Sillow - Freiheit
Wir rannten tanzend durch die Nacht, als ich Stimmen und lauter werdendes Gebell wahrnahm. "Schscht Laisha", flüsterte ich. "Die drei Mädchen müssen hier irgendwo sein, so weit kann man doch in so kurzer Zeit nicht kommen." Entsetzt sah Laisha mich an und ich fühlte mich plötzlich eiskalt. "Sie suchen uns", flüsterte sie. "Wir müssen zu Diria zurück und sie warnen. Wenn sie sie finden, dann kann sie ihre Freiheit vergessen!", zischte ich und schoss in die Richtung zurück, aus der wir gekommen waren. Als wir wieder am Haus meiner Schwester waren, sprang ich über den Zaun in den Garten, rannte über den Rasen zur Haustür und klingelte Sturm. "Diria mach auf!" Ich hämmerte an die Tür wie eine Gestörte. Halt stop, ich bin ja eine Gestörte laut anderer Menschen. Diria machte die Tür auf und wunderte sich ein bisschen, dass Laisha und ich davor standen. "Was macht ih-...", ich schnitt ihr das Wort ab. "Keine Zeit für Erklärungen, lass uns rein!", zischte ich und schob mich mit Laisha an der Hand an ihr vorbei in den Flur. "Diria, wer ist da?", rief eine weibliche Stimme vermutlich aus dem Wohnzimmer.
"Mama, komm mal schnell!", rief Diria als Antwort. Eine dunkelhaarige Frau kam aus dem Wohnzimmer und blieb stehen, als sie mich und Laisha erblickte. "Mama, das ist Sillow, meine Zwillingsschwester. Aber das weißt du vermutlich schon. Ich...ich hab dir doch gesagt dass wir abgehauen sind, aber jetzt suchen sie nach uns", erklärte Diria. Wieder einmal bewies sie, dass sie ein Engel der Nacht war, denn wie hätte sie sonst wissen können, dass nach uns gesucht wird, wenn ich nie etwas gesagt habe. "Kommt mit", sagte ihre Mutter knapp. Mit einer Handbewegung gab sie uns ein Zeichen, ihr in den Keller zu folgen.
Unten angekommen führte sie uns in einen Raum, der wie eine übergroße Abstellkammer aussah. "Wie heißt du?", fragte ich, etwas zu kühl, denn schließlich half sie uns. "Karam", antwortete die Mutter von Diria. "Wisst ihr, Dirias Vater hat damals etwas für mich gebaut, als ich auf der Flucht war. Ich war auch mal in der Klapse." Sie schob einen Schrank beiseite und legte ihre Hand an die Wand. Es öffnete sich ein klaffendes Loch, es war pechschwarz man konnte nichts sehen. "Es führt ein Tunnel nach unten in einen größeren Raum. Dort könnt ihr bleiben bis die Gefahr vorüber ist, oder ihr verschwindet durch die Tür am Ende des Raumes. Sie ist dunkelblau", sagte Karam. Plötzlich klingelte es und kurz darauf hörte ich Stimmen. "He Kleiner, ist deine Mutter da?", fragte eine männliche Stimme. "Sie sind hier, verschwindet jetzt!", zischte Karam und scheuchte uns in den Tunnel. "Ihr könnt auch rutschen", flüsterte sie noch, dann schloss sich das Loch in der Wand und wir standen zu dritt in völliger Finsternis. "Lasst uns rutschen", schlug ich vor und setzte mich hin. Ich schob meinen Körper ein Stück nach vorne und schoss plötzlich mit hohem Tempo den Gang nach unten. "Waha!", schrie ich überrascht und genoss dann den kühlen Wind, der anscheinend hier unten herrschte. "Wir kommen!", rief Laisha und ich hörte, wie sie und Diria ebenfalls nach unten rutschten. Plötzlich war die Rutschpartie zu ende und ich befand mich im freien Fall. Ich schlug kurz darauf auf dem Boden auf und alles wurde schwarz.
Laishas Sicht
Ich rutschte nach unten, Diria war direkt hinter mir, doch von Sillow war nichts mehr zu hören. "Sillow?!", rief ich. Keine Antwort. "Sillow!" Ich drehte meinen Kopf nach hinten und entdeckte an der Wand ein Warnschild.
Darauf stand, man sollte einen Button am ende der Rutsche drücken. Ich streifte etwas eckiges, hartes und haute drauf. Plötzlich drang Wasser in den Tunnel und dann hörte auch die Rutsche auf. Diria und ich sanken nach unten, als eine schwarze Silhouette an uns vorbei nach oben trieb. Sillow! Dachte ich entsetzt und schwamm hektisch zu ihrem bewegungslosen Körper. Sie muss das Warnschild übersehen haben! Ich griff ihr unter die Arme, schwamm so schnell ich konnte wieder nach unten und schlug auf einen leuchtend weißen Button an der Wand. Das Wasser lief ab und ich legte Sillow auf dem Boden ab. Ich legte meinen Kopf auf ihre Brust und versuchte, ihren Herzschlag zu hören, aber da wahr nichts. Dann suchte ich den Puls an ihrer Halsschlagader, aber auch da war nichts. "Sillow wach auf bitte!", flehte ich und tätschelte mit meiner Hand ihre Wangen. Ich probierte es mit der Herzdruckmassage. "Atme Sillow, atme!", sagte ich panisch. "Oh bitte nimm sie mir nicht weg!", heulte ich und warf meinen Kopf in den Nacken. "Laisha, lass mich mal", sagte Diria ruhig. Sie schob mich beiseite und murmelte etwas vor sich hin. Ich konnte es grade so verstehen. "Engel des Lebens, komm sofort her. Ich brauche dich jetzt. Hol meine Schwester aus den Fängen des Todes zurück." Ein helles, blaues Licht breitete sich in dem Raum aus, zappte um Sillow herum und ließ sie langsam aufsteigen. Sie schwebte in der Luft, bewegte sich nicht, atmete nicht. Das blaue Licht legte sich auf ihrer Brust nieder und wurde in Sillows Körper gezogen. Langsam wurde der Raum wieder in Dunkelheit gehüllt. Plötzlich fing Sillow an zu husten und sank auf den Boden zurück. Dort setzte sie sich schwach auf und lehnte sich an die Wand.
Sillows Sicht
"Ich wollte euch vor dem hier warnen", murmelte ich benommen. "Du hast das Warnschild wohl nicht gesehen", sagte Laisha. Sie umarmte Diria. "Danke, du hast sie gerettet." Laisha setzte sich neben mich und Diria tat es ihr nach. "Gibt's hier auch einen Lichtschalter?", fragte ich genervt. Ich stand langsam auf und tastete mich an der Wand entlang, doch dann kam es mir wieder in den Sinn. Ich rief meinen inneren Engel und die schwarzen Flügel traten aus meinen Schultern. "Engelslicht!", heulte ich. Ich hatte das Wort kaum zu ende gesprochen, als kleine, weiß-blaue Kugeln sich im ganzen Raum verteilten.
"Ja gut, das kann man auch als Licht benutzen", lachte Laisha. Die kleinen Kugeln erhellten den Raum besser als eine LED-Lampe. "Also, ich glaube ja nicht dass das der Raum sein soll", sagte ich mit einem fragenden Unterton. "Da vorne ist eine Tür", sagte Diria und deutete auf eine Metalltür am Ende des Raumes. Ich ging darauf zu und öffnete sie, auf der anderen Seite erstreckte sich ein vierfach so großer Raum wie der hinter uns.
"Wohow! Der ist ja riesig!", staunte Diria. "Mein Vater hat echt gute Arbeit geleistet." Für mich sah es eher wie ein überdimensionales Wohnzimmer aus. Auf der anderen Seite, direkt gegenüber von uns, war die dunkelblaue Tür. "Ich schlage vor, wir verbringen die restliche Nacht hier und verschwinden morgen früh", sagte ich. "Ich bleibe hier", sagte Diria. "Mama kann Daran auch zu mir nach unten bringen, so kann ich Zeit mit ihm verbringen und gleichzeitig auf der Flucht sein." Laisha und ich nickten, dann legten wir uns auf die Couch und schliefen ziemlich schnell ein.
"Laisha, wach auf", flüsterte ich so leise, dass nur sie es hören würde. "Was los?", nuschelte sie schlaftrunken. "Wir müssen gehen", sagte ich und half ihr hoch, als sie mir ihre Hand hinstreckte. Auf einen Zettel schrieb ich ein paar letzte Worte für Diria. 'Werde dich vermissen Schwester. Hoffentlich sieht man sich mal wieder.' Ich legte den Fetzen auf dem Tisch ab und schlich mit Laisha zu der dunkelblauen Metalltür. Diese ließ sich zum Glück leise öffnen und schließen. Dahinter war ein langer Gang, der nach ein paar Metern breiter wurde. Ich folgte ihm bis ans Ende und kletterte ein paar Sprossen hoch, die aus der Wand herausragten. Laisha war mir dicht auf den Fersen und ich drückte die Klappe über mir mit den Händen nach oben. Helles Sonnenlicht schien auf mein Gesicht und ich verrenkte meine Augen zu Schlitzen. Um uns herum war der Wald, durch den wir geflohen sind. Ich kletterte ganz nach draußen und lehnte mich an einen Baum, ein paar Sekunden später stand Laisha neben mir. "Du musst jetzt wohl auch nach Hause?", fragte ich traurig meine beste Freundin. Diese nickte, Tränen bildeten sich in ihren blauen Augen. "Unsere Wege trennen sich hier, aber ich verspreche dir Sillow, wir sehen uns wieder", sagte Laisha. Sie fiel mir um den Hals und schloss mich in eine feste und wahrscheinlich letzte Umarmung. Ich erwiderte sie, wir standen eine Weile nur schweigend da und sagte nichts.
"Freunde bis in die Ewigkeit", sagte Laisha.
"Freunde bis zum allerletzten Atemzug", hauchte ich.
1397 Wörter. Hoffe es gefällt euch.
F.
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