61🐺

     Castiel spürte, wie der Wagen hielt und machte sich bereit, anzugreifen. Doch es sollte anders kommen als gedacht. Denn statt der Tür öffnete sich nur eine kleine Klappe und der Lauf eines Gewehres erschien. Es löste sich ein Schuss und er verspürte das altbekannte Brennen, als sich das Betäubungsmittel in ihm verteilte. Der Pfeil hatte ihn in die Seite getroffen. Sein Blick verschwamm und er versuchte ein wütendes Brüllen von sich zu geben, stattdessen kam nur ein klägliches Maunzen. Dann wurde es schwarz um ihn.

     Andrea beobachtete auf ihrem Laptop, wie ein Van auf dem Nachbargrundstück einfuhr. Dann sah sie einen Mann mit einem Gewehr, der durch eine schmale Luke schoss. Kurz darauf stieg ein zweiter Mann aus und zusammen hievten sie einen großen Puma aus dem Van, den sie anschließend in das Gebäude trugen. Der Tochter des Richters war sofort klar, dass sie sich beeilen mussten, um dem Wandler das Leben zu retten, deshalb schrieb sie schnell eine Nachricht an ihren Gefährten Silas. Darin teilte sie ihm mit, was sie gesehen hatte.
     Gefährte ... wie wundervoll sich das anhörte! Zudem sie diesen Mann liebte, wie sie es nie für möglich gehalten hätte. Silas war ihr Ein und Alles und er trug sie auf Händen. Sie hatte den Wandler bereits ein paarmal in seiner Löwen-Form gesehen und Silas war ein äußerst stattlicher Löwe. Sie liebte insbesondere dessen dichte, goldene Mähne, die er auch als Mensch hatte. 
     Während sie auf eine Antwort von ihrem Gestaltwandler wartete, beobachtete sie weiter den Bildschirm. Nach ungefähr zehn Minuten kamen die beiden Männer wieder aus dem Gebäude, setzten sich in den Van und fuhren davon. Dann tauchte ihr Vater auf und verschwand im Inneren. Anfangs hatte Andrea geglaubt, ihr Vater würde nur wilde Tiere töten, doch eines Tages hatte sie ein Telefonat mitbekommen, welches sie eines anderen belehrte. Zu diesem Zeitpunkt entschied sie sich, ihrem Vater nichts davon zu erzählen, dass Silas ebenfalls ein Wandler war. Zu groß war die Gefahr, er könnte es ebenfalls auf den Löwen-Mann absehen. 
     Gerade kam eine Antwort von ihrem Gefährten, der ihr schrieb, dass er ein wenig mehr Zeit benötigte, da er noch etwas klären müsse. Andrea wusste nicht, wie sie den Puma-Wandler befreien sollten und sie hoffte darauf, dass Silas einen Plan dazu hatte. 

     Silas hingegen hatte tatsächlich einen Plan. Da er wusste, dass der Richter auch bei der Polizei in dieser Gegend einen hohen Einfluss hatte, wandte er sich an die Alphas seines besten Freundes. Laut Bradley waren Caleb und Reed loyal und gerecht. Sie beschützten ihr Rudel, aber auch schwächere Wandler, die Hilfe bei ihnen suchten. Nun war er mit Brad auf dem Weg zu den beiden Männern, die sich anhören wollten, was er zu sagen hatte. Schweigend saß er neben seinem Freund, der gerade vor dem Rudel-Haus vorfuhr. Sie stiegen aus und liefen zur Eingangstür, die sich auch schon öffnete. 
     Ein großer, braunhaariger Mann stand im Türrahmen und begrüßte sie. „Hey, Brad. Kommt rein.“ Der Alpha führte sie durch einen kurzen Flur in die Küche, wo bereits ein anderer Wolfswandler mit karamelfarbenen Haaren auf sie wartete. 
     Silas hatte gehört, dass die beiden Alphas Gefährten waren, was ihn doch sehr erstaunt hatte, denn Alphas waren eigentlich immer sehr dominant. Nachdem sie sich einander vorgestellt hatten, begann der, welcher sich Caleb nannte, zu sprechen. „Setzt euch doch bitte“, sagte der Braunhaarige und zeigte auf die Stühle am Tisch. „Kaffee?“ Die beiden Gäste nickten dankbar, setzten sich und bekamen sogleich eine dampfende Tasse der schwarzen Flüssigkeit vor die Nase gestellt. 
     Silas fühlte sich in der Gegenwart der beiden Männer unwohl. Dass er eine Katze unter Wölfen war, machte es ihm auch nicht gerade leichter. 
     „So, Brad. Jetzt erklärt uns mal, was so wichtig ist, dass du mit einem Fremden zu uns kommst.“ Wurde der junge Wandler aufgefordert. 
     Brad sah Silas an und begann zu sprechen. „Das ist Silas, mein bester Freund. Er ist ein Löwe und seine Mate ist ein Mensch. Sie ist die Tochter eines Richters, der Wandler entführen lässt, um sie dann zu töten und präparieren zu lassen.“ 
     Als Brad den Richter erwähnte, horchten die beiden Alpha auf, was Brad und Silas ein wenig verunsicherte. „Sprich weiter“, wurde er von Reed aufgefordert. 
     Brad sah Silas an und nickte, weshalb der Löwe weiter sprach. „Mein Mädchen ist, wie zuvor erwähnt, die Tochter dieses Mannes. Ihr Vater ist Richter Alexander Porter. Andrea und ich haben durch Zufall herausgefunden, dass er Tiere aufkauft, diese ausstopfen lässt und dann teuer verkauft. Dabei macht er auch nicht vor Wandlern halt.“ Silas schwieg einen Augenblick. „Wir haben vor einiger Zeit einen Spaziergang gemacht, da roch ich das Blut eines Wandlers. Dem Geruch folgend, begannen wir zu suchen und entdeckten auf dem Nachbargrundstück ein Gebäude, aus dem dieser Geruch kam.“ Wieder unterbrach er sich und sah die beiden Alpha an, die ihm aufmerksam zuhörten. „Für den Wandler, dessen Blut ich roch, kam jede Hilfe zu spät. Doch da war noch eine kleine Schwanenfrau, die wir schnell befreiten.“ 
     Silas nahm einen Schluck seines Kaffees. Er spürte, wie die Macht der beiden Alpha sich verstärkte, was ihm so langsam unangenehm wurde, er war schließlich eine Katze. „Ein paar Tage später hat man sie ertränkt im Fluss gefunden.“ Erneut musste er etwas trinken. 
     Bradley regte sich neben ihm. „Eure Macht fängt an, unangenehm zu werden. Könntet ihr sie etwas herunterschrauben?“, wandte er sich an die beiden Alpha. „Ich bin das ja gewohnt, aber Silas ist eine Katze und er kennt das so nicht.“
     Sofort lockerte sich die Spannung und Silas atmete erleichtert auf. „Sorry, Silas. Sag es ruhig, wenn es dir zu unangenehm wird. Wir beide merken das schon gar nicht mehr“, erklärte Reed und lächelte den Löwen entschuldigend an.
     Silas nickte, dann sprach er wesentlich entspannter weiter. „Heute hat Andrea mich kontaktiert. Sie hat durch Zufall herausgefunden, dass ihr Vater einen Puma-Wandler geliefert bekommen hat. Sie möchte ihrem Vater das Handwerk legen, weiß aber nicht, wie sie das machen soll, denn schließlich ist ihr Dad ein mächtiger Mann in einer hohen Position.“ 
     „Warum möchte sie ihren Vater verraten?“ Caleb stand neben seinem Gefährten, hatte eine Hand in dessen Nacken gelegt und streichelte ihn sanft. Man sah die Liebe zu seinem Mate in dessen Augen, was für Silas ungewöhnlich war, schließlich waren beide Alphas. 
     „Wie gesagt, ich bin ihr Gefährte“, erklärte er mit einem verträumten Lächeln, dann riss er sich zusammen. „Sie ist loyal uns Wandlern gegenüber und findet es als furchtbar, was ihr Vater da macht. Für Andrea ist es Mord, wenn man Wandler für so etwas tötet.“ 
     Reed nickte verstehend. Diese Andrea wurde ihm immer sympathischer. „Habe ich das richtig verstanden? Der Puma-Wandler ist in diesem Gebäude auf dem Nachbargrundstück?“ 
     Silas nickte ebenfalls. „Genau. Andrea hat die Kameras angezapft und beobachtete die Lage. Ihr Vater ist ein hoher Beamter des Staates, weshalb es schwierig sein wird, ihn zu überführen.“ 
     Caleb sah Silas nachdenklich an. Dass der Löwen-Wandler zu ihnen kam, war ein Glücksfall. Nun wussten sie zumindest, wo der Puma-Wandler war, den ihre Freunde suchten. Er entschied sich, den Löwen-Mann und seine Gefährtin in ihre Pläne einzuweihen, denn schließlich waren die beiden bereit, den Richter Dingfest zu machen.
„Lass das mal unsere Sorge sein. Wir haben bereits ein Polizei-Kommando, das unterwegs ist, um Zayne zu befreien.“ Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Sie müssten auch schon bald da sein.“
     Silas horchte auf. „Zayne? Ist das der Name dieses Pumas?“ 
     Caleb nickte. „Er ist der Gefährte von der Tochter unserer Freunde. Sie sind ebenfalls hierher unterwegs. Es kommen Spezialisten der Polizei, um ihn zu befreien. Wir haben bereits einige Wandler aus einem Laster befreien können, nur Zayne war schon verkauft und nicht mehr bei den anderen. Die Verkäufer haben uns schließlich erzählt, wo wir ihn finden können.“
     Silas hörte aufmerksam zu. Er war froh, auf seinen Freund gehört zu haben, als dieser vorschlug, zu seinen Alphas zu gehen. „Heißt das, ihr werdet versuchen, ihn zu befreien?“
     „Wir versuchen es nicht nur, wir werden ihn befreien, denn auch wenn er ein Puma ist, so ist er doch einer der unseren“, antwortete Reed überzeugt. „Und mit deiner und der Hilfe deiner Gefährtin wissen wir endlich, wo wir nach ihm suchen müssen.“ 
     Silas atmete erleichtert aus. Ein Spezial-Kommando hörte sich doch gut an. 
     Plötzlich hörten sie mehrere Autos in der Einfahrt und Caleb lief zur Tür, um sie zu öffnen. Gefolgt von mehreren Männern, kam er zurück in die geräumige Küche. 
     Der Löwen-Wandler rutschte bei so viel Wolfsmacht unruhig auf seinem Stuhl herum. Inmitten dieser Wölfe war ein junger Mann, der sich als Bruder des Puma-Wandlers herausstellte. Silas atmete erleichtert auf, als er bemerkte, dass Colton sich als Katze unter so vielen Wölfen ebenfalls unwohl fühlte. Er stellte sich dem Puma vor und blieb bei ihm, sodass sich sein Löwe dadurch etwas beruhigen konnte.
     „Zu viele Wölfe“, murmelte er leise vor sich hin und Colton lachte leise. 
     „Das Gefühl kenne ich. Man glaubt, unter ihrer Wolfsmacht ersticken zu müssen.“ Colton sah ihn Augen zwinkernd an. Dabei hielt er einen jungen Mann im Arm, der ebenfalls ein Wolf war. 
     „Ihr beide seid Gefährten?“, fragte Silas neugierig. 
     „Ja“, antwortete Colton. „Dieser unglaubliche, wunderbare, attraktive Wolf hier ist mein Mate“, stimmte er zu. 
     Jaron schlug ihm belustigt gegen die Schulter. „Du bist ein Blödmann, Katerchen. Dennoch liebe dich“, antwortete der Wolf mit einem Grinsen. 
     Silas war neugierig, weshalb er die Frage stellte, die ihm auf der Zunge brannte. „Wie funktioniert das denn bei euch beiden? Ich meine, du als eigensinnige Katze, er als Alpha-Wolf?“ 
     Colton grinste und zuckte die Schultern. „Keine Ahnung, wahrscheinlich genau so, wie es zwischen diesen beiden Alpha funktioniert. Irgendwie klappt das.“ Während sie sich unterhielten, hörte er mit halbem Ohr der Unterhaltung zwischen den Alphas und dem Einsatz-Kommando zu. 
     „Aber du fühlst dich auch unwohl in Gegenwart von Wölfen?“ Silas konnte seine katzenhafte Neugier nicht bremsen. 
     „Nur, wenn es zu viele werden, so wie hier. Jarons Familie und seine Freunde stören mich nicht mehr“, gab der Puma-Wandler zu.
     Silas nickte. „Ich weiß, was du meinst. Mein bester Freund ist ebenfalls ein Wolf. Wir kennen uns seit Kindertagen und bei ihm und seiner Familie hat es mich auch nie gestört.“ 
     „Siehst du. Schon haben wir das geklärt“, lachte Colton. Sie unterhielten sich weiter leise miteinander. Unterdessen wurden die anderen über den Stand der Dinge informiert. 

     Während der Plan zu seiner Rettung besprochen wurde, erwachte Castiel ein weiteres Mal. Benommen sah er sich um. Noch hatte er nicht die Kraft, aufzustehen. Er lag in einem Käfig, inmitten einer kleinen Halle. Auch andere Wandler waren hier. Neben ihm erkannte er einen Luchs und ihm gegenüber eine Bärin. Der Käfig auf seiner anderen Seite war leer. 
     Eine Zeit lang blieb er liegen und lauschte auf die Geräusche, die ihm zeigten, dass noch mehr Wandler hier waren, da hörte er, wie sich eine Tür öffnete und ein Mensch hereinkam. Dieser lief die Käfige ab und blieb anschließend bei ihm stehen. „Da ist ja mein Prachtstück“, murmelte eine tiefe Stimme. 
     Castiel blieb ruhig liegen und tat so, als wäre er noch betäubt. Er versuchte herauszufinden, was der Mann mit ihm vorhatte. 
     „Heute Abend, mein Hübscher. Da wirst du sterben und dann werden wir dich ausstopfen. Du wirst bestimmt eine hübsche Trophäe und ich habe bereits ein ausgezeichnetes Angebot für dich bekommen.“ 
     Der Mann sprach anscheinend mit sich selbst, doch was er sagte, machte Castiel Angst. Er solle ausgestopft werden? Irgendwie musste er von hier entkommen! Wieder einmal bereute er, dass Zayne seinen Bruder Colton und seine Gefährtin Nika ausgegrenzt hatte. 
     „So, mein Kätzchen. Wir sehen uns später. Genieße die paar Stunden deines Lebens noch.“ Damit verschwand der Mann lachend und Castiel überkam Panik.

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Ob die Rettung rechtzeitig kommt?
Oder wird Castiel von Andrea befreit?
Kann Castiel vielleicht sogar von selbst fliehen?
Das, meine lieben Leser werden wir erst noch erfahren, also bleibt bei mir! 🤗

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