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Lucy versuchte sich so klein wie möglich zu machen und drückte sich in eine Ecke. Sie zitterte vor Angst und hatte den Kopf eingezogen, während sie den Blicken der anderen Wölfe auswich. 

Die Beta von Reed sah sie zwar nur neugierig an, aber sie konnte die aufkommende Wut des Alphas spüren, der zunehmend wacher wurde.

„Ich weiß nichts“, flüsterte die verängstigte Rothaarige und ihr Zittern verstärkte sich, als sie ein wütendes Grollen hörte. 

Der Alpha schüttelte noch einmal den Kopf und richtete sich schließlich auf. Der Stoffwechsel des Wolfswandlers sorgte dafür, dass die Droge recht schnell wieder abgebaut wurde. 

Caleb starrte die verängstigte Omega wütend an. Das Mädchen soll endlich die Wahrheit sagen. „Du lügst“, beschuldigte er sie mit seiner Alpha-Stimme. 

Lucy wurde noch etwas kleiner. Sie wusste, sie sollte die Wahrheit sagen, aber sie war zu verängstigt, als dass sie noch etwas hätte sagen können. Die Präsenz des Alphas wirkte erdrückend auf die Omega. 

Yuki schaltete sich ein. „Caleb, lass das. Sie hat Angst vor dir. So wird sie uns nicht verraten, was sie weiß. Ich werde allein mit ihr reden.“ Damit schob sie ihren erstaunten Gefährten und den verblüfften Alpha einfach zur Tür hinaus. 

„So, jetzt entspann dich erst einmal. Ich möchte nur wissen, was du gesehen hast“, wandte die Japanerin sich an das verängstigte Mädchen. 

Die Omega atmete etwas auf. Die Beta vor ihr schien neutral zu sein. Lucy wusste, dass Yuki eigentlich Reeds Beta war und trotzdem versuchte sie Caleb zu helfen. 

Yuki lehnte sich gegen den Schreibtisch, der in einer Ecke stand und verschränkte abwartend die Arme. Dabei beobachtete sie, wie die Rothaarige sich etwas entspannte und aufhörte zu zittern. 

„Na los doch. Unter uns Mädchen. Du hast gesehen, was passiert ist, oder?“ Ihre Stimme klang ruhig und sanft.

Lucy sah die hübsche Beta an und nickte zögernd. 

„Sag schon. Hat Caleb von sich aus diese Sarah geküsst?“ 

Nun schüttelte die Omega ihren Kopf, sodass die halblangen Haare nur so um ihren Kopf flogen. 

Yuki schwieg einen Augenblick und seufzte leise. „Das dachte ich mir schon. Willst du mir nicht erzählen, was du gesehen hast?“ 

Lucy starrte die Beta ängstlich an. „Wirst du mir etwas antun?“, fragte sie schließlich leise.

Yuki lachte unterdrückt. „Nein, warum sollte ich. Du hast nichts getan, zumindest gehe ich davon aus. Aber du solltest mir jetzt endlich erzählen, was du weißt. Und du brauchst auch keine Angst vor Caleb zu haben. Er ist nur durcheinander, weil er, wie ich glaube, betäubt wurde.“ 

Die Omega starrte die Japanerin noch einen Augenblick unsicher an, dann atmete sie ein paar mal tief durch und fing schließlich an zu sprechen. 

„Sarah hat versucht, Caleb anzumachen. Doch der Alpha ließ sie eiskalt abblitzen. Also schlug sie einen letzten gemeinsamen Tanz und danach ein Getränk vor“, begann die junge Wölfin leise. Yuki hörte gespannt zu und schwieg. 

„Caleb stimmte zu, sah sich dabei aber immer wieder um, als suche er jemanden. Dass er so abgelenkt war, hat Sarah gleich ausgenutzt und ihn geküsst. Der Alpha war wütend und wollte gehen, aber Sarah hat ihn überredet, noch etwas mit ihr zu trinken.“ Lucy schien sich etwas zu entspannen, war aber weiterhin auf der Hut. „Sie gingen zusammen zur Bar, wo ein Freund von Sarah dem Alpha sofort einen Cocktail hinstellte. Sarah hatte zuvor mit John, dem Barkeeper, gesprochen und ihm etwas zugesteckt. Ich glaube, die beiden stecken unter einer Decke“, beschuldigte Lucy John leise. 

Yuki versuchte sich an John zu erinnern, hatte aber kein Gesicht dazu. Sie musste Milo danach fragen, also linkte sie ihn an. „Hey, Süßer. Kennst du einen John, der ein Freund von Sarah ist?“   

Milo antwortete sofort. „Ja, den kenne ich. Er stand vorhin noch hinter der Bar.“

„Schnapp ihn dir. Er hat hiermit zu tun.“ Yuki konnte vor der Tür Tumult hören, dann entfernten sich schnelle Schritte. Mit einem Lächeln wandte sie sich wieder der Omega zu. 

„Sprich weiter, Süße. Du machst das richtig gut“, forderte sie die Rothaarige mit einer kleinen Geste ihrer Hand auf. 

Lucy fühlte sich bereits etwas wohler und lächelte sogar ein wenig, wegen des Lobs der Japanerin. Sie vertraute der Beta, die in dieser angespannten Situation ruhig geblieben war, weswegen sie auch weiter sprach.

„Ich konnte erkennen, wie der Alpha nach jedem Schluck von seinem Cocktail benommener wurde. Sarah hat ihm dann auf die Couch geholfen und sich sofort auf ihn gesetzt. Dann hat sie begonnen, ihn zu küssen und kurz darauf kam Reed und hat die beiden entdeckt.“ Die Omega schwieg kurz. 

„Erst nachdem Reed davongestürmt ist, hat der Alpha Sarah von sich gestoßen. Der Alpha kann nichts dafür, da bin ich mir sicher.“ Unsicher beendete Lucy ihren Bericht. Sie hatte Angst vor den Konsequenzen, weil sie zuerst nichts gesagt hatte.

Yuki schwieg noch einen Augenblick, dann stieß sie sich vom Schreibtisch ab und ging auf die wieder angespannte Omega zu. „Ich danke dir, kleine Lucy. Du warst sehr mutig und uns eine große Hilfe.“

Nach diesen Worten umarmte die Beta das Mädchen, welches zuerst erstarrt stehen blieb, sich dann aber mit einem leisen Schluchzen in die Umarmung schmiegte. „Es tut mir leid. Ich hätte Hilfe holen sollen“, weinte sie und krallte sich an Yukis blaues Top. 

„Schon gut, Süße. Ich weiß, dass du es als Omega nicht wirklich leicht hast. Wenn du mal Hilfe benötigst, wende dich ruhig an mich“, beruhigte die Japanerin die Rothaarige. „Aber nun solltest du nach Hause gehen. Hast du jemanden, der dich fahren kann?“ 

Lucy nickte. „Mein Bruder. Er wollte ohnehin schon gehen, weil ihm das alles zu laut ist. Nur mir zuliebe ist er geblieben. Ich wollte noch etwas bleiben, weil ich nicht so oft eingeladen werde.“ Das Mädchen hörte sich traurig an. 

„Keine Sorge. In mir hast du soeben eine neue Freundin gefunden. Mein Geburtstag ist bald und es würde mich freuen, wenn du auch kommen könntest.“ Yuki löste sich vorsichtig von der Omega, die sich immer noch an sie drückte. 

„Wirklich? Das wäre schön. Ich habe nur eine wirkliche Freundin, die ebenfalls eine Omega ist“, Lucy sah sie hoffnungsvoll an. 

„Na dann. Bring deine Freundin doch einfach mit. Ich werde dir noch das genaue Datum zukommen lassen. Aber jetzt solltest du gehen. Ich muss mich darum kümmern, dass sich zwischen Reed und Caleb wieder alles klärt.“ 

Yuki schob die Omega zur Tür. Das Mädchen drehte sich noch einmal zu ihr um und umarmte sie. „Danke. Ich hoffe, dass sich zwischen den beiden Alphas wieder alles klärt“, nuschelte sie leise, dann machte sie sich auf die Suche nach ihrem Bruder. 

*****

Milo wurde über den Link zu seiner Mate aufgefordert, den Barkeeper John zu holen, also lehnte er Caleb gegen die Wand neben der Tür und machte sich auf den Weg. Es dauerte nicht lange, da wurde er fündig.   

John war gerade dabei, seine Jacke zu schnappen und zu verschwinden, als ihm jemand von hinten auf die Schulter tippte. Neugierig drehte er sich um und riss überrascht die Augen auf. 

„Scheiße“, fluchte er und trat einen Schritt zurück. Er sah sich nach einem Fluchtweg um, da sagte der Beta vor ihm etwas, was ihn davon wieder abbrachte. „Du denkst jetzt aber nicht an Flucht“, knurrte sein Gegenüber. „Ich denke, wir haben da etwas zu klären!“ 

John stöhnte frustriert. Wenn er schneller jemanden gefunden hätte, der ihn an der Bar ablöste, wäre er schon längst weg gewesen. Er hätte bereits abhauen sollen, als er sah, wie die Betas mit Caleb und Lucy in ein leeres Zimmer gingen. Aber nein! Er musste ja unbedingt warten, bis er abgelöst wurde.

„Du kommst jetzt mit. Da gibt es jemand, der mit dir sprechen möchte“, sagte der Beta mit einem Grollen in der Stimme. 

John nickte. Er wusste, dass, sollte er flüchten, alles nur schlimmer werden würde. Hätte er sich von Sarah nur nicht beschwatzen lassen. Das hatte er nun davon. Also folgte er mit einem unguten Gefühl dem Beta.

Sie kamen gerade vor dem Zimmer an, als Lucy herauskam. Das Mädchen sah glücklich aus und er gab ein leises, warnendes Knurren von sich. Sofort machte die Rothaarige einen Bogen um ihn und sah ihn ängstlich an. 

„Das lässt du besser sein“, sagte plötzlich jemand. Die Japanerin blickte ihn aus dunklen Wolfsaugen an. Die Beta war neben ihn getreten und winkte ihn auffordernd ins Zimmer. 

John blickte sich vorsichtig um und erkannte den Alpha, der erschöpft und völlig fertig gegen die Wand lehnte. Unbehagen überkam ihn und er schluckte schwer. 

„Na los, komm schon rein. Ich möchte dir nur ein paar Fragen stellen“, wurde er noch einmal aufgefordert. Die Augen der Beta waren wieder menschlich, dennoch spürte er, dass die Japanerin eine starke Beta war. 

Zögernd folgte er Yuki in das Zimmer, das aussah wie ein kleines Büro. Die Japanerin lehnte sich gegen den Schreibtisch und sah ihn aufmerksam an. 

„Nun erzähl mir mal. Was hat dir Sarah dafür gegeben, dass du Betäubungstropfen in Calebs Cocktail tust?“ Ihre Stimme klang neutral und John überlegte, zu lügen. 

„Du solltest wissen, dass ich erkennen kann, wenn jemand lügt und du siehst tatsächlich danach aus, als wolltest du das gerade tun“, warnte ihn die Beta leise und John überkam eine Gänsehaut. Dieses Mädchen war gut!

Der blonde Wolfswandler schwieg und Yuki seufzte leise. „Was hast du zu verlieren? Sarah wurde aus dem Rudel geworfen und muss von hier verschwinden. Möchtest du das gleiche Schicksal erleiden wie die Blondine?“ 

John sah Yuki aus großen Augen an. Die Japanerin war sogar hervorragend. Langsam schüttelte er den Kopf. 

„Wunderbar. Also, erzähl mal. Was hast du ihm untergemischt?“ Yuki richtete sich etwas auf. 

„Ich habe ihm nichts untergemischt“, begann John und rieb sich verlegen über den Nacken. „Ich habe ihm nur den Cocktail gegeben, den Sarah ihm gemixt hat. Ich wusste bis zu seiner Benommenheit nicht, dass da etwas drin war“, beteuerte er. 

Yuki nickte leicht. „Verstehe. Aber was hat sie dir gesagt, warum du das tun sollst und was hat sie dir dafür gegeben?“ 

„Sie meinte nur, dass dies Calebs Lieblings-Cocktail sei und sie ihm den noch einmal mixen wollte, um ihre Freundschaft zu feiern. Ich schwöre, dass ich nichts davon wusste. Gegeben hat sie mir das“, er zog etwas aus seiner hinteren Hosentasche. 

Yuki beugte sich nach vorn und betrachtete die Karten auf Johns Handfläche. „Konzertkarten? Für die K-Pop-Gruppe BTS?“ 

John nickte. „Für meine kleine Schwester. Sie ist krank und liebt diese Gruppe. Ich wollte ihr eine Freude damit machen und Sarah hatte versprochen, sie zu besorgen, wenn ich ihr helfe“, gab der Wolf zerknirscht zu. „Wie hätte ich auch ahnen sollen, dass sie so etwas vorhat?“ 

Die Beta sah ihn schweigend an. „Ich glaube dir. Du kannst gehen, aber es kann sein, dass du das alles noch einmal vor Reed erzählen musst, also stell dich schon mal darauf ein.“ 

John nickte erleichtert und ging zur Tür. „Tut mir leid, was da passiert ist. Ich hoffe, das klärt sich zwischen den beiden wieder. Jeder hat es verdient, mit seinem Mate glücklich zu werden“, sagte er leise, dann öffnete er die Tür und verschwand.

„Das hoffe ich auch“, seufzte Yuki und folgte ihm. Nun mussten sie, Caleb und Milo erst einmal alles durchgehen und dann besprechen, wie sie weiter vorgehen sollten. Sie ma chte sich große Sorgen um Reed, der nicht auf ihr Rufen über die Verbindung zu ihm reagierte. 

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Yuki scheint eine richtige Verhör-Spezialistin zu sein.
Erstaunlich, wie sie alles mit ihren wenigen Fragen heraus gefunden hat.
Aber ob das wirklich hilft, um Reed und Caleb wieder zusammenzubringen? 🤔

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