Eine ernste Sache
Wo war das verdammte Ladekabel? Ohne dem würde mein Handy nicht mehr funktionieren. Und wenn hier wirklich ein Einbrecher war? Dann könnte ich nicht einmal die Polizei anrufen. Jetzt war ohnehin alles still. Wahrscheinlich hatte ich mich nur getäuscht. Wieder einmal meine Fantasie. In Deutsch wusste ich nie, was ich schreiben sollte, und jetzt malte ich mir die blödesten Sachen aus.
Draußen wurde es bereits hell. Ich hatte also die ganze Nacht durchgesucht. Musste ich heute überhaupt zur Schule? Heute war Freitag. Es war also schon egal, ob ich heute zur Schule ging, oder nicht. Dann hatte ich immerhin noch das ganze Wochenende, um mich auszukurrieren.
Ja, das machte ich! Ich erneuerte meine Verbände und Pflaster und legte mich anschließend wieder in mein Bett.
- Justin´s Sicht -
Sie kam heute schon wieder nicht. Ich beschloss, Mia nach Taras Handynummer zu fragen. Als ich hinter ihr stand, räusperte ich mich. "Ähm ... Mia?" Sie drehte sich überrascht um.
"Was ist?", schnauzte sie mich an.
"Ich wollte nur fragen, ob du mir vielleicht die Nummer von Tara geben kannst?"
"Wieso sollte ich? Und außerdem würde es sich eh nichts bringen - ihr Handy ist ausgeschaltet. Wahrscheinlich ist ihr Akku leer. Und ihr Aufladekabel, das findet sie erst in ein paar Tagen wieder. Das ist andauernd so bei ihr. Aber wenn du meinst ..." Sie gab mir tatsächlich die Nummer und ging dann davon, doch ich hielt sie zurück. "Hey, warte mal! Was ist mit Tara? Ist sie krank?"
Plötzlich traten Mia Tränen in die Augen. Sie drehte ihren Kopf weg, sodass ich sie nicht mehr richtig anschauen konnte.
"Sie ist krank", stellte ich fest.
"Es ... Oh, Gott. Sie ist ... ist verletzt", brachte Mia hervor. Auf einmal schlang sie ihre Arme um mich und schluchzte. Zuerst zögerte ich, doch dann steichelte ich ihren Rücken.
"Ey, Alter! Was is´n mit dir los? Du knutscht die Schlampe ab?", gröllten ein paar Schüler aus der sechsten Klasse. Plötzlich machte Mia einen Ruck und ging zwei Schritte nach hinten. Sie schien etwas verwirrt zu sein. "Ja, sie ist verletzt ...", wiederholte sie.
"Warum verletzt? Was ist mir ihr? Bitte sag es mir. Wer ist dieser Mann, der in dem Haus war, und von dem sie hineingezerrt wurde?", wollte ich wissen.
Mia schaute zu mir auf. "Der Mann? Das ist ihr Vater!"
Ich war geschockt. Mia zog mich in eine Ecke des Schulhofs und hockte sich ins Gras. Ich tat es ihr nach.
"Ihr Vater hat sie geschlagen. Das erste Mal. Ihm passt nichts. Und wenn man damit droht, die Polizei zu rufen, ist er gemein und brüllt dich an."
"Aber das hindert mich nicht daran, die Polizei zu rufen!", rief ich.
"Pssss! Leise du Vollpfosten!", mahnte mich Mia.
"Er hat sie auch missbraucht. Sie hat überall Narben, Schrammen und blaue Flecken. Deshalb kommt sie nicht zur Schule."
Jetzt verstand ich zumindest, warum Tara nicht in der Schule war.. "Aber wieso macht er das alles?"
Mia antwortete nicht. "Ich habe einen Zettel bekommen. Dass ich bald sterbe, steht darauf. Glaubst du das? Gestern in den Nachrichten haben sie gesagt, dass ein sechzehnjähriges Mädchen tot aufgefunden wurde. Und sie hat so eine Botschaft bekommen, genau wie ich!"
Das fand ich jetzt seltsam. Und gruselig. War hier etwa ein Mörder in der Nähe? Und genau jetzt klingelte es zur ersten Stunde. Wir gingen mit getrennten Wegen in die Klasse. Alle tuschelten und sahen dabei Mia und mich an. Ich schnappte einzelne Satzfetzen auf: "... ein Loser!
"Ist jetzt bei den Unbeliebten." Und so weiter. Ich fand Mia und Tara nicht so schlimm. Tara überhaupt nicht, nur schüchtern - und arm.
Nach den sechs Unterrichtsstunden suchte ich vergeblich nach Mia. Als ich sie in ein großes graues Auto einsteigen sah, gab ich es auf. Ich trottete langsam und nachdenklich nach Hause.
Dort angekommen, empfing mich meine ganze Familie mit Umarmungen, Küsschen und Glückwünsche. Ach, ja. Ich hatte heute Geburtstag. Doch dazu hatte ich keine Lust. Ich wollte Tara besuchen. Und ihr helfen. Sie retten!
"Schatz, was ist denn los mit dir?", fragte Mama und guckte mich besorgt an. "Tut dir was weh?"
Ich nickte und sagte, dass ich keinen Hunger hätte und ging in mein Zimmer, das ich mir mit meinem großen Bruder teilen musste. Nachdem ich schnell die Hausaufgaben hingeschmiert hatte, lief ich aus dem Haus Richtung Tara. Ich musste sie sehen!
Nach ungefähr zehn Minuten war ich dort, wo ich schon einmal war und fortgejagt wurde. Ich ging zur Haustür und lauschte.
Plötzlich packte mich jemand von hinten und gab mir ein Betäubungsmittel. Ich sah noch das Gesicht des Mannes, der anscheinend Taras Vater war ...
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