Sillow - 3. Höllenmonat

Tag 3

"Mitagessen!", brüllte eine Stimme von draußen. Ich stand auf und öffnete die Tür. Seit ich Kampfzahn habe, traute sich keiner mehr einfach so rein. War mir ganz recht. Der Betreuer, der mit meinem Essen auf dem Gang stand, hatte sein Gesicht zu einer schlecht gelaunten Grimasse verzogen. "Du hast keinen Grund schlechte Laune zu haben, sondern ich", sagte ich kühl und nahm ihm mein Essen ab. Ich bin über die Monate hier total weich geworden und war manchmal sogar freundlich. Wie ich mich selbst dafür hasste, ich log mich quasi selbst mit dieser grässlich guten Laune an. "Ich habe einen Grund ich muss mich hier um euch Psychos kümmern", erwiderte er. Auf seinem Namensschild stand Tim. "Aha, wenn es dir keinen Spaß macht, warum bist du denn dann hier?", fragte ich mit einem gemeinen Grinsen. "Was geht dich das an?", fuhr Tim mich an. Ich stellte mein Essen auf den Boden und packte ihn am Kragen. "Sehr viel, wenn ich das so sagen darf", zischte ich. "Ich muss Sozialstunden ableisten weil ich wegen Körperverletzung vor dem Jugendgericht stand. Und jetzt lass mich gefälligst runter!", knurrte er genervt. "Du hast Mut Kleiner", sagte ich, ließ ihn unsanft fallen und schlug ihm die Tür vor der Nase zu. Ich nahm mein Tablett und setzte mich auf mein Bett. Jeden verdammten Tag gab es zu Mittag das gleiche Essen. Irgendwann schmeckten sogar die Bratkartoffeln einfach nur noch scheiße. Ich aß, es schmeckte trocken und fad und ich warf das Besteck wütend auf den Teller zurück. Im Glas war auch nur Wasser, super...
Ich stellte den Teller mit den Resten Kampfzahn vor die Nase. Hungrig machte er sich darüber her. Ich stand auf und auch er erhob sich. "Nein Süßer, du bleibst hier, ich muss nur etwas besorgen." Knurrend und mit Widerstand in seinen Augen setzte er sich wieder hin und ich verließ das Zimmer. Ich suchte die Küche und fand sie schließlich in einem größer werdenden Bereich im Erdgeschoss. Ich schlich mich zu den Kochutensilien und holte eine große und eine etwas kleinere, silberne Blechschüssel aus dem Schrank. Ob dieses gottverdammte Haus auch rohes Fleisch hat? Dachte ich und ging auf den Kühlraum zu. Tatsächlich war hier rohes Fleisch und ich nahm etwas davon mit. Unbemerkt schoss ich in den dritten Stock hoch und zurück in mein Zimmer. Kampfzahn lag neben meinem Bett und döste vor sich hin, stand aber sofort auf, als er merkte dass ich rein kam. Die eine Schüssel füllte ich mit Wasser, die andere mit dem Fleisch. In den Bruchteilen von Sekunden hatte mein Tiger alles aufgefressen und sogar die Wasserschüssel war bis auf eine kleine Pfütze leer. "Da hatte aber jemand Appetit was?", lachte ich und streichelte seinen Kopf. Er sprang zu mir aufs Bett und legte sich schwerfällig auf meine Beine. Seinen Kopf und die Vordertatzen platzierte er auf meinem Bauch und seine Wärme strömte durch meinen Körper. "Danke Zanaya", flüsterte ich und nickte mit der Hand auf Kampfzahns Rücken ein.

"Ein Klopfen an der Tür weckte mich wieder auf und genervt erhob ich mich. Ich öffnete und knurrte: "Was willst du denn scho...", ich stoppte mitten in meinem Knurren, als ich Diria erblickte. Ihr Körper war blutverschmiert und aus einer Platzwunde am Kopf floss ununterbrochen Blut. "Hilf mir, die Bullen, ich hab mit ihnen gekämpft. Zwei sind tot, drei leben noch. Sie haben auf mich geschossen weil sie dachten ich wäre du!", wimmerte sie und ich zog sie schnell in mein Zimmer. Verbände hatte ich in meinem Schrank, auch Desinfektionsmittel hatte ich geklaut. Ich versorgte Diria's Wunden und schaute raus auf den Gang. "Sie wollen dich mitnehmen, wegen Zanaya und Amy", flüsterte Diria. "Aber sie haben mich mit dir verwechselt." Ich nickte nur und spahte wieder auf den Flur. Die übrigen Polizisten stürmten durch die Glastür am Treppenhaus und erblickten mich. "Scheiße! Sie haben mich gesehen!", fluchte ich und rannte zu meinem Kleiderschrank. Ich warf alles wild herum, bis ich die Taschenmesser fand. Ich packte eine Handvoll und gab sie Diria, die zweite Ladung nahm ich selbst. Ich öffnete die Tür, als die Polizisten sie gerade eintreten wollten und schrie: "Jetzt Diria!" Wir warfen unsere Taschenmesser nach ihnen und ich stach sie jedem in den Bauch. Eines flog surrend an mir vorbei und blieb im Auge eines bulligeren Polizisten stecken ich gab ihm den Rest und er viel tot zu Boden. Die anderen zwei folgten. "Tür zu!", befahl ich. Dann stellte ich mich ans Fenster. "Die kriegen mich nie. Du bleibst bei mir, Diria, falls nochmal sowas kommt", sagte ich kühl.
"Gehen wir schlafen."

Tag 4

"Wach auf, Sillow", sagte Diria und schüttelte mich. "Was ist denn jetzt wieder?", murrte ich genervt. "Nichts, aber du kannst nicht den ganzen Tag schlafen, davon vergeht die Zeit auch nicht viel schneller", antwortete sie. Ich verdrehte die Augen. Leider hatte sie recht. Durch das fehlende Training hatte ich einen Bauch bekommen und beschloss, einfach raus zu gehen. "Wir gehen nach draußen, ich brauche unbedingt Konditionstraining", sagte ich und mit einem Blick auf Diria fügte ich hinzu: "Und du auch." Ich ging zu meinem Schrank und zog mich um.
Lila-Schwarzes Shirt mit Nieten und Halbgürteln an den Armen. Schwarze Hose mit Stacheln und Totenkopfgürtel, schwarz-grüne Nikes Armstulpen und ein blaues Stachelhalsband. Ich warf Diria ein paar Sachen zu und auch sie zog sich schnell um. Dann schlichen wir uns nach draußen. "Hier geblieben", rief eine Stimme hinter uns. Ich drehte mich um und blickte in das Gesicht von Tim. "Was willst du denn?", fauchte ich. "Dich und sie wieder rein holen, ihr dürft nicht einfach so raus gehen", erklärte er gelangweilt. "Das weiß ich selbst", zischte ich, drehte mich um und joggte mit Diria und Kampfzahn am Zaun entlang. Nach ein paar Runden rannte uns Tim hinterher. "Kampfzahn, halt ihn uns vom Leib", sagte ich, holte ein kleines Stückchen Fleisch aus meiner Hosentasche und warf es auf Tim. Kampfzahn sprang sofort zurück und rannte den Jungen über den Haufen. "Argh!", schrie er, als Kampfzahn ihn am Arm erwischte, um sich sein Fleischstückchen zu holen. Dann setzte sich Kampfzahn mit seinem ganzen Gewicht auf ihn drauf und wir konnten in ruhe weiterjoggen.
Nach drei weiteren Runden legten wir eine Pause ein und ich machte ein paar Dehnübungen. Herrgott war ich ungelenkig geworden. Es folgten 15 Liegestützen, 20 Sit-Ups und Klimmzüge am Zaun, was aber nicht wirklich funktionierte. "Das hat gut getan", seufzte ich. "Der Sport hat mir gefehlt. Wenn du Lust hast und wir hier draußen sind, dann bring ich dir bei mir Zuhause das Reiten bei." Diria strahlte mich an, nickte aber abwesend. "Was ist los?", fragte ich und packte sie an den Schultern, damit sie mir in die Augen sah. "Es ist nichts", murmelte sie. "Diria, ich kenne dich. Ich weiß das etwas ist und ich will dass du mir das jetzt sagst", sagte ich fest. "Es ist...ich habe einen Bruder, Sillow. Also halt einen Pflegebruder, du weißt ja dass ich adoptiert bin. Er...ich habe ihm versprochen, wieder nach Hause zu kommen. Er ist...er ist erst 5." Diria sah auf den Boden und sagte nichts mehr. "Und wenn du dann mit mir kommst, dann könntest du nicht hm? Ich verstehe dich, Diria, mir geht es mit Laisha nicht anders."
"Er hat Leukämie, Sillow! Daran hat Leukämie! Ich will doch nur wieder zu ihm nach Hause, er hat doch nur noch sechs Monate!", schrie sie mich an und sank mit Tränen in den Augen auf den Boden. Sie hielt sich die Hände vors Gesicht und die Tränen tropften auf ihren schon schweißnassen Körper. "Ich hol uns hier raus, Diria und dann bring ich dich zu Daran. Ich hab zu Hause etwas, oder besser gesagt jemanden, der ihn begleiten kann, bis...naja du weißt schon."
"Daran wollte immer einen Hund haben. Einen Schäferhund. Er liebt diese Rasse, sein ganzes Bett ist voller Hundekuscheltiere. Bei Daran vergesse ich meine Kälte, nur er bekommt meine warme Seite zu spüren. Aber diese Wärme verschwindet, wenn Darans Zeit gekommen ist", schluchzte sie.
"Denk nicht an sein Ende, Diria, denk an die Zeit, die ihr noch haben werdet", tröstete ich sie und nahm sie in den Arm. Auch ich hatte eine gute Seite, aber nur wenige bekamen sie zu spüren.

1372 Wörter ohne das hier.
Hoffe es gefällt euch.

F.

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