädchen...er ignorierte seine innere Stimme, die ihn verspottete, für so viel Naivität, während er kapitulierte.
Kopfschüttelnd holte er tief Luft und starrte Jugson mit einem mörderischen Blick an.
„Lassen sie den Zauberstab an Ort und Stelle, Mister Derwent.", zischte er böse, während dieser sich erhob und – ohne Zauberstab – auf ihn zusteuerte. Snape öffnete widerwillig seine schwarze Kapuzenjacke und legte das Stück Haut an seinem Hals frei, an der Nagini ihn getroffen hatte.
Jugson blieb auf Sicherheitsabstand und schüttelte energisch den Kopf.
„Das ist doch kein Schlangenbiss, Mister Snape! Sehen sie – keine Eintrittsstellen. Nichts. Ich habe schon viele Schlangenbisse gesehen, aber das... Das ist ein glatter und sauberer Schnitt. Niemals von einer Schlange!"
Snape schaute ihn erstaunt an und auch Hermine runzelte leicht die Stirn. Was sollte es sonst sein?
Er konnte sich so gut wie gar nicht an den Vorfall im Bootshaus erinnern, leidglich seine wirren Träume hinderten ihn jedes Mal daran, mit seinem Beinahe-Tod abzuschließen. Was sollte...
Snape sprang plötzlich auf und Jugson stolperte erschrocken zurück. Er hob abwehrend seine Hände und blickte ihn an. Auch Hermine war aufgestanden und schaute Snape bestürzt in die Augen.
Er keuchte schwer, als ihm das Bild vor Augen immer deutlicher wurde, die Szene...wieso war er nie darauf gekommen...
‚Weil es dich einen Dreck interessiert hat! ', rief die innere Stimme erneut und schwindelnd hielt er sich an dem Sessel fest. Tausend Bilder flimmerten vor seinem Auge auf. Todesser, Nagini, das Bootshaus, Hermine, Potter und Weasley, etliche Gespräche mit...
Heftig atmend stolperte er wieder zurück in den Sessel. Sein Blick war starr geradeaus gerichtet, seine Pupillen geweitet und Schweiß brach auf seiner Stirn aus.
Hermine rief laut seinen Namen, besorgt legte sie ihm eine Hand auf den Arm – doch nichts drang zu ihm durch.
Nur das eine Bild, die eine Szene, hing plötzlich vor seinen Augen und wieder und wieder durchleuchtete er sie. Das war...logisch. Es war plötzlich alles logisch.
Ja, Derwent hatte Recht. Diese Narbe stammte nicht von Nagini. Sein ganzer Körper war voller Narben übersäht, kleine, blasse Narben, die niemals entzündet gewesen waren – niemals so groß waren, wie der lange, tiefe Schnitt an seinem Hals.
Es war nicht Nagini gewesen, die zu seinem Todesschlag angesetzt hatte. Nein. Es war Lord Voldemort höchstpersönlich gewesen und ein schauriger, dunkler Gedanke breitete sich in seinem Kopf langsam aus. Kalt und unausweichlich schlich die dunkle Wolke in seinem Kopf umher und umnebelte seine Gedanken, trübte seine Sinne, bis plötzlich alles schwarz vor ihm wurde und er ohnmächtig vornüber kippte.
Das letzte Bild, was Snape sah, war nicht das Wohnzimmer von Jugson Derwent oder Hermines besorgten Blick – es war Voldemort's Gesicht höchstpersönlich. Lachend.
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