9🐺

     Am Sonntagabend machte Rhys es sich nach der Dusche und dem Zähneputzen mit seinem Lieblingsshirt in seinem Bett bequem und schlief auch sofort ein. 
     Darauf hatte Rikku nur gewartet. Langsam verwandelte er sich und lief zum offenen Fenster. Die Sehnsucht nach seinem Mate trieb ihn hinaus in die Dunkelheit. Mit einem gewaltigen Satz sprang er durch das geöffnete Fenster auf den Balkon und anschließend hinunter auf den Boden. Dann machte er sich auf den Weg zu seinem Alpha. Während er lief, peitschte sein Schwanz unentwegt erregt hin und her. Bald würde er ihn wieder riechen können. Er mochte den Geruch ihres Gefährten. Cayden roch verführerisch nach Milchschokolade und er liebte Milch über alles.
     Es dauerte nicht lange, da stand er unter dem großen Baum und blickte aus seinen gelb-grauen Augen hinauf zu Caydens Fenster. Ohne zu zögern, kletterte er den Baum nach oben, lief einen dicken Ast entlang und sprang anschließend mit einem mächtigen Satz auf die Brüstung. 
     Das Fenster stand zum Glück offen, also schlich sich Rikku ohne zu zögern ins Zimmer. Da er auch bei Nacht ausgezeichnet sehen konnte, erkannte er sofort die schlafende Gestalt, die im Bett lag. Schnuppernd reckte er die Schnauze in die Luft und sog den Duft ihres Gefährten tief in sich hinein. Rikku schnaubte zufrieden, dann ging er näher zum Bett. Vorsichtig stieg er darauf und legte sich neben Cayden, erst dann schloss er die Augen, gab ein leises Seufzen von sich und verwandelte sich. 

Cayden hörte, dass etwas ins Zimmer kam und rührte sich nicht. Dann war da erst einmal nur Stille. Kurz darauf hörte er ein leises Schnauben. Während er darauf wartete, was weiter passierte, wurde die Matratze heruntergedrückt. Cayden hörte ein Seufzen, danach nichts mehr. Er wartete noch etwas, dann drehte er sich vorsichtig um und da war er wieder, sein kleiner Gefährte! Nackt lag er neben ihm auf der Matratze und schlief seelenruhig. Er lag zum Teil auf dem Bauch und war mit dem Gesicht ihm zugewandt, dabei wirkte er völlig entspannt. 
    Cayden hatte nach seinem ersten Besuch in der Nacht von Donnerstag auf Freitag so sehr gehofft, dass er wieder käme. Drei Tage hat es gedauert, doch nun war er endlich wieder da. Jede Nacht vom Wochenende ließ er das Fenster offen, um ihm so die Möglichkeit zu geben, ohne Probleme einsteigen zu können. Er sah, wie Rhys erschauerte und eine Gänsehaut über dessen Haut kroch. Darum hob er seine Decke an und rutschte näher an den Omega heran, der sich Wärme suchend sofort an ihn kuschelte. Vorsichtig deckte er sie beide zu.
     Eine tiefe Zufriedenheit durchflutete ihn und so legte er vorsichtig einen Arm um seinen Mate. Jegliche Anspannungen der letzten Tage fielen von ihm ab. Langsam schloss er seine Augen und war kurz darauf ebenfalls eingeschlafen.

     Rhys erwachte mit einem wohligen Gefühl. Er lag warm eingebettet in den Armen von ... ja von wem eigentlich? 
     „Nika? Bist du das?“, nuschelte er gegen die nackte, breite Brust. Warte ... das konnte unmöglich seine Schwester sein. „Jaron?“, fragte er stattdessen nun schon wacher. Schlaftrunken rieb er sich die Augen, da stieg ihm ein vertrauter Duft in die Nase. Milchschokolade! 
     Plötzlich war er hellwach und wollte aus dem Bett flüchten, doch starke Arme hielten ihn an Ort und Stelle. „Hey. Lass mich gefälligst los“, schimpfte er. Nur langsam kämpfte er sich frei, da öffnete Cayden seine schönen, hellgrauen Augen. 
     „Hallo, Wölfchen“, flüsterte der Alpha und legte einem Instinkt folgend seine Lippen auf die seines Gefährten. 
     Rhys blieb erstarrt liegen und ließ sich, wie es sein Vater befohlen hatte, einfach küssen. Plötzlich spürte er Caydens Zunge zwischen seinen Lippen und gab ein überraschtes Keuchen von sich. Diese Gelegenheit ließ sich der Alpha nicht entgehen und so schob er einfach seine Zunge noch ein Stück weiter, bis sie auf die etwas rauere seines Gefährten traf. 
     Rhys wollte die fremde Zunge wieder aus seinem Mund vertreiben und drückte abwehrend dagegen. So ergab sich ein Machtspielchen zwischen dem Alpha und seinem widerspenstigen Omega. 
     Während Rhys versuchte ihn aus seinem Mund zu drängen, klammerte dieser sich gleichzeitig an seinem Shirt fest, wie Cayden belustigt feststellte. Immer wieder drängte er sich in Rhys Mundhöhle und wurde immer wieder aufs neue daraus verwiesen. Es machte ihm unglaublichen Spaß, so mit seinem Gefährten zu rangeln. Zu seinem Bedauern drehte Rhys plötzlich schwer atmend den Kopf zur Seite. „Du schmeckst wundervoll“, flüsterte er gegen dessen Hals und drückte noch schnell einen Kuss darauf.
     Plötzlich kam Bewegung in den Omega. „Lass mich los“, sagte Rhys leise und drückte gegen seine Brust. „Bitte ...“, bettelte er dann. 
     Widerwillig öffnete Cayden seine Arme und entließ den Wolf somit aus seiner Umarmung. 
     Sofort sprang Rhys auf und berührte ungläubig seine Lippen. Sein erster Kuss und das mit diesem Kerl? Ja, gut, sie waren Mates, aber dennoch. Wut stieg in ihm hoch. Nicht auf Cayden. Der konnte nichts dafür. Nein, er war wütend auf Rikku. „Du blödes Mistvieh!“, fluchte er laut. „Was soll das? Ich habe dir nicht erlaubt, dass du zu ihm gehst.“ 
     Cayden hatte sich langsam aufgesetzt und beobachtete neugierig seinen Gefährten dabei, wie dieser laut mit seinem Wolf sprach. 
     „Was heißt hier, das ist dir Scheiß egal? Das hier ist immer noch mein Körper und du hast nicht das Recht ...“ Rhys wurde wohl unterbrochen, denn er brach mitten im Satz ab. „Ich glaube das einfach nicht! Und deswegen bringst du mich mitten in der Nacht in sein Bett?“ Wieder schien der Omega seinem Wolf zu lauschen. 
     Cayden wunderte sich bereits, welchen Mut der Wolf aufbrachte, um so mit Rhys zu reden. Sein Gefährte stand nackt mitten im Zimmer und diskutierte mit seinem inneren Tier. Entspannt lehnte er sich in seinem Bett zurück und beobachtete das weitere Geschehen. 
     „Wage es bloß nicht, das noch einmal zu tun. Der Kerl soll sich anstrengen, wenn er mich wirklich haben möchte. Außer einer kleinen Entschuldigung kam ja sonst nichts von ihm.“ Erschrocken richtete Rhys seinen Blick auf den Alpha, der ihm belustigt zuzwinkerte. „Ich glaube, ich gehe dann wohl besser nach Hause“, sagte Rhys beschämt und stürmte zum Fenster, durch das er sogleich schlüpfte, dann kletterte er den Baum hinunter.
     „Ich freue mich schon auf das nächste Mal“, hörte er Cayden noch rufen, dann verwandelte er sich und rannte in seiner Wolfsgestalt davon. 
     Zurück blieb ein zufrieden wirkender Cayden, der endlich wusste, was er tun konnte, um seinen Omega davon zu überzeugen, ihn endlich zu akzeptieren. Mit einem Lächeln dachte er an den Kuss. Obwohl es mehr ein Kampf zwischen ihren Zungen gewesen war, hatte es ihm Spaß gemacht. Rhys gefiel ihm immer besser. Vielleicht sollte er sich mal bei seinem besten Freund und gleichzeitigem Beta Leon erkundigen, worauf man zu achten hatte, wenn man mit einem Jungen schlief. Denn Leon war ebenfalls schwul, nur dass dessen Gefährte ein Fuchs-Wandler war. 
     Wesentlich entspannter legte der Alpha sich wieder ins Bett. Rhys Anwesenheit hatte seinen Schmerz etwas gelindert, sodass er problemlos, mit Rhys Geruch in der Nase wieder einschlafen konnte. 
     Am nächsten Tag wollte er sich erst einmal erkundigen, was Rhys so alles gerne hatte. Dann musste er sich nur noch einen Plan zurechtlegen, wie er seinen Gefährten dazu brachte, ihn als seinen Mate endlich anzuerkennen. Er freute sich schon jetzt auf ihr nächstes Zusammentreffen. 
     Dass es jedoch anders kommen würde, als gedacht, damit hätte er nicht gerechnet.

     Rhys konnte es nicht fassen. Es war das zweite Mal, dass Rikku ihm das antat. Nachdem er mit ihm geschimpft hatte, zog dieser sich beleidigt in ihm zurück. Davor hatte er ihm noch vorgeworfen, dass Rhys nur an sich denke und nicht an die Bedürfnisse seines Wolfes und von ihm. Rhys spürte, dass auch Luca enttäuscht von ihm war, was ihm nun doch etwas zu schaffen machte. 
     Endlich war er wieder zu Hause. Inzwischen lag er in seinem Bett und musste an den Kuss denken. Eigentlich hatte ihm dieser Kuss tatsächlich gefallen. Cayden roch nicht nur nach Milchschokolade. Nein, der Alpha schmeckte auch danach. Unglücklicherweise war Milchschokolade seine geheime Schwäche und jetzt hatte er auch noch einen Gefährten, der nicht nur danach roch, sondern auch noch danach schmeckte.
     „Fuck, Fuck, Fuck!“ Fluchend drehte er sich auf die andere Seite. Ein Blick zur Uhr zeigte ihm, dass es bald Morgen war und er aufstehen müsste, schließlich hatte er Schule. Vielleicht hätte er einfach dort bleiben und erst gegen morgen nach Hause gehen sollen. Dann hätte er vielleicht wenigstens noch etwas Schlaf bekommen.
     Zweifelnd schüttelte er den Kopf. Ganz sicher wäre er, in dem Wissen, dass Cayden neben ihm lag, nicht mehr eingeschlafen. Nein, niemals hätte er da noch ein Auge zu machen können. Oder doch?
     Mit seinen Gedanken beschäftigt, fiel Rhys irgendwann doch noch in einen unruhigen Schlaf.

     Am frühen Morgen fühlte sich Rhys wie gerädert. Er war müde und hatte keine Lust, seinem Gefährten zu begegnen. Moment mal. Seinem Gefährten? Rhys schüttelte den Kopf. Das war eindeutig die Müdigkeit, die ihn so etwas vollkommen Absurdes denken ließ. 
     Nach einer ausgiebigen Dusche setzte er sich an den Küchentisch. Ohne ein Wort zu sagen, würgte er sein Müsli hinunter, stand auf, zog sich seine Schuhe und seine Jacke an, schnappte sich seine Schultasche und stieg mit seiner Schwester bei seinem Bruder ins Auto. 
     Jaron hatte den Führerschein in Rekordzeit gemacht. Er war eben ein typischer Alpha. Alles, was er machte, gelang ihm auch. Während seine Schwester das fahren noch üben musste, hatte ihr Bruder keine Probleme damit. Rhys selbst hatte nicht vor, den Führerschein zu machen. Dazu war er eben ganz Omega typisch zu unsicher. Geschickt lenkte Jaron das Auto durch den Verkehr.
     Bei der Schule angekommen, suchten sie sich einen Parkplatz, dann stiegen sie aus. Rhys blieb bei seinen Geschwistern, denn als Omega hatte man es auch in der heutigen Zeit ziemlich oft schwer und es gab leider auch solche Arschlöcher, die ihn das spüren ließen. Manche Wölfe wollten ihm einfach ihre Macht zeigen, was Rhys aber am Arsch vorbeiging, denn er war nicht der typische Omega. Dazu war er einfach viel zu frech und stur. 
     Als sie über den Schulhof liefen, kam seine beste Freundin Lexy auf ihn zugerannt und umarmte ihn stürmisch. Sie schien nicht mehr böse mit ihm zu sein, denn sie fing sofort an zu reden. „Rhys, mein Lieber. Hast du heute Nacht bei Cayden geschlafen? Ich meinte heute Morgen, als ich ihn geweckt habe, deinen Geruch in die Nase bekommen zu haben. Cayden sagt mir aber nichts dazu, egal, wie sehr ich ihn auch danach frage.“ 
     Lexy hatte sich bei ihm eingehängt und lief mit ihm in das graue Gebäude. Dabei schnupperte sie auffallend verdächtig an ihm. Zum Glück hatte Rhys am Morgen geduscht, um wach zu werden, denn sonst hätte sie womöglich Cayden an ihm gerochen. 
     Enttäuscht zog sich Lexy zurück. „Schade“, seufzte sie. „Ich dachte schon, du hättest ihm endlich vergeben. Aber na ja, was nicht ist, wird ganz sicher noch werden.“ 
     Rhys murrte nur leise vor sich hin, während sie zusammen zu ihrem Klassenzimmer liefen. Den Kopf nachdenklich gesenkt, lief er plötzlich gegen eine harte Brust. Starke Arme, die sich um ihn schlangen, verhinderten, dass er hinfiel. Sofort stieg ihm der Geruch nach Milchschokolade in die Nase und Rikku drängte sich an die Oberfläche, weswegen er es nicht verhindern konnte, dass er sich kurz ankuschelte.
    „Hallo, Rhys. Hast du gut geschlafen?“, flüsterte Cayden ihm ins Ohr und ihn überkam ein Schauer. Sofort löste er sich wieder und trat zurück. 
     Cayden genoss den Zufall, der ihm seinen Gefährten gegen ihn laufen ließ. Augenblicklich hatte er seine Arme um Rhys gelegt, als dieser zu fallen drohte. Zu seinem Erstaunen schmiegte sich der kleine Omega für einen Moment an ihn, bevor er wieder zurücktrat. Nun standen sie sich gegenüber und er wartete auf eine Antwort, während er in goldene Augen blickte. Rhys Wolf war darin zu sehen, verschwand aber sofort wieder. 
     „Als ich endlich wieder allein im Bett lag, habe ich das tatsächlich“, gab Rhys spitz zu und hätte sich im nächsten Augenblick am liebsten auf die Zunge gebissen.
     „Uiiii! Ich wusste es“, schrie Lexy neben ihnen. „Du warst da. Im Bett meines Bruders.“ 
     Rhys schüttelte vehement den Kopf. „Das ist ein Missverständnis. Ich ...“
      „Du kannst mir nichts vormachen, Rhys“, warf Lexy ein. „Caydens breites Grinsen sagt schon alles. Außerdem war ich mir absolut sicher, dass ich dich gerochen habe, also versuche erst gar nicht, dich herauszureden!“ 
     Rhys warf dem Alpha einen zornigen Blick zu. „Das ist deine Schuld“, fauchte er, drehte sich um und stampfte wütend davon. 
     Lexy verabschiedete sich freudestrahlend von ihrem Bruder und folgte ihrem besten Freund mit einem zufriedenen Grinsen. Sie würde es schon noch schaffen, die beiden zusammenzubringen.

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Irgendwie scheint sich alles gegen Rhys zu verschwören.
Ob er noch lange stur bleiben wird?

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