7🐺

     Rhys war am Donnerstag nach der Schule direkt nach Hause gegangen. Nachdem er sich von Cayden getrennt hatte, ging es ihm gleich wieder schlechter. Die Nähe zu seinem Gefährten hatte ihm wirklich gutgetan. Seine Geschwister erzählten ihrem Vater, dem Alpha, dass Rhys ihm gehorcht hatte und bei Cayden geblieben war, weshalb ihn seine Eltern lobten.
     Nach dem Abendessen ging er mit dem Gedanken daran ins Bett, dass er am nächsten Tag wieder bei Cayden sitzen würde, was seinen Wolf mit Freude und ihn mit Unsicherheit erfüllte. Unschlüssig, wie er weiter vorgehen sollte, schlief er ein, nur um einige Stunden später wieder aufzuwachen, weil er zur Toilette musste. Schlaftrunken stieg er aus dem Bett und lief in Richtung Badezimmer, als er mit dem Fuß gegen etwas stieß, das ihm im Weg stand.
     „Autsch! Verdammt, wer hat denn da was hingestellt?“, fluchte er, da wurde eine Nachttischlampe angeknipst. Erschrocken drehte er den Kopf zu der Lichtquelle und riss die Augen auf. „Was machst duuu hier? Verschwinde aus meinem Zimmer“, fauchte er entrüstet, als er sah, wer da in seinem Bett lag.
     Cayden saß ans Kopfende des Bettes gelehnt da und verschränkte mit einem belustigten Grinsen die Arme. Dann schüttelte er den Kopf, bevor er sprach. „Sieh dich mal um, Kleiner. Du bist in meinem Zimmer“, betonte er und zog dabei eine Augenbraue in die Höhe. 
     Wie sehr Rhys es doch hasste, wenn Cayden das tat. Verwirrt sah der Omega sich um und seine Augen wurden groß. „Fuck“, fluchte er. Dann erst wurde ihm bewusst, was das zu bedeuten hatte. Sein Blick flog nach unten und seine Ahnung hatte sich bestätigt. Er war komplett nackt. Schützend warf er seine Hände über seinen Intimbereich.
     „Das wirst du mir büßen, du Verräter. Warte nur, bis wir wieder zu Hause sind“, knurrte er wütend in sich hinein, doch Cayden hatte ihn gehört und sein Grinsen wurde breiter. „Weißt du, wie ich hierhergekommen bin?“, fragte Rhys unsicher und hielt die Luft an.
     Cayden setzte sich auf und schüttelte den Kopf. „Als ich in mein Zimmer kam, lagst du bereits in meinem Bett. Ich habe versucht, dich zu wecken, aber du wolltest nicht wach werden, also habe ich dich zugedeckt und schlafen lassen“, erklärte der Alpha und zuckte beiläufig die Schultern.
     Rhys blickte ihn abschätzig an, dann atmete er erleichtert aus. „Na gut, ist halt jetzt passiert. Anscheinend sehnt sich mein Wolf doch mehr nach dir, als ich angenommen habe. Wird nicht wieder vorkommen“, versprach er.
     Cayden winkte ab. „Schon gut. Ich empfand es eigentlich als ganz schön, mit meinem kleinen Omega in einem Bett zu liegen. Das war noch besser als das heute in der Schule.“
     Rhys blähte empört die Wangen auf, als Wut in ihm hochstieg. „Ich geb’ dir gleich ‚dein kleiner Omega‘. Du wolltest mich nicht und jetzt will ich dich nicht. Deinetwegen bin ich sogar die Treppe hinuntergefallen, also bleib weg von mir.“
     Cayden stand langsam auf und kam Rhys näher. „Dass du die Treppe hinuntergefallen bist, war nicht meine Schuld und hätte nicht passieren müssen. Ich habe noch versucht, dich aufzufangen. Hättest du meine Hand genommen, statt nach mir zu schlagen, wäre das Ganze gar nicht erst geschehen“, erklärte er leise, dann sprach er weiter. „Außerdem habe ich nie gesagt, dass ich dich nicht möchte“, sagte er in einem Ton, der den Omega erschauern ließ. „Weißt du, Rhys. Mein Wolf wollte dich schon immer und du wirst in absehbarer Zeit ohnehin zu mir gehören. Das sollte dir so langsam mal klar werden und wenn du mich erklären lassen würdest ...!“
     „Da gibt es nichts zu erklären! Du hast deine Meinung zu Omegas deutlich gemacht“, unterbrach er Cayden und sah mit großen Augen dabei zu, wie dieser sich langsam näher schlich. Rhys selbst bewegte sich nicht, als sein Gefährte auf ihn zukam. Gebannt blieb er stehen. Nun standen sie sich gegenüber und starrten sich in die Augen, wobei er wegen Caydens Größe den Kopf in den Nacken legen musste. Da er ein Omega und Cayden ein Alpha war, unterbrach Rhys zuerst den Blickkontakt. Sein innerer Wolf wollte sich dem Alpha unterwerfen, was ihn zu seinem Unmut zu dieser Handlung zwang.
     „Rhys“, flüsterte Cayden zärtlich. Rhys hob den Kopf und sah ihn erneut an. „Du riechst so verdammt verführerisch. Ich freue mich schon darauf, wenn ich endlich mit dir schlafen darf und dann werde ich dich hier ...“ Er zeigte auf eine Stelle am Hals seines Mate. „... markieren“, versprach er. Die Augen des Omegas wanderten unwillkürlich zu Caydens Halsbeuge, die durch den großen Rundhalsausschnitt von dessen Shirt nicht verdeckt wurde und somit frei lag. „Du willst es doch auch, das sehe und spüre ich, also kämpfe bitte nicht mehr dagegen an.“ 
     Cayden war ihm noch etwas näher gekommen, sodass Rhys schon dessen Atem in seinem Gesicht spüren konnte. „Das glaubst auch nur du“, antwortete er trotzig, drehte sich um und lief schnell zum offenen Fenster. Dort machte er Anstalten, hinauszuklettern.
     „Willst du nicht die Tür benutzen?“, fragte Cayden und blickte ihm lachend hinterher.
     Rhys schüttelte den Kopf. „Ich werde ganz sicher nicht nackt durch euer Haus spazieren“, fauchte er und verschwand nach draußen.
     Der Alpha ging ebenfalls zum Fenster und blickte hinaus. Er sah, wie der Omega über den dicken Ast des großen Baumes lief, der neben dem Haus wuchs. Rhys tat dies, ohne sich festzuhalten oder die Balance zu verlieren. Dann kletterte er problemlos den Baum hinunter, sah noch einmal zum Fenster hoch, streckte ihm die Zunge heraus, verwandelte sich in seinen weißen Wolf und verschwand schließlich in der dunklen Nacht.
     Nachdenklich blieb Cayden am Fenster stehen. So langsam wurden die Schmerzen unerträglich und da sich ihm sein Gefährte weiterhin verweigerte und er ein Alpha war, spürte er den Schmerz deutlich schlimmer als der Omega. Als er am Abend in sein Zimmer gekommen war und Rhys in seinem Bett vorfand und sich neben ihn legte, waren die Schmerzen wesentlich besser gewesen. Auch in der Schule waren die Schmerzen deutlich besser, wenn er die Nähe seines Gefährten spürte oder er dessen Geruch in der Nase hatte und ihn in seinen Armen halten durfte. Natürlich war er überrascht, als er Rhys in seinem Bett vorfand, hatte sich aber auch darüber gefreut. Außerdem log er, als er behauptete, er habe versucht, ihn zu wecken, denn er wollte, dass der Kleine bei ihm blieb.
     Mit einem Seufzen wandte er sich ab und blickte zum Bett, wo noch der Abdruck des Omegas zu sehen war. „Bald, Rhys, dann bist du meins! Du wirst dich nicht mehr lange gegen mich zur Wehr setzen können, denn ich habe ganz deutlich deine Erregung gerochen“, flüsterte er in die Stille seines Zimmers und sein Wolf Jace regte sich freudig in ihm. Mit einem bedauernden Seufzen lief Cayden zum Bett und legte sich auf die Seite, wo sein Gefährte gelegen hatte. Mit dem Geruch des kleinen Omegas in der Nase schlief er tatsächlich wieder ein.

     Rhys indessen rannte in seiner Wolfsgestalt den ganzen Weg nach Hause. Dabei schimpfte er pausenlos vor sich hin. „Ich glaube es nicht! Du hast mich einfach zu ihm gebracht und in sein Bett gelegt. Wie konntest du mir das nur antun?“, fluchte Rhys in Gedanken vor sich hin.
     „Ich war das nicht“, protestierte sein Wolf winselnd.
     „Das weiß ich auch, Luca. Ich schimpfe ja auch nicht mit dir, sondern mit Rikku“, beschwichtigte er seinen Wolf. Rikku rührte sich nicht.
     Rhys gab in seiner Wolfsgestalt ein Schnauben von sich. „Was ist los? Schmollst du, weil ich nicht bei ihm geblieben bin? Das kannst du vergessen. Ich verstehe überhaupt nicht, warum du solch einen Narren an Cayden gefressen hast. Er ist ein Wolf!“ Noch immer antwortete Rikku nicht. „Pfft. Dann eben nicht. Aber ich warne dich. Wage es nicht, noch einmal zu ihm zu gehen.“
     Endlich waren sie zu Hause angekommen. Rhys verwandelte sich, schnappte sich eine der Decken, die immer auf der Veranda parat lagen und betrat das unverschlossene Haus. Niemand würde es wagen, das Haus eines Alphas ohne dessen Erlaubnis zu betreten oder etwas zu stehlen.
     Da es noch mitten in der Nacht war, lief er leise die Treppe nach oben in sein Zimmer. Dort warf er die Decke auf seinen Sessel, zog sich seine liegen gebliebenen Kleider an und krabbelte in sein Bett. Kurz danach war er bereits wieder eingeschlafen.

     Früh am Freitagmorgen saß Rhys mit seinen Geschwistern schweigend am Küchentisch und frühstückte.
     „Du solltest dir Caydens Erklärung endlich einmal anhören“, meinte seine Schwester plötzlich in die Stille und biss in ihren Apfel. Dabei betrachtete sie den jüngeren ihrer beiden Brüder.
     „Nein“, grummelte Rhys und stopfte sich einen Löffel von seinem Müsli in den Mund. Er ärgerte sich immer noch über Rikku, der ihn in der Nacht zu Cayden gebracht hatte.
     „Himmel, Rhys. Sei doch nicht immer so stur! Sehnt sich dein Wolf nicht schon die ganze Zeit nach ihm? Und Rikku? Du spürst doch mit Sicherheit auch schon den Herzschmerz, oder nicht?“ Seine Schwester Nika ließ einfach nicht locker.
    „Nein, nein und nein“, log Rhys und schaufelte sich den nächsten Löffel Müsli in den Mund. So langsam wurde er ärgerlich. Konnten sie ihn nicht einfach in Ruhe lassen?
     „Nika hat recht, Rhys. Dein Gefährte ist ein Alpha, was bedeutet, dass er den Sehnsucht-Schmerz sehr viel stärker spürt, als du“, schaltete sich jetzt auch der älteste der Drillinge ein.
     „Jaja und das weißt du, weil ...?“, begann Rhys, unterbrach sich dann aber.
     „... ich selbst ein Alpha bin und ich Paps danach gefragt habe“, beendete Jaron seinen Satz.
     „Und dass er mich abgelehnt und verletzt hat, zählt wohl gar nicht, was? Seinetwegen bin ich die Treppe hinuntergefallen.“ Rhys war aufgestanden und starrte seine Geschwister wütend an.
     „Doch, natürlich würde das zählen, wenn es sich so zugetragen hätte. Aber Tatsache ist nun einmal, dass er das anscheinend so nicht gesagt hat. Es gibt Zeugen, die das bestätigen. Außerdem war es deine eigene Tollpatschigkeit, die dich die Treppe hinunterfallen ließ. Er wollte dir sogar noch helfen, doch du hast seine Hand weggeschlagen“, fuhr Nika ihn an.
     Rhys schnaubte beleidigt. „Ach ja? War das so? Du warst ja auch dabei und hast alles ganz genau mitbekommen! Entschuldige, dass ich dich nicht gesehen habe“, meinte er patzig. Ehe er es verhindern konnte, entschlüpfte Rhys ein Schluchzen. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er vor Zorn angefangen hatte zu weinen. Wütend wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht, schlug nach seiner Schwester, die ihn tröstend in ihre Arme ziehen wollte, und rannte hoch in sein Zimmer.
     Jaron und Nika blieben betroffen zurück. „Spätestens wenn ihn die Sehnsucht überkommt und die Schmerzen unerträglich werden, wird er nachgeben müssen“, stellte Nika leise fest. „Zum Glück hat Paps ihm befohlen, wenigstens den Körperkontakt zu Cayden zuzulassen.“
     „Ja, schon. Aber du kennst unseren kleinen Bruder. Obwohl er ein Omega ist, kann er überaus stur sein und Cayden sieht bereits ziemlich fertig aus.“ Jaron rieb sich nachdenklich über die Stirn.
     „Ja, ich weiß. Ich hoffe nur, dass unser Bruder bald Einsicht zeigt“, meinte Nika und verließ anschließend ebenfalls die Küche. Jaron blieb allein zurück und aß in Ruhe seinen Toast zu Ende. Sie hatten noch etwas Zeit, bis die Schule anfing.

     Rhys lag auf seinem Bett und schlug wütend auf sein Kissen ein. Warum stellte sich nur jeder gegen ihn? Sein Wolf Luca, Rikku, sein Vater, seine Schwester und sein Bruder. Er schrie gerade voller Zorn in sein Kissen, da klopfte es an seiner Tür. „Was?“, fauchte er, setzte sich aber auf.
     Die Tür öffnete sich und einer seiner Väter kam herein. „Darf ich?“, fragte der Braunhaarige mit den Sommersprossen und blickte ihn ruhig an.
     Rhys nickte und drängte die Tränen zurück, die sich blitzartig wieder in seinen Augen sammelten.
     „Ach, Kleiner“, sagte Noah, während er zum Bett kam und sich setzte. Dann zog er seinen Sohn in seine Arme. Rhys schluchzte leise. Dabei klammerte er sich an seinen Dad, der ihm beruhigend über den Rücken strich. Er weinte eine ganze Weile und Noah hielt ihn einfach nur in seinen Armen. Nur langsam beruhigte er sich. Endlich hob er den Kopf und starrte mit Tränen nassem Gesicht zu seinem Omega-Vater hoch. Noah wischte ihm sanft die Feuchtigkeit von den Wangen und lächelte.
     „Was ist los, Rhys? Ist es wegen deines Gefährten?“ Sein Vater kannte ihn so gut, darum nickte er. „Hast du bereits Sehnsucht?“
     „Vielleicht ein wenig“, gab er zerknirscht zu. „Luca und Rikku mehr als ich. Heute Nacht bin ich sogar bei Cayden im Bett aufgewacht. Rikku hat mal eben gedacht, er müsse mich zu ihm bringen, während ich schlafe!“, meinte er entrüstet.
     Noah kicherte und fuhr ihm tröstend durch die Haare. „Wirklich?“
     Sein Sohn nickte erneut. „Oh ja und weißt du, was das Schlimmste dabei ist? Er! Er hat gesagt, dass er sich freut, wenn er endlich mit mir schlafen darf. Aber wie soll das denn funktionieren? Er ist ein Riese im Gegensatz zu mir.“ Rhys brach ab, weil sein Vater angefangen hatte, zu lachen. „Hey, was soll das? Warum lachst du denn?“ Böse funkelte er Noah an, der kichernd abwinkte.
     „Hast du dir mal deinen Paps und mich betrachtet? Dein Dad ist fast zwei Meter groß. Während ich so klein geblieben bin, ist Callen noch ein ganzes Stück gewachsen. Er war damals schon groß, als wir uns kennenlernten und jetzt sieh uns beide an. Das ist ähnlich wie bei dir und Cayden.“
     Rhys schüttelte den Kopf. Daran hatte er gar nicht gedacht. „Und das funktioniert so einfach? Ich meine ... Paps ist schließlich überall so groß.“
     Jetzt platzte Noahs Gelächter erst recht aus ihm heraus. „Und ob das funktioniert. Keine Sorge, Rhys. Wenn es bei dir und Cayden soweit ist, dann funktioniert das ganz sicher problemlos. Er muss dich nur gut darauf vorbereiten und du musst dabei einfach entspannt bleiben.“
     Rhys sah ihn mit großen Augen an. „Und wenn ich das nicht möchte? Wenn ich nicht derjenige sein will, der ihn in sich lässt. Warum kann ich nicht einfach in ihn?“
     Noah sah seinen Sohn nachdenklich an und schüttelte wissend den Kopf. „Sag mir eins, Rhys. Willst wirklich du mit Cayden schlafen oder soll er doch eher mit dir schlafen? Wer von euch beiden soll die Initiative ergreifen?“
     „Gar nichts von beidem“, antwortete Rhys trotzig, lenkte dann aber ein, denn er wollte seinen Vater nicht belügen. „Er soll damit anfangen.“
     „Na also, siehst du? Das sagt doch schon alles, denn der aktive schläft meist mit dem passiven. Außerdem ist Cayden eindeutig der Dominantere von euch beiden.“
     Rhys verzog unwillig das Gesicht. „Wenn es denn sein muss“, brummte er genervt, was Noah erneut zum Lachen brachte. 
     Etwas später verabschiedete sich sein Vater von ihm und da Rhys noch immer etwas Zeit bis zur Schule hatte, holte er seinen Malblock hervor und begann zu zeichnen. Immer wenn er gestresst war, fing er an zu malen. Schnell glitten seine Finger über das Papier. Er zeichnete, ohne darüber nachzudenken. Als er endlich damit fertig war, betrachtete er das Bild genauer und stöhnte entsetzt. Es war das Profil seines Gefährten. Nachdenklich packte er seine Zeichensachen wieder ein und begab sich nach unten. Es war Zeit für die Schule.

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Armer Cayden. Trotz Sehnsucht und starken Schmerzen ist er immer noch so geduldig. Ob das so bleiben wird?
Und wer ist eigentlich Rikku?

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