Vielleicht seid ihr noch jünger und vielleicht könnt ihr etwas aus meinem Text mitnehmen. Früher habe ich immer gedacht, es wäre normal, dass Dating und alles was dazugehört unangenehm sein müssen bzw. ich es einfach so empfinde, weil ich schüchtern bin. Dass jemand Körperkontakt sucht – mich umarmen will – obwohl ich es selbst nicht getan hätte und es als unangenehm empfinde, so dachte ich, wäre doch normal. Ein Annäherungsversuch eines Kerls, der mich nun mal mag. Irgendwie müssen die Typen ja deutlich machen, dass sie Interesse an einem haben und ich bin eben ein bisschen empfindlicher und schrecke da schon mal ein wenig zusammen und verkrampfe meine Muskeln, obwohl es doch eigentlich gar nicht schlimm ist und mich am Ende doch freut, dass ich gemocht werde.

Warum bin ich aber nie auf die Idee gekommen, dass das so nicht sein muss? Warum habe ich mich nie gefragt, warum die meisten männlichen Wesen, die mir bisher begegnet sind, meine Empfindlichkeit nicht respektieren oder vermutlich gar nicht wahrnehmen. Und warum ist es nicht normal, einfach zu warten, bis es für beide okay ist. Ich denke, dass ich Typen oft aus dem Weg gegangen bin, weil sie mir zu aufdringlich waren, zu schnell zu viel wollten und ich dann lieber gar nichts hatte, als mehr als mir lieb war, obwohl ich den Menschen an sich gernhatte und mich vermutlich auch verlieben hätte können.

Generell finde ich interessant, wie unterschiedlich Leute da ticken. Die einen wollen direkt beim ersten Date in die Kiste springen und die anderen halten es für ein absolutes Tabu zu diesem frühen Zeitpunkt bereits zu knutschen.

Das ist vielleicht viel zu persönlich für das Internet, aber ich brauche da sehr lange Zeit und finde es sehr angenehm, wenn man sich die bzw. mir die gibt. Und ich verstehe, dass das nicht jeder so sieht und manch einer Desinteresse in mein Verhalten interpretiert. Doch was ich nicht verstehe ist diese absolute Abwesenheit jeglicher Empathie und jeglichen Verständnisses. Selbst wenn man selbst jemandem gerne näherkommen würde, merkt man doch, wenn diese Person das nicht will. Es ist doch nicht so schwer zu erkennen, wenn sich jemand gerade unwohl fühlt, weil du ihm zu nahetrittst. Und das gilt sowohl für Worte, wie auch Gesten und tatsächliche Berührungen. Und mir kann keiner erzählen, dass es er es cool findet, wenn ihn jemand überfällt und ihn plötzlich lieber mag, nachdem er mit der Tür ins Haus gefallen ist. Außerdem geht mir nicht in die Birne wie der Egoismus da so groß sein kann, dass man das eigene Interesse über das Wohlbefinden des Gegenübers stellt. Das interessante an der ganzen Sache ist doch auch die Gegenseitigkeit, oder etwa nicht? Ich würde überhaupt niemandem näher kommen wollen, der kein Interesse an mir zeigt.

Sexismus hin oder her. Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt es nun mal und jeder Mensch tickt anders. Aber das man sich nicht gegenseitig respektieren kann geht einfach nicht klar und, dass es so normal ist fickt mein Gehirn.

Trotzdem gibt es genug Männer, die Anstand haben und Frauen nicht auf ihr Frausein reduzieren. Und viele Typen, die sich unangebracht verhalten, Frauen zu nahetreten, tun das meines Erachtens nach aus Unbeholfenheit. Weil sie nicht wissen, wie sie sich sonst annähern sollen. Weil sie Angst haben gefriendzoned zu werden. Weil sie sich nach Nähe sehnen und das mit der Partnersuche eben nicht immer so leicht ist und echte Nähe Zeit braucht. Und vielleicht sind wir Frauen auch manchmal selbst schuld. Weil wir überhaupt nur dann denken, dass jemand Interesse an uns hat, wenn er es durch diese unangenehme Art der Zuwendung zeigt. Denn wir sind einfach daran gewöhnt. Und ich glaube genau deshalb ist es wichtig, dass wir Frauen alle mal in uns gehen und uns überlegen, was wir eigentlich wollen und was nicht. Was wir angenehm finden und was nicht. Und wie wir unseren Männern klar machen können, dass sie keine penetranten Draufgänger sein müssen, um uns zu überzeugen.
Neulich sagte ein Wesen des männlichen Geschlechts zu mir: „aber irgendwas müssen wir Männer ja tun, um euch zu überzeugen, damit ihr diesen Schalter umlegt und mehr als Freundschaft wollt."
Das hat mich dann schon etwas stutzig gemacht, weil ich nicht glaube, dass man mich mit künstlich erzeugtem Verhalten überzeugen muss bzw. kann. Was ist das denn für eine seltsame Vorstellung von Verliebtheit oder gar Liebe. Und warum sollte man jemanden mit etwas überzeugen wollen, das nicht echt ist? Sucht euch doch einfach eine Lady, die euch mag wie ihr seid, dann müsst ihr auch kein Theaterstück vor ihr aufführen und sie belügen. Die Nähe nach der ihr euch ganz tief drin sehnt, bekommt ihr dann auch ganz von selbst.

Natürlich muss man irgendwie klar machen, dass man mehr als Freundschaft will, wenn sich das nicht ganz von selbst ergibt und manchmal ist es schwierig da den richtigen Weg zu finden, doch Aufdringlichkeit kann da nicht die Lösung sein. Hat etwa die halbe Menschheit das Feingefühl verloren? Haben die meisten einfach kein Gespür für Zwischenmenschlichkeit? Dafür, wie man respektvoll miteinander umgeht?

Wenn ihr sensibel seid und euch manches unangenehm ist, das alle anderen tun, dann lasst euch davon nicht beirren. Und lasst euch nicht erzählen, dass ihr eure Vorsicht ablegen sollt. Nur weil die sonst gefühlt niemand besitzt, heißt das nicht, dass die nicht angebracht wäre. Wir alle haben verdient nicht ausgenutzt, bedrängt oder belästigt zu werden. Egal ob Mann oder Frau oder weder noch.

Auch die ganze Sache mit der Friendzone wäre kein so großes Thema, wenn man einfach von vornherein ehrlich und respektvoll zueinander ist. Aber nein, wir interessieren uns nur für uns selbst und nutzen es noch aus, wenn sich jemand in uns verliebt. Vermeintliche Freundschaften zerbrechen daran, dass einer sich in den anderen verguckt. Dabei geht es einem doch um den Menschen an sich, wenn man ihn liebt und nicht nur um den sexuellen/romantischen Aspekt. Wenn ich das tue kann ich akzeptieren nicht zurückgeliebt zu werden und komme darüber hinweg. Warum geht es generell nicht um die Menschen an sich?

Um Echtheit

Um Tiefe

Und darum sich gegenseitig zu bereichern, weil man sich eben als Menschen schätzt? 

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"tried to find some realness in a world full of masks" ~  slimmery by dyzzy