Der Kopf ist im Weg

Nun ist die Zeit der Prüfungsphasen wieder in die Lande gezogen und es ist dasselbe wie jedesmal. Man nimmt sich vor früher anzufangen mit der Vorbereitung, besser auf sich Acht zu geben, doch am Ende sitzt man wieder eine Woche vor den Klausuren pausenlos am Schreibtisch und kriegt die Krise. So ist das zumindest bei mir. Egal wie ich es mache, wie viel ich plane, am Ende drehe ich durch.

Und, ganz ehrlich, es ist kein Wunder, bei 200-450 seitigen Skripten, deren Inhalt ich mir in den Kopf ballern soll. Irgendwann ist einfach eine Grenze erreicht und es geht nichts mehr rein in's Gehirn. Zumal ich mich ständig frage: WOZU?

Was habe ich davon, stundenlang meinen Kopf in Skripte mit irgendwelchen Theorien zu stecken und diese wie ein Gedicht auswendig zu lernen? Außer ein paar ECTS Punkte und einer Note, die mir sagt, ob ich in der Lage bin, ohne meinen Verstand zu benutzen zu lernen. WOZU?

Ich verstehe es nicht und das blockiert mich.

Hätte ich diese Alleshinterfragende- dauerkritische- Stimme nicht, wäre ich vielleicht eine Vorzeigestudentin. Und ich kenne einige von dieser Sorte. Die meisten von ihnen sind fleißig, interessieren sich jedoch nicht die Bohne für Wirtschaft und haben keine Ahnung was all das heißt, was sie schön brav auswendig gelernt haben. Sie können haufenweise Definitionen herrunterrattern ohne zu wissen, was diese aussagen. Sie studieren Wirtschaftswissenschaften, weil man da mit auswendig lernen gut hindurchkommt auch, wenn man nicht die hellste Kerze auf der Torte ist. Sie leben nach dem Minimax-Prinzip. Ich stecke mein Leben in das, wofür ich am wenigsten Aufwand betreiben muss und es dafür gemütlich habe.

Aber das ist nichts für mich. Ich studiere dieses Fach, weil mich wirtschaftliche Zusammenhänge interessieren.

Okay, auch ich bin eine von denen, die keine bessere Alternative wusste. Ich habe geglaubt, wenn ich meine Energie da hineinstecke und positiv drangehe, wird mich das schon irgendwohin führen. Und ich weiß, das gibt haufenweise Kritik von der Generation unserer Eltern. Doch wenn man eben keine andere Perspektive für sich sieht, dann wählt man eben das kleinste Übel.

Ich genauso, wie all die Auswendig-lern-Künstler.

Trotzdem glaubte ich wirtschaftliche Zusammenhänge besser verstehen zu lernen, denn das interessiert und beschäftigt mich sehr, was man unschwer an diesem Buch erkennen kann. Leider muss ich sagen, habe ich, was das betrifft, keine Fortschritte gemacht. Ich habe zwar freiwillig ein paar Bücher gelesen, aber die Uni selbst hat mich da nicht vorangebracht. Vielleicht kann ich irgendwelche Formeln aufzählen oder Supply Chain Management definieren, zumindest im Großen und Ganzen, denn das Wortwörtliche vergisst man ohnehin, wenn man es nicht wieder benötigt. Aber erklären, wie bestimmte Sachverhalte zusammenwirken, das kann ich heute auch nicht besser, als vor zwei Jahren.

Und das kann doch nicht sein. Das ist so dämlich, dass es fast schon wieder witzig ist.

Ich fühle mich wie auf einem Laufband, das viel zu schnell eingestellt ist und ich mich schwitzend und prustend abarbeite, ohne abzunehmen. Es ist so eine unfassbare Zeit- und Energieverschwendung. Nur für eine blöde Zahl auf dem Bachelorzeugnis, das ich am Ende erhalten werde.

Ich will lernen, verstehen, Zusammenhänge erkennen und nicht mein Hirn ausschalten, damit ich mir so viele Definitionen reinprügeln kann, um sie ein paar Tage später wieder zu vergessen.

Das ist doch alles nicht mehr normal.

Warum bringt man uns denn nicht wirklich etwas bei? Warum werden die Klausuren so gestaltet, dass man ausschließlich reproduzieren muss, was überhaupt nichts darüber aussagt, ob man ein Thema verstanden hat. Und was nützt es denn den Umfang der Themen so unfassbar hoch zu halten, wenn am Schluss ohnehin nichts hängenbleibt.

Zumal wir in einer Zeit leben in der man nahezu alles innerhalb von Sekunden im Internet nachschlagen kann.

Ob das Bildungssystem wohl genauso wäre, wenn die Politiker, die das beeinflussen können, Mitte zwanzig und nicht 60+ wären?

Manchmal fühle ich mich wie ein abgestürzter Drogenjunkie, der durch seine Trips plötzlich eine ganz andere Perspektive bekommen hat und die Welt aus anderen Augen, als alle anderen sieht. Die Realität kommt mir oft so lächerlich vor. All diese Systeme und Strukturen, wie alles tagtäglich abläuft. Dabei könnte alles auch ganz anders sein und wer bestimmt was die Normalität ist. Warum lässt man sich auf ein Studium ein, warum funktioniert das, obwohl es rein objektiv betrachtet- zumindest nach meiner Erfahrung- überhaupt nicht zielführend ist. Schon klar, für das Zeugnis, aber das ist so lächerlich. Wie konnte es passieren, dass der Wert eines Stück Papiers für so wichtig gehalten wird, dass wir dafür drei, vier, fünf, sechs Jahre unseres Lebens opfern?

Ich denke, ein weiterer Grund warum ich solche Kämpfe mit meinem Studium habe, ist, dass ich den Glauben an die Wissenschaft ein wenig verloren habe. Vorher habe ich Wissenschaft immer für etwas gehalten, dem man vertrauen kann. Ich dachte, nichts ist fehlerfrei, aber Wissenschaftler suchen immerhin nach der Wahrheit und wollen die Realität verstehen und erklären.

In der Theorie ist das sicherlich so. Aber in der Praxis nicht unbedingt. Je mehr ich in die Mikro- und besonders in die Makroökonomie eingetaucht bin, desto mehr habe ich mich gefragt, ob das alles so realistisch ist. Meistens kam es mir eher wie eine Parallelwelt vor, die mit der echten überhaupt nichts mehr zu tun hat. Als hätten ein paar Menschen in ihrem Keller ein paar Theorien und Konzepte ausgearbeitet und, weil nie jemand mit besseren Ideen ankam, hat man irgendwann einfach beschlossen, diese Theorien, als wissenschaftliche Basis herzunehmen. Sie als bewiesen darzustellen. Dabei schüttelt jeder, der sich mal ein wenig damit beschäftigt hat, mit dem Kopf und fragt sich, welche Pappenheimer da am Werk waren. Das mögen äußerst intelligente Menschen gewesen sein, Adam Smith und Co., die es verstanden haben, sich auf eine analytische Art und Weise in komplexe Gebiete einzudenken. Es sind eben Ansätze, an die man glauben kann. Gedanken einiger kluger Köpfe, die auch nicht wussten, wie es wirklich ist.

Da lehne ich mich nun wahrscheinlich ganz schön weit aus dem Fenster gegen solche Genies, denn ich bin ja schließlich kein Wirtschaftsexperte, aber bevor man einfach alles hinnimmt, muss man doch erstmal die Ansätze hinterfragen, sprach mein Kopf.
Wohlgemerkt bin ich nicht die einzige, die die Volkswirtschaftslehre kritisiert. Insgesamt hat diese nicht den allerbesten Ruf, da ihre Prognosen häufig daneben gehen.

Einer meiner Dozenten sagte einmal gegen diese Kritik, dass der Wetterbericht genauso Fehler mache, doch da niemand etwas daran auszusetzen hätte.

Und ja, das mag sein, aber der Wetterbericht bedient sich immerhin der Annahmen, die er für die nächsten Tage vermutet. Klar, kann es sein, dass man ein Tiefdruckgebiet erwartet, das über Deutschland hereinbrechen wird, doch dieses letztendlich an uns vorbeizieht und stattdessen die Sonne scheint. Aber die Modelle aus den Wirtschaftswissenschaften kombinieren Annahmen, die in der Realität so gut wie nie vorkommen. Schon gar nicht in der Zusammensetzung mehrer Annahmen in ein und denselben Topf geworfen.

Beispielsweise geht man bei bestimmten Modellen von Märkten ohne räumliche Präferenzen aus. Was bedeutet, dass ein Marktteilnehmer nicht nach der räumlichen Distanz entscheidet, wo er einkauft. Sprich, er würde auch von Bayern nach Berlin fahren, um eine Bratwurst zu kaufen, wenn sie dort günstiger ist, wenn man es mal ganz extrem darstellt. Natürlich weiß jeder, dass das kein Mensch machen würde und unter bestimmten Umständen, z.B. auf dem Aktienmarkt, mag es keine räumlichen Präferenzen geben. Da ist der Aktienmarkt jedoch eine absolute Ausnahme.

Oder der Homo Ökonomikus, der von komplett rational handelnden Personen ausgeht, die ihren eigenen Nutzen maximieren wollen, feststehende Wünsche haben und vollständig informiert sind. Wenn man nur einmal seinen gesunden Menschenverstand benutzt, weiß man, dass kein Mensch immer rational handelt. Menschen handeln dauernd emotional, unüberlegt oder auch einfach dumm. Zudem sind sie selten bestens informiert, entscheiden nicht immer so, dass nur sie selbst möglichst viel davon haben und ändern ihre Ansichten ständig. Würde ein völlig rationales Verhalten häufig in der Realität vorkommen, so wäre es sinnvoll in einem Modell davon auszugehen, dass jeder so handelt.

Da dies jedoch nicht so ist, kann man mit solch einem Modell nicht viel anfangen bzw. nichts daraus ziehen, was sich in die Wirklichkeit übertragen ließe.

Eine Welt, die von Menschen ausgeht, die es nicht gibt.

Damit der Wetterbericht da mithalten könnte, müsste er beispielsweise annehmen, dass es in Deutschland das ganze nächste Jahr Geld regnen wird und unter dieser Annahme untersuchen, ob gleichzeitig die Sonne scheinen oder es stürmen wird. So geht das, meine lieben Wetterfreunde. Schneidet euch eine Scheibe von den Ökonomen ab.

Jedoch beschränkt sich dieses Unwissen nicht auf die Wirtschaftswissenschaften. Im Grunde ist der Mensch insgesamt deutlich ahnungsloser, als ich es vor ein paar Jahren geglaubt habe. Wir graben Knochen aus, um unsere Vorfahren zu rekonstruieren, Ärzte testen solange Medikamente an uns aus, bis eines davon wirkt, weil sie nicht sicher wissen, was die Ursache der Krankheit ihres Patienten ist, wir fliegen auf den Mond und schlussendlich bleiben wir doch die kleinen ahnungslosen Wichte, die wir sind.



PS: Ich nehme keine illegalen Drogen :D

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Hello, 

ich hoffe ich habe euch jetzt nicht gelangweilt? 

Heute gibt es mal wieder eine Rock-Empfehlung. Papa Roach mit Last Resort oben verlinkt und allen anderen Liedern, dieser Band, bei euch zuhause beim Musikstreaming-Dienst eures Vertrauens.

Lasst euch den Kopf nicht verbieten und danke fürs Lesen! :)

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