Kapitel 19

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DAS ABENDESSEN WAR ereignislos gewesen. Die Gespräche in dem Jugendheim drehten sich immer um dieselben Themen und waren einfach nur einseitig - wenn nicht primitiv. Was ihn heute daran gestört hatte war, dass er morgen Geburtstag 'feiern' würde und es niemanden von seinem sogenannten Freundeskreis zu interessieren schien. Eigentlich war es ja so wie jedes Jahr gewesen, doch er hatte damals auch noch geduldig gewartet, bis etwas passieren würde. Nun kam es eben dazu, dass er einsehen musste, wie bedeutungslos sein Leben war. Einfach nicht erwähnenswert.

Was hatte er auch erwartet?

Bellamy lag in seinem Bett und konnte nicht einschlafen. Normalerweise war ihm der Begriff Schlafprobleme ein Fremdwort, doch heute Nacht durfte er ausnahmsweise mit derartigen Problemen Bekanntschaft machen. Ihm war gar nicht aufgefallen, dass das Jugendheim in der Nacht so stark beheizt wurde. Vorsichtig schälte er sich aus der weichen Bettdecke, die durch den erwärmten Stoff auf seiner Haut nahezu brennende Spuren hinterließ. Gedankenverloren wanderte sein Arm Richtung Nachttischchen und griff nach dem kühlen, aber gleichzeitig vertrauten Gegenstand. Er umfasste das Objekt, nahm es in beide Hände und kühlte in erster Linie seine überhitzten Hände ab, genoss aber auch die beruhigende Wirkung, die es auf ihn hatte.

Aus irgendeinem Grund mochte Bellamy den Würfel. Auch, wenn er nichts konnte und das absolut Sinnloseste der Welt war, war er ihm wichtig. Er war das Einzige, was er von seiner Mutter geerbt hatte und besaß deswegen eine ganz eigene, besondere Bedeutung. Er musste schmunzeln, als er sich daran erinnerte, wie er einmal versucht hatte, das schwarze Ding zu verkaufen. Mit vierzehn, mitten in der Pubertät, hatte er versucht Geld aus ihm rauszuholen, indem er ihn als Kleinanzeige im Internet angeboten hatte. Leider hatte er keinen Erfolg gehabt, da der Würfel einfach wertlos war. Heute würde er dies so oder so nicht mehr tun, da ihm jetzt klar war, dass dieses Objekt ein Stück von seiner Mutter gewesen sein musste.

Der Braunhaarige seufzte vor Anstrengung. Seine Gedanken, die um den Sinn des Lebens kreisten, belasteten ihn in letzter Zeit viel zu sehr. Es dauerte noch lange, bis er endlich vom Schlaf abgelöst und auf den höchst ereignisreichen, folgenden Tag, vorbereitet werden würde. Doch in diesem Moment hatte Bellamy keinen blassen Schimmer davon, wie sehr sich sein Leben in Kürze verändern würde. Sein siebzehnter Geburtstag war nur der Anfang von etwas weitaus Größerem.

Geschockt blickten die beiden Tracer den Tracker an. Sie sahen sie an, als hätte Nolan gerade ihr Todesurteil ausgesprochen. Zuerst wussten sie nicht, was sie erwidern sollten, weswegen sie für eine kurze Zeit still blieben und nach den richtigen Worten suchten.

Mi war nicht aufgewacht. Sie lag im Koma. In Schwierigkeiten. Sie war eindeutig in Schwierigkeiten.

Nachdem Angel abermals geschluckt hatte, fragte sie mit ihrer heiseren, unsicheren Stimme die Frage, die ihr bereits lange genug auf der Zunge gelegen hatte.

"Dürfen wir sie nachher besuchen gehen-"

"Nein", widersprach Nolan emotionslos und direkt. Das Wort zerschnitt nicht nur ihren Satz in kleinste Teile, sondern drängte auch ihren Mut, der ihre Wünsche offen äußern ließ, zurück in ihr Innerstes. Streng blickte die Professorin die beiden perplexen und gleichzeitig gekränkten Jugendlichen an und warf sie förmlich mit ihrem scharfen Glitzern in ihren Augen aus dem Vorlesungssaal.

Als die beiden sich von Nolan knapp, aber höflich verabschiedeten, wurde das Gefühl von Trauer durch Frustration ersetzt. Die beiden hätten nur zu gerne gefragt, warum sie Mi nicht sehen durften, doch das wäre einfach nicht in Ordnung gewesen. Als Tracer mussten sie ihre Pflicht erfüllen und in gewissen Situationen einfach die Dinge so hinnehmen, wie sie waren. Normalerweise war dies auch kein Problem, doch die Sache mit Mi war einfach anders, nein, Mi war anders und sie war ihnen auch wirklich wichtig. Vor allem Angel hatte das plötzliche Bedürfnis, zu rebellieren nur mit Mühe geschafft, zu unterdrücken, was jedoch nicht hieß, dass sich Rae, so wie sie eben war, innerlich weniger beschwerte.

Angel und Rae gingen wortlos nebeneinander den Gang entlang, auf dem Tracer und Tracker umherliefen. Als sie in etwa außer Hörreichweite des Saals gewesen waren und bereits einige Male nervös zurück geblickt hatten, begann Rae schließlich ihre Meinung zu äußern, die sie schon die ganze Zeit hatte aussprechen wollen.

"Das gibt es doch nicht! Wie kann es sein, dass wir als Zimmernachbarinnen Mi nicht besuchen dürfen! Frechheit!", zischte sie wütend, aber nicht allzu laut, da sie außer Angels Aufmerksamkeit selbstverständlich keine andere erregen wollte. Es fiel ihr eindeutig nicht leicht, ihre Rage unter Kontrolle zu behalten, da sie sich zunehmend mehr verkrampfte.

Angel war zwar umso mehr frustriert, da sie sich in das Ganze viel mehr hineinsteigerte, war Rae jedoch bereits einen Schritt voraus. Während sich Rae noch ausgiebig ärgerte, investierte Angel ihre Energie bereits ganz wo anders hinein. Nämlich in das Denken. Während sich die Hoffnung in ihr zu keimen begann, drehte sie sich zu Rae und sah sie verdächtig optimistisch an.

"Wir tun es heimlich."

Rae schien das nicht so ganz zu verstehen, da sie verwirrt dreinsah und nicht so recht wusste, was sie darauf sagen sollte. Angel verdrehte die Augen, da es wieder so klar war, dass das Mädchen vor ihr auf derartig verbotene Dinge einfach nicht kommen würde. Dabei war sie der Typ, der eher draufgängerische Dinge machte und auch hierbei würde sie Angel keinesfalls im Stich lassen, da war sie sich sicher. Die Schwierigkeit hier war auch einfach nur das auf-die-Idee-kommen.

"Schau', wir schleichen uns einfach in der Nacht, wo es am günstigsten ist, weil uns niemand sieht, zu Mi in den Krankentrakt. Kannst du dich noch erinnern, als ich dir gestern das Wort abgeschnitten habe, weil du Jones die Wahrheit erzählen wolltest? Ich wollte eigentlich nur testen, ob es möglich ist, die Tatsache zu umgehen, dass wir etwas Verbotenes gemacht haben, indem wir außerhalb der erlaubten Zeit am Gang herumgelaufen sind. Klar, es gibt die Kameras, aber wenn die wirklich funktionieren würden, dann hätten die Tracker Mi doch schon geholt, bevor wir sie hätten finden können. So bin ich auf die Vermutung gekommen, dass es möglich wäre, dass die Kameras gar nicht einsatzbereit sind. Ach, und jetzt sieh an, noch kein Tracker der IUU hat uns in irgendeiner Weise verdächtigt - interessant, oder nicht?", erklärte Angel schnell, aber in einem konzentrierten Ton, darauf bedacht, ihre übertriebe Hoffnung im Rahmen zu halten.

Ihr Gegenüber kam offensichtlich nicht so ganz mit dem Informationsfluss mit, weswegen sie noch einige Sekunden brauchte, bis das Gesagte in ihr Gehirn gesickert war und bearbeitet werden konnte. Bevor Rae antwortete, blickte sie um sich herum, nur um festzustellen, dass sich der Gang leerte und somit der Lärmpegel sank. Sie beugte sich zu Angel vor und sprach in einer Mischung aus einem Flüster- und einem leisen Sprechton.

"Ja, ich kann mich noch daran erinnern und ja, du bist sehr aufmerksam und super-clever, wenn du das hören wolltest. Das heißt aber nicht, dass du mich jetzt so dumm darstellen musst, denn das bin ich nicht", stellte Rae scharf, aber für ihre Verhältnisse relativ ruhig und objektiv klar. "Wie auch immer - die Kameras sind hundert pro entweder kaputt oder es gibt sie gar nicht. Aber das ist auch nicht das Problem, eher frage ich mich, wie wir es schaffen können in das Krankenzimmer zu kommen, wenn erstens, die Tür zum Gang verschlossen ist - wollte heute früh schon zu Mi, deswegen weiß ich das - und zweitens, Jones dort twenty-four seven herumlungert."

Nun war es Angel, die eine kurze Denkpause einlegte, bevor sie etwas erwiderte. Sie hatte Rae unabsichtlich provoziert, was ihr nun leid tat, da es wirklich nicht ihre Absicht gewesen war. Sie musste aufpassen. Sie durfte Rae gegenüber nicht mehr so voreingenommen sein, sonst würde sie sie noch viel schneller verlieren, als es ihr lieb war. Trotzdem hatte sie das Gefühl, als ob Rae dies im Moment nicht wirklich persönlich nehmen wollte, da Mi ihr wichtiger war als alles andere. Deswegen ging sie ebenfalls nicht weiter darauf ein und kam genauso direkt auf den Punkt, wie Rae.

"Darüber habe ich auch schon nachgedacht und ich denke ich hab' einen Plan", behauptete Angel, die mit ihrer leisen Stimme unangenehmerweise die Stille des Gangs durchbrechen musste.

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Angel sah auf die Uhr und gab Rae ein Zeichen. Es war so weit. Sie öffneten ihre Zimmertüre, schlichen auf den Gang und begaben sich in leisen, tapsenden Schritten in genau die Richtung, in die sie auch gestern Nacht gegangen waren, als sie Mi zur Hilfe hatten eilen wollen. Nur so konnten sie auf Nummer sicher gehen, dass sie nicht aufgenommen wurden. Wie umherwandelnde Schatten hetzten sie die Stufen runter, von denen aus man entweder nach rechts zum Durchgang mitsamt Kuppel und Bibliothek kam, wo wiederum an der linken Seite die Öffnung zum Gang lag, der zum Krankenzimmer führte, man links zur Lounge kam, oder nach hinten, beziehungsweise unter der Stiege zum Trakt kam, in dem die Direktion und sonstige Räume lagen, in denen sich die Tracker aufhielten.

Am Fuße der Treppe stoppten die Tracer und sahen zur schweren Türe, die sich an der linken Seite des Durchgangs befand. Sie war wie erwartet geschlossen und verhinderte das weitere Vorankommen an ihren Zielort. Schließlich blickte Angel nach rechts, in die Lounge hinein, nahm Raes Hand und zog sie mit in diese Richtung. An der inneren Seite der Wand lehnten sie nun, was den Vorteil hatte, dass Individuen, die aus dem Krankenflügel kamen und an den Stiegen vorbei in Richtung der Direktion gingen, sie nicht bemerken konnten. Individuen wie Doktor Jones.

Möglicherweise sogar zum ersten Mal in dieser Minute, atmete Angel aus. Auch wenn sie sich bereit halten mussten, konnte sie sich kurz entspannen und versuchen, wenigstens ein wenig Stress abzubauen. Sie schloss für einen Herzschlag ihre Augen und überdachte ihren Plan. Die Sache war nämlich die, dass die Tracer in TS Dinge lernten, die ihnen bei bestimmten, verbotenen Handlungen helfen würden, aber, dass sie, warum auch immer, auf unerlaubte Ideen einfach nicht kamen. Es war ihr sowieso auch ein Rätsel, warum sie selbst auf gewisse Dinge nicht früher draufgekommen war.

Vor einigen Monaten hatten sie in einer Übung gelernt, dass jeder Tracker, der Teil des Personals war, sehr genaue, strenge Zeiten einhalten musste, in denen er arbeitete, oder eben nicht arbeitete. Diese Zeiten waren für Personen wie Jones, die in der Nachtschicht tätig waren, immer gleich. Die Art Pausen, die sie hatten, dauerten genau fünf Minuten und waren die perfekte Lücke für die beiden Tracer, um zu Mi vorzudringen. Die Zimmernachbarinnen hatten das Zeitfenster drei Uhr bis fünf nach drei gewählt und warteten nun, bis Jones das Krankenzimmer für genau fünf Minuten verlassen würde. Dass sie es verlassen würde, war jedenfalls sicher, da dies vorgeschrieben war und es nicht viele dieser Pausen gab, doch Angel hatte sowieso eine ganz andere Sorge.

Die Tür zur Krankenstation selbst war aus Sicherheitsgründen nicht verschließbar, doch die schwere Gangtüre, die in den Trakt führte und seit heute früh verschlossen war, bereitete ihr Kopfschmerzen. Von innen konnte sie zwar jederzeit geöffnet werden, doch wenn man außen stand, war man vom Krankentrakt ausgesperrt. Es sei denn man hatte einen Schlüssel, so wie die Tracker, doch sie ihnen zu stehlen war leider praktisch unmöglich. Deswegen hatten die Tracer einfach die primitive Idee gehabt, die Türe, nachdem Jones aus dem Trakt in die Direktion verschwunden war, vor dem Zufallen aufzuhalten, damit sie hineinkommen konnten. Trotzdem hatte Angel Bedenken, da ihr Vorhaben somit sehr einseitig und unsicher wurde. Doch da Rae sich plötzlich so hineingesteigert hatte und dafür gewesen war, dass sie das durchzogen, hatte sie bei der Sache im Endeffekt doch zugestimmt.

Angels besorgter Gedankengang wurde durch ein lautes metallisches Klacken und darauffolgende Schritte unterbrochen. Sie, aber vor allem Rae neben ihr zuckte erschrocken zusammen. Während die Schritte immer lauter wurden, presste sie sich immer fester an die Wand, bis die Schritte leiser wurden und Angel ein Blick aus der Lounge wagte. Rae schien durchzudrehen, als Angel derartig riskant handelte, doch Angel ignorierte sie und machte einfach schnell. Sie beugte sich noch weiter raus, obwohl sie nun Hände ergriffen und zurückhalten wollten, weswegen sie gegen Widerstand ankämpfen musste. Blitzschnell riss sie ihren Kopf zur Gangtüre. Stellte fest, dass sie nur noch ein Achtel von der ursprünglichen Größe geöffnet war. Adrenalin hetzte sie und ließ sie einige Schritte aus der Lounge stolpern, obwohl Doktor Jones noch praktisch auf dem selben Boden wie sie stand.

Noch bevor sie sich endlich aus Raes Griff befreit hatte, hörte sie ein aufgebrachtes Flüstern, doch Angel war nicht zu stoppen. Alles was sie sah, war die Tür, die nur noch einen Spalt breit offen war, als wäre das alles eine Metapher für Mis Zeitfenster und somit ihr Leben. Sie huschte so geräuschlos und doch so schnell, wie sie konnte auf die Tür zu, doch sie sah jetzt schon, dass es sich nicht ausgehen würde. Als sie nur noch zwei Meter entfernt war und die Zentimeter abnahmen, die sie noch geöffnet war, lenkte sie ihr Adrenalin auf ihre Konzentration. Sie fixierte einen Punkt vor der Türe, streckte ihre Finger nach vorne und ließ ihren Körper den Abstand überwinden. Noch bevor Jones überhaupt in einem Raum verschwunden war, klemmte Angels Hand zwischen Rahmen und Gangtür. Als sie in ihre Richtung sah und merkte, dass sie nicht aufgeflogen waren, atmete sie erleichtert auf und öffnete die Tür zum Trakt wieder. Sie hatte sich gerade zum ersten Mal außerhalb einer Arena gebeamt und es fühlte sich seltsamerweise nebensächlicher an, als es in Wirklichkeit war.

Rae ging zwar auf Nummer sicher und wartete noch einige Sekunden, bis sie zu Angel lief, hatte sich jedoch an den Plan gehalten und nicht vergessen, die Stoppuhr zu stellen. Während sie zu ihr rüber kam und durch die Öffnung schlüpfte, hielt sie bestätigend das kleine Accessoire nach oben. Sie hatten beschlossen die Smartphones im Zimmer zu lassen, da Angel plötzlich in Erwägung gezogen hatte, dass diese geortet werden könnten. Deswegen hatten sie Raes Sportuhr genommen, die sie normalerweise im Fitnessstudio verwendete. Auf Angel wartete sie nicht, da sie wohl doch ein wenig beleidigt war, da ihr mit der Aktion von gerade eben ein ordentlicher Schrecken eingejagt wurde. Angel kümmerte sich noch schnell darum, dass die Türe leise ins Schloss fiel und holte dann ihren Rückstand nach.

Als die beiden in die Krankenstation eintraten, kniffen sie ihre Augen zuerst zusammen, da sie das Licht blendete. Als sich Angels Augen an das helle Weiß des Raums gewöhnt hatten, war es nur noch Mis Haut, die sie blendete. Die Tracer waren so geschockt, dass sie alles vergaßen, was gerade passiert war. Mi war tatsächlich noch immer bewusstlos und sah auch nicht so aus, als würde sie bald aufwachen. Die Blässe stand ihr absolut gar nicht und ließ sie mehr tot als lebendig aussehen.

Während sie fassungslos vor der im Koma liegenden standen, wurde Angel bewusst, wie sinnlos das alles gewesen war. Wozu der ganze Aufwand, wenn sie ihr sowieso nicht helfen konnten? Hatten sie tatsächlich den ganzen Nachmittag mit Planen verbracht, nur um Mi sehen zu können? Wie konnte es sein, dass es bereits so weit gekommen war?

"Noch vier Minuten", stellte Rae fest, die sich um die Zeit kümmerte. Sie hatten lächerliche zwei Minuten, bis sie wieder verschwinden würden, da Jones theoretisch auch früher wieder kommen könnte. Jetzt fiel Angel auch wieder ein, was ihr so wichtig gewesen war.

Während sie nur mit Mühe ihre Tränen zurückhalten konnte, ging Rae, die trotzdem nicht weniger bedrückt aussah, näher an Mi heran, fasste sie jedoch nicht an. Angel versuchte ihre Stimme wiederzufinden, die durch einen Kloß in ihrem Hals blockiert wurde.

"Ihre Haare", brachte sie nur raus, bevor sie wieder versagte. Sie stand noch immer bei der Tür und schien auch nicht vorzuhaben, näherzukommen, da sie einfach hoffnungslos verkrampft war. Was sie jedoch genau beobachtete, war Raes Verhalten. Diese sagte zwar nichts, streckte allerdings ihren Arm nach einer von Mi Strähnen aus.

Was dann passierte, ließ Rae wohl beinahe aufschreien.

In dem Moment, in welchen sie Mis Kopf berührt hatte, war Mi nicht sichtbar gewesen. Für zwei Sekunden war der Metallblock leer gewesen. Mi war einfach verschwunden gewesen. Angels Augen weiteten sich, während Rae erschrocken zurücktaumelte und ihre zitternden Hände vor ihre Lippen schlug. Bestimmt wollte sie es verdrängen.

"Okay, das reicht. Lass uns abhauen", äußerte Rae, die ihre Augen gewaltsam von Mi zu reißen schien und auf den Boden richtete. Sie wollte die Wahrheit verdrängen - eindeutig.

Rae wartete darauf, dass sie durch den Ausgang lief oder dass sie sich irgendwie bewegte, doch Angel blieb regungslos stehen und blickte vollkommen ausdruckslos Mi an.

Erstens; Tracer können Menschen nicht zeichnen. Lucette war ein Tracer und hatte einen Menschen gezeichnet.

"Angel?"

Zweitens; Tracer können sich nicht unsichtbar machen. Mi war ein Tracer und konnte sich unsichtbar machen.

"Angel! Lass uns gehen!"

Es widersprach sich einfach alles. Es war einfach unglaublich, wie sie jetzt erst die Zusammenhänge sah. Doch es ergab Sinn. Jetzt wusste sie, warum Mi in PK so gut war. Warum Mi dermaßen durchgedreht war. Warum Rae die Wahrheit verdrängte. Warum sie Mi nicht hatten sehen dürfen.

"Bitte, Angel! Noch drei Minuten!", bettelte Rae, die Angel nun besorgt an den Schultern fasste.

Eine von Mis Strähnen war tatsächlich von den Spitzen bis zum Ansatz blau eingefärbt. Von diesem Ausmaß einer Anomalie hatten sie in TS noch nie etwas gehört. Von einer so lange anhaltenden Verbindung ebenso nicht.

"Zwei Minuten! Wir müssen jetzt gehen!! Bitte! Würde Mi wollen, dass wir erwischt werden?!", drückte Rae sich klar aus, während sie Angel inzwischen heftig durchgeschüttelt hatte und noch immer verzweifelt auf eine Reaktion wartete.

Als Mis Name fiel, erwachte Angel aus ihrer Starre und sah endlich in Raes verzweifeltes Gesicht. Diese merkte sofort, dass sich in Angel etwas getan hatte, ergriff ihre Hand und verließ mit ihr den kritischen Bereich der IUU, in dem sie sich befanden.

Wie konnte es nur sein, dass sie dermaßen dumm gewesen war? Wie hatte das passieren können?

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