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Noah, Maddy und Mary-Lou liefen am Ufer des Sees entlang. Als sie außer Sichtweite ihres Rastplatzes waren, trennten sie sich und jeder rannte leise zu dem Platz, den sie zugeteilt bekamen. Sie würden die Wandlerin einkreisen und in dem Augenblick zugreifen, in dem sie sich verwandelte, falls sie es denn tat, wobei sich alle drei ziemlich sicher waren, dass es so sein würde. Auf Noahs Zeichen hin verteilten sie sich. Als alle drei bei ihrer Position angekommen waren, verharrten sie leise und gingen in eine Lauerstellung.
Die Wandlerin, die versteckt in den Büschen lauerte, beobachtete, wie die drei Freunde schwatzend davonliefen. Misstrauisch blieb sie, wo sie war, bis der Hunger sie schließlich zu dem Platz trieb, wo auf einer Picknick-Decke mehrere abgepackte Häppchen und Sandwiches lagen.
In ihrer Fuchsform schlich sie sich an. Ruhelos sah sie sich immer wieder um. Sie hatte es satt, von Nagern leben zu müssen und wollte endlich mal wieder menschliche Kost essen. Als ihr Blick auf das Essen fiel, lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Ein letzter vorsichtiger Blick durch die Gegend und sie fing an, sich zu verwandeln.
Die Füchsin steckte mitten in ihrer Wandlung, als ein leiser Ruf ertönte. Panisch versuchte sie die Wandlung zu stoppen und rückgängig zu machen, doch sie war zu geschwächt. Ehe sie sich versah, standen die drei Wandler um sie herum, die noch gerade erst weggelaufen waren.
Mary-Lou legte der jungen Frau sofort eine Decke um den mageren, zitternden Körper und strich ihr beruhigend durch das struppige Haar. Voller Angst blickte das Mädchen von einem zum anderen, die braunen Augen waren dabei weit aufgerissen.
„Beruhige dich, wir tun dir nichts“, sagte die Omega sanft und hielt die Füchsin, die sich ängstlich an sie drückte, fest umschlungen. „Damit du weißt, mit wem du es zu tun hast. Ich heiße Mary-Lou, die Rothaarige ist Maddy und der Junge heißt Noah“, stellte sie alle vor und Natalie sah ängstlich hoch.
Nur langsam hörte das Zittern der Fuchs-Wandlerin auf und endlich ließ das verängstigte Mädchen ihren Tränen, die sie nun schon so lange zurückgehalten hatte, freien Lauf. Während sie leise vor sich hin schluchzte, erzählte sie ihre Geschichte.
Ihr Name war Natalie Clark und ihre Eltern wurden von einem verwilderten Bärenwandler getötet. Seitdem war sie auf der Flucht. Sie hatte sich nicht getraut, um Hilfe zu bitten, da sie zu verängstigt gewesen war. Immer weiter war sie gelaufen, bis sie an diesem See endlich zur Ruhe kam und sich einigermaßen sicher fühlte.
Obwohl mehrere Wölfe versucht hatten, sie immer wieder zu fangen, war sie durch ihre geringere Größe deutlich flinker als die großen Wölfe. Auch ihre Schlauheit hatte sie wiederholt aus brenzligen Situationen gerettet. Doch inzwischen waren sie und ihre Füchsin Fine am Ende ihrer Kräfte und froh, dass dies endlich ein Ende zu haben schien.
Natalies Schluchzen wurde langsam weniger, matt strich sie sich die restlichen Tränen von ihren schmutzigen Wangen.
„Es tut mir leid“, sagte sie leise und sah jeden der Reihe nach an. „Aber ich bin schon so lange alleine unterwegs, dass ich mich nicht mehr zusammenreißen konnte.“
„Mach dir deswegen bloß keinen Kopf und iss jetzt erst einmal etwas“, sagte Maddy und reichte ihr ein Sandwich.
Natalie nahm es dankend entgegen, packte es aus und biss genüsslich hinein. Während sie kaute, schloss sie entzückt die Augen.
„Natalie?“ Noah hatte zum ersten Mal das Wort an sie gerichtet. „Was hast du nun vor? Willst du zurück in deine Heimat?“
Schnell schüttelte die Füchsin den Kopf. „Nein! Niemals werde ich dorthin zurückkehren. Da gibt es nichts mehr, was mich dort hält.“ Ängstlich betrachtete sie die drei Wandler, die sie neugierig ansahen.
„Kennst du jemanden hier in der Gegend? Hast du Verwandte, zu denen du gehen kannst?“, bohrte Noah weiter.
Erneut trat Traurigkeit in die Augen der Füchsin. „Ich habe niemanden mehr. Ich werde einfach hier bleiben. Vielleicht könntet ihr mich ja gelegentlich besuchen? Ich meine ...?“
„Kommt gar nicht infrage“, warf Maddy ein. „Dann kommst du erst einmal mit zu uns!“
Noah starrte seine Freundin aus großen Augen an.
„Was? Willst du sie hier alleine im Wald lassen?“ Maddy boxte Noah fordernd gegen die Schulter.
„Aber wie sollen wir das Diane erklären?“ Noah war noch nicht wirklich überzeugt.
„Das ist ganz einfach. Zunächst müssen wir sie sauber machen, dann ankleiden und anschließend werde ich sie als eine Freundin ausgeben, die für eine ungewisse Zeit bei uns wohnen wird“, erklärte Maddy mit einem fetten Grinsen im Gesicht.
Mary-Lou klatschte begeistert in die Hände. „Ich habe biologisch abbaubare Seife dabei. Damit können wir dich im See waschen“, sagte die Omega zu der Füchsin.
Maddy sah Natalie abschätzend an. „Ich habe Wechselkleidung, die dir passen sollte. Damit hätten wir die Grundausstattung zusammen. Noah, du hältst Wache, damit die Jungs nicht in einem ungünstigen Zeitpunkt vorbeikommen. Wir wollen ja nicht, dass die Kerle sie nackt sehen.“ Maddy ging zu ihrem Rucksack und kramte ein leichtes Sommerkleid hervor.
Natalie hatte staunend zugehört. Hier wurde einfach über ihr weiteres Schicksal entschieden und sie war froh darum. Nachdem sie sich satt gegessen hatte, stand sie mit Mary-Lous Hilfe auf und ließ sich zum See führen. Dort ging sie mit Maddy ins kalte Wasser und wusch sich. Sie schrubbte sich, bis ihre Haut durch die Kälte des Wassers und die Reibung der Seife auf ihrer Haut ganz rot war. Bei den Haaren brauchten sie etwas länger, denn diese waren ziemlich verfilzt, aber letztlich schafften sie auch das.
Während die Mädchen beschäftigt waren, saß Noah auf einem Baum und beobachtete die Umgebung. Als er die Wölfe näher kommen hörte, gab er einen leisen Pfiff von sich, sprang vom Baum und rannte zu den Wandlerinnen, die bereits wieder auf einer der Decken saßen und Natalies Haare kämmten.
Kurz darauf erschienen auch schon die Wolfs-Wandler, die mit lautem Getöse und Gelächter auf die Lichtung am Seeufer traten. Als sie Natalie erblickten, blieben sie erstaunt stehen.
„Ja, wen haben wir denn hier?“ Dean hatte sich als Erstes gefangen und kam langsam näher. Er gab Mary-Lou ein Zeichen, zu ihm zu kommen, und zog seine Mate dann zärtlich in seine Arme.
„Das ist Natalie und sie ist unsere Freundin“, erklärte Maddy und schob die Füchsin etwas vor. „Natalie, das dort bei Mary-Lou ist ihr Gefährte Dean. Der arrogant wirkende Prachtkerl ist mein Mate Lloyd. Dieser Riese dort ist Callen und gehört ganz und gar unserem Noah. Der Blondschopf heißt Niklas und ist der Beta von Lloyd und der Letzte im Bunde ist Deans Bruder Kyle und ...“
„Mein Mate“, wurde Maddy von der Füchsin unterbrochen. Erstaunt blickte sie Natalie an, die eine Hand vor ihren Mund geschlagen hatte und unsicher einen Schritt zurücktrat.
Kyle konnte es nicht fassen. Endlich hatte auch er seine Gefährtin gefunden. Langsam trat er näher, da stieg ihm ihr Geruch in die Nase und sein Körper reagierte nur noch. Er war nur noch ein paar Schritte von ihr entfernt, da wurde ihm bewusst, dass sie aussah, als wolle sie gleich flüchten. Panisch sah sie sich nach einem Ausweg um.
„Nicht weglaufen, bitte“, flüsterte er leise und blieb stehen, obwohl alles in ihm ihn danach drängte, sie in die Arme zu schließen. „Bei der Mondgöttin, du bist so wunderschön.“
Natalie ließ langsam die Hand sinken. Sie wusste, dass sie eigentlich ganz furchtbar aussah. Sie war abgemagert und das Sommerkleid schlackerte an ihrem Körper. Zudem sahen Haare trotz mehrmaligen Waschens stumpf aus. Dennoch stand da dieser junge Wolf, der sie liebevoll ansah und behauptete, sie sei schön.
Unsicher trat sie einen Schritt nach vorne. Würde sich nun ihr Schicksal zum Guten wenden? Konnte sie endlich darauf hoffen? Da waren diese Wandler, die ihr Essen und Kleidung gaben. Die ihr beim Waschen halfen und ihr anboten, bei ihnen zu wohnen. Außerdem war da er, ihr von der Mondgöttin vorherbestimmter Gefährte.
„Kyle, schöner Name“, sagte sie leise und ehe sie sich versah, lag sie an der breiten Brust ebendieses Mannes. Ein Wimmern entkam ihr, während sie ihre Nase in seine Halsbeuge drückte und seinen wundervoll-würzigen Duft tief in sich ein sog.
Endlich fühlte sie sich nach so langer Zeit mal wieder sicher. Seufzend kuschelte sie sich in die warme Umarmung ihres Gefährten, der ihr wundervolle Worte ins Ohr flüsterte. „Du glaubst ja gar nicht, wie sehr ich mich nach dir gesehnt habe. Fast jeder meiner Freunde hatte seine zweite Hälfte bereits gefunden, nur ich nicht. Doch jetzt bist du da und ich werde dich nie wieder loslassen.“
Kyle strich ihr dabei zärtlich über den Rücken. Zwischendurch küsste er sie auf die Stirn, auf das Haar, auf ihre Wangen und endlich auch auf ihren Mund.
Natalie spürte, wie ihr Mate wiederholt sanfte Küsse auf ihrem Kopf verteilte und ihrem Mund dabei immer näher kam. Langsam hob sie den Kopf, denn sie wollte, dass er sie richtig küsste. Schließlich fanden sich ihre Lippen, und sie tauschten einen zärtlichen Kuss.
Nach kurzer Zeit unterbrachen sie ihren Kuss, und Natalie löste sich keuchend von den weichen Lippen ihres Gefährten. Sie brauchte einen Augenblick, bis sie wieder wusste, wo sie war und errötete beschämt. Sofort versteckte sie ihr Gesicht an Kyles Brust.
„Tut mir leid, normalerweise bin ich nicht so“, nuschelte sie entschuldigend und spürte das Vibrieren in Kyles Brust, als dieser leise lachte.
Kyle hob ihr Kinn mit zwei Fingern an. „Mach dir nichts daraus. Wenn die anderen am Schmusen sind, kommen sie auch nicht mehr voneinander los. Das ist ganz normal für zwei Mates, die sich endlich gefunden haben“, beruhigte er sie.
Natalie nickte verstehend, dann wandte sie sich wieder den anderen zu, die sie erfreut angrinsten.
„So wie es aussieht, sind wir nun fast komplett. Fehlt nur noch Niklas. Doch so langsam sollten wir zusammenpacken, schließlich müssen Noah und ich, Diane noch davon in Kenntnis setzen, dass ab sofort ein weiterer Gast bei ihr wohnen wird“, meinte Maddy gut gelaunt und zwinkerte der Füchsin verschwörerisch zu.
„Sie soll bei euch wohnen? Und wenn ich das nicht möchte? Schließlich ist Noah da und er ist ein ...“, setzte Kyle an, wurde aber von Maddy unterbrochen.
„Das meinst du gerade nicht im Ernst“, fuhr die Katze ihn an. „Du machst dir Sorgen um Noah, weil er ein Kerl ist? Boah, Kyle! Sieh ihn dir doch an. Der kann ja kaum seine Hände von Callen lassen. Außerdem ist er mehr Mädchen als so manches Weib.“ Maddys Augen funkelten belustigt. „Nichts für ungut, Hase. Aber es ist nun mal so“, wandte sie sich an ihren Freund.
Noah, der bereits wieder an dem grinsenden Riesen hing und gerade dabei war, an dessen Hals zu knabbern, hob mit einem beleidigten „Tzz!“ den Kopf.
Callen, Lloyd, Dean, Niklas und Mary-Lou brachen in Lachen aus. Es war unglaublich, wie die beiden Katzen miteinander umgingen. Sie hielten sich mit ihren Bemerkungen nicht zurück und warfen sich genau das an den Kopf, was sie auch dachten.
„Ich bin kein Mädchen! Warum behauptet das nur jeder?“ Schmollend schob er seine Unterlippe vor, was ihm nur noch mehr Gelächter einbrachte.
„Ich sagte dir doch schon. In eurer Beziehung bist eindeutig du das Mädchen. Ich glaube nicht, dass Callen für dich die Beine breit machen würde.“ Maddy lachte, als sie das sagte.
„Das will ich auch gar nicht.“ Noahs Wangen wurden rot und er versteckte beschämt sein Gesicht an Callens Halsbeuge.
„Na also, wie du sehen kannst, ist Noah auf seine eigene Art und Weise eben doch ein Mädchen“, wandte sich Maddy wieder an Kyle. „Außerdem muss Natalie erst einmal eingekleidet und aufgepäppelt werden. Wir müssen sie in der Schule anmelden und zusehen, dass sie sich etwas einlebt. Keine Angst, ihr werdet euch täglich sehen. Nachdem sie jetzt die letzten paar Monate alleine gewesen und hauptsächlich in ihrer Fuchsgestalt herumgelaufen ist, muss sie sich erst wieder an das Leben als Mensch gewöhnen. Dazu sollte sie in eine Familie kommen und wer wäre da nicht besser geeignet als Noah, ich und Diane. Das Haus ist groß genug und ich denke, Diane hat nichts dagegen, wenn Natalie erst einmal bei uns bleibt“, beendete Maddy ihren endlosen Monolog.
Kyle wollte Einwände erheben, wurde aber von Noah unterbrochen. „Gib es auf, Kyle. Die Königin der Katzen hat gesprochen und duldet keinen Widerspruch. Du kommst dagegen nicht an, glaub mir, denn ich spreche da aus Erfahrung.“
Kyle blickte Natalie fragend an. „Ist das für dich in Ordnung, wenn du mit ihnen gehst?“ Das Mädchen nickte glücklich.
„Gut, dann wäre das also geklärt und jetzt lasst uns zusammenräumen und nach Hause gehen. Wir haben Diane noch einen weiteren Gast vorzustellen.“
Nach diesen Worten packten alle ihre Sachen zusammen und gingen mit einer Person mehr zurück zu Callens Zuhause.
Niklas bedankte sich noch bei allen für den schönen Tag, dann trennten sie sich voneinander.
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Kyle hat nun endlich auch seine Mate gefunden. Nun ist die Gruppe fast komplett.
Fehlt nur noch Niklas.
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