Hiermit erkläre ich euch zu Hamster und Monster

Das golfballgroße Projektil zischt an meinem Kopf vorbei, durchschlägt die Kabinenwand und verschwindet im interdimensionalen Raum dahinter.

»Verdammte Scheiße, Susan!«

Meine Stimme klingt hoch und schrill.

Interessant. Anscheinend macht Panik aus meinem dröhnenden Bass das Kreischen eines kleinen Mädchens.

»WELCHE FARBE?«, brüllt meine Frau ein zweites Mal. Auch ihre Stimme liegt in der völlig falschen Tonlage.

Es klickt und kracht, als sie den Blaster nachlädt, und das kreischende Mädchen antwortet so schnell, wie mein Männermund es zulässt.

»Ich weiß nicht, wie dein Kleid aussah! Das ist eine Ewigkeit her!«

»WIE LANG GENAU?«

Ich hebe abwehrend die Hände.

»Lass mich ... kurz nachrechnen!«

Susans Augen verengen sich und das irre Funkeln darin konzentriert sich zu einem kleinen mörderischen Punkt.

»Mein Mann müsste nicht nachrechnen! Er wüsste, wie lang wir uns kennen!«

Zischen statt Brüllen.

Gutes oder schlechtes Zeichen? Ich befürchte zweiteres und hoffe auf ersteres.

Immerhin hat mich noch kein zweiter Schuss getroffen und zerfetzt wie einen Hamster in der Mikrowelle.

Nach diesem Kopfkino gerät mein Denken endgültig ins Stocken.

Durch das Loch hinter mir kommen fremdartige Geräusche. Ein Blubbern und Rauschen. Es hört sich wie die Schmatzgeräusche eines Monsterrachens an und vielleicht ist es das auch.

Im dem abgedrehten Raum zwischen den Dimension existieren alle möglichen albtraumhaften Kreaturen. Nur deswegen gibt es an Bord überhaupt Waffen mit einem Lauf in Panzerrohrgröße – wie den Blaster, der mich in den Armen meiner Frau ersetzt hat und der nun bedrohlich zuckt.

Ich gebe den Rechenversuch auf und flehe stattdessen.

»Glaub mir! Ich bin dein Mann!«

»BEWEIS ES!« Susan brüllt wieder. »WANN IST UNSER HOCHZEITSTAG?«

Scheiße.

Das wüsste ich nicht einmal mit klarem Kopf. Wozu gibt es digitale Kalender mit Erinnerungsfunktion?

Ich hebe die Hände noch höher, als würde das noch irgendetwas bringen. »WAS HAST DU MIT IHM GEMACHT, DU ...«

Gern hätte ich ihre beleidigende Bezeichnung für das Wesen gehört, das sie fälschlicherweise in mir sieht. Doch der Schuss übertönt ihr Keifen. Und er pulverisiert einen weiterer Teil der Wand hinter mir.

Wenn da irgendetwas Monsterartiges war, ist es jetzt zumindest tot.

»Ich bin kein gestaltveränderter parasitärer Dimensionsflüchtling!«, sage ich und breche mir dabei fast die Zunge. Wo sind eingängige Akronyme, wenn man sie braucht?

Meine Frau hat andere Fragen.

»WAS SIND MEINE LIEBLINGSBLUMEN?«

Mein Mund geht auf, doch weder die Männer- noch die Kleine-Mädchen-Stimme kommt heraus.

Bamm!

Loch Nummer drei.

»WIE HEISST MEINE ARBEITSKOLLEGIN?«

Offener, tatenloser Mund.

Bamm!

Nummer vier.

»WELCHES LIED HAT BEI UNSEREM ERSTEN TANZ GESPIELT?«

Mein Mund schließt sich. Aus Resignation?

Bamm!

Das fünfte Projektil schlägt ein minimal kleineres Loch. Abgebremst durch meine Brust.

Ich liege am Boden und höre auf das Monsterschmatzen - oder was immer dieses Geräusch aus der Kehle meiner Frau ist.

Mit dem Hamster habe ich mir geirrt.

Kein Zerfetzen. Nur der Verlust von einem Großteil »Ich« zwischen meinem Hals und meiner Hüfte.

Macht Urlaub in einer anderen Dimension, haben sie gesagt.

Es wird euch gefallen, haben sie gesagt.

Und sie hatten recht.

Der Urlaub war schön.

Nur die Rückreise hatte ich mir anders vorgestellt.

Genre: Science-Fiction

Inspiration: III

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