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Erschrocken über mich selbst, riss ich meine Augen auf. Meine Kehle wurde so trocken, dass ich das Gefühl bekam, nicht mehr schlucken zu können. Ich legte meine Hand um meinen Hals, während Kieran und Damien mich beide entgeistert musterten.
"Was?", fragte Kieran nach und als Damien daraufhin gerade ebenfalls einen Schritt auf mich zu machen wollte, stellte Kieran sich genau vor ihm auf. Er ließ nicht zu, dass Damien an mich herankam und hinter ihm stehend, erkannte ich, wie stark sein gesamter Körper bereits zitterte. "Rede! Was meinst du damit?!"
Kieran forderte eine Antwort, ohne sich dabei zu mir herumzudrehen. Er fixierte weiterhin Damien, während ich immer noch angestrengt versuchte zu Atem zu kommen. Dieser Beta verdiente seine Strafe, jedoch wollte ich sicher nicht, dass Kieran ihn gleich hier vor mir hinrichten würde.
"Antworte!"
"Er hat mich erpresst!", entkam es mir mit bebender Stimme und sofort drehte Kieran sich zu mir herum, um mich für einen Moment ohne Ausdruck zu mustern. Es schien, als würde er meine Worte nicht wahrhaben wollen. Als würde er verhindern wollen, seinen engsten Vertrauten zu verlieren. Doch ich sprach die Wahrheit, egal wie unerträglich sie zu verkraften war. "Er wollte, dass ich vor dem Rat gestehe keine Wölfin zu sein. Er wollte mir-"
Ohne mich ausreden zu lassen, hob Kieran seine Hand an und brachte mich damit zum Schweigen. Wie abwesend blieb sein starrer Blick an mir haften, bis ich erneut die Hitze seines Körpers spürte und ein tiefes Knurren seiner Kehle entkam.
"Sie lügt!", brüllte Damien und bekam aber einen solchen Schlag von Kieran ins Gesicht, dass er einige Schritte rückwärts taumelte und ebenfalls zu knurren begann.
"Du hintergehst mich!?", schrie Kieran, da schüttelte Damien den Kopf.
"Du bist es, der mich hintergeht, Alpha! Du schenkst ihr mehr Vertrauen als mir und das ist ein großer Fehler!"
"Weißt du, was ein großer Fehler ist!", setzte Kieran nach und fletschte bereits die Zähne. "Ihr nicht von Anfang an vertraut zu haben! Ich hab es schon immer gewusst! Doch ich wollte es nicht glauben! Wie soll ich glauben, dass der Junge, den ich vor Armut und Gewalt gerettet habe, derjenige wird, der mir ein Messer in den Rücken rammt!"
"Du hast mich gerettet!", brüllte Damien und ging einen Schritt vor, sodass sie genau voreinander standen. "Du hast mich nur mitgenommen aus Scham darüber, was dein Rudel meinem angetan hat! Du warst niemals meine Rettung! Du warst mein Untergang!"
Ich erkannte hinter Damien mehrere Wölfe aus dem dunklen Wald auf uns zu kommen. Sie alle waren groß und liefen langsamen Schrittes, während auch Kierans Großvater an der Treppe auftauchte.
"Komm, großer Alpha. Mal sehen, wie weit du jetzt noch kommst, wo du eine Zukunft gewählt hast, die deiner nicht würdig ist!"
Unsicher sah ich auf zu Kieran, dessen Hände zu Fäusten geballt waren. Er wollte ihn zerstören. Seinen Beta in tausend Stücke reißen. Ich spürte es, jedoch tat er es nicht. Er wandte sich stattdessen von allen ab und führte mich erneut zum Auto.
"Pass auf dein Bein auf", sprach er zu mir herab und ich ließ mich auf dem hinteren Sitz nieder. Bevor Kieran allerdings die Tür zu schlug, hörte ich nochmals die Stimme des Oberalphas.
"Du weißt, dass wenn du dich gegen meine Gesetze und Regeln entscheidest ein Krieg entsteht, den du nicht gewinnen kannst?", erklärte dieser und trat dabei mit einigen Wölfen hinter sich neben Damien. "Selbst dein Beta hat sich gegen dich gewandt. Ist es dir das wert? Ist dein Wolf so schwach, dass er Liebe über Macht stellt? Dass er lieber für ein unbedeutsames Mädchen stirbt, als für die Zukunft seines Rudels zu leben?!"
Kieran verharrte mit dem Blick zu mir herab gerichtet vor der Autotür. Ich traute mich nach all dem kaum noch, ihm in die Dunkelheit seiner Augen zu blicken. Ich hatte durchgehend Panik davor, er würde sich doch noch gegen mich entscheiden und mich diesen Wölfen hier vorwerfen. Er schlug jedoch im nächsten Moment meine Tür zu und lief um das Auto herum, um auf dem Fahrersitz Platz zu nehmen.
"Kieran!", durchdrang ein letztes Mal die Stimme seines Großvaters meinen Verstand, ehe Kieran mit Vollgas losfuhr und alles hinter uns ließ.
Mein Herz raste, obwohl die Lage sich entspannte. Es war jedoch ein vollkommen anderes Gefühl, welches mich schlagartig überwältigte. Da war keine Angst mehr - keine Panik ... sondern Schmerz.
Unausweichlicher Schmerz, der sich so intensiv in mir ausbreitete, dass ein leises Wimmern meine Lippen verließ. Nichtsahnend sah ich herab zu meinem Oberschenkel, im Glauben, meine Wunde würde mir diesen Schmerz zufügen. Doch sie war es nicht, was meinen Körper zum zittern und meine Augen zum Tränen brachte.
Es war er ...
Bestürzt suchte ich Kierans Gesicht im Rückspiegel und erkannte die Trauer in seinen dunklen Augen. Sie durchbohrte ihn und seinen Wolf. Drohte ihn vollkommen einzunehmen. Der Verrat an seinem Großvater. Der Betrug, den sein Beta ihm angetan hatte. Das Gefühl, alle verraten zu haben. Ich spürte diese Empfindungen, als wären es meine eigenen und wusste mit diesem Chaos meiner Emotionen nicht mehr umzugehen.
"Kieran", hauchte ich überfordert und legte mir eine Hand an die Stirn, von dem Gefühl überwältigt, nicht mehr klar denken zu können. "Kieran!", wurde ich lauter, doch er ignorierte mich und hab nur noch mehr Gas, während er das Lenkrad so fest umfasste, dass seine Knöchel bereits weiß hervortraten.
Sein Wolf durchlebte so viel Leid und ich, ich ließ mich seitlich auf das Leder der Rückbank fallen und begann so bitterlich zu weinen, dass ich beinahe an meinen Tränen zu ersticken drohte. Trotz der Abwesenheit meiner Wölfin, war ich verbunden mit ihm und seinen Gefühlen. Und ich hasste es, so zu empfinden! Noch mehr hasste ich aber in diesem Moment mich selbst! Ich hatte uns diesen Schmerz zugefügt, mit meiner Sturheit und meinem zornigen Drang, mich an ihm rächen zu wollen.
Ich lag einfach nur noch weinend da und lauschte den Reifen auf dem Asphalt, bis der Wagen zum Stoppen kam und Kieran mir voraus aus dem Auto stieg. Hektisch nach Luft schnappend, wartete ich darauf, dass er die Tür neben meinem Kopf öffnen würde. Doch es passierte nicht und vollkommen verwirrt darüber, wischte ich meine Tränen weg und erhob nur zögerlich meinen Körper, um hinaus in die Nacht zu schauen.
Die Villa befand sich direkt vor mir - doch ich entdeckte Kieran nicht. Einzig seine zerfetzten Klamotten lagen an der Seite der Straße, genau dort, wo der Wald begann. Das machte mir bewusst, dass er gegangen war. Er hatte sich verwandelt und brauchte Zeit, mit seinem Wolf wieder in Einklang zu kommen.
Mein Blick fiel zurück zur Villa und ich erkannte Petra, die im Türrahmen stand und fragend zu mir blickte. Eilig stieg ich aus dem Wagen und humpelte unter Schmerzen auf sie zu.
"Er kommt nicht", erklärte ich ihr, als sie irritiert an mir vorbei zum Wagen sah. Sie nickte jedoch und schloss die Haustür hinter mir. Ich sammelte mich kurz, dann lief ich vorsichtig weiter bis ins Wohnzimmer, wo ich einige Frauen am Tisch bemerkte. "Der Alpha hat sich für mich entschieden", sprach ich selbstbewusst und auch, wenn es nicht mein Recht war, die Frauen ohne seine Erlaubnis weg zu schicken, so tat ich es trotzdem. Er wollte mich und hatte an diesem Abend so vieles für mich aufgegeben, dass auch ich bereit war, auf ihn zuzugehen. Diese Wölfinnen, waren die letzten Hürde, die noch zwischen uns stand. Sie mussten weg! Jede einzelne. "Also packt eure Sachen und verschwindet!"
"Als hättest du uns was zu sagen", widersetzte sich die Rothaarige mir und lachte auf, da lief ich direkt auf sie zu und schnappte mir ihre Haare, um sie an diesen nach hinten zu reißen.
"Entweder - ihr geht jetzt sofort freiwillig, oder ich zwinge euch mit Gewalt! Glaube mir, ich würde mich für ersteres entscheiden!"
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