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Reed
Oh, wie sehr er ihn doch hasste! Nun musste er wegen dieses Scheißkerls Caleb eine ganze Woche lang nachsitzen und das auch noch mit ihm!
Während Reed mit seinem Schicksal haderte und immer wieder giftige Blicke in die Richtung des anderen Alphas warf, saß dieser entspannt auf seinem Stuhl und hörte Musik.
Warum nur ließ er sich auch immer wieder von dem ein Jahr älteren provozieren? Er wusste doch, dass dies immer wieder auf die gleiche Weise endete. Letztlich saßen sie beim Nachsitzen, während ihre Freunde sich ins Fäustchen lachten.
Er stieß einen langen Seufzer aus und hörte ein heißeres Lachen. Sein Körper wurde bei diesem Ton von einer lästigen Gänsehaut überrannt und er strich sich frustriert über die Arme, was Caleb erneut lachen ließ.
Empört drehte er seinen Kopf in die Richtung, aus der dieser Laut kam, und blickte in die belustigt aufblitzenden Augen seines Rivalen.
„Tzz, Arschloch“, murmelte er und drehte sich wieder nach vorn.
„Selber“, kicherte der Braunhaarige hinter ihm und fing an, mit seinem Stuhl zu schaukeln.
Reed legte betrübt seinen Kopf auf dem Tisch ab und schloss die Augen. Er hoffte nur, dass die Stunde bald vorbei war, denn er ertrug den Geruch des anderen nicht länger, der mit einer sanften Brise, die durch das offene Fenster wehte, zu ihm herübergetragen wurde.
Dieser Duft verfolgte ihn sogar in seinen Träumen, was er absolut nicht verstand. Caleb roch nach Pfefferminze mit einem Hauch Limone. Beides Düfte, die er eigentlich mochte.
Endlich klingelte es. Reed sprang sofort auf, schnappte sich schnell seinen Rucksack und rannte auch schon davon. Verfolgt wurde er dabei von dem Gelächter des 17-jährigen Alpha, den er so sehr hasste.
*****
Caleb
Es amüsierte ihn immer wieder, wie Reed sich von ihm provozieren ließ. Der Jüngere war solch ein Hitzkopf und er konnte es einfach nicht lassen, ihn zu ärgern. Auch wenn das bedeutete, dass er gelegentlich eine aufgeplatzte Lippe oder eine blutige Nase hatte.
Nun saßen sie hier im Nachsitz-Unterricht und er hörte ein weiteres Seufzen des anderen. Auch dieses Mal konnte er ein leises Kichern nicht zurückhalten.
Sofort reagierte Reed auf ihn und sah ihn empört an. Nach einem bösen Schimpfwort in seine Richtung drehte sich der Junge mit den unglaublich hellen, türkisfarbenen Augen wieder zurück zur Tafel und ließ seinen Kopf auf die Tischplatte sinken.
Caleb spürte einen leichten Luftzug und genoss das schöne Wetter sichtlich. Es war Mitte Juli und das bedeutete, dass er bald Geburtstag hatte und dann würde er auch endlich seine einzig wahre Gefährtin finden. Er freute sich schon jetzt darauf.
Während er den sanften Klängen seiner Musik lauschte, klingelte es zum Schulschluss. Belustigt sah er dabei zu, wie Reed sich seinen Rucksack schnappte und davonstürzte.
Er konnte sein Gelächter nicht zurückhalten und brüllte schließlich los vor Lachen, während auch er seine Sachen zusammen suchte und dem anderen in einem gemütlicheren Tempo folgte.
*****
Reed, zwei Wochen später.
„Aber Dad, warum muss ich denn zu Onkel Garret? Ich kann doch auch alles über die Pflichten eines Alphas hier bei dir lernen!“ Reed saß im Büro seines Vaters und starrte diesen erbost an.
Alpha Burke seufzte. „Das habe ich dir bereits mehrmals erklärt. Deine Noten sind schlecht. Du prügelst dich weiterhin ständig mit Caleb. Ganz zu schweigen von den ganzen Mädchen, von denen du jede Woche eine andere hast.“ Sein Vater strich sich frustriert mehrmals durch die Haare.
Reed biss sich verzweifelt auf die Unterlippe. Sein Dad hatte ihn zwar davor gewarnt, dass - sollte er sein Verhalten nicht ändern, einige Konsequenzen auf ihn zukämen, aber damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet.
„Dad, bitte. Können wir nicht noch einmal darüber reden? Ich verspreche auch...“, setzte Reed an, wurde aber von einem tiefen, wütenden Knurren unterbrochen.
„Deine Versprechen sind nichts wert! Du hast versprochen, dass du lernst. Deine Noten wurden jedoch nur noch schlechter. Du hast versprochen, du hörst auf, dich mit Caleb zu prügeln, jetzt sieh dir doch mal dein Gesicht an. Du hast versprochen, du behandelst die Mädchen mit mehr Respekt! Davon merke ich nichts, denn mein Freund, der Direktor erzählt mir von den ganzen Mädchen, die deinetwegen ständig am Weinen sind!“
Reed zog mit jedem Punkt, den sein Vater, der Alpha des Mystik-River-Rudels ihm aufzählte, den Kopf ein. Sein Alter hatte ja recht, aber mussten es gleich so drastische Maßnahmen sein? Schweigend starrte er vor sich hin, da ergriff Burke erneut das Wort.
„Du solltest anfangen, zu packen. Morgen geht dein Flug. Sieh zu, dass du alles zusammen hast, was du benötigst.“
„Was! Morgen schon? Aber Milo hat in drei Tagen Geburtstag. Da er 18 wird, wollten wir so richtig abfeiern. Vielleicht findet er dann seine Mate.“
„Tja, mein Sohn. Deine Freunde werden wohl ohne dich feiern müssen. Du wirst bis dahin im Rudel deines Onkels schön brav lernen, Verantwortung zu übernehmen. Auch wirst du dort Unterricht bekommen, allerdings privaten Unterricht, damit du dich auch wirklich auf das, was du lernen sollst, konzentrieren kannst.“
Es wurde ja immer besser! Nicht nur, dass er von hier weg sollte, jetzt musste er auch noch lernen. Ihm war nach Heulen zumute, aber nicht vor Trauer, sondern vor Zorn.
„Und wie lange werde ich dort bleiben?“
„Du kommst einen Tag vor deinem 18. Geburtstag wieder.“
„Aber das ist ja noch über ein Jahr!“ Reed konnte es nicht fassen. Er sollte so lange fortbleiben?
„Stimmt, also sieh zu, dass du dort dein Bestes gibst, denn sollte ich hören, dass du weiter Schwierigkeiten machst, wirst du gar nicht mehr zurückkommen!“ Burke hatte mit fester Stimme gesprochen und Reed wurde plötzlich klar, dass er seinen Vater in höchstem Maße enttäuscht haben musste, denn sonst würde dieser nicht zu solchen Mitteln greifen.
„Darf ich wenigstens gelegentlich vorbeikommen und dich besuchen?“ Hoffnungsvoll blickte er seinen Vater an.
„Nein, mein Sohn. Es soll eine Strafe sein, denn ich bin sehr enttäuscht von dir. Streng dich an und gib dein Bestes, dann sehen wir uns zu deinem 18. Geburtstag wieder.“ Damit war das Gespräch beendet und Reed verließ mit hängendem Kopf das Büro.
In seinem Zimmer angekommen, fing er an, wahllos Kleider in eine große Tasche zu stopfen. Niemals hätte er gedacht, dass sich sein Leben so schnell zum Schlechten wenden könnte. Nun wurde ihm eines klar... das Schicksal hasste ihn!
*****
Caleb
Heute war sein Geburtstag. Heute würde er endlich volljährig werden und wenn er Glück hatte, seine Mate finden.
Caleb schaute aus dem Fenster und sah nachdenklich dabei zu, wie die Sonne unterging. Er hörte schon die ersten Gäste eintreffen und wusste, dass er sich beeilen sollte, doch er konnte nicht.
Immer wieder landeten seine Gedanken bei dem jungen Alpha mit den hellbraunen Haaren und den blau-grünen Augen, der bereits seit 5 Wochen bei seinem Onkel war.
Bis zu einem gewissen Grad vermisste er die Prügeleien mit dem Kerl. Früher waren sie beste Freunde gewesen, aber das hatte sich mit der Pubertät geändert. Da war das Alpha-Gehabe und der Wunsch den anderen zu dominieren stärker geworden, sodass sie sich fast täglich an die Gurgel gingen.
Niedergeschlagen betrachtete er sich noch einmal im Spiegel. Er war zufrieden mit seinem Outfit, also machte er sich auf den Weg in die Küche, wo seine Mum gerade die letzten Vorbereitungen traf.
„Hallo mein Schatz. Na, bist du schon aufgeregt?“ Sie umarmte ihn kurz, bevor sie ihn von sich drückte und eingehend betrachtete.
Caleb seufzte. Was sollte er darauf erwidern? Dass sein Gefühl ihm sagte, er würde seine Gefährtin heute nicht finden? Er wusste nicht, woran das lag, aber er wusste, dass es so war. Darum nickte er auf die Frage seiner Mutter nur.
„Hervorragend. Ich bin mir sicher, du bekommst eine aufmerksame, süße Gefährtin, die dir immer gehorcht und alles für dich tun wird.“ Seine Mutter klatschte begeistert in die Hände.
Caleb starrte nachdenklich vor sich hin. Wollte er überhaupt solch eine Gefährtin, die sich nicht traute, ihm die Meinung zu geigen, wenn ihr etwas nicht passte? Die nur in der Küche stand oder putzte? Bei der er Angst haben musste, dass er sie zerbrechen könnte, wenn er sie mal zu hart anfasste?
Er schüttelte den Kopf. Definitiv nicht! Kurz schoss ihm ein Bild durch den Kopf von karamelbraunem Haar und hellen, türkisfarbenen Augen. Er stieß ein frustriertes Seufzen aus. Wenn er ehrlich war, vermisste er seinen ehemals besten Freund.
*****
Zwei Stunden später war die Party in vollem Gange. Steve, sein erster Beta, stand neben ihm und zählte mit den anderen den Countdown runter. Gleich war es so weit, um 22:17 wurde er geboren und ab dieser Zeit würde er seine Mate erkennen.
Er blickte suchend durch die Menge der Mädchen, die ihn voller Hoffnung anstarrten und ebenfalls die Zeit runterzählten. Die Mate eines Alphas zu sein, brachte ihnen viele Vorteile.
Er jedoch hoffte, dass keine der Anwesenden seine Gefährtin war, denn die meisten von ihnen waren nur blöde Schlampen, die sich durch die ganze Schule gevögelt hatten.
7 ... 6 ... 5 ... 4 ... 3 ... 2 ... 1 ... 0 ...
Dann war es still. Caleb wartete, genau wie alle anderen, darauf, was passieren würde, doch nichts geschah. Wieder betrachtete er die Gesichter der Anwesenden und atmete erleichtert aus. Sie war nicht dabei!
Mit gesenktem Kopf, damit niemand sein erleichtertes Grinsen bemerkte, schüttelte er den Kopf.
Ein Raunen ging durch die Menge, bis Holly, seine Mutter, in die Hände klatschte und die Gäste damit aufforderte, doch bitte zu gehen. Ihr Sohn müsse dies alles schließlich erst noch verarbeiten und brauche nun Zeit für sich.
Erleichtert sah Caleb dabei zu, wie nach und nach die Gäste verschwanden. Nur seine Mutter, sein Vater, sein Beta und seine Schwester Kayla blieben bei ihm.
„Komm her, mein Schatz“, sagte seine Mum leise und öffnete die Arme.
Caleb ging zu ihr hin und erwiderte die Umarmung, dann löste er sich langsam wieder.
Sein Vater gab ihm einen kräftigen Schlag auf den Rücken und brummte dazu irgendwas davon, dass er seine Mate bestimmt bald finden würde und den Kopf nicht hängen lassen sollte.
Seine Schwester Kayla grinste ihn nur schelmisch an. „Das Mädchen kann wirklich froh sein, dass sie nicht hier war. Wer will dich schon als Gefährten?“ Dabei zwinkerte sie ihm zu und lachte.
Steve starrte nur betrübt vor sich hin. Er hatte so sehr gehofft, sein Alpha würde seine Mate gleich finden.
„Hey, Steve. Mach dir doch für mich keinen Kopf. Wenn ich sie heute nicht finde, dann eben morgen!“ Caleb legte den Arm um seinen Beta und gleichzeitig auch seinen besten Freund und zog ihn mit sich zur Treppe und nach oben, wo sie die Nacht zusammen mit Zocken verbrachten.
*****
Am nächsten Morgen machten sich Caleb und Steve müde auf den Weg zur Schule. Dabei kam irgendwie die Sprache auf Reed.
„Jetzt ist der Kerl schon fast zwei Monate weg. Irgendwie vermisse ich ihn. Als er noch da war, schien mir die Schule nicht ganz so öde“, sinnierte Steve und bemerkte dabei nicht, dass Caleb nachdenklich neben ihm her lief.
„Hmm“, brummte der Alpha nur.
„Er hat doch auch demnächst Geburtstag, oder? Wird er nicht 16?“
„Er wird am 12. Oktober 17 Jahre alt“, korrigierte Caleb ihn automatisch.
Steve blieb wie angewurzelt stehen. „Du weißt, wann er Geburtstag hat?“ Dann lief er Caleb schnell hinterher, der einfach weiter gelaufen war.
„Hmm“, kam erneut über Calebs Lippen. „Er war schließlich mal mein bester Freund.“
Steve blickte Caleb überrascht an. „Das wusste ich gar nicht“, sagte er leise und schwieg schließlich.
Der junge Alpha war froh, dass Steve endlich seinen Mund hielt. Denn jedes Mal, wenn er an Reed erinnert wurde, brannte es in seinem Magen und er wusste nicht, was das zu bedeuten hatte.
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Dies ist die erste Story, die ich wieder bei Wattpad hochlade.
Viele kennen sie ja bereits. Allen anderen wünsche ich viel Spaß beim Lesen.
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