Vom Vermissen, Nähe und der Angst sich zu zeigen

Mir schießen eine Menge Dinge durch den Schädel, sodass ich mir nicht sicher bin, wo ich am besten beginne. Gerade läuft nun alles drunter und drüber. Es ist eine merkwürdige Situation nicht raus zu dürfen, oder zumindest, so weit es geht drin bleiben zu sollen. Ich werde nun nicht über Viren schwafeln, nur ein paar Gedanken verlieren, die zwangsläufig damit zu tun haben. 

Normalerweise zwinge ich mich hin und wieder dazu Freunde, Bekannte oder neue Menschen zu treffen, weil es mir und meiner mentalen Gesundheit förderlich ist. Ich neige generell dazu zu wenig rauszugehen, in meiner Freizeit oder eben zu viel, sodass ich mich dann auch wieder nicht gut fühle. Deshalb schwanke ich eigentlich immer zwischen zwei Zuständen. Ich gehe ganz viele raus, treffe Freunde, unternehme Dinge bis zu dem Zeitpunkt, an dem mir alles zu viel wird und ich mir ganz viel Zeit für mich freischaufel und am Ende in Zustand zwei lande, wo ich das Haus gefühlt gar nicht mehr verlasse und ein Sozialleben wie eine Schlaftablette habe. Bis mir das dann irgendwann bewusst wird und ich mich dazu zwingen wieder mal häufiger die eigenen vier Wände zu verlassen. Das fällt mir unter gewöhnlichen Umständen bereits schwer und ich finde nie ein gutes Gleichgewicht. Normalerweise bin, wenn dann, ich selbst das Problem und nun kann ich mich gar nicht mehr einfach so mit irgendwem treffen, obwohl ich den Zustand des Soziallebens einer Schlaftablette längst in einem Übermaß ausgereizt und erkannt habe „Mädchen, du musst mal wieder unter Leute". Aber das geht unter den gegebenen Umständen natürlich schlecht bzw. wäre viel zu unverantwortlich. Also begann ich bereits sogar zu skypen und es ist natürlich besser als nur ständig zu schreiben, bis man sich irgendwann kaum noch an die Stimme des anderen erinnert, aber selbst mit dieser Art des Kontaktes fehlt irgendwie etwas. Ich habe gefühlt hundert Jahre niemandem mehr die Hand geschüttelt, geschweige denn umarmt oder gar noch mehr und das macht doch einen größeren Unterschied als man denken mag. Nun mache ich allein Sport, gehe sogar mehrmals die Woche joggen und rolle meine Yogamatte aus. Ich meditiere und tue all die Dinge, die irgendwie helfen sollten und bestimmt tun sie das auch, denn ich habe schließlich keinen Vergleich und weiß nicht, wie ich mich fühlen würde, würde ich nichts davon tun.

Während ich das schreibe bin ich die ganze Zeit nicht sicher, ob das alles nicht viel zu privat ist. Irgendwie wird das hier allmählich eine Art Tagebuch, aber was soll's.

Es fühlt sich seltsam an, Menschen zu vermissen und nicht zu wissen wann man sie wieder sehen darf. Da gibt es diese Zeile in Jujus Song Vermissen.

Ich vermisse dich, vermisse ohne Schwerkraft.


Ich habe nie verstanden was das mit der Schwerkraft soll und vielleicht interpretiere ich es noch immer falsch, aber irgendwie passt es gerade auf meine und wohl auch die Situation vieler anderer. Vermissen ohne Schwerkraft, ohne Warten auf das Nächste Treffen an diesem und jenem Tag. Denn diese Treffen sind nicht geplant, können noch nicht geplant werden. Und es ist ein anderes, viel schlimmeres Vermissen, wenn dabei die Klarheit fehlt, fast wie Liebeskummer, wenn etwas gänzlich in die Brüche ging und man davon ausgeht, dass man sich nie wieder treffen wird. Wenn man jemanden, sagen wir, bis zum nächsten Freitag vermisst, schwingt da auch immer eine gewisse Freude mit. Vorfreude auf das Wiedersehen, die alles Vermissen direkt wett macht. Aber wenn man diesen Zeitpunkt auf den man sich freuen kann, nirgendwo auf der Zeitachse einordnen kann, weil gerade alles ungewiss ist, so ist man einfach nur traurig und das vermissen schmerzt.

Generell hat sich mein Leben in den letzten Monaten eigentlich in eine gute Richtung entwickelt, ich war dankbar für vieles. Ich hatte und habe noch immer eine Menge Probleme, aber irgendwie auch das Gefühl etwas mehr zu dem Punkt gefunden zu haben, an den ich einfach hingehöre. Ich weiß nicht wie das bei euch ist, aber für mich ist das hier völlig anonym. Niemand weiß davon. Meine Freunde wissen, dass ich schreibe, aber, dass ich etwas davon ins Internet hochlade, davon haben sie nicht die leiseste Ahnung. Eigentlich ist das auch gut so, denn dadurch kann ich hier viel freier schreiben und es bleibt klarer von meinem echten Leben getrennt. Niemand spricht mich darauf an oder macht sich direkt Sorgen, wenn es mal etwas trauriger wird und ich meine einiges, z.B. die nie versendeten Briefe wären kaum möglich, wenn ich davon ausgehen sollte, die betroffenen Personen könnten hier theoretisch mitlesen. Ich meine eine gewisse Unsicherheit bleibt immer bestehen, stolpert eventuell irgendwann jemand hierüber und merkt beim Lesen einfach, dass ich das bin oder blickt auf mein Handy, wenn ich Benachrichtigungen von Wattpad erhalte oder stößt auf mein Profil, wenn er oder sie meinen Computer verwendet. Ich mag paranoid sein und die Welt würde dadurch schließlich nicht untergehen, aber ich bin der Meinung, manche Dinge sollten besser verborgen bleiben. Jeder Mensch hat ein Recht auf ein paar Geheimnisse und eigentlich war das bisher in meinem Leben keine Schwierigkeit, denn ich hatte wohl wenige Menschen, die mir so nahestanden, dass sie alles über mich wissen mussten. Da war ein bisschen Doppelleben gar keine große Sache und Doppelleben ist nun auch übertrieben. Schließlich ist es auch nur ein Aspekt von mir, ein Hobby, über das ich nicht rede. So etwas haben doch einige Menschen. Andere Leute gehen in Swingerclubs, leben in ihrer Freizeit ihren Fetisch aus indem sie in Latex verpackt durch die Stadt marschieren und wieder andere schreiben gar ganze Bücher unter einem Pseudonym. Manche Hobbys hängt man nicht so an die große Glocke. Trotzdem hat sich das in den letzten Monaten nun so ergeben, dass eine Person in mein Leben trat, die mir immer näher zu stehen scheint, sodass ich gar nicht mehr sicher bin, ob ich diesen Teil von mir– das hier – dauerhaft vor ihr geheimhalten kann. Manchmal sitze ich da, momentan natürlich eher in telefonischen Gesprächen, und dann gibt es bestimmte Momente im Gespräch, da denke ich, eigentlich müsste ich nun hiervon erzählen. Teilweise glaube ich auch, dass ich, wenn ich es nicht freiwillig und bewusst tue, irgendwann ausversehen etwas sagen werde, das mich entlarven wird. Da ist genug vertrauen dieser Person gegenüber, aber dennoch glaube ich es ist nicht unbedingt gut, wenn jemand so viel weiß. Da gibt es doch schließlich eine Grenze, die man nicht unbedingt überschreiten muss. Ehrlichkeit ja, aber muss man sich alles sagen und sollte man das? Und wenn nicht, wo ist da die Grenze bzw. wo sollte man sie setzen.

Ich glaube, ich habe auch ein Problem damit, dass ich oft so wenig von mir zeige, da ich so verdammt introvertiert bin. Da gibt es diese Menschen, die einfach direkt alles hinausplaudern, das sie so beschäftigt und bewegt, dass sie überhaupt niemals vor diesem Problem stehen könnten. Und dann gibt es solche Personen wie mich, die viele Dinge für sich behalten und dann auch oft völlig falsch eingeschätzt werden, von ihren Mitmenschen. Ich hatte noch nie wirklich beste Freunde, die „alles" über mich wussten und um ehrlich zu sein habe ich früher immer gedacht, solche Menschen gibt es für mich nicht. Dabei habe ich wohl auch ein großes Problem mit Nähe und mir deshalb unterbewusst extra Personen gesucht, mit denen da niemals eine stärkere Nähe entstehen kann, weil sie sich viel zu sehr von mir unterscheiden. Und nun hat mich das Leben, mit seinen Zufällen vom Gegenteil überzeugt und ich habe einen solchen Menschen gefunden, der eigentlich verdient hat auch das hier zumindest irgendwann zu erfahren. Doch ich habe Angst davor. Es ist mir unangenehm und irgendwie will ich es auch nicht. 

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Heute empfehle ich euch Stone Sour und weil mir der Song als erstes eingefallen ist, findet ihr oben "Through Glass"

Wenn ihr mögt, lasst mir gerne eure Gedanken zu dem Text da. Würde mich wirklich interessieren. 

Ich hoffe es geht euch gut.

Danke fürs Lesen und bis zum nächsten Mal :) 

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