5. Kapitel

Die Kirchturmuhr schlug 12mal. Mitternacht.
Frierend zieht Teddy seine dünne Strickjacke fester um sich. Es ist Herbst in England. Ein sehr kälter Herbst.
Wenigstens kennt Teddy den Weg zum Bahnhof auswendig. Er durfte die Heimleiterin schon zweimal dorthin begleiten, um ein neues Heimkind abzuholen. Mrs. Meyers sagte immer, dass es einen besseren Eindruck auf die neuen machte, wenn sie von Kindern begrüßt wurden, die dasselbe Schicksal teilten wie sie.
Zum Glück sind nicht viele Menschen um diese Zeit auf der Straße unterwegs, sodass Teddy ohne Probleme bis zu der Unterführung kam. Er läuft die steinernen Stufen hinunter. Als er um die Ecke biegt, kommen ihm zwei laut quatschende Jugendliche entgegen. Teddy drückt sich an die Wand, damit sie ihn nicht sehen, doch sie spazieren an ihn vorbei, ohne ihn auch nur anzusehen. Schnell läuft Teddy in die Richtung in der die Gleisen liegen weiter.
Dort angekommen schaut er auf die Schilder die über ihn hängen.
Gleis 1,
Gleis 2,
Gleis 3,
Gleis 4,
Gleis 5,
Gleis 6,
Gleis 7,
Gleis 8,

Au einmal rennt er fast in eine Person hinein. Gerade reichzeitig kann er ausweichen. "Vorsichtig, junger Mann!."
Hört er eine tiefe Stimme rufen.
Teddy nickt ohne hinzusehen und will schnell weiter laufen, als dieselbe Person noch einmal ruft: " He, warte Mal!"
Erschrocken bleibt Teddy stehen. Der Mann dem die Stimme gehört ist ein Zugschaffner im mittleren Alter.
"Ja?" Fragt Teddy vorsichtig, bereit sofort weiter zu rennen.
"Was macht denn ein kleiner Junge wie du um diese Zeit am Bahnhof?"
Schnell versucht Teddy sich eine glaubhafte Erklärung zurecht zu legen.
"Meine Eltern sind da hinten irgendwo. Die warten schon auf mich. Wir wollen zu meiner Oma nach Schottland fahren."
Das klingt immerhin besser als: Ich bin aus dem Kinderheim abgehauen und will jetzt zu einer Zauberschule fahren.
"Aha." Sagt der Schaffner. Leider klingt er nicht ganz überzeugt.
"Ich muss jetzt wirklich gehen." Sagt Teddy noch einmal mit Nachdruck und sieht den Schaffner mit seinen "Bettelblick", den
Mrs. Meyers immer "Hundeblick" nannte, an. "Dann geh Mal schnell." Antwortet der Zugschaffner.
Ohne noch einmal zurückzuschauen rennt Teddy weiter den Gleis 8 entlang.
Endlich. Vor ihm hängt ein Schild mit einer großen neun darauf. Der Gleis ist verlassen. Nicht einmal ein Zug steht da.
Teddy bleibt atemlos vor einer der Verbindungswände stehen. Unsicher starrt er sie eine Weile an.
Er erinnert sich daran, was Harry ihn erzählt hatte, als er ihn vor vielen Jahren einmal gefragt hatte, wie er zum Gleis 9 3/4 gekommen war, wo es den doch eigentlich gar nicht geben konnte. Harry hatte nur gesagt, dass er einfach durch die Verbindungswand gerannt war. Da fand Teddy damals ziemlich beeindruckend, doch jetzt, wo er selbst hier vor dieser Wand steht, fragt er sich plötzlich, ob Harry ihm nicht einfach nur eine Geschichte erzählt hat. Aber wie soll er sonst zum Hogwarts Express kommen?
Ich muss es einfach versuchen. Dachte Teddy. Er ging ein paar Schritte von der Wand zurück, atmet einmal tief ein und wieder aus, ballt die Hände zu Fäusten und versucht die Stimmen aus seinen Kopf zu verdrängen, die laut schreien:
Tu das nicht! Das ist wahnsinnig! Du wirst dir nur umsonst wehtun! Geh wieder zurück ins Heim!
Er schließt die Augen, nimmt Anlauf und rennt auf die Wand zu.

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