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"Er ist halt einfach ein Idiot. Nehmt es ihm nicht übel."

Während ich hinten im Cabrio saß, die kühle Abendluft genoss und darüber nachdachte, wie kindisch die Wölfe aus meinem Rudel waren, versuchte Malachy angestrengt Charlies Verhalten zu verteidigen. Mir waren seine Worte aber egal. Charlie hatte es sich bei mir versaut und das ein für alle Mal.

"Es ihm nicht übel nehmen? Hast du ihm eigentlich mal länger als eine Minute zugehört?"

Liriel starrte Malachy fassungslos an, doch dieser erwiderte ihr nur ein dämliches Grinsen auf ihre Frage. Als ich dann auch noch vom Rücksitz aus dabei zusehen musste, wie er ihre Hand fest in seine nahm und dieser einen Kuss aufdrückte, konnte ich gar nicht anders, als frustriert auszuatmen und meine Augen zu verdrehen.

"Eifersüchtig?", wollte Malachy wissen und sah mir dabei mit seinem provokanten Ausdruck im Rückspiegel entgegen. Doch Eifersucht war es sicher nicht, was ich empfand. Eher Mitleid, denn wenn erst Liriels Mate auftauchen würde, hätte Malachy keine Chancen mehr bei ihr.

"Total", gab ich ihm ironisch zurück und wich seinem Blick dabei aus, um mir für den Rest des Weges die dunklen Bäume und finstere Umgebung um uns herum anzusehen. Der dichte Wald hatte bei Vollmond eine faszinierende Wirkung auf mich und mir kam der Gedanke, dass meine innere Wölfin sich vielleicht deswegen bei mir gemeldet hatte. Es war immerhin mein erster Vollmond als Volljährige.

"Sag Mal, Liriel", flüsterte ich schließlich, als wir gerade in eine der kaum befahrenen Straßen einbogen, die zu einer großen Lichtung im Wald führte. "Hat deine innere Wölfin schon einmal mit dir kommuniziert?"

Ich lehnte mich neugierig etwas nach vorne an ihren Sitz, woraufhin sie sich sofort mit einem fragenden Ausdruck zu mir herumdrehte.

"Nein, wieso sollte sie?"

"Die meldet sich erst, wenn ihr euren Seelenverwandten gefunden habt", mischte sich Malachy ein und parkte dabei den Wagen am Rand der Straße, wo ich noch einige andere Autos in der Dunkelheit erkennen konnte.

"Das ist Schwachsinn", widersprach Liriel ihm. "Mein Vater hat gesagt, dass der innere Wolf bei deiner Volljährigkeit zu dir findet."

"Und du glaubst ihm?"

"Natürlich."

Ich hörte den beiden zwar weiter zu, doch ich hatte plötzlich eine innere Unruhe, die mich beinahe in den Wahnsinn trieb. Der bittere Gedanken daran, dass vielleicht Charlie mein Mate sein könnte, schnürte mir die Kehle zu und auch meine Hände fingen leicht an zu schwitzen. Immerhin schien meine Wölfin erst durchzudrehen, als er in meiner Nähe kam...

"Oh - fucking Shit!", platzte es plötzlich laut aus mir heraus und erschrocken, über mich selbst, hielt ich mir mit großen Augen die Hände vor den Mund. Malachy und Liriel drehten sich auf mein Gefluche hin sofort irritiert zu mir herum und verstummten, um mich eingehend zu betrachten.

"Was ist los?"

"Ich glaube Charlie ist mein Mate!", erklärte ich einem Herzinfarkt nahe und fasste mir dabei an meine schon bebende Brust.

"Wie kommst du denn auf sowas?"

"Weil-"

Ich kam gar nicht erst dazu, meine Vermutungen mit den beiden zu teilen, da wehte mir plötzlich ein unbekannter Geruch tief in die Nase und auch Malachy und Liriel streckten plötzlich ihre Gesichter etwas in die Höhe.

"Ein Ausgestoßener?"

"Er gehört definitiv nicht zum Rudel!", gab Malachy nachdenklich von sich und wollte gerade wieder den Wagen starten, da riss Liriel ihm aber die Schlüssel aus der Hand.

"Was hast du vor?"

"Wir sollten zum Rudelhaus! Wenn es ein Rouge ist, könnten wir Probleme bekommen, Liri!"

"Wir bekommen noch mehr Probleme, wenn unsere Eltern das alles hier herausfinden!", wurde meine beste Freundin lauter und als mein Blick anschließend zu Malachy herüberfiel, schien dieser sich über ihre Aussage köstlich zu amüsieren.

"Ihr denkt im Ernst, sie wüssten nicht, was ihr hier treibt? Ihr stinkt nach Rauch und Asche und glaubt mir, eure Eltern haben es im Gefühl, wenn ihr nicht Zuhause seid."

"Dann hätte Finn mich längst umgebracht! Außerdem ist es mir gerade auch ziemlich egal! Ich will etwas entspannen und dieser Geruch kann auch einfach nur ein Wolf auf der Durchreise sein! Entspann dich also."

Liriel stieg entschlossen aus dem Wagen und feuerte plötzlich die Autoschlüssel mitten zwischen die dichten Bäume um uns herum, um sich anschließend mit einem triumphierenden Lächeln wieder zu Malachy zu drehen.

"Es ist stockdunkel, aber mit etwas Glück, findest du den Schlüssel vielleicht ja doch...", grinste sie und während Malachy schon aus dem Wagen stieg, sah ich mich noch mal genauer um.

Es war wirklich stockdunkel. Einzig der Mond erhellte die unebene Straße etwas. Sah man jedoch in den Wald hinein, erkannte man sogar als Werwolf nichts außer finsterem schwarz.

"Du wirst dafür noch büßen", riss Malachys Stimme mich aus meiner Starre und als ich wieder zu den beiden sah, rannten sie schon den Weg entlang in die Richtung, wo man aus der Ferne das Lagerfeuer zwischen den Bäumen aufflackern sehen konnte.

"Wartet!", rief ich ihnen hinterher und erhob mich dabei aus dem Cabrio, um etwas unsicher auf meinen Füßen zu landen. "Hey! Ihr sollt-"

Ich verstummte augenblicklich, als erneut dieser Geruch in meinen Verstand strömte. Dieses Mal kam er mir um einiges intensiver und auch näher vor, was mir sofort eine unangenehme Gänsehaut über meine Arme legte. Ich stand einfach nur da - mitten auf diesem verlassenen Feldweg und fühlte mich vollkommen alleine gelassen, umgeben von diesem stockdunklen Wald.

Meine Augen waren auf das Ende von dem Feldweg gerichtet, während mir gleichzeitig auch der Geruch des Feuers in die Nase wehte und nur zögerlich drehte ich mich herum, wo ich aber weit und breit nur Finsternis erkannte.

"Charlie?", flüsterte ich aus meiner Verzweiflung heraus und zum ersten Mal in meinem Leben, hatte ich mir wirklich gewünscht, dieser Idiot würde einfach auftauchen und mir irgendeinen dämlichen Spruch drücken. "Wenn du es bist, dann komm sofort raus!", wurde ich lauter in meiner Panik und war kurz davor mich zu verwandeln. Jedoch würde der Alpha das sofort bemerken und meinen Eltern bescheid geben, deswegen versuchte ich meine Angst zu unterdrücken und wandte mich wieder zum Lagerfeuer herum.

Nervös setzte ich einen Fuß vor der anderen und wurde dabei immer schneller, bis ich aber ganz genau spürte, dass jemand sich genau neben mir im Wald befand. Ich hörte seine gleichmäßige Atmung. Spürte, dass er mich intensiv beobachtete und bekam das ungute Gefühl, dass der fremde Geruch von ihm ausging.

Ich ließ mir nicht anmerken, dass ich ihn bemerkt hatte und lief einfach weiter - solange - bis das laute Knacken eines Asts aus seiner Richtung ertönte und ich sofort wie erstarrt innehielt. Spätestens jetzt war ihm klar, dass ich ihn gehört hatte und ohne weiter nachzudenken, rannte ich sofort los zwischen zwei Autos hindurch auf die andere Seite des Waldes.

Immer weiter rannte ich in die Dunkelheit hinein und bekam kaum mehr Luft, so stark schlug mir mein Herz mir gegen meinen Brustkorb. Er würde mich einholen, darüber war ich mir im Klaren, jedoch hatte ich immer noch die Hoffnung, dass sich ein Jungwolf meines Rudels einen Spaß mit mir erlaubte. Wieso dann aber dieser fremdartige Geruch?

Als ich irgendwann an einen Baum gelehnt stehenblieb, hielt ich konzentriert die Luft tief in meinen Lungen. Ich wollte prüfen, ob ich ihn noch hören konnte. Da war jedoch kein einziges Geräusch mehr. Einzig der Wind wehte durch die Baumkronen über mir und machte den Wald damit noch mal um einiges gruseliger.

Erleichtert darüber, dass ich ihn anscheinend los geworden war, atmete ich mehrere Male tief durch und sah dabei meine Umgebung genauer an. Ich erkannte in dieser Dunkelheit jedoch rein gar nichts. Nicht mal meine eigene Hand hätte ich vor meinen Augen wahrnehmen können und so orientierte ich mich nur noch am Geruch des Feuers, um mich langsam wieder auf den Weg zu den anderen zu machen.

Vorsichtig lief ich zwischen den Bäumen hindurch und sah dann auch endlich in der Ferne das Flackern des Feuers, was aber schlagartig vor meinen Augen verschwand.

Irgendjemand riss mich ohne jegliche Vorwarnung grob an meiner Schulter herum und ich knallte voller Wucht mit meinem Rücken an einen Baum hinter mir, was für einen Moment so schmerzte, dass ich nur noch gequält aufstöhnte.

"Lass mich los!", herrschte ich den Unbekannten an und versuchte ihn dabei vergebens von mir wegzudrücken. Er war allerdings zu groß und zu stark, sodass ich keinerlei Chance gegen ihn hatte. Die Tatsache, dass er sich vermutlich ebenfalls verwandeln würde, wenn ich es tun würde, ließ auch dieses Vorhaben schnell wieder aus meinem Kopf verschwinden, also versuchte ich es mit flehen und betteln. "Bitte! Lass mich los!"

"Du gehörst mir!", knurrte er plötzlich laut auf und allein der Klang seiner dunklen Stimme, raubte mir für einen Augenblick die Luft zum Atmen. Ich konnte ihn in der Dunkelheit nicht erkennen und trotzdem, legte ich meinen Kopf leicht in den Nacken, um fassunglos zu ihm aufzusehen. Ich nahm seinen ruhigen Herzschlag wahr. Spürte dabei seinen heißen Atem auf meiner Stirn und auch seine warmen Hände, die mich immer noch fest fixiert an dem Baum drückten.

"W-a-s?", stammelte ich unsicher über seine Worte und presste im nächsten Moment meine Augen fest zusammen, als meine Wölfin erneut so laut aufwimmerte, dass mein gesamter Verstand zu dröhnen begann.

"Keine Sorge, kleine Mate. Sie wird bald aufhören", erklang erneut seine Stimme. Dieses Mal leiser und trotzdem mit solch einem bedrohlichen Klang, dass mir mit einem Schlag klar wurde, dass er ein Alpha war. Er musste einer sein.

"Mate?", hauchte ich vollkommen überfordert und wollte gerade wieder versuchen, mich aus seinem hartnäckigen Griff zu befreien, da hörte ich aber plötzlich die Stimmen von Malachy und Liriel hinter uns.

"Marcelina?!", riefen sie beide laut und nur kurz darauf, beugte sich der Alpha weiter zu mir vor, um seinen Mund genau an mein Ohr zu führen.

"Marcelina...", flüsterte er mit einem Hauch von Faszination und so schnell, wie er sich ruckartig wieder von mir löste und in der Dunkelheit vor mir verschwand, hätte man meinen können, er wäre nur ein Hirngespinst gewesen.

"Marcy! Ich finde das überhaupt nicht lustig!", riss die schrille Stimme meiner besten Freundin mich aus meinen Gedanken - doch ich konnte ihr nicht antworten. Viel zu eingenommen war ich immer noch von seinem Geruch, seiner Nähe und von seiner Präsens, die mich schon sehr bald in die Knie zwingen würde.

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Ich hoffe es gefällt euch bis jetzt ❤️

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