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"Hast du eigentlich auch nur die geringste Ahnung davon, wie wir jetzt beim gesamten Rudel dastehen!? Ganz zu Schweigen vom obersten Rat?!"
Meine Mutter brüllte mich so zornig an, dass vermutlich jeder Werwolf im Gebiet sie hören konnte. Doch das machte ihr rein gar nichts aus. Sie schien so in Rage zu sein, dass sie kaum noch zu Atem kam und alles um sich herum ausblendete.
"Dein Vater hat sehr lange und hart dafür gekämpft, einen guten Eindruck beim Alpha zu hinterlassen und du - du-"
"Es reicht, Liebling", mischte sich mein Vater mit seiner gewohnten Ruhe ein und trat dabei nah an meine Mutter heran. "Sie hat es verstanden ... Das hast du doch, oder?"
Er warf mir ein sanftes Lächeln zu und ich liebte es, dass er zwar streng, aber kein Tyrann wie viele andere Wölfe war. Ich kannte immerhin die Väter der Mädchen aus meiner Schule. Allesamt nicht aufzuhalten, wenn etwas nicht so lief, wie sie es wollten. Mein Vater war anders. Er versuchte stets Verständnis für mich aufzubringen - ganz zum Ärgernis meiner Mutter.
"Das sagst du immer, Henry! Jedes Mal!", regte sie sich über seine Worte auf und lief dabei nervös auf dem braunen Teppich auf und ab. "Was wird das Rudel denken?! Was wird der Alpha von uns denken!? Wir stehen wie Idioten da!"
"Das lass meine Sorge sein."
Mein Vater stellte sich genau vor sie und hob ihr Kinn leicht an, um ihr ein bezauberndes Lächeln zu schenken. Sie schien allein durch seine so zarte Berührung ruhiger zu werden und sah anschließend tief durchatmend zu mir herüber.
"Geh nach oben. Wir sprechen morgen noch ausgiebig darüber", wies sie mich nun wesentlich sanfter an, doch als ich mich gerade herumgedreht hatte, fügte sie natürlich noch etwas hinzu. "Hausarrest! Eine Woche. Keine Besuche, keine Telefonate."
Auf ihre Aussage hin drehte ich mich sofort protestierend zu ihr herum.
"Ich bin 18 und-"
"Und solange du hier bei uns lebst, hälst du dich an unsere Regeln!"
Wütend darüber, dass ich trotz meines Alters wirklich noch Hausarrest bekommen hatte, verdrehte ich meine Augen und suchte auch sofort stampfend den Weg die Treppen nach oben. In meinem Zimmer angekommen, schloss ich die Tür und schnappte direkt nach meinem Handy, um Liriels Nummer zu wählen.
Während ich ungeduldig wartete, ob sie rangehen würde, bemerkte ich plötzlich einen Luftzug und wandte mich zu meiner Tür, durch welche in dem Moment meine Mutter eintrat.
"Das Handy. Jetzt!"
"Du warst nie jung, oder?", wollte ich frustriert wissen und beendete das Telefonat, um mein Handy etwas zu fest in ihre Hand zu drücken.
Sie erwiderte mir nichts und verschwand auch gleich wieder aus meinen Zimmer, was mir nur Recht war. Ich hasste es, wie ein Kind behandelt zu werden und es wäre sicher erneut eskaliert, wenn sie in meiner Nähe geblieben wäre ...
Vollkommen aufgebracht lief ich auf meinen Schrank zu und riss mir mein Kleid vom Körper, um mich nur in Unterwäsche vor dem Spiegel zu mustern. Eine Wölfin zu sein, erschien mir wie eine Last auf meinen Schultern. Nicht, weil ich das Gen verabscheute oder die Tatsache, sich verwandeln zu können. Es ging mir darum, dass alles nur mit Regeln und Verboten zu tun hatte. Nichts war einem erlaubt. Nicht mal mit seinen Freunden durfte man feiern. Sie behandelten uns alle wie Schwerverbrecher, dabei wollten wir nur Spaß haben!
Ich ließ meine Augen zu meinem Fenster schweifen und sah dem wunderschönen Mond entgegen, der mein Zimmer auf magische Weise erhellte. Es wäre sicher eine wunderschöne Nacht am Lagerfeuer geworden und dann, ganz plötzlich, als ich genau vor meinem Fenster zum Stehen kam, wirbelten meine Gedanken wieder zu dem Unbekannten ...
Seine gesamte Aura schien so stark und unbändig, dass alleine die Erinnerung an ihn all meine Sinne einnahm. Ich konnte ihn förmlich riechen, ohne dass er sich bei mir befand. Konnte die Dunkelheit seiner Augen erkennen, obwohl ich sie nur so flüchtig betrachtet hatte ... Seine dunkle Stimme ... Sein heißer Atem ...
Meine Atmung überschlug sich einige Male, da alleine die Vorstellung von ihm meine Wölfin durchdrehen ließ, doch lange hielt ich mich nicht in dieser Trance gefangen, da mich etwas zu Tode erschreckte.
"Marcy!", hörte ich Liriel und gleich danach wich ich erschrocken einen Schritt zurück, als sie einen Kieselstein etwas zu fest an mein Fenster schmiss.
"Bist du verrückt?!", sprach ich zischend und öffnete gleich darauf mein Fenster, um fassungslos zu ihr herabzusehen. Sie stand direkt unter mir und sah belustigt zu mir auf. Mir war klar, dass meine Eltern sicher ihre Anwesenheit schon gerochen hatten und ich machte mich jetzt schon bereit darauf, dass meine Mutter gleich wieder komplett ausrasten würde.
"Nein und du?", gab sie mir zurück und legte ein solch dämliches Grinsen auf, dass auch ich schmunzeln musste.
"Hast du keinen Ärger bekommen?", wollte ich wissen und sie schüttelte gleich verneinend ihren Kopf.
"Meine Eltern meinten nur, ich solle mich das nächste Mal nicht erwischen lassen."
"Hast du es gut", sprach ich schweratmend und lehnte mich mit den Armen auf meine Fensterbank. "Ich hab Hausarrest."
"Ach, bis nächstes Wochenende haben sie das vergessen, erst Recht, wo alle so aufgeregt sind."
"Was meinst du?", fragte ich neugierig und bemerkte dabei in der Dunkelheit hinter ihr Malachy, der an ihre Seite trat und ebenfalls zu mir aufsah. Da ich nur einen Bh obenherum anhatte, zog ich meinen Oberkörper etwas zurück und betrachtete weiterhin Liriel.
"Es war kein Rouge auf der Durchreise", erklärte sie und erzählte mir damit aber nichts, was ich nicht schon wusste. Ein Blick genügte, um zu erkennen, dass er ein Alpha war. Dazu auch noch mein Gefährte ... Diese Tatsache war aber etwas, was hoffentlich niemand so schnell erfahren würde. "Sie suchen ihn überall. Ich hab meine Eltern belauscht, nachdem sie ein Telefonat mit einem aus dem Rat geführt haben."
"Tja", entkam es mir und ich legte ein gespieltes Lächeln auf. "Das heißt wohl, dass nicht nur ich diese Woche Hausarrest habe."
Sie nickte und ich kannte die Vorsichtsmaßnahmen unseres Alphas in solchen Situationen nur zu gut. Er würde den Frauen und Kindern nur noch erlauben, die Schule und ihre Arbeit aufzusuchen, bis der Fremde abgehauen wäre. Natürlich mit ständiger Überwachung, was mich jetzt schon frustrierte. Einerseits war ich trotzdem erleichtert, dass dieser Unbekannte nicht so leicht an mich herankommen würde. Anderseits sehnte meine Wölfin sich nach ihm und machte mir mit ihrem Geheule das Leben jetzt schon schwer.
"Marcelina?!"
Ich hörte mit großen Augen die Stimme meine Mutter und wackelte sofort hektisch mit den Armen herum, was Liriel und Malachy dazu brachte, in die Finsternis abzuhauen.
"Bis Montag!", rief Liriel noch und ich knallte mit so viel Schwung das Fenster zu, dass der Wind meine hellen Vorhänge wild umherwirbelte.
"Ja?!", erwiderte ich meiner Mutter und sie kam erneut in mein Zimmer, um mich ausdruckslos zu mustern. Es dauerte aber nur einen kurzen Moment, da erkannte ich auch Sorge und Mitgefühl in ihren Augen.
"Mit deinen Freunden alles geklärt?", wollte sie leise wissen und verschränkte im Türrahmen stehend ihre Arme.
"Ich hab keine Ahnung, von was du redest", gab ich ihr unschuldig zurück und lief dabei direkt auf sie zu.
"Wir meinen es nur gut mit dir. Das weißt du doch, oder?"
Sie sah mit einem sanften Lächeln zu meinem Bett und wandte ihre Augen anschließend wieder zu mir, doch ich nickte nur, ohne ihr etwas anderes zu erwidern.
"Geh jetzt schlafen. Morgen gibt es einiges zu besprechen und mit Liriel kannst du dich Montag in der Schule noch unterhalten."
"Was gibt es denn zu besprechen?"
Ich wusste bereits, dass sie ebenfalls über den Unbekannten informiert worden war, doch sie würde mir die Wahrheit erst morgen sagen.
"Gute Nacht, mein Schatz."
Sie schenkte mir ein letztes Lächeln und schloss die Tür wieder von außen, was mich dazu brachte, mich erschöpft auf die Kante meines Bettes zu setzen.
So viel war passiert, dass ich nicht im Glauben war, heute überhaupt noch in den Schlaf zu finden. Am liebsten hätte ich mit jemanden darüber gesprochen - doch mit wem?
Meine Eltern würden auf meine neusten Offenbarungen hin ausflippen ... Sie hatten so lange versucht Kinder zu bekommen und nannten mich bis zu meinem 16. Lebensjahr ihr kleines Wunder. Die Tatsache, dass ich nun vom Gesetz her nicht mehr ihnen, sondern einem Fremden gehörte, würde ihnen das Herz brechen. Nicht nur brechen, sie würden vor Trauer vermutlich umkommen.
Und Liriel ... Sie würde mich in meiner Angst nicht ernst nehmen. Ich konnte mir schon vorstellen, wie sie erfreut umher tanzen würde, bei der Vorstellung, mein Gefährte wäre ein starker, mächtiger Alpha. Vermutlich würde sie eine Party uns zu Ehren schmeißen und vollkommen durchdrehen ...
Wenn man vom Teufel sprach ...
Ein erneuter Kieselstein, der an mein Fenster donnerte, riss mich aus meinen Gedanken und ich schnaufte kurz durch, um mich anschließend von der Kante meines Bettes zu erheben. Als ich dann jedoch schlagartig diesen männlichen Geruch wahrnahm und auch diese atemberaubende Hitze, die meinen gesamten Körper mit einem Mal durchströmte, blieb ich erstarrt stehen und fasste mir panisch an mein Herz.
"Das darf nicht wahr sein ..."
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