4🐺

     Nachdem Rhys aufgewacht war, setzte er sich in seinem Bett auf und sah sich um. Überrascht stellte er fest, dass er in seinem eigenen Bett lag. Seine Geschwister mussten ihn hierher gebracht haben. Langsam stand er auf und ächzte. Jeder Knochen tat ihm weh und dann erinnerte er sich daran, was passiert war. Mit einem gemurmelten Fluch lief er in sein Bad und betrachtete sich im Spiegel. Entsetzt sog er die Luft ein. Auf seiner Stirn war eine Platzwunde, die der Arzt mit Stripes versorgt hatte. Seine Stirn leuchtete in den Schattierungen von Rot zu Lila, dunklem Blau, bis zu Grün und Gelb. Sein Wolf hatte bereits mit seiner Heilung begonnen, stellte er erleichtert fest. Doch da er ein Omega war, dauerte alles etwas länger. 
     Während er sich so betrachtete, fiel ihm eine kleine Wunde an seiner Unterlippe auf. Mit der Zunge tastete er danach und zuckte zusammen, als er die empfindliche Verletzung berührte. War die auch bei dem Sturz entstanden? Das musste sie wohl. Achselzuckend wandte er sich vom Spiegel ab und ging zurück in sein Zimmer. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es Zeit für das Abendessen war. Wie lange hatte er eigentlich geschlafen? 
     Vorsichtig, um ja keine falsche Bewegung zu machen, lief Rhys zur Tür und trat auf den Flur. Danach ging er unten, wo er bereits die Stimmen seiner Familie hörte. Als er die Küche betrat, richteten sich alle Augen auf ihn. 
    „Rhys, Schatz. Du bist wach. Wie geht es dir?“ Sein Dad war aufgesprungen und umarmte ihn vorsichtig. „Hast du noch Schmerzen?“
     Der Omega kuschelte sich sofort in die tröstende Umarmung von Noah. „Es geht schon, Dad. Aber ich glaube, vor dem Schlafen werde ich noch etwas gegen die Schmerzen einnehmen“, gab er zu, dann löste er sich mit einem unsicheren Blick. Er wusste nicht, ob seine Eltern wussten, was passiert war. 
    „Komm her, Winzling, setz dich. Du wirst Hunger haben“, sagte nun auch Callen und deutete auf seinen Platz. 
     „Ja, Paps“, antwortete er gehorsam und ging zum Tisch, um sich zu setzen. Er nahm seinen Teller und füllte ihn mit Kartoffeln, Gemüse und einem Stück von dem Braten, den sein Vater gemacht hatte. Die Stille, die daraufhin folgte, setzte ihm zu, also hob er trotzig den Blick. „Was?“, fauchte er, da ihm bewusst wurde, dass ihn alle vier schweigend beobachteten. 
     Noah war derjenige, der als Erstes sprach. „Du hast also deinen Gefährten gefunden? Freust du dich?“ 
     Rhys verschluckte sich an seinem Essen und hustete erst einmal. Nachdem er sich wieder beruhigt hatte, sah er alle der Reihe nach an. „Was habt ihr ihnen erzählt?“, fuhr er schließlich seine Geschwister an. 
     Jaron zuckte nur mit den Schultern. Nika war diejenige, die antwortete. „Alles“, antwortete sie vage.
     „Was heißt hier alles?“, brauste Rhys auf. 
     „Na ja. Dass Cayden dein Gefährte ist, du etwas missverstanden hast und dann die Treppe heruntergefallen bist, weil du dir von Cayden nicht helfen lassen wolltest. Uns wurde erzählt, du hast sogar nach ihm geschlagen“, meinte Nika schließlich. 
     „Na und? Dann habe ich halt nach ihm geschlagen! Das hat er aber auch verdient. Er will mich nicht. Er möchte keinen Omega. Das hat er Gregor selbst gesagt.“ Rhys war aufgesprungen und hatte angefangen zu schreien. 
     „Rhys, setz dich.“ Wurde er von seinem Vater, dem Alpha, in ruhigem, aber bestimmtem Ton aufgefordert. Missmutig gehorchte er und setzte sich wieder. 
     „Du hast das missverstanden“, mischte sich nun auch Jaron ein.
     Rhys sah ihn wütend an. „Was gibt es da bitte falsch zu verstehen? Ich weiß doch, was ich gehört habe!“ Er war erneut lauter geworden und erntete dafür einen strafenden Blick des Alphas. 
    „Aber Lexy sagt auch, dass Cayden das nicht so gesagt hat, wie du es verstanden hast“, warf Nika ein.
„Pfft! Sie ist seine Schwester. Was erwartest du von ihr?“ Rhys hielt stur an seiner Ansicht fest. Er merkte nicht einmal, dass er sogar indirekt seine beste Freundin beschuldigte zu lügen, aber den anderen wurde es bewusst.
     „Das meinst du gerade nicht wirklich so, wie du es sagst“, stellte seine Schwester entsetzt fest. 
     „Rhys, hörst du dir auch mal selbst zu? Du beschuldigst hier gerade deine beste Freundin zu lügen. Das glaubst du doch nicht wirklich“, mischte sich nun auch Noah ein. 
     Der Omega schwieg trotzig. Obwohl er wusste, dass Lexy ihn niemals belügen würde, war er sauer auf sie. Wie konnte sie ihm so in den Rücken fallen? Ihm war der Appetit vergangen. Langsam stand er auf. „Ich habe keinen Hunger. Ich lege mich schlafen“, sagte er und ging. 
     „Rhys, Schatz, bleib hier“, versuchte Noah ihn zurückzuhalten, doch er hörte nicht auf ihn. Rhys war maßlos enttäuscht. Von seiner besten Freundin, seinen Geschwistern und insbesondere von Cayden, der ihn nicht haben wollte. Das hatte dieser deutlich gesagt!
     „Du irrst dich“, flüsterte eine leise Stimme in ihm, doch er ignorierte sie. Er hatte es doch gehört! Oder etwa nicht? „Nein“, flüsterte die Stimme erneut.
     „Sei still! Wer hat dich gefragt?“, fluchte Rhys leise vor sich hin, als er die Treppe hinauf stürmte. Er rannte in sein Zimmer und warf sich frustriert auf sein Bett. Schmerzvoll stöhnte er auf. Er hatte seine Verletzungen ganz vergessen. „Ich habe es doch ganz deutlich gehört“, murmelte er in sein Kissen, dann entkam ihm ein Schluchzen. Zum Glück ließ seine Familie ihn in Ruhe und so weinte er sich in den Schlaf. 

     Am nächsten Morgen hatte Rhys gar keine Lust, aufzustehen. Er lungerte, so lange es ihm möglich war, im Bett herum. Irgendwann stand er dann doch noch auf und ging ins Bad. Dort betrachtete er sich erneut im Spiegel. Seine Verletzungen waren fast abgeheilt. Nur die Platzwunde an der Stirn war noch deutlich erkennbar. Er entfernte die Stripes und stellte sich unter die Dusche. Das warme Wasser entspannte ihn etwas und tat ihm gut. Nach dem Duschen zog er sich ein grünes T-Shirt und eine graue Jeans an, dann ging er nach unten. In der Küche saßen bereits seine Geschwister und Noah. 
     „Oh, hallo Schatz. Wie fühlst du dich? Hast du noch Schmerzen?“, fragte sein Dad und lächelte ihn aufmunternd an. 
     Rhys traten Tränen in die Augen. Er liebte seinen Vater und dessen verständnisvoller Blick verunsicherte ihn. 
     „Komm her“, forderte Noah ihn auf und streckte die Arme aus. Sofort stürzte Rhys sich in die liebevolle Umarmung und vergrub schluchzend sein Gesicht an dessen Halsbeuge. Sein Vater war nur ein wenig größer als er selbst, was diesen aber nicht daran hinderte, seinen Sohn auf seinen Schoß zu ziehen. 
     „Oh, Dad. Er will mich nicht“, weinte Rhys und spürte, wie Noah ihm sanft über den Rücken streichelte. 
     „Ich glaube, du irrst dich, Rhys. Ich habe gesehen, wie er dich angeschaut hat“, widersprach Noah. 
     Entsetzt richtete sich sein Sohn auf und starrte ihn mit verweinten Augen an. „Er war hier?“ 
     Noah nickte. „Er hat dich hierher gebracht. Er wollte dich gar nicht mehr loslassen.“
     Rhys blickte vorwurfsvoll seinen Bruder und seine Schwester an. „Ihr habt das zugelassen? Was soll das?“
     Jaron zuckte die Achseln und aß in Ruhe seinen Pfannkuchen weiter. Nika war diejenige, die antwortete. „Wir haben uns angehört, was Cayden zu sagen hatte und auch Lexy bestätigt, was ...!“ 
     „Lexy? Sie ist seine Schwester. Kein Wunder, dass sie zu ihm hält.“ Er löste sich von seinem Vater und setzte sich auf seinen Stuhl. Er hatte Hunger, weshalb er etwas essen musste. Schließlich war er am Vorabend ohne eine Mahlzeit ins Bett gegangen.
     „Rhys, sie ist auch deine beste Freundin. Denkst du wirklich, sie würde dich so hintergehen? Sie hat schließlich das Gleiche gehört, wie du“, begann Noah. „Kann es nicht sein, dass du doch etwas missverstanden hast?“ 
     Rhys schnaubte entrüstet. Warum war denn nur jeder auf der Seite dieses Arschlochs? Missbilligend schüttelte er den Kopf. „Ich weiß, was ich gehört habe“, beharrte er stur und stopfte sich ein großes Stück Pfannkuchen mit Honig in den Mund, auf dem er wütend herumkaute. 
     Noah sah ihn mitfühlend an. Er wusste, wie schnell sein Sohn verletzt war. Körperlich wie psychisch. „Ach Schatz. Vielleicht solltest du mal in dich hinein hören, was dein Wolf und ...“ 
     „Nein! Ich weiß ganz genau, was dabei herauskommt. Luca ist ganz vernarrt in Cayden, schon immer und ...“ Rhys brach ab, da sein Vater, der Alpha, die Küche betrat. 
     „Guten Morgen, Kleiner“, sagte er und küsste Noah, der sich kurz an ihn schmiegte. „Jaron, Nika, Rhys“, begrüßte er nun auch seine Kinder. Er nahm sich ein Croissant, schenkte sich einen Kaffee ein, gab Noah noch einmal einen Kuss und verschwand wieder in seinem Büro. 
     Jaron blickte auf seine Armbanduhr und stand auf. „Wir müssen los, sonst kommen wir zu spät“, forderte er seine Geschwister auf. 
     Rhys atmete erleichtert durch. Er wollte nicht über Cayden reden und so entkam er gerade noch einmal diesem unangenehmen Gespräch mit seinem Vater. 
     „Rhys?“, rief Noah ihm hinterher und er blieb noch einmal stehen. 
     „Was?“, schnauzte er wütend. Im nächsten Augenblick tat es ihm auch schon leid. 
     „Du solltest in dich gehen. Es kann nicht sein, dass Jaron, Nika, Lexy und Cayden lügen oder gar falschliegen. Vielleicht solltest du mit Gregor reden“, machte Noah den Vorschlag. 
     „Mal sehen“, lenkte Rhys ein und folgte endlich seinen Geschwistern zu Jarons Auto. Den Teufel würde er tun. Ganz sicher würde er nicht mit Gregor reden.

     In der Schule wartete Cayden bereits auf ihn, doch Rhys schlug sofort einen anderen Weg ein. Während sein Bruder und seine Schwester sich zu seinem Gefährten begaben, betrat er sofort das Schulgebäude. 
     „Rhysiieee ...“, rief ihn plötzlich seine Freundin Lexy und er hielt an. Schwer atmend blieb sie neben ihm stehen und schöpfte erst einmal Atem. „Warum gehst du meinem Bruder aus dem Weg?“, fragte sie ihn schließlich.
     Rhys sah sie wütend an. „Fragst du mich das jetzt wirklich? Du warst doch dabei! Du hast selbst gehört, was er gesagt hat“, fauchte er sie an und machte Anstalten zu gehen. 
     Lexy hielt ihn am Ärmel seiner Jacke fest. „Ja, ich habe das gehört. Aber anscheinend etwas anderes als du. Rede mit Gregor. Er kann dir bestimmt ganz genau sagen, was Cayden zu ihm gesagt hat“, bat sie ihn. 
    „Ach ja? Warum sollte er mit mir, einem kleinen, schwachen Omega, reden wollen? Außerdem ... wer sagt mir, dass er die Wahrheit sagt? Ihr belügt mich doch alle nur“, warf er seiner besten Freundin an den Kopf. 
     Lexy sah ihn verletzt an. „Das meinst du jetzt nicht wirklich so, wie du es gerade gesagt hast.“ 
     Rhys nickte bestätigend. „Oh doch! Genau so meine ich das. Und jetzt lass mich los, ich möchte in mein Klassenzimmer“, giftete er und riss sich los. Dann stürmte er wütend davon.
     „Du blödes Arschloch“, schrie Lexy ihm hinterher. „Ich dachte, wir wären beste Freunde und würden uns blind vertrauen.“ Sie war verletzt von Rhys indirekter Anschuldigung. 
     „Das dachte ich auch“, murmelte er in sich hinein und setzte sich kurz danach auf seinen Platz. 
     Lexy betrat nach ihm den Raum und setzte sich nicht wie sonst üblich neben ihn, sondern in die entfernteste Ecke. Seine Freundin war wohl eingeschnappt. Doch das sollte ihm eigentlich egal sein.
     „Du machst einen Fehler“, wisperten leise Stimmen in ihm, die er jedoch ignorierte. Er wollte das nicht hören. Um sich abzulenken, konzentrierte er sich auf den Unterricht.

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Ob Rhys nicht wirklich einen großen Fehler macht? 🤔
Und sollte er es bemerken, kann er das dann auch zugeben, oder ist er zu stolz dazu?
Wir werden sehen...

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