7 Sinnlose Gespräche
Es dauert nicht lange, bis wir am Eingang sind. Jason begrüßt den Türsteher mit Handschlag und fragt ihn irgendetwas, dass dieser mit einem Nicken erwidert, doch dann sind wir auch schon drin und werden von lauten Bässen empfangen.
Nachdem wir die Eintrittskarten bezahlt und unsere Jacken abgegeben haben, streben wir dem Untergeschoss entgegen. Es ist nicht das erste Mal, dass ich hier bin, doch ist es schon eine Weile her und ich verknüpfe nicht gerade gute Erinnerungen an die Zeit.
Schwüle Luft steigt von unten herauf, als wir dem steten Strom folgen. Vor mir gehen zwei junge Frauen, die sich wohl nur noch auf den Beinen halten, weil sie sich aneinander klammern und auch von unten kommen uns schwankende Menschen entgegen. Belustigt greife ich einem der Mädchen, eine kleine schwarzhaarige, unter die Arme als sie bedrohlich ins Schwanken gerät und auf ihrem High Heel umknickt.
Sie dreht sich grinsend zu mir um und bringt ein recht undeutliches: "Danke, geht schon." hervor. Recht offen mustert sie mich, flüster ihrer Freundin dann hörbar zu: "Der ist aber schnuckelig."
"Findest du?", erwidert die andere ebenso laut und richtet ihren Röntgenblick auf mich. Kichernd blickt sie zur Seite, als ich sie mit hochgezogener Augenbraue betrachte.
Die beiden sind eigentlich ganz niedlich. Könnten mir äußerlich sogar gefallen. Innerlich vielleicht auch, wenn ich mir die Zeit nehmen würde sie kennenzulernen, doch bin ich mir sicher, dass sie Mia nicht das Wasser reichen können.
"Hey Alter!", Jasons haut mir hart von hinten eine Hand auf die Schulter und schaut die beiden Mädchen feixend an, "Können wir vielleicht erst mal nach unten gehen, bevor ihr euch auf ein Schäferstündchen verabredet? Ihr verursacht hier einen Stau."
Kichernd drehen sich die beiden um und gehen dann tatsächlich weiter. Im Untergeschoss deutet Jason auf die Tür, durch die ich gehen soll und fasst dann neben mir Schritt. Luke, Mike und Kathy gleich hinter uns.
"Wie machst du das eigentlich?", fragt Jason mit lüsternem Blick auf die Mädchen, die nur wenige Schritte vor uns her taumeln und stößt mich mit der Schulter an.
"Was soll ich denn machen? Ich war einfach nett. Scheinbar gefällt denen das.", sage ich achselzuckend, kann mir ein Grinsen aber nicht verkneifen. Sicher werde ich Mia nicht so schnell vergessen, aber die Mädchen, egal ob diese oder andere, sind schon nett anzusehen und bringen mich endlich auf andere Gedanken.
"Nett? Sollte ich vielleicht auch mal versuchen."
"Kann auf jeden Fall nicht schaden, wobei du doch auch immer eine findest, mit der du Knutschen kannst."
Ob er das sollte lasse ich mal dahin gestellt, denn immerhin hat er Mel. Oder stimmt zwischen den Beiden etwas nicht?
"Ist bei dir und Melanie eigentlich alles in Ordnung?", frage ich aufmerksam über den Krach hinweg, doch Jason nickt.
"Sicher. Warum auch nicht."
"Weil du dir so viele Gedanken um die Mäuschen machst, die hier herum huschen.", wende ich ein und sehe ihn aufmerksam an, doch macht er nicht den Eindruck, als würde etwas zwischen ihm und seiner Freundin nicht stimmen. Lediglich ein etwas wehleidiger Ausdruck liegt in seinen Augen, den ich nur zu gut nachvollziehen kann.
"Ach was..ich guck ja nur. Vielleicht fass ich auch mal eine an, aber glaube mir, ich mach dreitausend Kreuze, wenn Melanie morgen wieder da ist!"
Ich sehe wie er seufzt und würde es ihm am liebsten nachmachen.
Im Grunde habe ich das gleiche Problem wie er. Nur dass ich nicht weiß, wann meine Freundin 'aus dem Urlaub' wieder zurück kommt. Ich hoffe nur, dass sie überhaupt wiederkommt. Und wenn nicht? Was mache ich dann?!
Eine Unliebsame Stimme in meinem Kopf schickt mir ein sehr realistisches Bild, dass ich lieber verdrängen würde, doch im Grunde hat sie recht. Ich wäre nicht der Erste, der von seinem Mädchen verlassen wurde. Nur geht mir dieser Engel, einfach nicht aus dem Kopf. Und noch will ich die Hoffnung auch nicht aufgeben. Ich werde alles in meiner Macht stehende dafür tun, sie zurück zu bekommen. Und wenn ich dafür zu unkonventionellen Mitteln greifen muss. Bitteschön! Dann werde ich das tun!
"Mike?!", wende ich mich nach gut zwei Stunden schreiend an ihn. Ich kann diesen Kerl wirklich nicht verstehen. Seitdem wir hier sind macht er sich an alle möglichen Mädchen ran. Schleift sie auf die Tanzfläche, gibt ihnen Drinks aus und ich habe ihn selbst schon knutschend mit einer von ihnen gesehen und ich frage mich inzwischen ernsthaft, was er eigentlich von Mia will! Doch vielleicht, hegt er ja tatsächlich nur freundschaftliche Gefühle für sie. Das wäre für mich und mein Anliegen geradezu genial. Aber eines nach dem anderen.
"Kommst du kurz mit nach draußen? Ich muss dich was fragen?", fordere ich ihn auf, was mir von Jason einen fragenden Blick einbringt, den ich gekonnt ignoriere.
Mike mustert mich eingehend, dann flüstert er dem Mädchen, das auf seinem Schoß sitzt etwas zu, bevor er ihr einen Klaps auf den Schenkel gibt und mir zunickt.
Ich bin ziemlich nervös, als ich mich von meinem Platz erhebe und mit ihm nach Oben gehe, wo ich ihn um Hilfe bitten will. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich mir davon verspreche, doch einen Versuch ist es wohl wert.
Auf der Treppe ist es mal wieder extrem eng und es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis wir endlich das stickige Gebäude verlassen. Wenn man da unten sitzt, merkt man es eigentlich kaum, doch jetzt, als mir die frische Nachtluft um die Nase weht und mir einen Hauch Sommer zukommen lässt atme ich erleichtert auf. Sauge tief den Sauerstoff in meine Lungen und genieße die wohltuende Ruhe.
Jedoch währt sie nicht lange, denn Mike hält mir eine Schachtel Zigaretten vor die Nase und fragt: "Rauchst du?"
"Nein. Danke.", lehne ich leicht irritiert ab. Ich hätte nicht gedacht, dass Mia mit einem Raucher befreundet ist. Bisher hatte ich eher das Gefühl, sie könnte den Qualm nicht ab. Aber vielleicht macht sie ja bei Mike eine Ausnahme, doch steckt er die Schachtel ohne eine Kippe herauszunehmen wieder in die Tasche.
"Was wolltest du denn von mir?", kommt er recht schnell auf den Punkt und wendet sich einer kleinen Mauer zu, gegen die er sich lehnt und mich abwartend ansieht.
"Ich wollte mit dir reden."
"Ach ne. So schlau war ich auch!", sagt er grinsend und fährt sich durch die Haare. Zwinkert einem Mädchen zu, das uns einen kurzen Blick zuwirft und schaut mich dann wieder an. "Es geht um Mia, nehme ich an.", rät er munter drauf los und versetzt mir damit prompt einen Stich. "Sie hat dich abserviert und jetzt willst du, dass ich dir weiterhelfe. Hey. Nimms mir nicht übel, aber vergiss es Alter."
Sprachlos sehe ich ihn an, doch reiße ich mich recht schnell wieder zusammen. Schiebe meinen Schmerz beiseite und versuche wenigstens ihren Eltern behilflich zu sein. Im Grunde hatte ich ohnehin nicht daran geglaubt, dass Mike mir mit Mia hilft.
"Das mit Mia und mir renkt sich schon wieder ein. Was ich von dir wollte...Ich weiß nicht, woran es liegt, aber aus irgendwelchen Gründen, will Mia seit ein paar Tagen, mit Mara und Pascal nichts mehr zu tun haben. Und ich frage mich warum?", das ich ihn für den Grund halte sage ich nicht, doch sieht er so aus, als könnte er meine Gedanken lesen. Trotzdem fahre ich fort: "Sie waren gerade erst wieder etwas näher zusammengerückt und jetzt...also...ich finde es einfach schade. Verstehst du? Könntest du nicht mal ein gutes Wort für sie einlegen?"
"Warum? Warum sollte ich das machen? Ihre Alten konnten mich doch noch nie leiden! Also warum sollte ich ihnen helfen?", sagt Mike abweisend und verschränkt die Arme vor der Brust. Sieht mich mit steinernem Blick an.
Eingehend mustere ich ihn. Ich kann verstehen, warum er kein Verständnis für Mara und Pascal hat, doch würde ich mir wünschen, dass er für Mia über seinen Schatten springt. Na und für Mara und Pascal natürlich auch. Doch hätte ich vielleicht anders an die Sache herangehen sollen. Nur ist es dafür jetzt wohl zu spät. Trotzdem versuche ich es weiter.
"Du hilfst ja nicht nur ihren Eltern. Sondern auch Mia.", beginne ich erklärend, "Sie fühlte sich immer von ihnen zurückgesetzt, weil sie ihr nichts von der Adoption er zählt hatten, doch Mara ist ihre Tante. Ihr einziges, letztes Familienmitglied. Findest du nicht, dass sie es beide verdient haben ein gutes Verhältnis zueinander zu haben?" Fragend sehe ich Mike an und kurz kommt mir der Gedanke, ob Mia ihm überhaupt von der Adoption erzählt hat, doch lässt seine Reaktion keinen erhellenden Schluss aufkommen.
"Ach Familie!", sagt er abwinkend, "Vollkommen überbewertet. Wenn die nicht gewesen wären, wäre Mia nie in dieses bescheuerte Internat gekommen und zwischen uns hätte es nie einen Bruch gegeben. Also..."
Bevor er weiter reden kann unterbreche ich ihn. Ich kann seinen Standpunkt verstehen, doch hat er selbst nicht gerade vorbildlich gehandelt, als Mia ihm davon erzählt hat.
"Hey! Das hast du dir ja echt selbst zuzuschreiben!", werfe ich ihm vor, "Wer hat Mia denn den Scheiß mit der Wette gesagt. Das hat sie voll runter gezogen. Wobei ich dir vielleicht sogar dankbar dafür sein sollte."
Mit den Gedanken an unsere ersten Begegnungen bei mir zu Hause schleicht sich ein Lächeln auf mein Gesicht und in meiner Brust beginnt es behaglich zu schnurren. Für mich war es wirklich ein Glück, dass Felix sie mit zu uns gebracht hat. Wenn ich nur an den Morgen denke, wo ich sie am Klavier erwischt habe, oder an die folgende Nacht, wo sie mich beobachtet hat, wünschte ich mir beinahe, ich könnte die Zeit zurückdrehen.
Ich war so wütend auf sie, als ich sie dort habe sitzen sehen, doch hat mich ihr versunkener Anblick geradezu verzaubert. Selbst ihr Duft raubte mir den Atem, als ich sie in meinem Zorn an die Wand gepresst habe.
Noch heute bekomme ich Herzklopfen, wenn ich an sie denke. An den Morgen und sie so dicht vor mir. Wenn ich nicht so wütend gewesen wäre, wären mir gewisse Ähnlichkeiten bestimmt schon früher aufgefallen. Eigentlich unglaublich, dass ich sie nicht sofort erkannt habe. Aber sie sah einfach so anders aus. Diese kurzen Haare, die dazu auch noch braun und nicht mehr schwarz waren, haben mir den Blick auf die Wahrheit verwehrt. Dabei konnte ich schon im Wald kaum die Finger von ihr lassen.
Und selbst jetzt bringt es mich um den Verstand, wenn ich nur daran denke, dass sie sich diesmal vielleicht doch auf Mikes Seite schlagen könnte.
Mike! Da war ja was!
"Warum solltest du mir dankbar sein?! Häh? Das erklär mir mal!", stößt er beinahe aggressiv hervor und ballt wütend die Hände zur Faust.
"Bleib cool man.", sage ich locker, bleibe aber wachsam. Nur für den Fall, dass er sich nicht unter Kontrolle behalten sollte. "Ohne diese dumme Wette hätte Mia sicher nur Augen für dich gehabt, aber so...tja. Danke dafür."
"Ich warne dich! Wenn du darauf spekulierst, dass ich Mia nochmal an dich verliere, dann hast du dich geschnitten! Sie gehört mir! Das sag ich dir!", sagt er drohend und fuchtelt mit seinem Finger unter meiner Nase herum. Sein besitzergreifendes Gehabe zerrt gehörig an meinen Nerven, doch darf ich nicht vergessen, warum ich mit ihm hier bin.
"Und genau da irrst du dich, Mike!", sage ich energisch. Ich schlage seine Hand beiseite und fixiere ihn mit finsterem Blick, "Mia GEHÖRT niemandem! Nicht dir, nicht mir und auch nicht ihren Eltern. Wenn sie sich dafür entscheidet, mit dir zusammen sein zu wollen...dann, dann ist das halt so, aber...", und jetzt bin ich derjenige, der drohend klingt, "...aber, wenn sie sich für mich entscheidet, solltest du ihre Entscheidung akzeptieren."
"Sie wird sich nicht für dich entscheiden! Das hat sie vor ihrem Unfall nicht getan und das hat sie auch jetzt nicht getan!", sagt er aufgebracht. Für meinen Geschmack zu aufgebracht, so dass ich regelrecht an seinen Worten zweifle. Ich glaube nicht, dass sie sich für ihn entschieden hat. Oder etwa doch? Verdammt! Wenn ich nur mehr Details wüsste.
"Oder ist dir entgangen, dass ICH morgen zu ihr ins Krankenhaus fahre und nicht DU.", sagt er mit einem fiesen Grinsen im Gesicht, das ich unter Schmerzen erwidere.
"Genieß die Zeit mit ihr, solange du sie hast. Ich hatte meine Zeit mit ihr. Aber in zwei Wochen wird sie entlassen und wenn du dich nicht mit ihren Eltern arrangierst, wirst du sie wohl nicht mehr allzu oft sehen. Ich hingegen...", sage ich grinsend, wobei sich mir der Magen umdreht. Ich werde sie auch nicht sehen. Nicht heute und nicht Morgen. Vermutlich nicht mal diesen Monat. Anders als er. Zumindest so lange, bis sie wieder in der Schule ist, doch gehe ich mal davon aus, dass er es nicht weiß. Sonst würde er wohl nicht so überheblich grinsen.
"Mia wird nächstes Jahr volljährig und dann wird sie bei mir einziehen. Was glaubst du, wie viel Mitspracherecht ihre Eltern dann noch haben."
"Ein Jahr ist eine lange Zeit. Was, wenn sie bis dahin ihr Gedächtnis wieder bekommt?", gebe ich zu bedenken, was er mit einem bestimmten: "Wird sie nicht!", kommentiert, doch mir wird diese Diskussion langsam echt zu dämlich.
"Na, wenn du meinst. Du musst es ja wissen. Ich glaube an sie. Und selbst wenn sie sich nicht mehr an ihr früheres Leben erinnern sollte, halte ich Mia für ein kluges Mädchen, das sich sicher nicht von dir an der Nase herumführen lassen wird.", sage ich abschließend und wende mich von ihm ab. Ich lasse ihn einfach stehen, obwohl er mir noch etwas hinterherruft, dass klingt, wie: "Echt super, wie du dich für ihre Eltern eingesetzt hast! So helfe ich DIR sicher nicht!"
Vielleicht hat er mit seinen Worten ausnahmsweise sogar mal recht, doch kann ich ihn einfach nicht verstehen. Wenn er Mia so sehr liebt, wie er tut, warum macht er den ganzen Abend mit diesen Mädchen rum? Wenn er sie lieben würde, dann müsste er doch wissen, dass er sie damit verletzt, sollte sie es herausfinden.
Und auch wenn ich mir dieses Wissen zu Nutze machen könnte, werde ich es nicht tun. So bin ich einfach nicht. Außerdem habe ich jedes Wort, das ich zu Mike gesagt habe ernst gemeint! Mia IST ein kluges Mädchen und sie wird es herausfinden, sobald sie aus dem Krankenhaus heraus ist.
Von diesem dämlichen Versuch mit einem verbohrten Macho zu reden, erhitzt stürme ich regelrecht die Treppe hinunter und setzte mich noch äußerst geladen neben Jason. Nehme einen großen Schluck von meinem Bier, das er mir hinschiebt.
"Alles geklärt?", fragt er nach, doch bekommt er nur ein angespanntes Schnauben zu hören. Wobei...bei der lauten Musik wird er dieses bestimmt nicht gehört haben. Trotzdem sieht er mich fragend an.
"Mit dem kann man nicht reden!", fauche ich wütend, "Der ist einfach... nur...arg!"
Heftig schlage ich mit der Hand auf den Tisch und veranlasse damit auch Luke und Kathy mich erstaunt anzusehen. Und so springe ich unruhig wieder auf, als ich Mike aus der Menge auf uns zukommen sehe.
"Ich geh tanzen!", werfe ich ungehalten in die Runde und strebe der Tanzfläche zu. Trotz der späten Stunde ist noch viel los und so tauche ich in der Masse unter.
Es ist nicht mit der Nacht im Wald zu vergleichen. Die Nacht, in der ich Mia kennengelernt habe. Ihr schlanker Körper passte sich einfach perfekt an meinen an und schmiegte sich gegen meine Brust. Ihre sanften Finger fuhren durch die Haare in meinem Nacken und ließen eine Gänsehaut über meinen Rücken laufen. Ich kann es noch immer nicht verstehen, wie sie solch eine Wirkung auf mich haben konnte, doch jetzt, wo ich wieder daran denke, beginnen, wie letztes Jahr, meine Lippen zu kribbeln. Wie gern hätte ich sie in diesem Moment geküsst. Die zarte Haut in ihrem Nacken. Ihre weichen Lippen. Ihr duftendes Haar. Seufzend atme ich auf und öffne die Augen, die ich beim Tanzen geschlossen habe und sehe mich einer kleinen, recht quirligen Tänzerin gegenüber, die wild hin und herspringt. Gleich neben ihr ein wahrer Riese. Breit gebaut mit Glatze. Sein Bizeps scheint beinahe die Ärmel seines schwarzen Bandshirts zu sprengen, unter denen haufenweise schwarze Tattoos zum Vorschein kommen.
Als die kleine meinen Blick bemerkt grinst sie mich auffordernd an und tänzelt auf mich zu. Keine Ahnung, warum sie ausgerechnet mich aussucht, um ihren Freund eifersüchtig zu machen, doch wendet er sich wenige Sekunden später einem anderen Mädchen zu und zieht sie an seinen massigen Körper.
"Willst du mit mir tanzen?", fragt sie strahlend. Ihre überschäumende Aktivität ist geradezu erfrischend und so stimme ich verhalten zu.
"Mach dir wegen ihm da keine Gedanken.", sie deutet auf den Hünen, der vollauf mit seiner neuen Bekanntschaft beschäftigt ist, "Er ist ganz zahm."
Grinsend legt sie ihre Hand an meine Hüfte und beginnt sich zu bewegen. Und ich tue, was sie gesagt hat. Blende den Typen einfach aus und lasse mich auf ihr Spiel ein. Denn nichts anderes ist es. Ein Spiel. Unsere Körper spielen miteinander. Drängen sich hin und her. Vor und zurück. Sie schlingt ihre Arme um meinen Hals und schmiegt sich an mich. Ich spiele ihr Spiel mit. Gehe mit ihr mit und lasse mich etwas fallen. Bekomme tatsächlich mal den Kopf frei und schaffe es endlich nicht mehr ausschließlich an Mia zu denken. Nicht daran, das Mike morgen bei ihr sein wird. Nicht daran, dass sie vielleicht nie wieder mit mir so tanzen wird, wie die kleine Blonde es gerade tut. Es fühlt sich gut an. Doch so gut, wie mit Mia fühlt es sich nicht an. Trotzdem macht es Spaß und vertreibt meine Trüben Gedanken für eine Weile.
Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergeht, bis wir aus unserer kleinen Welt zurückkehren, doch steht plötzlich dieser riesenhafte Kerl hinter ihr und beugt sich zu ihr hinunter. Flüstert ihr etwas ins Ohr, woraufhin sie nickt und sich mit einem breiten Lächeln an mich wendet.
"Du tanzt echt gut.", brüllt sie über die Musik hinweg in mein Ohr, "Wir wollen etwas trinken. Willst du auch?"
Verneinend schüttele ich den Kopf. "Nein, Danke. War nett mit dir."
"Fand ich auch!", antwortet sie abschließend und geht dann mit ihrem Begleiter von der Tanzfläche. Ich wende mich in eine andere Richtung und strebe den Toiletten zu. Doch stehen sie hier schon Schlange, weshalb ich denen im nächsten Untergeschoss einen Besuch abstatte.
Die Musik ist hier nicht ganz so laut und auch deutlich ruhiger. Hinzukommt, dass die Tanzfläche auch lange nicht so voll ist wie die Oben, doch so kann man jedes Tanzpaar nur zu deutlich erkennen. Aber den, den ich sehe, hätte ich hier nicht erwartet. Jason tanzt mit einem hübschen, fülligen Mädchen. Ihre kurzen lockigen Haare sind schwarz, mit auffällig leuchtend roten Spitzen, die ihr bei den flotten Drehungen ins Gesicht wehen.
Sie scheinen eine Menge Spaß zu haben, wie sie zu einem schnellen Discofox übers Parkett schweben. Ich hätte nicht gedacht, dass Jason überhaupt einen Standardtanz beherrscht. Noch dazu in so hoher Qualität. Es sieht wirklich Filmreif aus. Hoffentlich vergisst er nicht, dass er eine Freundin hat. Doch geht es mich nichts an und so wende ich den beiden den Rücken zu und gehe aufs Klo.
Als ich wieder herauskomme ist Jason weg.
Man! Alter mach keinen Scheiß! Das verzeiht Mel dir nie!
Denke ich während ich wieder nach oben gehe, doch staune ich nicht schlecht, als ich nicht nur Jason, sondern auch das füllige Mädchen, ebenso die kleine mit der ich getanzt hab und den Riesen an "unserem" Tisch sitzen sehe.
"Da bist du ja wieder!", sagt Jason grinsend und deutet dann der Reihe nach auf die beiden Mädchen und den Mann, "Kennst du schon Rike, Gisi und Ossi?"
"Flüchtig.", stimme ich nickend zu und schenke meiner kleinen Tänzerin ein aufrichtiges Lächeln, dann reiche ich ihr die Hand, "Ian!", stelle ich mich ihr vor, was sie doch tatsächlich dazu veranlasst sich an die Stirn zu klatschen.
"Man! Wusste ich doch, dass ich dich kenne! Du warst doch letztes Jahr an Mias Geburtstag im Wald. Oder?", quietscht sie mir ins Ohr.
"Stimmt. Und du bist Rike? Richtig? Oder bist du Gisi?", frage ich nach, weil die Mädchen direkt nebeneinander standen und Jason sie eher ungenau vorgestellt hat.
"Ja. Genau.", stimmt sie zu und bindet ihre langen, blonden Haare zu einem Zopf zusammen, "Tut mir leid, was da mit Mia passiert ist. Mel hat gesagt, dass..."
Doch was genau Mel erzählt hat, erfahre ich nicht mehr, den Mike tritt entschlossen zwischen uns und unterbricht Rike.
Sie strahlt ihn an, dann nickt sie energisch und lässt sich von ihm auf die Tanzfläche ziehen.
"Wir sehen uns Ian!", ruft sie mir über die Schulter zu, bevor sie in den Massen verschwindet. Mike würdigt mich keines Blickes, was ich auch nicht weiter schlimm finde, nur hätte ich schon gerne gewusst, was Mel nun genau gesagt hat. Leicht angesäuert schaue ich ihnen nach, doch reißt der Koloss nur Sekunden später meine Aufmerksamkeit an sich. Unter dem Schlag seiner Pranke gehe ich fast in die Knie, doch grinst er mich breit an und hält mir ein Bier entgegen, das ich mit gerunzelter Stirn entgegen nehme.
"Danke.", schreie ich ihm zu und setzte die Flasche an meine Lippen. Der bittere Geschmack rinnt sanft meine Kehle hinunter, während Ossi sich etwas dichter zu mir neigt.
"Pass besser auf mit wem du dich anlegst.", teilt er mir mit, wobei er Mike hinterher schaut, doch als sein einschüchternder Blick auf mich zurückfällt, bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich mich nicht eher vor dem Mann vor mir in acht nehmen sollte, anstatt vor Mike.
"Zerbrich dir nicht meinen Kopf.", gebe ich mich unbeeindruckt und scanne seine Muskelmassen, die er spielerisch zum Zucken bringt. Ich weiß nicht, ob er es absichtlich macht, um mich zu beeindrucken, doch sieht es nicht danach aus. Er setzt seine Flasche an und trinkt den Rest in großen Zügen aus, dann stellt er sie mit einem krachen auf den Tisch zurück.
"Tue ich nicht. Nur wenn ich Mike recht verstanden habe, dann belästigst du unser Küken und das sehen wir hier nicht so gerne.", sagt er locker, ganz so als würde er übers Wetter reden. Doch bin ich etwas verwirrt. Von welchem Küken redet er?
Mit gerunzelter Stirn schaue ich zu der Kleinen...Rike...wenn ich mich recht entsinne, doch scheint er meine Gedanken zu lesen.
"Lass deine Finger von Mia. Sonst werden wir ungemütlich!"
"Wir? Meinst du dich und Mike! Oder was?!", sage ich angespannt und schließe meine Finger fester um die Flasche in meiner Hand.
"Nicht nur wir zwei.", sagt er eindeutig und schließt mit einer Geste auch gleich noch Jason, Luke, Kathy, Gisi und Rike mit ein. Schlicht alle, die hier versammelt sind und die ich kennengelernt habe. Doch damit schüchtert er mich nicht ein.
"Ich werde meine Finger dorthin stecken, wo es mir gefällt!", sage ich düster und stelle, wie er, die Flasche mit einem energischen Knall auf den Tisch. "Und da können noch so viele Muskelberge kommen und mich versuchen von Mia fern zu halten!"
Dieser Möchtegernbeschützer, der seine ach so gute Freundin bisher noch nicht einmal im Krankenhaus besucht hat, baut sich vor mir zu voller Größer auf und lässt seine Muskeln zucken. Es ist nicht so, als würde er mir damit nicht Respekt einflößen, doch werde ich sicher nicht so schnell klein bei geben.
Selbstmörderisch bleibe ich auf der Stelle stehen und starre ihn an. Jasons beschwichtigendes "Hey Ossi, jetzt tick mal nicht aus.", bekomme ich nur am Rande mit. Und auch das Riesentier scheint nicht wirklich auf unseren Freund zu hören. Denn anstatt sich zu entspannen, sehe ich, wie sich seine Muskeln nur noch mehr anspannen. Er beugt sich schwer atmend vor und ich spüre die Wut, die ihn zu überwältigen droht.
Ja...ist klar... was hat Rike noch gesagt...um ihn soll ich mir keine Gedanken machen?! Doch von ZAHM ist er inzwischen Meilenweit entfernt. Ich sehe sein rechtes Augenlied angriffslustig zucken und auch, dass sich das Mädchen, mit dem Jason unten getanzt hat, zögerlich in Sicherheit bringt. Im Augenwinkel sehe ich Luke, wie er Kathy von seinem Schoß schiebt und langsam aufsteht. Auch Jason steht auf. Na toll! Was genau wird das denn jetzt? Alle gegen einen oder steht es zwei gegen zwei.
Ich wage nicht den Blickkontakt zu unterbrechen und starre Ossi weiter an. Meine Nerven vibrieren. Mein Puls beginnt zu rasen und mein ganzer Körper steht unter Strom. Unbewusst stelle ich mir die Schmerzen vor die seine Fäuste mir bereiten werden und komme zu einem eigenartigen Schluss. Ich wäre beinahe froh, wenn er auf mich einschlagen würde.
Ich versteh es einfach nicht! Wieso kennen mich Mias Freunde eigentlich nicht?! Wieso weiß niemand von ihnen, dass Mia und ich zusammen waren. Oder waren wir nie zusammen? Hat sie mir nur etwas vorgespielt? Und was ist mit Mel? Mel muss doch was wissen. Natürlich weiß sie was! Mensch Ian! Jetzt bleib mal locker und hör auf mit dir selbst zu reden. Mel war nicht nur einmal im Krankenhaus. Sie war immerhin jede Woche gleich mehrmals da. Und auch Jason weiß von mir und ihr. Also WARUM zur Hölle weiß sonst niemand, was ich für Mia empfinde?!
Warum hat sie es niemandem von ihnen erzählt?
Was das betrifft gibt es für mich nicht viele Erklärungen, außer, dass Mia nichts von mir hat erzählen wollen, oder das Mike auch hier seine Finger im Spiel hat. Wenn ich es mir genau überlege kommt mir das gerade noch am logischsten vor.
Sicher hat er seine Freunde angestiftet mich von Mia fernzuhalten, so dass er freie Bahn hat, doch nicht mit mir. Einzig allein Mia kann mich von sich fern halten. Was, wenn ich es genau nehme, sie schon getan hat.
Doch so schnell werde ich sie nicht aufgeben! Sie hatte jetzt eine Woche Zeit, sich von mir zu erholen! Morgen werde ich zu ihr gehen, ob sie will oder nicht!
"Diese Muskelberge werden dir die Knochen brechen, wenn du unserem Küken das Herz brichst. Oder sie auch nur anrührst! Hast du das verstanden?", knurrt Ossi angespannt. Ich lese die Worte beinahe nur von seinen Lippen, so leise Spricht er, doch bin ich ihm so nahe, dass ich seine Worte dennoch verstehen kann.
"Herz brechen?! Ausgerechnet ich?! Wenn hier jemand der kleinen das Herz gebrochen hat, dann solltest du dich mal in deinen eigenen Reihen umgucken! Mike ist hier der einzige, der mit ihr Spielt.", erwidere ich ebenso leise, doch bin ich mir sicher, dass er mich verstanden hat, denn seine Augen verengen sich beinahe zu schlitzen.
"Ossi lass ihn.", sagt Luke beschwichtigend, "So lange Mia im Koma liegt, wird ihr schon nichts passieren."
"Sie liegt aber nicht mehr im Koma und ich weiß, dass sie ihn nicht sehen will!", knurrt Mr. Muskelprotz, ohne mich aus den Augen zu lassen.
"Wirklich?!", fragt Luke erstaunt, "Woher weißt du das?"
"Mike.", gibt er einsilbig wieder.
"Dann ist Mia also wieder bei Bewusstsein?", fragt Luke weiter.
"Ja. Und sie will den hier nicht sehen.", sagt er angespannt, mit mahlenden Kiefern und ruckt mit dem Kopf in meine Richtung, was Luke jetzt auch unter Anspannung setzt. Vor allem, als Ossi hinzufügt, "Er belästigt sie trotzdem."
"Stimmt das?", will nun auch Luke von mir wissen und stellt sich an Ossis Seite.
"Sie erinnert sich nicht an mich. Ja. Stimmt. Aber das heißt nicht...", beginne ich zu erklären, doch werde ich unsanft von Ossi unterbrochen, dessen Hand sich in mein T-Shirt krallt.
"Doch! Sie hat Mike erzählt, dass du sie belästigst und sie dich nicht mehr sehen will! Also...", seine Stimme wird noch eine Spur dunkler, leiser, bedrohlicher, während er weiterspricht, "...halt dich von ihr fern, sonst kannst du was erleben!"
"Alter hör auf!", setzt Jason an, "Du weißt nicht, was du sagst."
"Ich werde mich aber nicht von ihr fern halten!", weder ich noch Ossi achten auf Jason und ich werde mich sicher nicht von diesem Idioten einschüchtern lassen, "Das hast weder du noch Mike zu entscheiden. Nur Mia!"
Es ist mir egal, dass sie mir das schon gesagt hat. Es ist mir auch egal, dass sie es Mike gesagt hat. Ich lasse mich doch nicht einfach so abservieren! Ich kann nicht! Ich will es auch nicht! Die letzte Woche war die Hölle. Jeden Tag, an dem ich sie nicht gesehen habe, hat es mir das Herz aus der Brust gerissen. Da werde ich mich doch nicht von diesem scheiß Arschloch von ihr fern halten lassen!
Selbst wenn ich wollte! Ich könnte es gar nicht! Der heutige Tag war die reinste Folter. Ihr so nah zu sein und sie trotzdem nicht sehen zu können. Nicht ihre Stimme hören zu können, war das Schlimmste, was mir seit ihrem Unfall wiederfahren ist. Fast wäre ich direkt ins Krankenhaus gefahren, doch konnte ich mich gerade noch davon abhalten. Aber jetzt! Jetzt, wo mir dieser Hüne gegenübersteht und mir verbieten will sie zu sehen, kann ich dem Drang nicht wiederstehen. Ich werde zu ihr fahren. Gleich Morgen! Ich muss sie einfach wiedersehen. Ob sie nun will oder nicht.
Das Ossi das nicht will, dass bekomme ich schon im nächsten Moment zu spüren, denn scheinbar hat er keine Lust weiter zu diskutieren.
Ich sehe noch, wie sich seine Augen weiter verengen. Wie sich sein ganzer Körper anspannt. Wie Luke nach seiner Schulter greift und ihn zurückziehen will. Ich hören den spitzen Schrei, der von den Mädchen ausgeht und spüre etwas an meinem T-Shirt rucken und dann trifft mich etwas ziemlich hartes an der Wange.
Mein Kopf fliegt nach hinten. Ein pochender Schmerz breitet sich in meinem Gesicht aus und ich werde nach hinten geschleudert. Doch dann wird es langsam schwarz.
Nock out in der ersten Runde. Ich bin schon ein toller Held! Aber immerhin habe ich nicht nachgegeben. Und ich werde mich auch nicht von ihm einschüchtern lassen!
Die Dunkelheit hält mich nicht lange fest und ich komme recht schnell wieder zu mir. Jason kniet neben mir am Boden. Luke zerrt Ossi nach hinten und selbst Kathy redet jetzt auf den Muskelprotz ein, der inzwischen ziemlich selbstgefällig aussieht. Mit verschränkten Armen steht er nur wenige Schritte entfernt. Unser Streit hat die Menschen um uns vertrieben und es klafft ein beachtliches Loch in der Menge, dass es mir erleichtert wieder auf die Beine zu kommen.
Mit dem Handrücken wische ich mir über die Lippe. Ich schmecke Blut und meine Wange pocht, doch reiße ich mich energisch von Jason los, der mir aufgeholfen hat.
"Und? Was hast du dir jetzt damit bewiesen?", frage ich ihn provozierend, "Dass du mehr Muskeln als Hirn hast? Oder warum glaubst du jeden Scheiß, der aus der Fresse von dem da kommt!", ich nicke Richtung Mike, der grinsend auf uns zukommt. Rike sieht jedoch eher besorgt aus. Doch habe ich echt keinen Nerv, mir jetzt auch noch von diesem Pisser anhören zu müssen, was Mia ihm angeblich über mich erzählt hat.
Wieder reiße ich mich von Jason los, der seine Hand in meine Schulter bohrt. Stoße Ossi im Vorbeigehen mit der Schulter an und verlasse den Club.
Erst als ich oben auf dem Parkplatz nach meinem Motorrad suche, fällt mir ein, dass ich mit Jason hergekommen bin und raufe mir wütend die Haare.
"Scheiße!", brülle ich laut und balle angespannt die Hände. Schlage mehrmals in die Luft, bevor mir eine Mülltonne in die Quere kommt, auf die ich eintrete.
Mein Kopf dröhnt unangenehm und meine Lippe fühlt sich dick und geschwollen an. Das gibt sicher ein hübsches Veilchen, doch kann mir das egal sein!
Mia ist einfach nicht sie selbst! Sie wird sich an mich erinnern und wenn nicht, wird sie mich eben wieder kennenlernen! Basta! Sie wird gar keine andere Wahl haben. Sie hat mich geliebt! Sie muss mich einfach geliebt haben! Etwas anderes kommt überhaupt nicht in Frage! Sie MUSS einfach!
Immer wieder versuche ich mir das einzureden. Wieder und wieder. Doch so oft ich mir diese Worte auch sage, so ganz kann ich sie nicht glauben.
Wenn sie mich wirklich geliebt hätte, dann würde sie sich doch an mich erinnern oder?
Oder!?
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5230 Worte
12.06.17
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