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Callen lag unter dem Leopard, der sofort von ihm ab ließ, als er sich verwandelte. Allerdings blieb die Katze auf dem großen Körper des Wolfes liegen und rührte sich nicht. Aus seinen unglaublich blauen Augen sah Cian ihn an.

Der Alpha lag nur da und bewegte sich nicht und es wirkte, als würde die Katze auf etwas warten. Callens Hände lagen seitlich am Körper der Katze und er krallte sich unbewusst in das dichte Fell, gerade so, als wolle er sie nicht mehr los lassen.

Cian spürte noch immer die Unsicherheit seines Gefährten. Das dieser ihn einfach nur ansah, machte ihn traurig. Er ließ ein leises Maunzen hören, dann fing er an, ihm durch die Haare zu lecken, wie er es gerne bei dem Wolf machte.

"Ich weiß, dass du mir keinen Vorwurf machst Kleiner," sagte Callen leise. "Und ich weiß auch, dass du denkst, du könntest gut auf dich selbst aufpassen," gab er dann auch zu. "Dennoch wäre es meine Aufgabe gewesen, dich zu beschützen! Du bist zum Teil ein Omega und außerdem nur ein kleiner Leopard," meinte er dann stur.

Cian gab ein Schnauben von sich, dass sich tatsächlich genervt anhörte. Dabei hatte er seine Krallen ausgefahren und da dessen Pfoten immer noch auf Callen's Brust lagen, spürte der Alpha, wie sich die spitzen Krallen in seine Brust bohrten. Der Leopard war tatsächlich verärgert.

Wütend fauchte die Katze ihn an und sprang von ihm herunter. Nach einem letzten traurigen Blick rannte Cian dann auch schon, ohne sich noch einmal umzudrehen, davon.

Callen war klar, dass er sich gerade einen großen Fehler geleistet hatte. Durch seine Verbindung zu seinem Gefährten, spürte er deutlich dessen Enttäuschung.

Langsam setzte er sich auf und sah in die Richtung, in der Cian verschwunden war. Seki drängte ihn dazu, dem Leopard zu folgen, doch er brauchte noch einen Augenblick, um sich zu sammeln. Erst dann stand er auf und verwandelte sich.

Sein Wolf schien zu spüren, dass mit seinem Gefährten etwas nicht stimmte, weshalb er sich beeilte, nach Hause zu kommen. Vor dem Haus verwandelte er sich erneut und rannte als Callen ins Haus. Seki's Unruhe hatte ihn angesteckt.

Der Alpha stürmte immer zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe nach oben und riss die Tür zu seinem Zimmer auf. Was er sah erleichterte ihn zuerst, bis er verstand, was da gerade passierte.

Cian stand im Zimmer und hatte Kleidung von ihm im Maul. Als die Tür aufgerissen wurde, war er gerade dabei zum Fenster zu laufen, blieb davor aber noch einmal stehen und blickte ihn an.

"Noah...," sagte Callen leise und ging in die Knie. In der Annahme, der Leopard würde sich nun verwandeln, streckte er die Arme nach ihm aus.

Doch Cian fauchte ihn, trotz der Kleider in seinem Maul, nur wütend an und sprang auf das Fensterbrett. Dann schlüpfte er nach draußen und verschwand.

Callen blieb betroffen zurück. "Er ist wütend," stellte Seki fest. "Und das zu Recht," schob er hinterher.

Callen stand langsam auf und ging zum Fenster. Er warf einen Blick nach draußen, doch von der Katze war nichts mehr zu sehen. "Verdammt," fluchte er und blieb nachdenklich stehen.

Vielleicht sollte er eine Dusche nehmen. Schlafen würde er heute ganz sicher nicht mehr und auch zu Noah würde er nicht gehen. Er wollte der Katze Zeit geben, sich zu beruhigen.

Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht, dass er seinen Gefährten zutiefst verletzt hatte.
__________

Am nächsten Morgen machte sich Callen auf den Weg zur Schule. Er wartete wie immer an der Straßenecke auf Noah, doch dieser war nicht aufgetaucht. In der Annahme Noah sei vielleicht schon in der Schule, lief er schließlich weiter.

Als er dort ankam, wurde er von seinen Freunden begrüßt und Maddy fragte ihn, wo er denn seinen Gefährten  gelassen habe. Irritiert sah er sich um. "Ist er nicht hier?" fragte er und bekam ein einheitliches Kopfschütteln.

"Vielleicht braucht er noch einen Tag länger," meinte Maddy und zuckte die Schultern. Dann klingelte es und sie liefen in ihre Klasse.

Obwohl Callen im Unterricht saß, konnte er sich nicht konzentrieren. Er machte sich Sorgen, denn sein Versuch in Gedanken mit Noah Kontakt aufzunehmen, scheiterte immer wieder. Er spürte zwar, dass er da war, ihm aber nicht antwortete.

In der großen Pause war er bereits so unruhig, dass er seine Schulsachen packte und sich auf den Weg zu Noah's zu Hause machte. Dort angekommen, öffnete niemand, weshalb er sich vor die Tür setzte und wartete.

Er saß bereits seit einer Stunde und wartete, als er Cian entdeckte, der mit weiteren Kleidungsstücken von ihm, den Weg entlang lief.

Callen stand auf und stellte sich dem Leopard in den Weg. "Cian, Kleiner. Warum bist du noch da? Gib mir Noah," bat er die Katze in ruhigem Ton, doch er war beunruhigt. Er spürte deutlich, dass irgendetwas mit dem Leopard  nicht stimmte.

Cian sah ihn nur kurz an, dann machte er einen Bogen um den Riesen und steuerte den Baum an, der ihn zu seinem Zimmer bringen würde. Er wollte gerade hoch klettern, da spürte er Hände, die ihm durch sein Fell strichen.

Wütend drehte er sich um und fauchte den Alpha an. Trotz seiner Wut, ließ er die Kleider nicht los. Mit einem drohenden Knurren sprang er außer Reichweite der Hände, die ihn versuchten zu streicheln.

"Cian, bitte...!" Callen's Stimme klang fast bettelnd. Er hatte das Gefühl, die Katze wolle sich von ihm nicht berühren lassen. Betroffen nahm er seine Hände zurück. "Gib mir Noah," bat er erneut.

Der Leopard gab ein letztes Knurren von sich, dann ignorierte er den Wolf und kletterte den Baum hoch.

Callen blieb nichts anderes übrig, als nach Hause zu gehen. Er wollte der Katze noch ein wenig Zeit geben und es am nächsten Tag noch einmal versuchen.
__________

In der Nacht konnte Callen wieder nicht schlafen. Die Angst erneut zu träumen und die Sorge um Noah machten ihm zu schaffen. Am frühen Morgen lag er immer noch auf dem Bett, hatte die Hände im Nacken verschränkt und starrte an die Decke, als er ein Geräusch hörte.

Er blickte zum Fenster und erkannte Cian, der gerade durch die Öffnung des Fensters schlüpfte. Langsam setzte er sich auf und Freude durchflutete ihn, die sich sogleich in Erstaunen verwandelte.

Der Leopard blickte ihn nur kurz an und fauchte sofort. Er gab ein warnendes Knurren von sich, dann lief er zum Schreibtisch, wo Callen's Kleider hingen, die er an diesem Tag getragen hatte.

Ein letzter Blick in Callen's Richtung, dann schnappte sich die Katze sein Shirt und seine Jeans und drehte sich um. Wie in der Nacht zuvor verschwand die Katze durch das Fenster.

Zurück blieb ein völlig verwirrter Callen, der nicht wusste, ob er seinem Gefährten folgen sollte, oder nicht.

"Hinterher," drängte ihn sein Wolf und er gehorchte. Schnell stand er auf und verließ das Zimmer. Dann rannte er die Treppe hinunter, riss die Haustür auf und verwandelte sich. Dabei war es ihm egal, dass seine Kleidung zerriss und dadurch nutzlos wurde.

In seiner Wolfsgestalt hetzte er Cian hinterher. Bei dessen Haus angekommen, sah er nur noch, wie die Katze in ihrem Zimmer verschwand.

Callen verwandelte sich und klingelte an der Haustür. Es interessierte ihn in keinster Weise, dass er Nackt war. Es war ihm egal, dass es erst halb sechs am Morgen war und es war ihm egal, dass er Diane aus dem Schlaf holen musste.

Die Ärztin öffnete verschlafen die Tür und riss überrascht die Augen auf. "Du bist nackig," hauchte sie und reichte ihm eine Weste, die sie von einem Kleiderhaken in der Flurgarderobe fischte.

Callen wickelte sich die Weste um den Unterleib und betrat, ohne auf eine Einladung zu warten, das Haus.

"Mit Noah stimmt etwas nicht," erklärte er und ging zielstrebig zur Treppe.

Diane seufzte. "Ich weiß," stimmte sie zu. "Nur weiß ich nicht, was der Grund dafür ist. Er hat sich, seit seine Hitze vorbei ist, nicht mehr zurück verwandelt." Diane war ihm gefolgt. "Weißt du vielleicht den Grund dafür?"

Callen ignorierte Diane und stieg die Treppe nach oben. Er roch den wundervollen Duft seines Gefährten und eine starke Sehnsucht befiel ihn. "Callen!" rief die Ärztin ihm hinterher, doch er lief einfach weiter.

Vor Noah's Zimmer blieb er einen Augenblick stehen und atmete mehrmals tief ein und aus. Dann öffnete er die Tür.

Was er sah ließ ihn sprachlos inne halten. Cian lag auf dem Bett inmitten eines Kleiderhaufens, bestehend aus seinen Kleidern und schnurrte.

Als die Tür sich öffnete, drehte der Leopard den Kopf. Sofort hörte das Schnurren auf und er fauchte Callen wütend an.

Callen trat vorsichtig näher, da richtete sich die Katze auf und sprang vom Bett. Geschmeidig kam sie dem Alpha näher und gab erneut ein warnendes Knurren von sich. Der Riese blieb erstarrt stehen. Erst jetzt wurde ihm klar, was er mit seiner Bemerkung bezüglich des Omegas und des kleinen Leoparden, angerichtet hatte.

Langsam ging er in die Knie. "Cian, Kleiner. Es tut mir leid, was ich gesagt habe. Bitte... ich brauche Noah," bat er ein weiteres mal.

Cian lief unruhig im Zimmer hin und her und wechselte zwischen Knurren und Fauchen. Er sehnte sich ebenfalls nach seinem Gefährten und spürte auch Noah's Sehnsucht, doch beide waren verletzt. Er wollte nicht Nachgeben, denn Callen vertraute ihm nicht!

Callen beobachtete die Katze, die mit peitschenden Schwanz im Zimmer ihre Kreise zog. Er hörte, wie Diane hinter ihn trat und stand wieder auf. Ihm war klar, dass er in diesem Moment nichts bei der Katze erreichen würde. Ratlos blieb er stehen.

"Was hast du getan, dass er so wütend auf dich ist?" Diane hatte das Verhalten der Katze ihrem Gefährten gegenüber richtig gedeutet.

Callen zuckte die Schultern. "Ich habe Mist gebaut," gab er zu, würde aber ganz sicher nicht näher darauf eingehen.

Diane seufzte. "Wird es ihm nicht Schaden, wenn er nur in dieser Form bleibt?" Sie drängte sich ins Zimmer und beugte sich über die Katze, die stehen geblieben war.

Callen sah betroffen dabei zu, wie der Leopard anfing mit seiner Ziehmutter zu schmusen. Er wollte seinen Gefährten zurück! "Verwandel dich!" Seki meldete sich zu Wort.

"Warum sollte ich das tun?" Callen wusste nicht, was Seki damit bezweckte.

"Ich möchte wissen, ob er auf uns beide oder nur auf dich wütend ist," antwortete sein Wolf und Callen fand die Idee nachvollziehbar, also begann er sich zu verwandeln und stand schließlich als Seki im Zimmer.

Cian hatte sich ein paar Streicheleinheiten von seiner Ziehmutter geholt, da sah er im Augenwinkel, wie Callen sich verwandelte.

Diane, die es ebenfalls mitbekommen hatte, stand auf und trat ein paar Schritte zurück. Neugierig beobachtete sie den riesigen Wolf, der zögernd ein paar Schritte auf ihren Sohn zu trat. Der große Wolf wirkte dabei tatsächlich unsicher und gab ein leises Winseln von sich.

Der Leopard betrachtete Seki kurz, dann ging er wieder zum Bett. Er sprang auf die Matratze und legte sich wieder in das Nest, dass er sich aus Callen's Kleidungsstücken gebaut hatte. Abwartend blickte er dem grauen Wolf entgegen.

Seki trat vorsichtig näher. Da er seine ganze Aufmerksamkeit auf seinen Mate richtete, bemerkte er nicht, wie die Ärztin das Zimmer verließ. "Viel Glück," sagte Diane noch leise, dann war sie auch schon verschwunden.

Nun stand der Wolf direkt vor dem Bett und zögerte weiter zu gehen. Cian sah ihn mit seinen blauen Augen an, dann maunzte er auffordernd.

Langsam stieg Seki auf das Bett und näherte sich dem Leopard, der nun auch ein leises Gurren von sich gab. Der Wolf gab ebenfalls einen Ton von sich, dann legte er sich neben die Katze, die das glücklicherweise zuließ.

Der Wolf schloss mit einem zufriedenen Brummen die Augen und spürte, wie Cian anfing seinen Kopf zu lecken. Die Anspannung der letzten beiden Tage fiel von ihm ab und eine bleierne Müdigkeit überkam ihn. Ehe er sich versah, war er auch schon eingeschlafen.
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Da hat Callen wohl Mist gebaut. Wie er das wohl wieder hin biegen will?
Aber was ist los mit Cian? Warum möchte er sich nicht verwandeln? Oder liegt es doch eher an Noah?

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