8🐺

     Bei der Schule angekommen, versuchte Rhys dem Alpha, der nun sein Gefährte war, aus dem Weg zu gehen, was sich als schwieriger gestaltete, als er gedacht hatte. Zweimal schaffte er es gerade so, ihm auszuweichen, doch in der großen Pause war er so in seine Gedanken vertieft, dass er Cayden zu spät bemerkte und direkt in dessen Arme lief. 
Kaum gegen ihn gelaufen, schlossen sich auch schon Caydens Arme um ihn und zogen ihn an die breite Brust des Wolfes. Rhys legte seine Hände an dessen Hüften und wollte den Alpha von sich drücken, doch ein warnender Blick seines Bruders belehrte ihn eines Besseren. Mit einem resignierten Seufzen blieb er stehen. Seine Hände suchten sich automatisch ihren Weg auf Caydens Rücken und dann schmiegte er sich vorerst widerwillig an ihn. Rhys Wolf und auch Rikku regten sich wohlig in ihm. 
     „Rhys“, flüsterte Cayden und beugte sich zu ihm hinunter. Der Alpha drückte seine Nase gegen seinen Hals und dessen Atem, der auf seine Haut traf, verursachte ihm eine angenehme Gänsehaut. „Als du heute Nacht weg warst, habe ich dich vermisst.“ 
     Der Omega wusste nicht, was er darauf sagen sollte, also schwieg er. Plötzlich spürte er ein leichtes Saugen an seiner Halsbeuge. „Ähm, Cayden? Was machst du da?“, fragte er neugierig, während ihn ein angenehmer Schauer überrannte. 
     „Er markiert uns“, flüsterte es freudig in ihm und Rhys riss erschrocken die Augen auf. Im selben Augenblick hörte er Cayden etwas Knurren. „Meins!“ 
     Der Wolf hob schließlich seinen Kopf und goldbraune Augen starrten Rhys an. „Jace“, flüsterte der Omega und schon spürte er, wie Luca in seine Augen kam. Sein Wolf wollte sich dem Alpha unterordnen und Rhys entkam ein leises Wimmern. „Cayden bitte“, bettelte er und wusste selbst nicht worum. Erleichtert sah er, wie der Alpha den Kopf schüttelte und das helle Grau wieder in seine Augen zurückkehrte. 
    „Tut mir leid, Kleiner“, flüsterte der Alpha und löste sich von Rhys. Langsam trat er einen Schritt zurück, dann noch einen, bis er sich schließlich, mit einem letzten verzweifelten Blick auf seinen Gefährten umdrehte und wortlos verschwand. 
     Betroffen sah Rhys ihm hinterher. Was war denn jetzt los? Er hatte eigentlich gedacht, sein Gefährte würde jede Gelegenheit nutzen, ihm nahezukommen. Doch dem war anscheinend nicht so. 
     „Er kämpft gerade gegen seinen Wolf an. Jace möchte sich endlich mit dir verbinden, doch da du dich dagegen wehrst und Cayden dich nicht dazu zwingen möchte, kämpft er gegen ihn an“, erklärte sein Bruder. 
     Rhys sah seinen Bruder an. „Ist es für ihn wirklich so schlimm?“, fragte er. 
     Jaron zuckte mit den Schultern. „Laut unseren Eltern ja. Aber dadurch, dass du ein Omega bist, sowie Luca und Rikku in dir trägst, scheint es für dich weniger schlimm zu sein.“
     Rhys schwieg. Es stimmte, dass er gleich zwei Tiere in sich trug und er spürte auch deren Sehnsucht nach ihrem Gefährten, welche sich langsam aber sicher auch auf ihn übertrug. Dennoch hatten ihn Caydens Worte auf der Treppe verletzt. Oder hatte er da vielleicht doch etwas missverstanden? 
     Da die Pause fast um war, machte Rhys sich wieder auf den Weg zu seinem Klassenzimmer.

     Am Freitagabend saß er in seinem Zimmer und zeichnete. Frustriert betrachtete er nun das bereits vierte Bild von Cayden, das er gemalt hatte. Obwohl er versuchte etwas anderes zu zeichnen, wurden aus den Strichen, die er auf das Papier brachte, immer Caydens wunderschöne Gesichtszüge. 
     Da war zum einen ein Bild, das Caydens Gesicht von vorne zeigte. Er hatte darauf den Kopf leicht zur Seite geneigt, sodass man seine Halsbeuge sehen konnte, wo Rhys im Unterbewusstsein anscheinend seinen eigenen Zahnabdruck hingezeichnet hatte. Auf dem zweiten Bild saß der Alpha unter der Eiche vom Schulhof und lächelte ihm zu. Das dritte Bild zeigte erneut das Gesicht seines Gefährten. Nur dass die eine Hälfte Cayden zeigte und die andere Hälfte seinen Wolf. Dabei war der Übergang so fließend, dass man kaum erkennen konnte, wo der Wolf begann und Cayden aufhörte.
     Aber was ihn wirklich verstörte, war das vierte und letzte Bild. Es zeigte zwei nackte Körper und Cayden lag zwischen den Beinen des Kleineren, der ein Bein um die Hüfte des Alphas gelegt hatte und sich an ihn klammerte. Man konnte deutlich erkennen, dass es Rhys war und er es genoss, von dem Wolf genommen zu werden. 
     „Ach, verdammt“, fluchte er leise vor sich hin und zerknüllte das letzte Bild. Dann warf er es in einem hohen Bogen in den Eimer. Rhys packte seine Mal-Utensilien wieder zusammen und ging anschließend ins Bad. Da es schon spät war, putzte er sich die Zähne, zog sich um und trottete zurück ins Schlafzimmer. Vorsichtshalber kontrollierte er das Fenster, dass es auch wirklich verschlossen war, denn er wollte nicht riskieren, dass Rikku erneut einen Ausflug mit ihm unternahm. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, schlüpfte er unter seine Decke und horchte in sich hinein. 
     Sein Wolf trauerte darum, nicht bei seinem Gefährten sein zu dürfen. Da Luca aber ein sanfter Omega war, machte er dies Rhys nicht wirklich zum Vorwurf. Rikku hingegen verhielt sich erstaunlich ruhig, was Rhys vorsichtig machte, weshalb er auch das Fenster verschloss. 
Mit einem konstanten Schmerz in der Brust, der von Tag zu Tag schlimmer wurde, schlief Rhys kurz darauf doch noch ein. In dieser Nacht wachte er nicht in Caydens Bett auf.

     Am Samstag traf sich Rhys mit Lexy zum Shoppen. Sie wollten in die Einkaufspassage, um sich ein paar schöne Kleider für eine Party zu kaufen, auf der beide an diesem Abend eingeladen waren. Lexys Begrüßung war zurückhaltend, was Rhys traurig stimmte. Er konnte sich schon denken, warum das so war, aber er war auch froh, dass seine beste Freundin wieder mit ihm sprach. 
     Zusammen liefen sie in den Jeansladen und suchten sich ein paar Kleider heraus, die ihnen gefielen und probierten sie an. Lexy entschied sich letztlich für ein weißes Oberteil, einen sandfarbenen Rock und farblich dazu passenden Sandalen. Rhys für ein sandfarbenes Hemd, das nach unten hin heller wurde, einer schwarzen Jeans, einer schwarzen, dünnen Jacke und schwarzen Sneakern. Danach gingen sie noch zum Friseur, wo Lexy sich die Spitzen schneiden und Rhys sich einen neuen Haarschnitt verpassen ließen. 
     Nachdem sie alles erledigt hatten, setzten sie sich in ein Restaurant und bestellten sich einen Burger, dazu Pommes Frites und eine Cola. 
     „Bist du mir böse?“, fragte Rhys seine Freundin irgendwann leise. 
     Lexy sah ihn an und schüttelte den Kopf, dann nickte sie jedoch. „Ein wenig“, gab sie schließlich zu. „Weißt du. Cayden versucht es zwar zu verbergen, aber es geht ihm nicht gut.“
     Rhys schloss frustriert die Augen. Davon wollte er eigentlich nichts hören. 
     „Schon gut“, warf Lexy ein, die ihn beobachtet hatte. „Cayden hat mir ohnehin verboten, dieses Thema bei dir anzusprechen. Ich darf dir noch nicht einmal böse sein. Er liebt dich, Rhys. Das hat er schon immer.“ Lexy konnte es einfach nicht lassen. Warum musste sie damit anfangen, wenn ihr Bruder es ihr doch verboten hatte? Genervt sah Rhys sie an. „Entschuldige mich. Wenn ich deine Reaktion so sehe, vergeht mir der Appetit. Ich gehe nach Hause. Wir sehen uns“, sagte Lexy plötzlich, stand auf, packte ihre Taschen und ging. 
     Rhys starrte ihr betrübt hinterher. Er hoffte nur, dass sich ihr Verhältnis zueinander bald wieder verbesserte. „Wenn du so weiter machst, verlierst du sie“, hörte er Rikkus Vorhersage. „Und das ist ganz allein deine Schuld“, stimmte Luca unerwarteterweise zu. 
Je mehr alle gegen ihn waren, desto mehr verschloss er sich. Warum mussten aber auch alle auf ihm herumhacken?
     Rhys blieb noch eine Weile betrübt sitzen, dann packte er seine Taschen und machte sich ebenfalls auf den Weg nach Hause. Auch er hatte sein Essen kaum angerührt.

     Zu Hause angekommen, ging er sofort in sein Zimmer. Zuvor warf er noch seine neuen Kleider in die Waschmaschine und schaltete das Kurzprogramm ein. 
     In seinem Zimmer angekommen, warf er sich auf sein Bett und starrte nachdenklich an die Decke. Er hatte wieder einmal seine beste Freundin verletzt, obwohl das nicht seine Absicht gewesen war. Er verletzte mit seinem Verhalten alle um sich herum, dennoch konnte er einfach nicht über seinen Schatten springen. War es vielleicht doch möglich, dass er durch seinen Stolz alles missinterpretiert hatte? 
In Gedanken versunken merkte er nicht, wie er in einen tiefen Schlaf fiel. 

     Zwei Stunden später wurde er von Nika geweckt. „Hey, Schlafmütze. Musst du dich nicht zur Party fertig machen?“  Seine Schwester saß neben ihm auf dem Bett und piekte ihn in die Seite. Sie war bereits fertig angezogen und geschminkt. 
     Rhys drehte sich murrend auf die andere Seite. Er hatte keine Lust dort hinzugehen, denn Lexy war ihm wieder einmal böse und ohne sie würde es ihm sicherlich keinen Spaß machen. 
     „Na los doch, Rhys. Ben wird nur einmal Achtzehn. Mal sehen, ob er gleich seine Gefährtin findet“, forderte seine Schwester und bohrte nun regelrecht ihren Finger in seine Seite. Mit einem genervten Schnauben stand er schließlich auf und lief ins Bad, um zu duschen. 
     Eine halbe Stunde später stand er wieder in seinem Zimmer und zog sich seine neuen Kleider an. Seine Schwester hatte diese glücklicherweise, oder auch nicht, in den Trockner geworfen. So hatte er leider keine Ausrede, um zu Hause zu bleiben. Kritisch betrachtete er sich im Spiegel, da flog erneut seine Tür auf und Nika stürmte wie ein Wirbelwind in sein Zimmer. 
     „Wir sollten uns angewöhnen, die Tür abzuschließen“, knurrte Rikku in ihm und er stimmte zu. „Andererseits bin ich froh, dass sie dich nervt, denn so kommen wir zu der Party und treffen vielleicht unseren Mate wieder.“ 
     Rhys verdrehte genervt die Augen. Rikku hatte einen Narren an dem Alpha gefressen und wenn Rhys sich das so recht überlegte, war das seit dem ersten Tag, wo er Cayden gerochen hatte.
     „Milchschokolade“, nuschelte Rhys leise vor sich hin.
     „Du hast es erfasst. Er riecht danach und ist jetzt meine einzige Schwäche, neben Milch und gekrault werden“, stimmte Rikku mit einem leisen, aber gleichmäßigen Brummen zu und Rhys musste trotz allem lächeln.
     „Hey, ich mag Milch und gekrault werden ebenfalls“, meldete sich soeben auch Luca zu Wort. „Außerdem mag ich Cayden auch und ich vermisse ihn“, schob er mit einem leisen Knurren hinterher, was Rhys erneut die Augen verdrehen ließ. 
     Nika, die ihren kleinen Bruder beobachtet hatte, deutete seine Mimik richtig. „Reden die beiden wieder miteinander?“ Rhys nickte und seine Schwester lachte. „Manchmal tust du mir tatsächlich leid. Wenn ich bedenke, dass du gleich zwei Tiere in dir trägst. Nyx nervt mich ja manchmal schon ziemlich und sie ist allein.“
     Rhys zuckte nur die Schultern. „Ich kenne es gar nicht anders. Mich nervt nur, dass Rikku mir gegenüber etwas zu frech wird. Jetzt stachelt er sogar Luca gegen mich auf, was mir gerade überhaupt nicht gefällt.“ Ein letzter Blick in den Spiegel zeigte ihm, dass er gut aussah, was ihm seine Schwester bestätigte. Zusammen verließen sie das Zimmer und machten sich auf den Weg nach unten, wo ihr Bruder Jaron bereits auf sie wartete. 
     Die Drillinge verabschiedeten sich von ihren Eltern, die ihnen einen schönen Abend wünschten und Jaron noch das Versprechen abnahmen, nichts zu trinken oder sich abholen zu lassen. Dann waren sie auch schon auf dem Weg zu Ben. 
     Auf der Party traf Rhys auf Lexy, aber Cayden war nicht dabei. Laut seiner Freundin, die wieder mit ihm sprach, blieb ihr Bruder zu Hause, weil es ihm nicht gut ging. Obwohl Rhys sie neugierig ansah, ging sie nicht näher darauf ein. 
     „Du weißt ganz genau, was mit ihm ist! Jetzt tu bloß nicht so ahnungslos, denn auch unser Herz schmerzt“, fauchte Rikku ihn wütend an, doch Rhys ignorierte ihn. Trotzdem war der Abend für ihn gelaufen.
     Der Omega war froh, als sie endlich nach Hause gingen und er in sein Bett konnte. Die Hände gegen seine Brust verkrampft, fiel er in einen unruhigen Schlaf. 

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Ja, hmmm... was soll ich sagen?

Mal sehen, wie lange Rhys noch stur bleiben wird.

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