10🐺

     In der großen Pause saß Rhys neben seiner besten Freundin in der Mensa. Dabei hörte er Lexy zu, die ihn mit ihren Fragen löcherte. Genervt blies er die Wangen auf. Lexy wollte unbedingt wissen, wie es dazu gekommen war, dass er in Caydens Bett landete. Rhys jedoch schwieg eisern. 
     Langsam ließ er seinen Blick über die anwesenden Schüler gleiten. Sein Bruder und seine Schwester saßen bei ihren Freunden einen Tisch weiter. Seine Augen schwenkten weiter, bis er an einer großen Gestalt hängen blieb, die zwei Tische von ihm entfernt saß und damit seinen Puls beschleunigte. ‚Nur, weil ich ihn nicht leiden kann‘, versuchte er sich selbst zu beruhigen. 
     Cayden starrte zu ihm herüber und zwinkerte ihm kurz zu. Rhys gab ein genervtes ‚Pfft‘ von sich und hörte den Alpha trotz der lauten Geräusche in der Cafeteria lachen. 
Er streckte ihm die Zunge heraus und stand anschließend abrupt auf. Da er sowieso keinen Hunger hatte, entschuldigte er sich, indem er sagte, er müsse zur Toilette und verschwand. Dabei machte er einen großen Bogen um Cayden, der wissend eine seiner Brauen anhob. 
     Lexy sah ihrem Freund hinterher, der sich ganz plötzlich entschuldigte. Gleichzeitig hörte sie ihren Bruder laut lachen, weshalb sie den Kopf drehte. Dabei sah sie, wie Cayden seinem Gefährten mit einem amüsierten Grinsen hinterherblickte. Die Wölfin stand langsam auf und lief zu ihrem Bruder. Sie fand es als wundervoll, dass er und ihr bester Freund Gefährten waren, auch wenn Rhys das wohl anders sah. 
     Bei ihrem Bruder angekommen, begrüßte sie ihn und dessen Beta Leon, dann setzte sie sich. „Er gefällt dir“, stellte sie fest. 
     Der Alpha nickte. „Schon immer und jetzt immer mehr“, gab er zu, dann schien ihm etwas einzufallen. „Sag mal. Was mag der Kleine eigentlich so.“ 
     Lexy sah ihn nachdenklich an. „Warum fragst du?“ 
     Cayden zuckte die Schultern. „Ich habe wohl seiner Meinung nach so einiges gut zu machen. Darum wollte ich wissen, womit ich ihm vielleicht eine Freude machen kann“, gab er zu. 
    Lexy lachte leise. „Stimmt, Rhys kann sehr nachtragend sein. Hmmm, lass mich mal überlegen. Er zeichnet gerne. Du könntest ihm einen Zeichenblock oder ein paar gute Bleistifte schenken“, begann sie. „Außerdem mag er Milchprodukte und Schokolade. Aber nicht die herbe, sondern eher die süße. Er sammelt Figuren von Wölfen und Schneeleoparden, denn wie du vielleicht noch weißt, ist einer seiner Väter ein Schneeleopard.“ Lexy sah ihren Bruder an, der gebannt an ihren Lippen hing. „Tja, das war es wohl. Ach nein! Er liebt es zu schwimmen und ihn stört es auch nicht, wenn das Wasser kalt ist, obwohl er ein Omega ist“, beendete sie ihre Auflistung. 
     Cayden machte sich in Gedanken ein paar Notizen. Er wusste bereits, was er ihm besorgen wollte. „Danke, Lexy. Ich bin froh, dass du mich so sehr unterstützt.“ 
     „Keine Ursache, Brüderchen. Ihr beide seid Mates und ich möchte schließlich, dass ihr glücklich miteinander werdet.“ Sie stand auf. „So und nun werde ich mal nachsehen, wo Rhys bleibt.“ Schon war sie verschwunden. 

     Rhys war nach seinem Toilettengang nicht mehr in die Mensa zurückgegangen. Er wollte Cayden nicht noch einmal begegnen, denn sein Wolf winselte aus lauter Sehnsucht nach seinem Gefährten in ihm, was ihn ziemlich nervte. Stattdessen saß er unter der großen Eiche auf dem Schulhof, unter dem auch seine Eltern schon gesessen hatten und blätterte durch seine Zeichnungen. Er benötigte bald einen neuen Block, denn so langsam gingen ihm die Seiten aus. 
     Mit einem Seufzen stellte er fest, dass die letzten Zeichnungen alle von seinem Gefährten waren. Wo er am Anfang noch alles Mögliche gezeichnet hatte, war es zum Ende hin immer dieser arrogante Alpha! 
     „Und was soll uns das sagen?“, meldete sich Rikku plötzlich zu Wort. 
     „Gar nichts“, knurrte Rhys in Gedanken. Bevor sie weiter miteinander diskutieren konnten, klingelte es zur nächsten Stunde und Rhys verbannte Rikku aus seinem Kopf. 
     Der Rest des Unterrichts gestaltete sich langweilig und Rhys war froh, als es endlich zum Schulschluss klingelte. Er packte schnell seine Sachen zusammen. Dabei bemerkte er nicht, dass eine seiner Zeichnungen auf den Boden flatterte. 
     Lexy, die es mitbekommen hatte, hob sie auf und starrte erstaunt auf das Gemälde. Mit einem listigen Lächeln schob sie diese in ihr Heft und folgte ihrem Freund nach draußen. Vor der Schule verabschiedeten sie sich mit einer Umarmung voneinander und trennten sich. 
     Während Rhys ins Auto zu seinem Bruder und seiner Schwester stieg, lief Lexy zu ihrem Bruder. Cayden wartete bereits in seinem Wagen auf sie. Als sie die Beifahrertür öffnete, sah er sie an und hob eine seiner Brauen.
     „Was ist mit dir? Warum grinst du so wissend?“, fragend sah er sie an. Neugier zeigte sich in seinem Blick.
    Lexy lachte leise und stieg ein. Dann zog sie ein eierschalenfarbenes Blatt Papier hervor und hielt es ihm unter die Nase.
     Cayden starrte überrascht auf die Zeichnung, die sehr detailgetreu sein Gesicht zeigte. Vorsichtig nahm er das Blatt entgegen. „Ist das von ihm?“ 
     Lexy nickte. „Ich sagte doch, dass er gerne zeichnet“, lachte sie. Der Blick ihres Bruders war Gold wert. 
     „Das hast du. Aber du hast nicht gesagt, dass er so gut ist“, meinte er verwundert. „Darf ich das behalten?“ Cayden konnte seine Augen nicht von der Zeichnung nehmen. Rhys hatte alles von seinem Gesicht gezeichnet und dabei nicht ein einziges Detail aus gelassen. „Es ist erstaunlich, wie genau er das gezeichnet hat. Er hat nichts vergessen“, hauchte er erstaunt. 
     Lexy nickte. „Weißt du, Cayden? Rhys zeichnet nur Dinge, die er auch mag und ich bin mir ziemlich sicher, dass dies nicht das einzige Bild von dir ist.“ 
     Ihr Bruder betrachtete noch einmal eingehend die Zeichnung und sah in der unteren rechten Ecke eine kleine Skizze. „Sind das nicht Pfotenabdrücke von einem Wolf und einer Katze?“ 
     Lexy warf einen Blick auf die Skizze und nickte. „Sieht ganz danach aus“, meinte sie und zuckte die Schultern. Cayden sah sich das Bild noch einen Augenblick an, dann legte er das Blatt vorsichtig auf den Rücksitz. Danach schnallte er sich an und startete den Wagen. Zusammen fuhren sie schließlich nach Hause. 

     Am späten Abend stand Cayden unter der Dusche und hielt sich die Brust. Der Schmerz war heute ungewöhnlich stark, was wohl daran lag, dass bereits eine Woche vergangen war, seit er seinen Mate getroffen hatte und sie immer noch nicht miteinander verbunden waren. 
     Nachdem er sich gewaschen hatte, trocknete er sich ab und putzte sich die Zähne. Dann lief er zurück in sein Zimmer und zum Bett. Dort legte er sich auf den Rücken. Blicklos starrte er an die Decke und ließ seine Gedanken freien Lauf. Rhys zeichnete gerne, weshalb er nach der Schule im Internet nach gutem Zeichenpapier und verschieden farbigen Stiften gesucht hatte. Er war fündig geworden und obwohl die Stifte und das Papier nicht gerade billig waren, drückte er auf den Bestell-Button. Wenn er Glück hatte, wurden die Sachen in zwei Tagen geliefert. Nun brauchte er nur noch eine Gelegenheit, um Rhys die Sachen zu geben. 
     Cayden drehte den Kopf zum Fenster, als er ein Geräusch hörte. Langsam setzte er sich auf und seine Augen wurden groß, als er erkannte, was da durch sein Fenster stieg. 
Ein kleiner, weißer Schneeleopard schlüpfte durch die Öffnung und blieb erschrocken stehen, als er erkannte, dass er ihn bemerkt hatte. So starrten sie sich einfach nur in die Augen, hellgraue in gelbgraue.
     Der Alpha rührte sich nicht. Sein Gehirn setzte allmählich das Puzzle zusammen, das ihn im Unterbewusstsein ununterbrochen beschäftigt hatte. Jetzt wusste er endlich, wie Rhys es geschafft hatte, in den ersten Stock zu kommen. Als Wolf wäre es ihm nie möglich gewesen, den Baum hochzuklettern, doch als Leopard war das eine ganz andere Geschichte.
     Langsam setzte er sich weiter auf und streckte vorsichtig die Hand nach der Katze aus. „Komm her, Kätzchen. Du bist aber ein hübscher. Du hast ihn also immer zu mir gebracht. Ich danke dir dafür. Das hast du gut gemacht“, lobte der Alpha in einem beruhigenden Tonfall.
     Der Leopard gab ein leises Maunzen von sich, als würde er ihm antworten, dann setzte er sich in Bewegung und lief geschmeidig auf ihn zu. Dabei peitschte sein langer Schwanz unruhig hin und her. Mit einem kurzen Sprung landete der Leopard auf dem Bett und kam Cayden näher. Der Alpha ließ sich langsam zurück in die Kissen sinken und behielt die Katze dabei immer sorgfältig im Auge. Vorsichtig stieg die Katze über ihn und blickte ihm direkt in die Augen. Dann fing sie plötzlich an zu schnurren und ließ sich auf seinem Körper nieder. 
     Cayden schnappte kurz nach Luft, als sich die Katze auf ihn legte. Das Schnurren des schönen Tieres machte ihn mutiger. Vorsichtig hob er die Hände und legte sie an die Seiten des Tieres. Sanft ließ er das dichte Fell des Leoparden durch seine Finger gleiten, was dessen Schnurren noch lauter werden ließ. 
     „Du bist ein wunderschöner, kleiner Kerl und dein Fell ist so weich“, flüsterte er und erntete ein zufriedenes Schnauben. Immer wieder fuhren seine Hände über den mit Fell bedeckten Körper. Im Nacken des Tieres fing er an, ihn zu kraulen. Die Katze schnaubte ihm noch einmal ihren Atem ins Gesicht, dann fing sie an, ihm durch seine Haare zu lecken. 
     Der Alpha lachte leise. „Ja, mein Hübscher. Ich mag dich auch“, bestätigte er. „Aber wärst du jetzt so lieb und gibst mir Rhys? Ich brauche ihn, verstehst du das?“ 
     Die Katze blickte ihm tief in die Augen, maunzte erneut und verwandelte sich. Kurz darauf lag ein nackter Rhys auf ihm, dessen Kopf in seiner Halsbeuge ruhte. Cayden schaffte es irgendwie, sie beide zuzudecken, ohne Rhys dabei zu wecken. Dann legte er seine Arme um seinen Gefährten und schloss zufrieden die Augen. Seine Sehnsucht legte sich etwas, jetzt, wo er Rhys in seinen Armen halten konnte. Sanft begann er den kleinen Omega, der auf ihm lag und tief und fest schlief, zu streicheln. 

      Rhys erwachte mit einem wohligen Gefühl, denn eine jemand kraulte ihm den Nacken, was er über alles liebte. Aus einem Reflex heraus begann er im Halbschlaf zu schnurren und kuschelte sich näher an den warmen Körper, der unter ihm lag. Er ließ ein leises Seufzen hören und atmete einmal tief ein. Der Geruch von Milchschokolade stieg ihm in die Nase und erschrocken setzte er sich auf. Verwirrt blickte er auf seinen Gefährten hinab, der ihn mit seinen hellgrauen Augen einfach nur ansah. Keiner sagte auch nur ein Wort. 
    Rhys nahm nur langsam wahr, dass er mitten auf Caydens Schritt saß und sich, mit beiden Händen, an dessen Brust abstützte. Wie erstarrt blieb er sitzen. 
     „Hallo, Kätzchen“, flüsterte der Alpha mit rauer Stimme und Rhys Augen wurden groß. 
     „Was ...?“, begann er. „Rikku“, fauchte er dann. Noch immer saß er auf seinem Gefährten und rührte sich nicht. 
     Cayden beobachtete unterdessen den kleinen Omega, der sich anscheinend nicht bewusst war, worauf er da gerade saß. Langsam machte sich Erregung in ihm breit, was Rhys mittlerweile mit Sicherheit auch spüren müsste.
     Plötzlich schien dem Omega bewusst zu werden, dass er nackt auf dem Alpha hockte. Langsam senkte er den Blick auf seinen Unterkörper, mit dem er auf dem Schritt seines Gefährten saß. Nur der dünne Stoff von Caydens Boxer trennte sie voneinander. Entsetzt sprang Rhys auf. Zittrig stand er neben dem Bett. Erst jetzt bemerkte er, dass dieser unglaubliche verführerische Geruch, der von dem Alpha ausging, dessen Erregung war. 
     Cayden hatte sich im Bett aufgesetzt und wartete darauf, wie Rhys nun reagieren würde. 
     „Fuck!“ Fluchend wandte Rhys sich ab und rannte regelrecht zum Fenster. „Rikku, du böse Mietze! Warum hast du dich ihm gezeigt?“, schimpfte er und war auch schon verschwunden. 
     Zurück blieb Cayden, der sich enttäuscht zurück ins Bett fallen ließ. Diese harte Nuss namens Rhys würde schwer zu knacken sein, aber er würde auf jeden Fall sein Bestes geben. 

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Und wieder einmal ist Rhys davon gerannt. Cayden kann einem echt leid tun. Zum Glück haben sie sich noch nicht markiert, denn sonst wären seine Schmerzen noch schlimmer.
Mal sehen, wann Rhys endlich nachgibt.

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