Sillow - Verrückt
2322 Wörter in diesem Kapitel und 2156 im ersten ohne das Fettgedruckte.
"Hey, wie geht's dir Süße?", fragte ich Laisha, als ich eine Ärztin nach ihrem Zimmer gefragt hab und es betreten hatte. "Geht schon", krächzte sie. "Aber wir hätten das nicht machen sollen. Wir hätten auf Grün warten müssen." Ich nickte und wieder sah ich sie traurig an. "Das ist alles meine Schuld. Wenn ich nicht vor dir gelaufen wäre, dann hättest du mich nicht auf die Seite stoßen müssen." Laisha sah mich aber glücklich an. "Aber ich weiß, dass du das auch für mich getan hättest und unsere Freundschaft ist es wert." Ich umarmte sie vorsichtig, um ihr nicht noch mehr weh zu tun und wir beide lächelten. Laisha versuchte aufzustehen, verzog dabei ihr Gesicht vor Schmerz, stellte sich aber - abgestützt auf den Bettpfosten - tapfer hin. Ihr rechter Arm war in einen Verband gehüllt und neben dem Bett stand eine Krücke. "Ich hab ein leichtes Schädelhirntrauma, zwei gebrochene Rippen etliche Verletzungen an meinem Kopf und Körper und einen geprellten Arm", zählte Laisha auf. Entsetzt sah ich sie an. "Dann leg dich wieder hin, mit so einem Trauma ist nicht zu spaßen", befahl ich ihr. Sie setzte sich langsam aufs Bett, doch plötzlich verdrehten sich ihre Augen und sie fiel mit einem dumpfen Schlag auf den Boden. Ich lief vor Schreck zur Tür und rannte direkt in Fira und Ronin hinein. "Ruft einen Arzt sie ist umgekippt!", schrie ich, ohne nachzudenken, wer da vor mir stand. Ich selbst schoss wieder zu Laisha zurück und hob sie vorsichtig hoch. Sie hatte eine Schiene um ihre Taille, die ich durch den Stoff ihres Shirts spüren konnte. Ich legte sie behutsam zurück aufs Bett und im gleichen Moment kam eine Schwester ins Zimmer gestürzt. "Was ist passiert?", fragte diese ruhig, aber drängend. "Ich bin zu Besuch und auch noch nicht lange da. Ich hab mich mit ihr unterhalten und sie vorsichtig umarmt. Dann ist sie aufgestanden und hat sich hingestellt. Als ich ihr sagte, sie solle sich wieder hinsetzen, tat sie das auch, aber dann ist sie auf den Boden geknallt", erklärte ich. Die Ärztin nickte und schickte mich nach draußen. "Wie geht's ihr?", fragte Fira besorgt. "Am Telefon hab ich euch ja schon erklärt was passiert ist", fing ich an und erzählte den Rest. Sie nickten, schenkten mir eine dankbare Umarmung und dann ging ich nach Hause. Die Laugenstangen die ich vorher gekauft hatte, ließ ich bei Laisha im Zimmer und ging so mit einer Tüte und einer Tasche bepackt an den Krankenwagen vorbei, die aufgereiht nebeneinander standen.
"Geh sofort in dein Zimmer!", schrie meine Mutter mich an, als ich die Tür öffnete und dagegen trat. "Da wollte ich sowieso hin, mit euch kann man nämlich nur nur down sein", sagte ich ihr kalt mitten ins Gesicht. Meine Mutter starrte
mich - fassungslos über meine Tonart - an. Sie hob ihre Hand um mir eine Ohrfeige zu verpassen, doch ich hielt sie zurück. Ich ließ die Tüte aus meiner linken Hand gleiten und presste mit dieser die meiner Mutter an die Wand. "Wenn du mir eine knallst, dann knall ich mal zurück!", flüsterte ich. Ich warf ihr einen eiskalten Blick zu und schenkte ihr ein fieses lächeln, dann packte ich die Tüte erneut und ging in mein Zimmer. Dort stellte ich sie neben meine Badezimmertür und holte die Sachen für Laisha raus. Die Cap, das Shirt, welches ich trug und durch den Unfall voller Blut war, in lila und die Armbänder, die Halsbänder und bla bla. Ich legte es in eine kleine Kiste und schob diese in meinen zweiten begehbaren Kleiderschrank. Plötzlich flog die Tür auf und meine Mutter stand im Zimmer. "Verschwinde Mum!", knurrte ich sie wütend an. "Was hat das Blut an deiner Kleidung zu bedeuten?", verlangte sie zu wissen. "Das geht dich nen Scheiß an und jetzt RAUS!", brüllte ich und stieß sie aus meiner Privatsphäre heraus. Ich schloss mein Zimmer ab, widmete mich wieder meinen neuen Klamotten und probierte sie an. Ich stellte mich vor meinen Spiegel und staunte. Am Körper sahen die Sachen noch viel besser aus, als wenn sie nur am Haken hingen. Die Daunenjacke passte wie angegossen. Aber dann dachte ich wieder an Laisha. Es war nicht fair, dass sie im Krankenhaus lag und ich hier putzmunter, naja was heißt hier munter, eher so wie ich bin, in meinem Zimmer chillen konnte.
Mir kam plötzlich eine verrückte Idee. Wenn ich mich selbst verletze, dann kann ich bei Laisha sein und mich fühlen wie sie.
"Komm vom Dach runter Sillow!", rief meine Mutter panisch. Sie hatte die Feuerwehr gerufen, die jetzt um unser riesiges Haus herum verteilt stand und versuchte, mich dazu zu bringen, nichts falsches zu machen. "Komm runter Mädchen, was willst du überhaupt da oben?", rief einer der Feuerwehrmänner durch ein Megafon. Ich lachte nur hysterisch auf und lief an der Dachkante absichtlich schwankend hin und her. "Sillow! Bitte komm da runter!", rief meine Mutter wieder.
Ich lachte wieder und balancierte weiter hin und her. Mein Handy klingelte. Ich zog es aus meiner Hosentasche und entsperrte das Display. Es war Laisha.
L= Sillow! Was machst du denn für ne kranke Kacke?! Geh vom Dach runter!
S= Woher weißt du das?
L= Weil ein Nachrichtenteam euer Haus filmt! Du bist völlig verrückt geworden!
S= Bin ich das ja? Aber nur so kann ich bei dir bleiben.
Ich legte auf und fing hysterisch an zu lachen. Ich hielt mir schon den Bauch, als ich den Schritt ins Leere machte. Ich schloss die Augen und genoss das Gefühl, in Todesgefahr zu sein. Ich hörte nur noch, wie meine Mutter "Sillow!" schrie, dann spürte ich den dumpfen Aufprall und fiel in kalte Dunkelheit.
In Finsternis gehüllt wachte ich auf. Es war stockdunkel und ich stellte mich hin. Bäume umgaben mich und, hin und wieder blitzten rote Augen auf. Wie ich das liebte. Allein im Dunkeln im Wald zu sein, das fühlte sich wunderbar an. Ein Rascheln im Unterholz verriet mir, dass ich nicht alleine war und wandte mich dem Geräusch zu. Auf einmal schoss ein weißer Wolf aus dem Gebüsch und sprang auf mich drauf. Er knurrte und seine eisblauen Augen glühten wie blaues Feuer. Was will der denn von mir?, fragte ich mich und wand mich aus seinem Griff. Ich packte ihn am Hals und drückte ihn gegen den nächsten Baum. Er winselte und schnappte sichtbar nach Luft, doch ich drückte immer fester zu. "Komm mir hier nicht mehr in die Quere!", hauchte ich kalt in sein Ohr. Als ich ihn losließ, lief er davon, als ob er verstanden hätte, was ich gesagt habe.
Ich kletterte auf den Baum, nach ganz oben. Auf einem dünnen Ast blieb ich stehen und sog die kalte Luft der Freiheit tief in mir auf. Der See war einfach wunderschön und zeigte mir, wer ich wirklich war und wie ich immer bleiben wollte. Ein Gothic-Girl. Kalt und fies zu anderen, aber nicht herzlos, zumindest nicht immer. Ich schloss meine Augen und ließ mich fallen. Mir wurde schwindlig, doch das Gefühl war einmalig. Dann war alles komplett schwarz und ich sah nichts mehr.
Wieder erwachte ich in dem Wald, in dem ich letztes mal schon aufgewacht bin, doch diesmal bemerkte ich die Anwesenheit einer anderen Person. Kühl dreinschauend drehte ich mich um und ein Grinsen schlich sich in mein Gesicht. "Saira", hauchte ich. Das Mädchen schaute mich an, unfähig etwas zu sagen. "Sag doch was, Kleine", forderte ich sie auf. "Wieso bist du so gemein?", fragte Saira. Sie wusste ja von nichts, also beschloss ich, es ihr zu erzählen. Aber ob sie das noch wusste, wenn ich wieder aufwachte - falls ich wieder aufwachte - wusste ich nicht. Dann müsste Saira eine Traumwandlerin sein und das gab es nur in Fantasy-Büchern.
Am Ende meiner Erzählung nickte sie und löste sich auf. Die Finsternis verschwand und langsam erkannte ich etwas Helles. Mit einem unscharfen Blick beobachtete ich ein paar Silhouetten, die in dem Raum rumliefen. Ich erkannte die Stimme meiner Mutter, die ängstliche von Saira und...die von LAISHA! Wartet...Moment mal...Saira?! "Was willst du hier?!", fauchte ich, doch mir blieb meine Stimme im Hals stecken. "Sillow! Du bist aufgewacht!", rief Laisha glücklich und hinkte auf mich zu. Sie umarmte mich und ich erwiderte. Sie setzte sich schwerfällig auf mein Bett. "Wie lang war ich den weg?", fragte ich desinteressiert. "Fast drei Monate. "Mir geht es inzwischen wieder gut, die letzte Rippe muss halt noch 'n bisschen heilen und dann kann ich endlich wieder normal laufen", sagte meine Freundin. "Und deine Verletzungen sind auch fast wieder völlig verheilt", sagte Saira. "Was willst du hier?", krächzte ich. "Du kennst mich überhaupt nicht. Und woher weißt du überhaupt, dass ich hier bin?" Saira grinste und deutete auf meine Mutter. "Ich bin dir an dem Tag gefolgt, an dem du aus dem Krankenhaus raus bist, nachdem du sie hier besucht hast." Sie machte eine Kopfbewegung zu meiner besten Freundin. Diese sah sie kalt an. "Und deine Mutter war so freundlich, mir ein bisschen was über dich zu erzählen, jetzt weiß ich auch, weshalb du so gemein und herzlos zu anderen Menschen bist." Ich schaute weg. Ich wollte dieses Mädchen nicht länger sehen. "Du denkst ich bin herzlos?", fragte ich sie wütend. "Dann geh in mein Zimmer und nimm die Daunenjacke, die du anprobiert hast. Es gibt noch viel mehr davon, ich kann mir jederzeit eine neue holen. Na los, geh und hol sie dir und geh mir dann aus den Augen!" Erfreut lächelte Saira, bedankte sich mit einem Klopfen auf mein Schienbein und stürmte aus dem Zimmer. Meine Mum drehte sich in meine Richtung. "Wie geht's dir?", fragte sie besorgt. "Beschissen wie jeden anderen Tag auch. Und jetzt hau ab", antwortete ich kalt und schloss meine Augen. Ich wollte sie nicht länger sehen. Laisha sah mich überrascht an. "Warst du gerade nett zu dieser Saira?", flüsterte sie mir ins Ohr. "Ich bin vielleicht fies und kalt, aber nicht herzlos", knurrte ich. Ich wollte aufstehen, doch der Schwindel holte mich ein und ich fiel zurück auf das weiche Kissen. So eine verdammte Scheiße! Ich kann nicht mal sitzen!, dachte ich aufgebracht. Laisha sah meinen unbeholfenen Versuch und stützte mich beim Zweiten. Ich warf ihr einen Blick zu und sie verstand. Ich wollte nicht, dass irgendjemand meine Erleichterung sah und ich wusste, dass es Laisha genauso ging.
Drei Wochen vergingen, dann durfte ich endlich hier raus. Laisha hatte in diesen Tagen das Bett neben mir im Zimmer bekommen, da ich mich sonst weigerte, hier zu bleiben. Jetzt konnte ich mit ihr zusammen das Krankenhaus verlassen und wieder tun und lassen was ich wollte. Als ich mit meiner Freundin vor meiner Haustür stand, erwartete uns schon jemand. "Saira! Was willst du hier? Bei mir?!", zischte ich. "Deine Mum hat gesagt, als deine Freundin darf ich hier sein", plapperte sie drauf los. Deswegen hasse ich meine Mutter. Weil sie dumm und unfürsorglich ist. Aber ich kam schon alleine zurecht, sah man ja. Sie war sogar zu blöd dazu, mich vom Krankenhaus abzuholen. "Du bist nicht meine Freundin!", fauchte ich kalt und beim Vorbeigehen stieß ich sie absichtlich mit voller Wucht gegen die Wand. "Ahh!", kreischte Saira, als sie gegen den harten, weiß gestrichenen Backstein knallte. Ich lachte kalt und ging weiter, aber dann entschied ich mich anders. Ich griff nach meinem Taschenmesser und hielt es Saira an den Hals. "Verpiss dich aus meinem Leben!", knurrte ich ihr ins Ohr. Sie krallte sich die Daunenjacke und machte sich sofort aus dem Staub. Die blanke Angst in ihrem Gesicht werde ich nie vergessen. Wollte ich auch gar nicht. Ich ließ meine Sachen im Flur stehen und hoffte, dass meine Mutter drüber flog, wenn sie nach Hause kam. Laisha war in der Küche und suchte die Pommesschalen. "Meine Schwester war so dumm und hat alles ungestellt. Die Schalen sind da oben drin", erklärte ich genervt und zeigte meiner besten Freundin, wo jetzt alles stand. "Bescheuerter geht's nicht oder?", seufzte Laisha kopfschüttelnd.
Holst du die Pommes aus dem Ofen?", rief ich von oben aus dem Badezimmer. Ich duschte gerade und stellte in dem Moment das Wasser ab, als die Tür eingetreten wurde. Meine Mutter stand im Türrahmen. "Mum! Hau sofort ab!", schrie ich sie an. Ich nahm mir ein Handtuch und band es mir schnell um, bevor meine Mutter mich inspizieren konnte. "Wirds bald?", brüllte ich sie an. "Nicht in diesem Ton Sillow!", sagte sie streng. "Ist mir ziemlich egal, was für einen Ton ich drauf hab. Und jetzt verschwinde sonst knallts!" Ich lachte mein verrücktes Lachen, das ich vor drei Monaten auf dem Dach entwickelt hab und schubste sie aus dem Badezimmer. Sie machte Anstalten, wieder rein zu kommen, doch ich schlug die Tür vor ihrer Nase zu. "Ahrgh!", brummte meine Mutter, als ich ein Knacken hörte. Yes! Ich hatte es endlich geschafft! Ich hab ihre Nase gebrochen! "Haha, pech gehabt!", lachte ich kalt und kicherte mein hysterisches Lachen in mich hinein. Ich trocknete mich ab, zog mich an und ging an meiner blutenden Mutter vorbei. Unten roch es fantastisch nach Pommes. Ich betrat die Küche und staunte nicht schlecht. Laisha hatte alles im Gothic-Style dekoriert und sechs volle große Schalen Pommes auf den Tisch gestellt. "Du bist und bleibst die Beste", sagte ich und wir beide lachten. Ich setzte mich an den Tisch und fing an zu essen, Laisha tat es mir gleich. Plötzlich kam meine Mutter herein. Ich stand auf stellte mich vor sie hin und lachte sie aus, weil ihre Nase mittlerweile blau war. "RAUS!", schrie ich sie an. Ich packte sie am Arm, zog sie nach draußen und schubste sie. Sie donnerte gegen die Haustür und rutschte mit dem Rücken schlaff an dieser herunter. "Kannst ja draußen auf der Treppe schlafen", lachte ich fies und trat ihr mehrmals in die Seite. Ihr Körper rollte auf die Treppe und blieb dort reglosel liegen. Wie schön ich diesen Anblick fand und bei diesen Gedanken fielen mir die Worte von Laisha wieder ein. 'Du bist völlig verrückt geworden!'
Sie hatte recht, ich war verrückt. Völlig verrückt!
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