Die Philosophie des Geldes

Neulich als ich beim Arzt im Wartezimmer saß und den Arzthelferinnen beim herumwuseln zusah, kam mir ein Gedanke in den Sinn. Und zwar fragte ich mich, was wäre, wenn es das System in dem wir leben so nicht gäbe. Würden diese Arzthelferinnen ihren Job auch dann noch machen, wenn es kein Geld gäbe?

Vermutlich nicht. Auch wenn sie jetzt wo sie keine andere Wahl haben sicherlich sagen würden, sie mögen ihren Job, würden sie ihn mit ziemlich großer Sicherheit nicht mehr machen, wenn sie es nicht müssten. Ohne unser System würde unser Leben also nicht mehr funktionieren. Doch dann ist mir aufgefallen, dass der Job der Arzthelferin zum größten Teil aus Papierkram und Terminvergabe besteht und das nicht unbedingt notwendig ist. In unserem System ist es das, weil es Krankenversicherungen gibt, himmellange Patientenakten und Terminkalender für die nächsten zwei Jahre. Notwendig ist das jedoch nicht. Wenn Menschen, die krank sind, einfach dann zum Arzt gehen würden, wenn es nötig ist und sie behandelt würden, unabhängig davon wer sie sind, wo sie herkommen und wie viel Geld sie haben, bräuchte es keine Arzthelferinnen. Höchstens um Blut abzunehmen oder für ähnliche Dinge, die den Doktor entlasten sollen. Vielleicht denkt ihr jetzt, niemand würde die Aufgabe des Arztes übernehmen, wenn er dafür kein Geld bekäme. Doch glaubt ihr das wirklich? Wenn wir alle den lieben langen Tag frei wären und mit unserem Leben tun könnten was immer wir wollen, bin ich überzeugt davon, dass es Menschen gäbe, die es sich zur Aufgabe machen würden, Arzt zu werden, Menschen zu heilen und Leben zu retten. Ich glaube jedenfalls nicht, dass wir einander sterben lassen würden, wenn wir fürs Leben retten, kein Geld mehr bekämen.

Es würden sich Menschen finden, die bereit wären diese Aufgaben übernehmen. Einen Job hingegen, wie ihn z.B. eine Bürokraft hat, würde niemand mehr machen wollen, denn dieser hat keinen Sinn und dient nur der Geldeinnahme. Aber Arzt wird man doch nicht des Geldes wegen.

Meine nächste Frage war, wie es mit Berufen wie der Müllabfuhr oder Reinigungskräften aussähe. Auch diese Berufe würde niemand machen, wenn er dafür kein Geld bekäme. Unser Müll würde also stehen bleiben und niemand wäre bereit dazu tagaus tagein öffentliche Toiletten zu putzen. Aber auch hier habe ich nicht ganz zu Ende gedacht. Denn warum brauchen wir überhaupt eine Müllabfuhr? Weil wir in unserem ordentlichen, geregelten Deutschland Termine für alles brauchen. Jeden Donnerstag muss die Müllabfuhr vorbeifahren, wir stellen unseren Mülleimer am Abend vorher raus an die Straße und die Müllmänner leeren ihn am nächsten Tag in ihr Müllauto. Doch was wäre, wenn dieses nicht mehr käme? Als gäbe es keine Möglichkeit ohne Mühlabfuhr zu leben. Wir würden einfach alle unseren Abfall selbst wegbringen, wenn der Eimer voll ist. Oder jede Stadt würde einen Plan erstellen, bei dem jeder von uns einmal herhalten muss und den Müllmann oder die Müllfrau spielen muss. So ähnlich wie in der Grundschule der Tafeldienst. Genauso könnte es mit öffentlichen Toiletten laufen. Wem es zu schmutzig ist, der benutzt eben mal die Klobürste. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass die Leute dann generell darauf achten würden, alles ordentlich zurückzulassen, weil sie sich verantwortlicher fühlen würden. Zuhause funktioniert das doch auch, aber sobald die Leute ihre eigenen vier Wände verlassen, fühlen sie sich für nichts und niemanden mehr verantwortlich, denn dafür sind sie selbst nicht zuständig. Sondern die arme Putzfrau, die dafür bezahlt wird.

Man wirft besonders uns jungen Leuten immer vor, dass es uns an Solidarität und Gemeinschaftssinn fehle und genauso ist es auch. Aber woran liegt das?

An der Art und Weise wie unser System funktioniert. Weil wir uns den lieben langen Tag damit beschäftigen sinnlose Dinge zu tun, damit am Ende des Monats unser Geldbeutel aufgefüllt wird und wir leben können. Aber gäbe es das alles nicht mehr, würde dieser Gemeinschaftssinn von selbst entstehen. Wenn es niemanden mehr gäbe, der uns von oben herab sagt, was zu tun ist und wir die Schuld auf ihn oder sie schieben können, weil etwas nicht funktioniert, dann stellen wir früher oder später fest, dass wir selbst Hand anlegen müssen.

Außerdem haben wir in dieser Welt kaum Zeit uns um irgendetwas anderes zu kümmern, als um uns selbst. Wir werden regelrecht dazu gedrillt Abitur zu machen, zu studieren und dann eine große Karriere zu starten. Nicht als freiwilliger Helfer bei der Caritas die Zeit zu verplempern und deshalb schlechte Noten zu schreiben. Selbst wenn du es willst, du kannst es gar nicht. Denn deine Zeit ist nicht unendlich und irgendwomit musst du deine Brötchen verdienen.

Doch wie sollte ein System ohne Geld aussehen? Denn Geld dient auch als Tauschmittel. Du gibt's mir ein Laib Brot und ich gebe dir dafür ein paar Euro. Es vereinfacht das alltägliche Leben ungemein, denn ein Tauschhandel würde uns zurückversetzen in Zeiten vor Jesus Christus. Wollen wir das? Wollen wir Gegenstände gegen Essen tauschen, statt bequem mit unserer Geldbörse in den Supermarkt zu latschen?

Gäbe es dann überhaupt noch Supermärkte und würden genug Lebensmittel hergestellt, sodass es für uns alle reicht? Klar, denn bestimmt würden sich neue Strukturen bilden, die dafür sorgen, dass wir genug zum Essen und Trinken haben. Ich glaube jedenfalls nicht, dass wir einander verhungern ließen. Dennoch wäre es sicherlich ein Rückschritt und wir hätten ein deutlich geringeres Angebot an Dingen wie Südfrüchten oder ausgefalleneren Lebensmitteln. Aber wer weiß das schon. Vielleicht würden wir gemeinschaftlich dafür sorgen, dass unsere Supermärkte gefüllt sind und jeder würde sich nehmen, was er braucht. Auch hier also könnten Menschen ihre Arbeitskraft für etwas nutzen, das sie für sinnvoll halten.

Es gibt immer Menschen, die Freude an Arbeit finden. Die wenigsten stellen sich als Traumleben vor 24/7 auf der Couch zu sitzen. Wir alle suchen einen Sinn in unserem Leben und was gibt es sinnvolleres, als einen Job der die Gesellschaft mit Essen versorgt und vor Hungerkrisen schützt. Außerdem will doch niemand als der faule Hänger gelten, der nie seinen Arsch hochkriegt und allen nur zur Last fällt. Der Ansporn des Geldes würde als Grund für Arbeit wegfallen, doch so etwas wie Anerkennung und soziale Zugehörigkeit ist für viele Grund genug Arbeiten zu gehen.

Als nächstes fragte ich mich, ob es einen Staat geben sollte? Wozu brauchen wir den? Was bewirkt unsere Regierung, das unsere Leben besser macht?

Wenn es keine Regierung gibt, wer entscheidet dann ob Atomkraftwerke abgeschaltet werden oder ob die Grenzen für Flüchtlinge geöffnet werden? Niemand. Wir lassen die Dinge einfach geschehen. Wenn es keine Atomkraft mehr braucht, dann würde sie ohnehin abgeschalten und wenn nicht, dann hat es immerhin Gründe. Ich glaube nicht daran, dass die Politik etwas auf der Welt verbessern kann. Viele Probleme, die sie zu lösen versucht, gibt es überhaupt erst, weil es die Politik und Geld gibt. Machthaber, die Bomben bauen, um ihre Nation zu schützen, Stellvertreterkriege und Handelsabkommen. Niemand braucht einen Trump, Merkel, Erdogan oder Putin. Sie richten mehr Schaden an, als Probleme zu lösen.

Eine Anarchie ohne Geld. Hach, das sind schöne Träume.

Das Problem an der ganzen Sache ist, dass es mir nahezu unmöglich erscheint dorthin zu gelangen. Wie löst man all die Machtstrukturen auf und saugt das ganze Geld aus unserer Welt? Wie pflanzt man Menschen diese Gedanken in den Kopf, sodass sie verstehen, dass man die Welt nicht in ein Chaos stürzen will, durch eine Revolution. Wie kriegt man Menschen dazu, ihren Reichtum oder ihre Macht abzugeben?

Nicht jeder ist offen für diese Gedanken. Nicht jeder ist offen für Veränderung und neue Ideen. Nicht jeder versteht, dass die Welt besser sein könnte, als sie es momentan ist und es macht mich traurig von besseren Alternativen zu wissen, die wahrscheinlich nie umgesetzt werden. 

Warum sehen das so wenige Menschen? 

Ich wünsche mir eine Veränderung, aber ich weiß:

Der Traum ist aus ~ Rio Reiser

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Und weil es heute so schön passt, empfehle ich euch Swiss und die Andern, die mit ihrem neuen Album für die Liebe randalieren.

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