Über Ideologien, Identitäten und die klare Kante
Jemand aus meinem Umfeld ist Fan von Freiwild und den Böhsen Onkelz. Er geht auf Konzerte und Festivals dieser Bands und ist auch sonst deutlich konservativer und heimatverbundener eingestellt, als ich. Wir hatten bereits oft Diskussionen über die Flüchtlingspolitik und ja manchmal kommen auch Gespräche darüber zustande, ob der Klimawandel wirklich menschengemacht ist, durch das ganze C02, das wir in die Luft pusten. Nun habe ich mich häufig gefragt, ob man sowohl diesen Bands, als auch der AfD vorwerfen kann, sie wären rechtsextrem. Denn rechtsextrem bedeutet gewaltbereit zu sein und sehr radikale Ansichten zu vertreten. Ich dachte, kann man nicht auch AfD wählen, weil man die eigene Meinung im Parteiprogramm der AfD am ehesten wiederfindet? Einfach, weil man konservativ ist und ein in meinen Augen zwar falsches und merkwürdiges Weltbild hat, aber deshalb nun noch lange kein Nazi ist. Ich dachte Menschen, die die Nazikeule schwingen, sobald jemand irgendwas sagt, das auch nur in irgendeiner Form dem rechten Spektrum zuzuordnen wäre, machen es sich zu leicht. Die haben niemanden in ihrem persönlichen Umfeld, den sie nicht einfach so hassen können, nur weil er anders denkt. Die kennen niemanden, der ohne große Ideologie dahinter Freiwild- Musik hört, weil sie ihm einfach gefällt. Nun glaube ich aber, dass genau da der Knackpunkt liegt. Die Menschen, die sich nicht klar und deutlich von Rassismus distanzieren, machen soetwas wie die AfD groß und stark. Wenn eine Band Nazis mit ihrer Musik anzieht, dann kann sie sich nicht aus der Verantwortung ziehen. Auch wenn die Bandmitglieder selbst wirklich keine Rechtsextremen sind und sich klar vom Nationalsozialismus distanzieren, ziehen sie sich damit nicht aus der Verantwortung. Das ist nicht authentisch!
Wenn ich ein Restaurant eröffne und Eintopf dort auf der Speisekarte steht, was dann aus unvorhersehbaren Gründen dazu führt, dass plötzlich lauter Nazis bei mir eintrudeln, weil Hitler Eintopf geliebt hat, dann kann ich vielleicht nichts dafür, aber dann muss ich auch das Rückrat haben und mein Geschäft schließen oder zumindest den leckeren Eintopf von der Karte streichen oder die Wände mit Anti-rassistischen- und Pro-Alle-Menschen-sind-gleich- Sprüchen zutapezieren. Wenn ich mich einfach nur hinstelle und sage, dass ich Nazis ja auch scheiße finde, aber das nun mal nicht meine Schuld ist und dann einfach so weiter mache und durch hungrige Nazis Geld scheffle, ist das nichts als scheinheilig. Und das ist das gleiche mit der AfD. Einige Leute in der Führungsspitze mögen die Wahrheit sagen, wenn sie sich von Hitler und Co distanzieren, aber solange sie in Kauf nehmen und davon profitieren, dass sie und ihre Partei von Nazis und Rechtsextremen unterstützt werden, ist das nichts als scheinheilig. Klare Kante zeigen, Freunde. Jeder, der die AfD wählt, unterstützt all die Parteimitglieder und Wähler, die rassistisch und rechtsextrem sind. Auch, wenn sie selbst es nicht sind.
Jeder, der auf Konzerte geht, auf die auch Nazis gehen, unterstützt diese Nazis. Denn damit drückt man aus, dass man ihre Ansichten akzeptiert und legitim findet. Denn man hat schließlich nichts dagegen einen Abend mit ihnen auf einem Konzert zu verbringen. Und das ist gefährlich.
Sieht man sich die Texte von Freiwild an, braucht man sich nicht zu wundern, warum sich davon auch rechtsradikale Menschen angesprochen fühlen. Ich möchte nicht sagen, dass Heimatliebe und Patriotismus grundsätzlich verwerflich sind, aber solche Aussagen gehen dann doch etwas weiter und schlagen deutlich über die Stränge:
"Keine Gnade und im Zweifel nichts für dich
Heut gibt's den Stempel, keinen Stern mehr
Und schon wieder lernten sie es nicht
Und sagst du mal nicht Ja und Amen
Oder schämst dich nicht für dich
Stehst du am Pranger der Gesellschaft und man spuckt dir ins Gesicht"
~Wir reiten in den Untergang
Freiwild vergleicht die Kritik an ihnen also mit der Verfolgung der Juden in der NS-Zeit?! Das gepaart mit jeder Menge Südtiroler Nationalstolz und dann wundern sie sich, dass sie damit auch Nazis ansprechen. Ich glaub denen kein Wort. Vielleicht haben sie sich vom Extremismus distanziert, aber was die jetzt wirklich glauben, finde ich ganz schwer einzuschätzen. All die Statements wirken auf mich eher wie ein Zurückrudern, nach irgendwelchen Aussagen ihrerseits für die es zu viel Gegenwind gab. Das müssen sie aber irgendwie ja auch tun, um nicht verboten zu werden. Und diese Opferrolle und der Hass auf "Gutmenschen" kommt mir auch irgendwie bekannt vor. Ach ja, das war ja die AfD.
Das Ding ist, ich kann natürlich FreiWild hören ohne rechts zu sein. Ich kann schließlich auch Rechtsrock hören ohne Nazi zu sein. Aber rechtfertigt es das? Irgendwie unterstütze ich damit ja trotzdem eine rechte Band und rechtes Gedankengut. Und FreiWild spielt halt schon immer hart mit dem Feuer und testet Grenzen aus. In Wahrheit glaube ich, die wollen wirklich nichts Böses und sind eigentlich herzensgute Leute, verstehen nur selbst nicht so ganz, was sie da eigentlich machen und flüchten sich dann in die Opferrolle, weil man ihnen ihren Patriotismus angeblich nicht erlaubt. Dieser Philipp Burger(Sänger der Band, früher Skinhead und Teil der Rechtsrock-Band Kaiserjäger) scheint ein völlig zerrissener Mensch zu sein, der nicht damit klar kommt, nicht gemocht zu werden. Ein Nazi zu sein widerspricht sich mit dem Bild, das er von sich haben möchte. Deshalb immer dieses Zurückrudern, dann aber auch wieder diese rechten Tendenzen, die er wohl einfach verinnerlicht hat und nie so richtig loswurde. Da scheint ganz tief in ihm drin immer eine gute und eine schlechte Seite gegeneinander zu kämpfen und manchmal fehlt ihm vielleicht auch ein wenig die kognitive Fähigkeit. In einem Zug stellt er sich klar gegen Nazis und im nächsten beschwert er sich dann über das Land, das in dazu zwingt das zu tun [1], ohne zu checken, dass das so wirkt. Würde er ein einziges Lied machen, in dem er sich klar, deutlich und empathisch gegen Rassismus und den Nationalsozialismus stellt, ohne sich dabei zu verteidigen, und ohne im gleichen Song von Heimatliebe oder ähnlichem zu sprechen, würde ich ganz anders von ihm denken. Der ist kein Opfer, der fügt sich nur selbst in die Opferrolle ein. Die stellen sich zwar gegen Faschos, sogar auf Gegen-Nazi-Demos und schreien auf Konzerten Nazis raus, aber in Wahrheit bieten sie selbst die viel größere Gefahr, genauso wie die AfD. NPDler gelten mittlerweile- zum Glück- im gesellschaftlichen Tenor als verachtenswert. Da ist die Hemmschwelle schon deutlich größer sich solchen Gruppen anzuschließen, besonders wegen der deutschen Geschichte. Nazi ist ein Wort mit dem man nur schlechtes assozieren kann, wenn man noch alle sieben Sinne beisammen hat und ein Nazi, das will natürlich niemand sein. Das sollte man zwar auch nicht verharmlosen, aber, wenn man nationalistisches Gedankengut hat und dementsprechend politisch etwas verändern möchte, ist es dann aktuell nicht schlauer sich der AfD anzuschließen und ist die nicht auch gefährlicher, als die NPD, die (hoffentlich) eh nicht über die 5%-Hürde kommt. Ich glaube Rechte können aktuell nur noch viele Menschen erreichen, wenn sie sich klar gegen Nazis stellen, aber unterschwellig brodeln doch überall wo es in die rechte Richtung geht Rassismus und Antisemitismus genau wie damals und das, was sich da zusammenbraut ist in meinen Augen viel gefährlicher, als die NPD.
Das einzige was man jetzt noch zur Verteidigung FreiWilds sagen könnte, ist, dass es Patriotismus und Heimatverbundenheit nun mal gibt und es dann besser ist, wenn Leute, die viel Wert darauf legen von einer solchen Band aufgefangen werden, als sich in einer Gesellschaft in der das schon etwas verloren geht vor den Kopf gestoßen fühlen, weil sie das nicht ausleben können oder zumindest das Gefühl haben, das nicht zu dürfen. Ich verurteile niemanden der patriotisch ist. Nur ist es eben schon nochmal etwas anderes für sich zuhause Traditionen auszuleben und wegen mir sich ne deutsche Flagge an die Hauswand zu hängen, als vor großem Publikum davon zu singen und es ganze Abende lang zu zelebrieren. Es ist etwas anderes etwas als Privatperson zu denken und auszusprechen, als es in Musik einfließen zu lassen und im Internet zu verbreiten, wo es mehrere Millionen Klicks erhält. Und wenn du in der Öffentlichkeit stehst bist du verantwortlich für das Bild, das durch das, was du sagst und tust von dir entsteht. Und ja, auch dafür welche Menschen sich davon angesprochen fühlen.
-Never tolerate intolerance-
Nun drehen wir das ganze mal um. Denn viel zu schnell wird behauptet, aber bei Linken ist es dann okay, oder was? Und diese Frage habe ich mir auch gestellt. Bin ich nicht genauso, wenn ich manches mal Fahnenflucht mit
"Gewalt ist keine Lösung, trotzdem kann sie Mittel sein" [2]
oder Swiss und die Andern mit
"Ich dreh mich um, heb die Waffe, ziel' auf die Bullen, es macht Bang, Bang, Bang, Bang"[3]
hörte, ohne selbst linksextrem und vor allem nicht gewaltbereit zu sein. Ich würde schließlich auch keine kommunistischen Parteien wählen und sträube mich auch immer gegen die Linken, genau aus dem Grund, den ich nicht-extremen- AfD-Wählern vorwerfe. Sie nehmen Leute wie Björn Höcke in ihrer Partei in Kauf. Ich lehne Bankenverstaatlichungen usw ab und schließe die Linke damit aus, auch wenn ich immer wieder darüber nachdenke links zu wählen, wenn ich frustriert bin, wenn ich mir vor den Wahlen ansehe, für was sich welche Partei einsetzen möchte und man all die leeren Floskeln hört. Ich finde jedoch schon, dass man links und rechts unterscheiden muss. Wenn man sich Statistiken ansieht [4], erkennt man, dass auch die Linken, nicht ganz unschuldig sind, aber das Motiv ist anders. Ich meine Gewalt aus purem Hass, ist etwas anderes, als Gewalt aus Liebe, weil man glaubt damit die Welt zu verbessern. Für den Menschen, den die Gewalt trifft, macht es das jedoch auch nicht besser. Die Frage ist nur, würden linke Ideologen jemanden einfach so zusammenschlagen? Für Nazis reicht es, wenn jemand schwarz ist oder einer anderen Nation angehört, um Gewalt gegen ihn anzuwenden. Für Linksextremisten kommt es darauf an, was jemand denkt.
Der Zweck heiligt also die Mittel?
alá keine Gewalt ist auch keine Lösung?
Das kann auch nicht richtig sein. Nazis zu hauen ist nicht okay, nur weil Rassismus zu verurteilen ist, weil, wie wir alle im Kindergarten gelernt haben, hauen ist immer böse. 2015 gab es sogar mal eine Schlägerei bei der angeblich Fans von der linken Band Feine Sahne Fischfilet, auf Menschen mit Freiwild-Shirts losgingen [5]. Das geht natürlich gar nicht und zeigt, dass linke Ideologien auch nicht ganz koscher und ungefährlich sind. Eine politische Entwicklung, die bereit ist Gewalt gegen Andersdenkende anzuwenden, kann doch sicherlich nicht zu einer besseren Politik, einem besseren System führen. Zu glauben, die Umsetzung von Ideen mit Gewalt, führt zu einem friedlichen Ergebnis, der belügt sich selbst. Ich glaube, ein richtiges, friedliches Verhalten vorzuleben, Zivilcourage und das Zeigen einer klaren Kante, ist das einzige, das zu etwas Gutem führen kann.
Wenn ihr bereits andere Texte von mir gelesen habt [6], wisst ihr, dass ich gerne darüber philosophiere, ob diese Welt besser sein könnte, ob wir in einem anderen System besser leben könnten und, inwiefern es möglich ist, dorthin zu gelangen. Jedenfalls glaube ich daran, dass es andere Gesellschaftsformen gäbe, die in meinen Augen besser für uns alle wären. Jedoch stelle ich es mir nahezu unmöglich vor alles soweit umzukrempeln, damit das funktionieren würde, so wie wir es uns in der Theorie vorstellen.
Die Frage ist auch, wie weit kann man für seine Ideen gehen. Wie weit würdest du gehen? Rechtfertigt der Wunsch nach einem anderen System, die Anwendung von Gewalt bzw. die Zulassung von Entwicklungen die zwangsläufig zu Gewalt führen? Nein. Bin ich also ein Pazifist oder würde ich doch Steine schmeißen, in bestimmten Situationen?
CDU Politiker würden mich nun als Gefahr einstufen. Aber mal ehrlich, so einfach ist das nicht. Mir und ganz vielen anderen in Deutschland geht es zwar gut, gerade, und ich lehne Gewalt ab, aber was, wenn man sich und wir uns nur noch durch Gewalt verteidigen können?
Eine Revolution ohne Gewalt ist schwer vorstellbar. (Wobei Gandhi genau das geschafft hat.) Und auch, wenn wir einmal von dem Revolutionsthema weggehen und uns anderen Themen widmen, wie dem Massensterben im Mittelmeer, bin ich nicht sicher, ob friedliche Demos die Lage verändern würden. Je mehr Krawall, desto mehr Aufmerksamkeit und die braucht es, um große Dinge zu verändern. Würde ganz Europa ab Montag nicht mehr arbeiten gehen, so lange, bis die Politik eine Lösung findet und verhindert, dass weiterhin Flüchtende unsinnigerweise ertrinken müssen, würde sicher etwas passieren. Aber das ist sehr unrealistisch. Ganz Europa wird niemals ein und derselben Meinung sein und wenige Menschen erreichen die gleiche Aufmerksamkeit nur durch Provokation und alles, das Krach macht. Trotzdem: Ich glaube, ein richtiges, friedliches Verhalten vorzuleben, Zivilcourage und das Zeigen einer klaren Kante, ist das einzige, das zu etwas Gutem führen kann.
Bin ich also doch eine Pazifistin.
Ich glaube eher an eine Veränderung aus dem System heraus. Nicht von außen, durch Gewalt, sondern von innen durch friedlichen Protest und positiven Antrieb. Und kommt schon, es ist nicht alles schlecht genug, um einen knallharten Umsturz zu rechtfertigen, koste es was es wolle. Ich denke eher an einen Baukasten, bei dem man Stein für Stein verändert. So kann sich mit der Zeit alles verändern und weiterentwickeln, ohne Gewalt und die Gefahr, dass alles schief geht und die falschen zu viel Macht erhalten. Ja gut, ein bisschen ist diese Gefahr immer da, aber bei dem Baukasten-Modell ist sie immerhin geringer, als bei einer Revolution, bei der alles in Schutt und Asche gelegt wird.
Die AntiFa mag gute Absichten haben und in gewisser Weise etwas Gutes damit tun den Rechtsextremen so viel Gegenwind wie möglich zu bieten. Aber gleichzeitig bietet auch die AntiFa paradoxerweise die Gefahr des Faschismus-Linksfaschismus. Überall wo es Ideologen gibt, gibt es auch Faschisten, Kriminelle oder Gewalttäter. Und, wenn ich mich der AntiFa anschließe legitimiere ich linke Gewalt genauso, wie AfD Wähler rechte Gewalt und Rassismus.
Nun ist die Realität aber nicht ganz so einfach. Stellt man sich vor in der eigenen Stadt findet eine Nazidemo statt. Zahlreiche springerstiefeltragende Glatzköpfe marschieren durch die Gassen und brüllen hässliche Parolen. Die AntiFa wären die ersten, die eine Gegendemo organisiert hätten und sich diesen Trotteln gegenüber stellen würden. Kann ich mich dem auch anschließen, ohne mich als Teil der AntiFa zu sehen, ohne Steine zu schmeißen? Schwierig. In der konkreten Situation tue ich wohl das Richtige, wenn ich gegen Nazis auf die Straße gehe, aber ich nehme eben auch in Kauf neben Gewaltbereiten zu stehen, die Vorstellungen vertreten, die ich ganz und gar nicht okay finde. Genau das ist ja auch bei den G20-Demos 2017 in Hamburg passiert. Plötzlich eskalierte die ganze Lage, Fensterscheiben wurden eingeschlagen, Autos angezündet usw von Menschen, die wohl nichts dagegen hätten, das ganze System zu stürzen und bereit sind, dafür Gewalt anzuwenden. Man muss hier trotzdem z.B. zur AfD differenzieren, denn die AfD ist eine politische Partei. Wenn ich diese wähle, überlasse ich dieser für die nächsten Jahre, was sie mit der Macht tun, die ihnen alle aber auch meine Stimme gegeben hat. Stehe ich bei einer Demo neben radikalen Linken, die anfangen Dinge zu tun, die ich falsch finde, entscheide ich immer noch selbst, wie ich mich verhalte.
Das Problem Linker und Rechter Gewalt, von linkem und rechtem Faschismus, entsteht immer durch das selbe Problem.
Ideologie.
Ich glaube die gefährlichsten Nazis und generell Menschen sind die, die durch eine radikale Ideologie getrieben werden. Das ist natürlich ein bisschen verallgemeinert, denn auch ein hirnloser Trottel kann gewaltbereit sein, einfach nur, weil er schlechte Laune hat und sich gerne prügelt. Das ist ein anderer Fall. Typische Mitläufer.
Aber solche sind glaube ich nicht das eigentliche Problem. Wäre Hitler so jemand gewesen, wären dann auch Konzentrationslager gebaut worden und Juden und alle die ihm nicht in sein rassistisches Weltbild passten dort gequält und umgebracht worden? Ich glaube nicht. Da muss schon eine ganze Menge gedankliche Struktur und Bessesenheit dahinter stecken. Und zu dieser neigen wahrscheinlich sogar eher intelligente, nachdenkliche Menschen, die belesen sind und den Wunsch nach Ordnung verspüren. Menschen, die es mögen, die Welt zu vereinfachen und sich gerne für ein klares Ja oder Nein entscheiden. Menschen, die sich in ihren Gedanken so sehr verrennen, dass sie wirklich glauben, die Welt wäre besser, würden ihre Ideale in die Realität übertragen.
Ich glaube, ich bin selbst ein Mensch, der zu ideologischem Denken neigt. Ich bin idealistisch und früher war die Welt für mich nur schwarz und weiß. Außerdem bin ich nachdenklich und lasse jeden Gedanken zu und hinterfrage alles. Da ist es manchmal verlockend, eine Ideologie anzunehmen. Sich für ein klares Ja oder Nein zu entscheiden, obwohl oder weil einem die ehrlichen Gedanken zahlreiche Fragen offenstehen lassen und die Realität immer unsicher und chaotisch bleibt, wenn man unbeantwortete Fragen akzeptiert. Und wenn sich ganz viele Ja oder Neins im Kopf aufsummieren und verfestigen ist man irgendwann bereit Gewalt anzuwenden, denn nur so kann man das eigene Weltbild aufrecht erhalten. Am Anfang will man nur die Welt verstehen, doch irgendwann muss sich die Welt verändern, damit die Ja und Neins nicht kaputtgehen, die von vornherein falsch waren.
Es ist nicht allein der Islam oder die Vorstellung anderer Gesellschaftssysteme, die gefährlich sind, sondern die ideologische Denkweise. Das ist, wie eine Art psychische Krankheit, die Menschen zu Monstern machen kann. Zuerst habe ich immer gedacht, es kommt darauf an für welche Ideologie man sich entscheidet. Eine humane Ideologie kann doch nicht gefährlich sein. Aber mittlerweile glaube ich, das ist falsch. Denn auch im Christentum und selbst im Buddhismus, der dafür bekannt ist, eine sehr friedliche Religion zu sein, gibt es Sekten. Egal was man denkt, welche Ideologie man vertritt, es ist immer gefährlich. Immer. Selbst wenn ich damit beginne, dass ich mir wünsche und daran glaube, dass alle Menschen gleich sind, wirkt das vielleicht auf den ersten Blick, als wäre es völlig ungefährlich, aber sobald daraus eine richtige Ideologie wird, ich immer mehr Aspekte hinzunehme, vielleicht auch Rituale, birgt auch das Gefahren.
Wenn die Ideologie zu viel Platz in meinem Kopf einnimmt, sodass sie irgendwann Dinge wie Menschlichkeit übertrumpft und das kann selbst dann passieren, wenn die Ideologie selbst Menschlichkeit beinhaltet. Man denke nur mal an das Christentum. In der Bibel wird großflächlig von Nächstenliebe gesprochen. Aber, wenn jemand schwul oder transgender ist, dann ist das nicht Gottes Wille und dann sind die paar Zeilen in dem dicken Wälzer plötzlich wichtiger, als die Gesamtaussage des ganzen Buches.
Ideologen machen einen Fehler. Sie sehen nie den Wald, sondern immer nur einzelne Bäume. Und sie hinterfragen niemals die Aussagen der Bibel oder ihrer Ideologie, sondern nehmen die Ideologie erst an und versuchen sich anschließend zu erklären, warum das so ist und finden krampfhaft Wege diese Aussagen zu einem schlüssigen Weltbild zusammenzubasteln. Nächstenliebe als Idee, die man gut finden kann, ist erst einmal nichts Schlechtes. Aber wenn ich mich entscheide Christ zu sein und dann versteift glaube immer mitfühlend und empathisch sein zu müssen, nur weil das in der Bibel steht, ist das Quatsch. Man kann nicht immer jeden Lieben und irgendwie ergibt der Wald ja auch keinen Sinn mehr, wenn man sich jeden einzelnen Baum ganz genau ansieht oder eben nur durch ganz krude aus der Luft gegriffene Erklärungen. Homophobie und Nächstenliebe widersprechen sich ganz eindeutig. Aber, wenn die Bibel das so sagt, muss ja beides stimmen und miteinander vereinbar sein.
Dann kommen solche Sachen dabei heraus, wie Merkels: "Keine Diskriminierung, aber die Ehe gilt nur zwischen Mann und Frau" Weil das die Verbindung unserer Angie ist, die ihrer Ideologie den Widerspruch aushebelt.
Die Aussagen der Bibel, die Ideologien dürfen nie über den eigenen Kopf gestellt werden. Dann wird es gefährlich und quasi alles kann legitimiert werden.
Ein bisschen sind Ideologien wie psychische Krankheiten. Nur, dass die meisten mentalen Erkrankungen sich gegen die eigene Person wenden, wohingegen Extremisten ihre Gewalt meist gegen andere Menschen wenden. Eine Essstörung fickt den eigenen Kopf, stellt den Wunsch nach einer Gewichtsabnahme über gewöhnliche körperliche Bedürfnisse, wie Hunger und Gesundheit. Der Drang dem eigenen oder gesellschaftlichen Körperideal entsprechen zu wollen nimmt plötzlich so viel Platz im Gehirn ein, dass anderen Dinge hinten überfallen. Bei religiösen oder politischen Extremisten ist das genauso, nur, dass die sich nicht selbst quälen, sondern alle Menschen, die nicht in das Bild ihrer Ideologie passen, weil sie anders denken oder anders sind.
Und selbst wenn ich nicht gleich bereit bin Morde zu begehen, sind Ideologien in meinen Augen immer schlecht. Man sollte sich niemals für eine Ideologie entscheiden und niemals an den Punkt gelangen, an dem man aufhört etwas kritisch zu hinterfragen und dem stattdessen den Stempel der Allgemeingültigkeit aufdrückt. Es nimmt uns völlig das Fundament jeglicher Diskussion weg. Wenn ich mich dazu entschieden habe Nazi zu sein und die Rassenlehre angenommen habe, braucht kein Mensch mehr darüber mit mir zu diskutieren. Mein Ja zur Rassenlehre steht. Ich werde sowieso alle Argumente abblocken, die mir nicht in den Kram passen und sich mit meinem Weltbild widersprechen. Das, was ich denke, sollte niemals Teil meiner Identität werden [7]. Sonst verschließe ich mich und versteife mich auf Denkweisen und werde ideologisch. Fehler meinerseits sind ausgeschlossen. Das ist z.B. auch etwas das man beim Veganismus oder anderen Essensreligionen wiedererkennen kann, genauso wie bei der Homöopathie oder Impfgegnern. Eigentlich bei allen Themen, über die man nicht mehr vernünftig diskutieren kann, weil in uns allen ein ganzes Stück Ideologie und Ich-bin-dies und Ich-gehöre-jener-Gruppe an steckt.
Wir alle entscheiden uns zu oft für Ja oder Nein und sei es nur aus Faulheit, obwohl uns unser Verstand unsere ehrlichen, logischen, unbeeinflussten Gedanken eigentlich etwas anderes sagen würden.
Nun bin ich immernoch zu keinem Schluss gekommen. Sind Fahnenflucht und Swiss und die Andern genauso schlimm wie die Onkelz und FreiWild?
Heiligt der vermeintlich gute Zweck die bösen Mittel?
Also als erstes muss ich sagen, dass man bei Swiss und die Andern fast schon die Lupe herausholen muss, um etwas zu finden, dass so eindeutig wie das Zitat von oben ist. Dieser Satz mit bang, bang auf die Bullen, ist eben nur ein Satz und zieht sich nicht durchgehend durch die Musik und dominiert diese. Von daher ist ein Vergleich zu FreiWild, der sowieso Gänsehaut bei mir auslöst, schwierig. Swiss und die Andern sind klar und deutlich gesellschaftskritisch, systemkritisch und drücken den Wunsch nach einem anderen System und einer Revolution in ihrer Musik aus, soweit ich das richtig interpretiere(was man durchaus kritisch sehen kann). Zudem stellen sie sich klar gegen Rassismus und vielleicht bin ich da nicht ganz unparteiisch, aber meiner Meinung nach haben sie immerhin eine Grundlage für das, was sie denken, wohingegen die FreiWild-Argumentation auf Ängsten gegenüber Fremdem und einem Weltbild basiert, das die Hälfte der Argumente weglässt, weil sie wahrscheinlich nicht verstanden wurden oder nicht ins Bild passen. Und das gilt auch für die AfD:
Man kann nicht die ganze Zeit von den Problemen, die Migration mit sich bringt, der vermeintlichen Islamisierung und dem Kulturverlust Deutschlands sprechen ohne dabei zu berücksichtigen warum es überhaupt zu Migration kommt. Vielleicht sind eure Argumente nicht alle falsch, aber sie stellen eben kein Gesamtbild dar. Und, wenn man all eure Argumenten mit Fluchtursachen aufwiegt, Krieg, Armut, Chancenlosigkeit, Verfolgung, Ausbeutung usw., und ein klar verständiger, empathischer Mensch ist, kann man nicht anders, als zu denken, dass diesen Menschen geholfen werden muss. Vielleicht kann man über das Wie sprechen, aber nicht über das Ob. Denn das Ob entscheidet sich nicht in Deutschland, sondern dort, wo ein lebenswertes Leben nicht möglich ist.
Jeder, der das anders sieht, findet die eigene Kultur oder, noch schlimmer, die deutsche Nationalität wichtiger, als Menschen zu helfen.
Ich sage nicht, dass Kultur und Tradition nicht wichtig sind und nicht gepflegt werden sollten. Aber das ist kein Argument gegen Weltoffenheit und der Gewährung von Asyl. In Deutschland leben ca. 83 Millionen Menschen, wovon ca. 1,6 Millionen Geflüchtete sind. Das beträgt 2,048% Migranten. Also haben wir 97,952%, die dafür sorgen können, die deutsche Kultur zu pflegen. Und sorry für die linksversiffte Aussage, aber was ist schon Kultur, im Vergleich zu dem Wahnsinn der anderswo abgeht/abging.
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Well, also heute wurde es mal ein etwas anderer, längerer Text. Keine Ahnung, ob das jemand lesen mag, aber was soll's. Wenn Du es gelesen hast, darfst du mir gerne deine Meinung mitteilen, das würde mich doch interessieren.
Statt eines Musiktipps, gibt es heute den Tipp, sich weder Freiwild, noch andere Bands anzuhören, die Müll verbreiten und zu ideologischem Denken anregen. Welche Bands fallen dir da noch ein?
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[1] Das Land der Vollidioten-Freiwild: (Die offizielle Version hat auf Youtube 19 Millionen Klicks)
https://youtu.be/g7afi6XKw7Y
[2]
https://youtu.be/nlCGCun8aYk
[3]
https://youtu.be/rI0Eq23I11g
[4] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/4721/umfrage/vergleich-der-anzahl-von-rechten-und-linken-gewalttaten/
[5] https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/Wegen-Freiwild-Shirt-Schlaegerei-beim-Brechtfestival-id32879517.html
[6] schaut mal bei Kapitel "Die Philosophie des Geldes"
[7]Mit Untertitel ansehen:
https://youtu.be/SAd-XmT9wmw
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