19 Ablenkungen
Ach scheiß drauf! Ich hau jetzt alles raus, was ich noch hab. Viel Spaß.
Es ist dann zwar möglich, dass am Wochenende nichts kommt, aber da riskieren wir oder ;)
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Seit diesem denkwürdigen Tag, an dem alles verstummt zu sein schien, war inzwischen eine Woche vergangen. In der Uni lief es so lala und auch in der Klinik kam ich zurecht. Hatte mich inzwischen eingelebt, doch mäkelte Schwester Lieblich nach wie vor an mir herum. Mir sollte es recht sein. Wann immer sie auf mich zukam setzte ich ein freundliches Lächeln auf. Ich nickte höflich, antwortete brav und tat, was sie verlangte. Doch kaum drehte ich ihr den Rücken zu, fielen meine Mundwinkel herab.
Ich kam mir vor wie eine Leiche. Eine Lebende, aber dennoch hätte es wohl keinen Unterschied gemacht, wenn im Präpp-Kurs ich, statt des Toten auf der Bahre vor unserer kleinen Vierergruppe gelegen hätte. Und da half es mir auch nicht, dass Liandra sich darüber lustig machte, das unser "Oberarzt" Jean- Paul bei der ersten Unterrichtseinheit zusammenklappte. Es entlockte mir nicht einmal ein müdes Lächeln, weshalb Liandra mir doch tatsächlich eine Verpasste!
"Ian! Verdammt noch mal! Könntest du jetzt mal wieder aus dem Loch, in dem du dich verkrochen hast, rauskommen?! Das ist ja nicht mehr zum aushalten!", giftet sie mich doch tatsächlich an und bringt Ricadro, der inzwischen fester Bestandteil unserer Studiengruppe war, damit zum Lachen. Im Allgemeinen war er seit der Party viel offener geworden und zeigte des Öfteren sogar mal seine Grübchen, wenn er lachte.
Nur mir war das Lachen vergangen, doch schaffte ich es häufig es zu verbergen. Ich tat einfach so, als würde ich lachen. Nur heute wollte es mir nicht gelingen. Warum? Es war der erste Tag, das Mia wieder zu Hause war. Mit meinen Gedanken war ich, nein, nicht bei ihr! Aber bei ihrem Klavier, das für mich ab diesem Augenblick schier unerreichbar schien. Es hatte mich in den letzten Wochen über Wasser gehalten. Doch jetzt war mein Rettungsboot versunken. Untergegangen, wie ein Stein im See. Zerplatzt, wie eine Seifenblase, dessen Oberflächenspannung zerbrochen war. Wie ich.
"Sorry. Ich war in Gedanken. Was hast du gesagt.", reiße ich mich aus meinem Kopf zurück. Spüre zwar den Schmerz, der durch meine Schulter zieht, doch erreicht er mich nicht wirklich. Sie macht mich nicht einmal wütend damit. Aber wenigstens konzentriere ich mich jetzt auf sie und sehe, wie Jean- Pauls Groupies um ihn herumstehen und ihm frische Luft zu werden.
"Ich habe gesagt, dass ihr beiden den Schlappschwanz auf eine Bahre legen sollt. Nackt, mit einem Zettel am Zeh. Ich bin sicher, es würde keinem auffallen, das er noch am Leben ist, so bleich wie er ist.", kichert sie und füge dann enttäuscht hinzu, "Ach Menno! Der wacht ja schon wieder auf."
Und so ist es auch. Der große, gutgebaute, doch etwas zart besaitete Schönheitschirurg in Spee schlägt die Augen auf und sieht sich etwas verdattert um. Seine Mädels helfen ihm in eine aufrechte Position und unser Kursleiter heißt ihn sich eine Weile hinzusetzen. Dann richtet er wieder das Wort an uns und beginnt uns zu erklären, was wir mit den haltbar gemachten Körpern vor uns zu tun haben. Ich hänge interessiert an seinen Lippen. Tatsächlich schafft er es mich für diese Aufgabe zu begeistern, denn eines hat der gräuliche Leichnam vor uns nämlich auf gar keinen Fall!
Er sieht nicht aus wie Mia, er riecht nicht wie Mia und er redet nicht wie Mia. Er bewegt sich auch nicht. Und atmet nicht. Und vor allem würde er nichts sagen, was mich an sie erinnerte. Und das ist das allerbeste. Nach der Einführungsrede sehen wir uns an, doch überlassen wir es Kiran den ersten Schnitt zu machen. Wir sollen die Haut am Brustbein öffnen und diese, Schicht für Schicht, ablösen. Alles vorsichtig von der Fettschicht trennen. Kiran hatte das schon mal gemacht und half uns anderen. Erklärt alles nochmal anhand unseres Atlasses und zeigt dann wie er vorgeht um die Hautschicht abzutragen. Er ist wirklich gut. Setzt vorsichtig den ersten Schnitt ohne zu tief zu schneiden, was einer anderen Gruppe passierte. Dabei zittert seine Hand nicht einmal. Anders als meine. Kühl und wächsern fühlt sich die Haut des Toten unter meinen Fingern an. Vielleicht liegt es auch an den Handschuhen, doch kann ich das nicht beurteilen. Auch ist der Geruch sehr gewöhnungsbedürftig. Der Geruch des Formaldehyd beißt übelkeiterregend in meine Nase und lässt sich meinen Magen zusammenziehen. Übergeben muss ich mich Gott sei Dank aber nicht. Dafür hängt mir der Geruch dieses Konservierungsmittels noch Stunden später in der Nase, als wir in der Mensa beim Mittagessen sitzen.
"Musst du heute noch in die Uni, Ian?", will Rico, kauend von mir wissen.
"Nein. Ich hab heute frei. Wieso?", lustlos stochere ich in meiner Lasagne herum und nehme nur hin und wieder einen Bissen davon. Nicht zuletzt, weil mir bei jedem Happen dieser Geruch des Formaldehyd in die Nase steigt.
"Kannst du mich dann schnell zu Hause rumfahren? Ich habe meiner Mutter versprochen heute früher nach Hause zu kommen.", fragt er mich und schiebt sich mit dem Zeigefinger die Brille wieder auf die Nase.
"Sicher. Wo wohnst du denn?", hake ich nach, doch macht er eine abwinkende Geste.
"Nicht weit weg, aber die Busverbindungen sind echt mies von hier aus. Da brauche ich über eine Stunde.", ich sehe ihn erstaunt an, doch schwindet mein Interesse in dem Moment, indem es aufgetreten ist. Ich nickte, was ihn dankbar lächeln lässt. Er schaufelt trotz Gestank, den wir alle an uns tragen, sein Essen in sich hinein und lehnt sich dann entspannt zurück.
"Sag mal, weiß einer noch, was auf diesem Zettel von dem Sontner stand? Der über die Bücher, die wir uns zulegen sollen? Ich weiß einfach nicht, welches davon ich nehmen soll?", wirft Liandra ein und Kiran und ich sehen uns nur ratlos an.
"Also ich hab ja das von Bommas. Das Kurzlehrbuch.", sagt Kiran grinsend, "Kurz, Knapp, aber alles drin. Zur Prüfungsvorbereitung nicht schlecht."
"Ja. Aber der Sontner hat auch gesagt, das es eher für Faulpelze ist.", feixt Liandra und piekt Kiran in die Seite. Gespielt reißt er die Augen auf und tut überaus Unschuldig: "Ich und Faulpelz? Da steht alles drin, was wir wissen müssen.", sagt er grinsend und lehnt sich mit hinterm Kopf verschränkten Armen zurück und sieht Rico auffordernd an. "Aber ich bin sicher, Rico kann dir sagen, welche Bücher die Besten sind. Oder?", er wackelt mit den Augenbrauen und der Junge läuft unter seine Sommersprossen rötlich an. Bevor er auch schon ausführlich vorzutragen beginnt:
"Da war zum einen die 'Duale Reihe' ein Inhaltlich sehr Detailliertes Werk mit über tausend Seiten. Die Bilder sind sehr anschaulich und auch die Inhalte werden in diesem Buch leicht verständlich und schnörkellos vermittelt. Du kannst aber auch das von Gray's Anatomies nehmen. Da hast du noch mehr zu lesen und die Schilderungen sind etwas näher am Studenten, also...oder aber du nimmst..."
"Ja schon gut ich habs kapiert! Ich hol mir wohl besser den Zettel im Büro ab, dann kann ich das zu Hause noch mal in Ruhe nachlesen.", hält Liandra Ricos Redeschwall auf, der uns inzwischen nicht mehr neu ist. Ich beneidete ihn um sein photographisches Gedächtnis. Nie hat er Probleme mit den Sachen, die uns per Projektor an die Wand geworfen werde, doch anders sieht es aus, wenn unsere Quasselstrippe unterrichtet. Prof. Winkler war eigentlich ununterbrochen am Reden. Zettel oder Folien zur Veranschaulichung gibt es nur selten, was Rico deutlich mehr verunsichert als uns anderen.
Doch irgendwie ergänzten wir uns ganz gut. Liandra ist ein Ass in Biologie, Kiran in Chemie, Rico glänzte gleich in Latein, Englisch und in Anatomie. Immerhin braucht er sich alles nur einmal ansehen, na und ich habe es mit Mathe und Physik. Falls einer Mal etwas nicht weiß, was bei mir, Rico und Liandra weitaus häufiger vorkommt als bei Kiran dann weiß eigentlich immer jemand Rat.
Nur was meine Probleme mit Mia betrifft, die ich natürlich nicht habe, kann mir keiner helfen. Nicht zuletzt, weil ich niemanden frage. Warum auch. Es gibt nichts zu besprechen. Mia war Geschichte. Eine, an die ich mich nicht erinnern zu gedachte und so war das Thema für mich gegessen. Wie das Mittagessen, das ich kurzerhand im Müll entsorge.
Nach der letzten Stunde, fahre ich Ricardo nach Hause, während Kiran, Liandra mit seiner Rosa in die Uniklinik kutschiert.
Als wir rund zehn Minuten unterwegs sind, wird Rico merklich stiller. Schaut nachdenklich aus dem Fenster und gibt nur hin und wieder die Richtung an, bis wir vor einem Hochhaus aus den sechziger Jahren halten. Die Gegend ist deutlich heruntergekommen. Jeder freie Fleck ist von Graffitis bedeckt und in dem Maschendrahtzaun, der einen Basketballplatz von der Straße trennt, klaffen große Löcher. Rico scheint zu spüren, das mir etwas zu der Gegend, in der er wohnt auf den Lippen liegt, denn er springt, kaum, dass ich meinen Sportwagen am Straßenrand halte aus dem Auto.
"Danke fürs fahren. Bis morgen."
"Ja bis...", das morgen schenke ich mir, denn er hat die Tür schon hinter sich zugeschlagen und geht zielstrebig auf den Eingang zu. Und verschwindet. Einen Moment bleibe ich noch stehen, doch dann fahre ich auch nach Hause. Es scheint ihm peinlich zu sein, das ich gesehen habe, wo er wohnt. Warum weiß ich nicht. Es interessiert mich auch nicht besonders und so setze ich mich noch für ein paar Stunden mit meinen Büchern auf meine Dachterrasse und lerne, bevor Bella mich zum Training abholt.
Ja. Ich ging noch immer mit ihr hin. Verbessert hatte ich mich meiner Meinung aber nicht. Fühlte mich noch immer äußerst unbeholfen, wenn ich auf den Sandsack einschlug, doch hatte das ganze etwas Positives! An diesen Abenden hatte ich nicht so viele Probleme einzuschlafen.
Doch als sie heute an meine Tür klopft wartet sie mit einer Überraschung auf.
"Hier! Für dich!"
"Du bist zu früh!", brumme ich übellaunig und fange das Päckchen auf, das sie mir zuwirft. "Was ist denn das?", will ich wissen und sehe ihr Geschenk skeptisch an.
"Mach auf, dann siehst du es schon.", sie grinst mich mit funkelnden Augen an und lässt sich dann mit unterschlagenen Beinen auf meinem Sofa nieder. Ich folge ihr langsam und setze mich neben sie. Öffne das bunte, zerknitterte Papier und ziehe ein Paar Boxhandschuhe heraus.
"Für mich?", frage ich erstaunt und probiere sie an. Sie passen viel besser, als die, die ich mir immer von Krümel leihe, wenn wir dort sind.
"Jepp! Ich dachte, wird langsam Zeit, dass du eigene hast.", sagt sie und stößt mich an der Schulter, "Wir wollen doch nicht, das du wegen Schlechten Equipment deinen ersten Kampf vermasselst oder?"
"Was?!", mit vor Erstaunen aufgerissenen Augen sehe ich sie an, "Das ist doch wohl ein Scherz! Willst du mich umbringen?"
"Ach! Stell dich nicht so an! Oder hast du Angst?", Bella lacht belustigt, doch ich bin durchaus mannsgenug meine Angst einzugestehen.
"Das siehst du ganz richtig! Ich habe gerade wie oft? Vier Mal mit dir Trainiert? Und schon willst du mich in den Ring schicken? Gegen wen überhaupt? Krümel? Oder soll Tiger mich fertig machen?" Ich drücke ihr die Boxhandschuhe in die Arme und verschränke meine vor der Brust. Sehe sie brummig an.
"Hey! Für wen hältst du mich?!", amüsiert sie sich über mich, "Wenn dich einer auf die Matte legt dann ja wohl ich! Tiger würde niemals mit einem Grünschnabel wie dir Fighten. Na und Krümel...", sie zuckt gleichgültig mit den Schultern, spricht aber nicht weiter. Hüpft vielmehr gutgelaunt von meinem Sofa und greift nach meinen Armen.
"Komm schon. Ich bin auch ganz brav!", lacht sie auf, als ich mich seufzend in mein Schicksal ergebe und mich von ihr auf die Beine ziehen lasse. Es ist nicht so, dass ich Angst vor ihr hätte, aber auf die Blamage, mich von ihr, vor aller Augen, im Ring fertig machen zu lassen, darauf könnte ich gut und gerne verzichten.
Innerlich schüttele ich noch immer den Kopf über diese Idiotische Idee, mit der Bella mich überfallen hat, als ich vor der Umkleidekabine stehe und darauf warte, das sie fertig wird.
"Wir wärmen uns erst mal auf und dann gehen wir die Schläge und Tritte noch mal durch.", beginnt sie, kaum, dass sie wieder auftaucht. Meine neuen Handschuhe in der Hand, die ich in der Umkleidekabine liegengelassen habe. Ihre langen blonden Haare hat sie zu einem Zopf geflochten und ihre grünen Augen funkeln begeistert, bevor sie mich zu der freien Trainingsfläche schleift und mir ein Springseil in die Hände drückt.
"Zehn Minuten. Und heute wird nicht so rumgetrödelt!", sagt sie feixend. Ich versuche die neugierigen Blicke von Krümel zu ignorieren, während ich beginne auf der Stelle zu hopsen. Eigentlich spüre ich seine Blicke jedes Mal, wenn ich mit Bella hier bin, im Nacken und selbst die von Bellas Vater scheinen mich das eine oder Andere Mal zu durchleuchten, weshalb ich lieber Abstand zu ihr halte.
Für mich ist nur zu offensichtlich, wen der bullige Typ, sich als Schwiegersohn ausgesucht hat. Und ich bin das definitiv nicht! Was mich nicht weiter stört. In dieser Hinsicht habe ich gerade absolut keine Ambitionen mich in ein neues Abenteuer zu stürzen.
Mein letztes hängt noch viel zu sehr an meinen Knochen und zerrt an meinen Nerven. Wenn ich nur daran denke, dass SIE heute Nacht so nah bei mir ist! In ihrem Bett. Am anderen Ende des Parks, der sich hinter meiner Wohnung erstreckt. Luftlinie vielleicht einen Kilometer. Eher weniger. Auf jeden Fall deutlich weniger als bisher. Und viel zu nah!
"Gut. Das reicht jetzt.", Bella greift in das sich schnell drehende Seil. Ein einzelner Schweißtropfen rinnt mir über die Stirn und hinterlässt eine kitzelnde Spur. Woher er kommt, ist mir ein Rätsel. Immerhin haben wir gerade erst mit dem Training begonnen. Oder? Ich bin etwas verwirrt, als ich mich nach Krümel umsehe, doch ist er nicht mehr da. Auch von Bellas Vater oder Ti fehlt jede Spur. Nur an den Sandsäcken stehen drei Männer und sind in ihr Training vertieft.
Der Zierfisch lotst mich in eine andere Ecke und greift nach den kleineren rotschwarzen Lederpratzen und zieht sie über.
"Fang mit einfachen Jabs an. Wie letztes Mal. Drei Mal. Dann einen Punch. Los!", fordert sie mich auf und hält die Polster in Position, auf die ich einzuschlagen beginne. Ich schlage schon deutlich fester, als noch bei den ersten Malen, doch Angst oder besser Bedenken, sie zu verletzen, habe ich noch immer.
"Ian! Jetzt sag mir nicht, dass du nicht mehr drauf hast. Für einen solchen Schlappschwanz hätte ich dich wirklich nicht gehalten!", schimpft Bella auch gleich los, kaum dass ich meine ersten Schläge ausgeführt habe. Seufzend verdrehe ich die Augen und schlage dann etwas beherzter zu. Nicht fest genug für Bella, denn sie kontert augenblicklich und schlägt mir die Pratze unsanft an den Kopf.
"Jedes Mal, wenn du so zimperlich bist, dann verpass ich dir eine. Also streng dich an!", grummelt sie. Sie ist nicht wirklich sauer und weh getan hat es auch nicht. Lust wieder eine von ihr an den Latz zu bekommen habe ich aber auch nicht, weshalb ich etwas fester zuschlage. Und wieder schlägt sie zu. Diesmal weiche ich ihr jedoch aus, was sie zum Grinsen bringt.
"Bild dir ja nichts ein. Das war nur Zufall.", prophezeit sie.
"Ach? Meinst du?", erwidere ich ebenfalls grinsend und platziere einen weiteren Schlag auf die Pratze. Doch schon im nächsten Moment entfährt mir ein leises "Uff!", als sie mir etwas unsanft in die Seite tritt.
"Ja. Meine ich!", sagt sie feixend und legt den Kopf schräge, während ich mich auf einen weiteren Tritt ihrerseits einstelle. Doch kommt er diesmal von der anderen Seite. Grummelnd sehe ich sie an. "Na warte!" Fixierend kneife ich die Augen zusammen und hole zum Schlag aus. Diesmal mit der Rechten und obwohl ich mich zurück halte, macht sie ein zufriedenes Gesicht.
"Endlich kommt mal was bei mir an.", sagt sie schmunzelnd, "Und jetzt noch mal. Und leg ein bisschen mehr Kraft in den Schlag.", verlangt sie fordernd und ich tue was sie sagt. Langsam lege ich meine Scheu ab. Es ist immerhin nur ein Polster, das ich treffe und nicht sie. Meine Schläge werden immer fester, bis Bella schließlich mit mir zufrieden ist und die Pratzen gegen ein großes Polster austauscht, an dem ich meine Beinarbeit verbessern soll. Meine Balance ist nicht die Beste, doch ist der Zierfisch mit mir zufrieden.
"So und jetzt gehen wir in den Ring.", sagt sie schließlich. Legt das Polster an seinen Platz zurück und reicht mir einen blauen Kopfschutz, während sie sich einen Roten nimmt.
"Bella ich weiß wirklich nicht, ob das eine so gute Idee ist.", sage ich zweifelnd, "Ich meine, du kannst deine Schläge vielleicht so punktgenau anbringen, aber ich? Ich will dir nicht weh tun."
"Dafür wirst du mich erst einmal treffen müssen.", sagt sie grinsend und zwinkert mir zu. Dann klettert sie auch schon durch die Seile in den Ring. Hält sie mir auseinander, damit ich ihr folgen kann. Was ich auch tue, doch überzeugt bin ich von dieser Aktion nicht.
Erst recht nicht, als Krümel sich zu uns gesellt. Ebenso wie Tiger und auch zwei der Trainierenden werfen neugierige Blicke in unsere Richtung. Kommen aber nicht an den Ring, was ich sehr beruhigend finde.
"Hältst du das wirklich für eine gute Idee Bella?", will Krümel auch prompt wissen und sieht skeptisch zwischen mir und ihr hin und her. Doch wenn ich gedacht hätte, er macht sich um seine Freundin Sorgen, dann habe ich mich geirrt. "Der hält doch keine fünf Minuten durch."
"Ach sei still du Krümel. Ich lass ihn schon am Leben.", sagt sie großspurig und nimmt vor mir Aufstellung. Krümel würdigt sie keines weiteren Blickes und Ti bleibt ohnehin stumm. Mit verschränkten Armen steht er da und sieht zu uns hinauf. Selbst Bellas Vater taucht in der Tür zum Büro auf, doch verschwindet er kurz nachdem er gesehen hat, wer im Ring steht. Scheinbar sind wir nicht so interessant, wie er sich erhofft hat.
"Also schön. Stell dich hin, wie ich es dir gezeigt habe. Locker in den Knien. Nicht so steif. Und Hände hoch.", gibt Bella mir Anweisungen, doch bleibe ich einfach stehen. Sehr zu ihrem Unmut, denn schon im nächsten Moment verpasst sie mir einen leichten Kinnhaken und sieht mich dann grinsend an. "Was glaubst du, was wir hier machen?! Spielen? Komm schon Ian. Ein bisschen Spaß wirst du mir doch gönnen oder nicht."
Belustigt über ihre freche Art schüttele ich den Kopf, dann hebe ich die Hände.
"Na gut. Aber ich habe dich gewarnt. Beschwer dich nicht, wenn ich dir weh tue."
"Mach ich nicht. Und wirst du nicht. Denn ich denke nicht, das du mich zu fassen bekommst.", sagt sie herausfordernd und kommt schon eine Sekunde später auf mich zu. Schlägt aber nur mittelmäßig fest gegen meine Handschuhe, die ich schützend vor mein Gesicht hebe. Als nächstes spüre ich ihren Fuß in meiner Seite. Nicht allzu fest, doch treibt er mir leicht die Luft aus den Lungen, weshalb ich einen Schritt zurücktrete und sie mit dezentem Kopfschütteln betrachte.
"Gibt es eigentlich irgendwelche Regeln?", will ich wissen und weiche mit einem schnellen Schritt zur Seite, ihrem nächsten Schlag aus, der auf meinen Kopf zielt.
"Natürlich. Wer zuerst am Boden liegt hat verloren!", lacht sie belustigt auf und versenkt ihre kleine Faust recht schmerzhaft in meiner Magengrube.
"Und sonst? Alles erlaubt?", will ich wissen und reibe über die Stelle, an der sie mich getroffen hat. Ich beobachte ihre geschmeidigen Bewegungen. Ihr auf der Stelle tänzeln und ihren festen Blick, der auf mich gerichtet ist. Tief sieht sie mir in die Augen. Weicht meinem Blick nicht aus. Auch nicht, als ich einen schnellen Schritt auf sie zu mache und einen Schlag Richtung Kopf andeute. Sie zuckt nicht einmal. Weicht auch nicht aus, ganz so, als wüsste sie, dass ich nicht ernsthaft vor gehabt hätte sie zu schlagen. Was ich tatsächlich auch nicht hatte.
"Ja.", sagt sie grinsend. Hebt eine Augenbraue an bevor sie hinzufügt, "Alles ist erlaubt. Bei dir mache ich mir da ohnehin keine Gedanken, dass du mich ernsthaft verletzten könntest. Du hast viel zu viel Schiss!"
Mit ihren Worten hat sie nicht ganz unrecht, doch gänzlich Kampflos aufgeben werde ich auch nicht. Sie wird schon sehen, was sie von ihrem Übermut hat.
"Sei dir da mal nicht zu sicher!", antworte ich gespielt brummig und sehe schon im nächsten Moment ihre Faust an meinem Gesicht vorbeizischen. Ich wette, wenn sie wirklich gewollt hätte, hätte sie mich getroffen, weshalb ich jetzt doch meine Deckung etwas hebe und mich mehr auf ihre Bewegungen konzentriere und weniger auf ihre Worte, mit denen sie mich verspottet. Locker tänzelt sie um mich herum, platziert ein ums andere Mal einen Treffer auf meinem Oberkörper oder in meinen Bauch. Selbst Tritte an den Oberschenkeln stecke ich ein, ohne mich ernsthaft zu wehren, doch als sie schon zum dritten Mal einen Treffer an meiner Wange landet, wird es mir doch langsam zu bunt.
Nicht das ich versuchen würde sie zu treten, oder zu schlagen, doch weiche ich ihr aus, greife so gut es geht nach ihrem Arm und ziehe sie auf mich zu. Umklammere sie und halte sie fest.
"Und? Was machst du jetzt?", will ich siegessicher, dicht an ihrem Ohr wissen, doch entweicht mir schon eine Sekunde später die Luft aus den Lungen, als sie mir fest in die Seite schlägt. Schmunzelnd lasse ich von ihr ab und sehe in ihr gerötetes Gesicht. Auch sie grinst mich an.
"Das mache ich, wenn mich jemand fest hält.", sagt sie feixend, dann lockt sie mich, mit ihrer behandschuhten Faust auf sich zu. "Versuch es noch mal. Aber egal was du machst, du wirst mich nicht lange festhalten können."
Überlegend sehe ich sie an. Zerbreche mir fast den Kopf dabei, doch fällt mir nichts ein, wie ich sie kampflos überwältigen könnte, außer einen.
Vorsichtig nähere ich mich ihr. Weiche einem Schlag ihrer Rechten aus. Auch ihre Linke schrammt haarscharf an meinem Bauch vorbei, wo ich sie mit dem Ellenbogen einklemme. Damit, dass sie mir jedoch mit ihrem Fuß die Beine wegschlägt hätte ich nicht gerechnet und finde mich nur Sekunden später unter ihr auf dem Fußboden wieder. Mein Kopf dröhnt leicht, doch rückt der Schmerz schnell in den Hintergrund, als ich ihren schlanken Körper auf meinem Bauch zur Kenntnis nehme. Warm dringt ihr Gewicht zu mir durch und ihr Geruch in meine Nase. Nur Zentimeter liegen zwischen ihrem Gesicht und meinem. Auch sie sieht etwas überrascht aus, doch steht sie nicht auf. Liegt einfach auf meinem bloßen Oberkörper. Ihre weiblichen Rundungen bringen meine Gedanken in Schwung und ihre funkelnden Augen meinen Kopf ganz durcheinander.
Sie lächelt triumphierend, als sie sich den Kopfschutz mit der freien Hand vom Kopf schiebt und mit weicher Stimme verkündet.
"Ich hab Gewonnen.", doch anstatt aufzustehen, streckt sie mir nur frech die Zunge heraus und bleibt einfach auf mir liegen. Sieht mich an. Grinsend. Zuerst. Doch dann wird ihr Gesichtsausdruck weicher. Ihr grinsen zu einem Lächeln und ihr Atem flacher.
"Und? Was sagst du jetzt?", will sie feixend wissen, "Revanche?"
"Hmm?", mache ich überlegend und sehe sie aus leicht zusammengekniffenen Augen an. Dann hebe ich skeptisch eine Augenbraue, bevor ich selbstsicher hervorbringe, "Du willst also unbedingt mal verlieren? Reicht dir diese eine Niederlage nicht?"
"Niederlage?", Bellas Augen weiten sich erstaunt, bevor sie kichernd ihren Kopf auf meine Brust sinken lässt. Das Kichern wird zu einem Lachen, das auf meiner Haut vibriert und mich kitzelt.
"Ja, ganz recht. Du weißt schon, das du verloren hättest, wenn ich auch nur versucht hätte zu gewinnen.", sage ich mit fester Stimme, doch bin ich mir sicher, sie hätte mich auch dann fertig gemacht, wenn ich mich gewehrt hätte. Sie ist in dem, was sie tut nämlich wirklich gut. Sagen würde ich ihr das natürlich nicht. Sie klingt auch jetzt schon selbstgefällig genug, als sie sich aufrichtet und mir einen leichten Kinnhaken verpasst.
"Vergiss es Zierfischfutter. Du würdest mich nicht einmal dann besiegen, wenn du mir die Hände auf den Rücken binden würdest.", antwortet sie selbstbewusst und streicht sich die Handschuhe von den Händen. Ich tue es ihr gleich und schmiede schon einen Plan, wie ich meine Würde wieder herstellen kann. Doch habe ich da so eine Idee. Die Handschuhe auf dem Boden neben mir, der Zierfisch grinsend auf meinem Bauch, den Blick fragend und abwartend auf mich gerichtet, streiche ich mir jetzt auch noch den Kopfschutz ab, was mir von ihr ein überhebliches: "Oh...so mutig der Kleine!", einbringt, doch anstatt zu antworten, lege ich meine Hände an ihre Hüften und will sie herunter schieben. Damit, dass sie jedoch so kitzelig ist und sie quietschend zusammenzuckt hätte ich nicht gerechnet.
Ihr Blick wird von überlegen zu leicht panisch, während ich meine Chance nutze und wieder meine Hände in ihre Flanken pieke.
"Ja.", verkünde ich dem quietschenden Fisch auf meinem Bauch, der inzwischen längst nicht mehr so still sitzt und kitzel sie weiter. Ihr schrilles Kreischen wird zu einem haltlosen Lachen. Und längst hat sie die Kontrolle über ihre Bewegungen verloren, so dass es mir geradezu leicht fällt, mich mit ihr herumzudrehen und sie auf den Boden zu pressen.
"Na? Wer hat jetzt gewonnen?", will ich wissen, während sie sich lachend unter mir windet.
"Ian! Ian! Nicht! Bitte hör auf!", kichert sie atemlos, doch mache ich munter weiter. Ganz kampflos werde ich diesmal nicht klein bei geben.
"Keine Chance, Zierfisch. Erst wenn du aufgibst.", bleibe ich stur und kitzel sie weiter. Tränen kullern über ihre Wange und sie krümmt sich vor Lachen, so kitzelig ist sie, doch als mir schließlich wieder bewusst wird, wo wir eigentlich sind, stemme ich mich schließlich hoch. Nicht zuletzt, weil sie mir auch versichert, dass ich gewonnen habe. Grinsend sehe ich auf sie hinab, dann halte ich ihr die Hand hin und ziehe sie auf die Beine. Doch obwohl ich jetzt gar nicht so fest gezogen habe, stolpert sie in meine Arme, kaum dass sie steht.
Atemlos sieht sie mich an. Ihre grünen Augen funkeln lustig und ihre Wangen sind von meiner Kitzelattacke gerötet, doch als Krümels Stimme recht ruppig zu mir durchdringt, schiebe ich sie sacht zurück und grinse sie entschuldigend an. Sie verdreht jedoch nur die Augen und wendet sich ihm zu.
"Was?", kann ich sie ihn fragen hören, doch antwortet er ihr so leise, das ich seine Worte nicht verstehe. Seine Antwort fällt recht kurz aus, dann kommt sie zu mir zurück.
"Sorry. Bin gleich wieder da. Mein Dad will irgendwas.", erklärt sie mir gleichgültig, doch denke ich, das nicht ihr Vater etwas von ihr will, sondern ihr Freund, denn dieser warf mir einen finsteren Blick zu, bevor er sich abwandte und ging. Weshalb ich mich auch bei ihr entschuldige.
"Ich hoffe du bekommst keinen Ärger." mit dem Kopf nicke ich in Richtung Büro, wo ihr Freund verschwunden ist. Mit der Hand fahre ich mir durch die verschwitzen Haare und fürchte, dass das Donnerwetter nicht lange auf sich warten lässt. Das gibt sicher noch ärger. Denke ich resigniert, doch winkt Bella lässig ab.
"Ach! Iwo! Sicher nur was wegen meines Sparringpartners. Mein Dad hält nämlich nichts davon, wenn ich schwächere verdresche.", lacht sie auf. Gibt mir einen sachten Schlag ans Kinn und klettert dann aus dem Ring.
"Kannst ja schon mal duschen gehen. Ich komme gleich nach.", schlägt sie noch vor, bevor sie im Büro verschwindet.
Und so hebe ich meine Handschuhe vom Boden auf, bringe den Helm an seinen Platz zurück und steige unter die Dusche. Entspannt lasse ich mir das Wasser über den Nacken und die Schultern rinnen. Und genieße die innere Ruhe, die mich wie so oft nach dem Training überkommt.
Für den Moment kann ich damit leben, das Mia in unmittelbarer Nähe zu finden ist und so schlafe ich auch recht schnell ein, als ich eine Stunde später allein in meinem Bett liege. Dem leisen Rauschen des Windes lausche, der durch die geöffnete Balkontür hereinweht und mich in den Schlaf begleitet.
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4594 Worte
06.08.17
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