Klischee
Ist es denn authentisch, wenn ich ein Buch schreibe oder eine Geschichte, in dem es um ein Kind geht, das ihre Eltern bei einem Autounfall verloren hat, wenn meine Eltern selbst noch leben und der einzige Mensch, den ich bisher verloren habe meine Omi oder mein Opi ist? Ich meine, ich will damit nicht sagen, dass man nur über etwas erzählen darf, das man selbst erlebt hat. Lass deiner Fantasie freien Lauf.
Aber bereichert es diese Welt, wenn ich eine Geschichte erzähle, in der ich nichts von mir selbst preisgebe, die ausschließlich von anderen bereits bestehenden Werken inspiriert ist.
Ich habe schon so oft Tipps darüber gelesen wie man Klischees vermeidet, die ich ganz oft, um ehrlich zu sein, völlig schwachsinnig finde. Denn was ist schon ein Klischee? Wie entsteht etwas klischeehaftes? In meinen Augen immer dann, wenn die Idee nicht von dir selbst kommt, aus deinem eigenen Leben, von Charakteren, die du selbst kennenlernen durftest, sondern sich deine Ideen an Vorurteilen und Schubladen orientieren, die du in deinem Kopf hast.
Es ist völlig normal, dass wir in Mustern denken, bei Themen, über die wir nicht genug wissen. Wie man sich eine sozial schwache Familie vorstellt, ist wohl eher von RTL geprägt, als vom echten Leben, wenn man selbst reiche Eltern hat. Doch wenn man näher hinzoomt, ist es nie so, wie es auf den ersten Blick scheint.
Woher sollst du auch wissen, wie es sich anfühlt in einem Umfeld zu leben, das komplett anders ist, als deines. Wie fühlt es sich an, wenn die Eltern von Arbeitslosengeld leben, was beschäftigt einen überhaupt, wie denkt man, wie fühlt man, wonach riecht es zuhause, wovon träumt man und was ist ganz genauso, wie bei allen anderen auch.
Echte Menschen sind vielschichtig. Und nicht nur Menschen, die ganze Welt. Denn auch das Umfeld in dem eine Geschichte spielt, kann klischeehaft sein. In Wahrheit treffen Klischees jedoch in den wenigsten Fällen zu. Die Realität ist voller Widersprüche.
Wie viele reiche Mitschüler hast oder hattest du an deiner Schule. Wie viele Typen fahren mit dem Porsche zur Schule und veranstalten jedes Wochenende Partys, weil sie es sich leisten können und studieren am Ende an den besten Universitäten, weil Papa dafür sorgt, dass sie dort angenommen werden.
Na, wie viele? Bei mir ist es keiner und selbst wenn du eine einzige Person kennst, bei der das so ist,
ist sie arrogant?
Sieht sie gut aus?
Welche Charaktereigenschaften hat diese Person? Ich bin mir sicher, das Klischee erfüllt sie nicht.
Warum gibt es den bösen Badboy, die Tussi, den Assi, den Streber und den Klugscheißer?
Weil diejenigen, die sich diese Charaktere ausdenken, bei dem Klisschee anfangen. Sie setzen sich hin, brauchen einen Protagonisten für ihre Geschichte, und denken sich, es soll ein junges Mädchen sein, so wie in all diesen Highschoolgeschichten, bildhübsch, mit reichen Eltern und sie kommt mit dem Typen, dem Sportler zusammen, auf den alle stehen.
Und dann versuchen sie das Klischee zu brechen. Denn den Stempel klischeehaft aufgedrückt bekommen, das möchte man natürlich nicht. Also gibt man dem Charakter weitere Eigenschaften, die nicht ins Bild passen und das Klischee zerstören sollen.
Doch das bringt nichts. Okay, es macht es schon etwas besser, aber ein Klischee, bleibt ein Klischee, solange die Menschen in deinen Büchern, auf einem Klischee basieren.
Die ganze Herangehensweise ist falsch, falschherum.
Wieso startet man mit einem Klischee, wenn man einen Charakter erfindet? Warum genügt es nicht sich einen ganz normalen Typen vorzustellen, der etwas erlebt hat, so ähnlich wie man selbst, vielleicht in einer abgewandelten, krasseren Form, damit man niemanden langweilt.
Warum hat dein Charakter zwei verschiedene Augenfarben?
Ist es, weil du mal jemanden getroffen hast, bei dem das so war und es dich fasziniert hat. Hast du dich einmal mit diesem Thema auseinandergesetzt, studierst Biologie und beschäftigst dich täglich mit Genforschung, weshalb ein so ausgefallenes Merkmal präsent in deinem Kopf ist oder wählst du es, weil du es aus irgendeinem Film oder Buch kennst?
Und ich weiß es ist schwer etwas eigenes, ganz persönliches von sich preiszugeben, aber genau das ist doch der Sinn am Schreiben. Man nimmt sich etwas heraus, das einen beschäftigt, packt es in einen anderen Zusammenhang und keiner weiß mehr was da wirklich dahinter steckt, was du als Autor erlebt hast, das dich zu deiner Geschichte inspiriert hat. Es ist wie eine Geheimschrift, Hyroglyphen, deren Bedeutung deine Leser erahnen können, aber den Plan dahinter, die Strippen, die du gezogen hast in deinem Kopf, die bleiben verborgen. Nur du selbst kennst sie.
Warum solltest du, deutsches Mädchen/ deutscher Junge ein Buch schreiben, das in Amerika spielt, wenn du noch nie dort warst oder vielleicht nur im Urlaub? Ist dein eigenes Leben zu langweilig? Wäre deine Geschichte schlechter, wenn sie in Deutschland spielen würde? Und wenn ja, sorry, aber warum schreibst du dann?
Ich meine, jeder darf schreiben und jeder darf schreiben, wie er will, doch wo ist der Mehrwert, wo ist das Neue, Kreative, wenn sich alle ausschließlich an dem orientieren, was es schon gab?
Den Badboy wie aus dieser Geschichte.
An einer Highschool, genauso wie in dem Film.
Und sie soll Sommersprossen haben, so wie dieser eine Charakter aus dem Buch.
So eine Geschichte will ich schreiben, so wie diese da.
Warum versuchst du nicht einfach mal deine eigene Geschichte zu erzählen?
Was hat dich in deinem bisherigen Leben verletzt?
Was beschäftigt dich, worüber könntest du den ganzen Tag über nachdenken?
Wie würden anderen Menschen über dieses Thema denken?
Versteht mich nicht falsch, mir ist klar, kein Buch ist frei von Klischees. Schreiben ist immer eine Mischung aus Fiktion und Realität, es sei denn das, was du schreibst basiert auf einer wahren Begebenheit, was natürlich nicht sein muss.
Aber ganz oft fehlt mir der Tiefgang in Büchern, die Originalität, die Gedanken, die ich nicht bereits zum zehnten mal auf genau diese Art und Weise gehört habe.
Man denke z.B. an Harry Potter. Potter selbst, Hermine und Ron sind voller Klischees.
Der Held, die Streberin und der Tollpatsch.
Doch diese Geschichte lebt viel eher von dieser außergewöhnlichen Atmosphäre und dem Plot. Ich stelle mir vor wie J.K. Rowling in einer verstaubten Bibliothek saß, mit hohen Regalen, als ihr die Idee zu Harry Potter in den Sinn kam.
In Wahrheit saß sie im Zug, ist das nicht unglaublich?
Diese Welt, die echte, reale steckt voller Inspirationsquellen, die du nutzen kannst. Geh raus, sieh dich um, erlebe etwas, sammle so Ideen und glaube mir, man wird den Unterschied zu einem Buch merken, das sich ausschließlich an anderen Büchern orientiert.
Wir haben doch alle unsere Gedanken und Probleme, innere Kämpfe. Jeder Mensch sieht die Welt durch seine eigenen Augen.
Zeig mir diese Welt, mit deiner Geschichte und baue kein Puzzle aus Teilen von Werken anderer Menschen!
Und wenn du unbedingt über etwas schreiben willst, das nichts mit dir zu tun hat, weil es dich einfach interessiert, dann recherchiere. Tauche in das Umfeld ein, in dem deine Geschichte stattfindet. Im echten Leben. Fahre in das Land in dem dein Buch spielt, fahre in eine Plattenbausiedlung, sprich mit einem Streber, den du kennst.
Schreib nicht, um zu schreiben, sondern, um zu erzählen.
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Heute empfehle ich euch Nirvana, mit dem Lied "Lithium"
Danke fürs Lesen! :-)
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