14 Arbeit

Die Nacht war kurz. Das sei mal sicher. Doch zur Uni muss ich dennoch. Schlecht gelaunt und hundemüde würge ich zum wach werden den widerlich bitteren Kaffee hinunter, der mir heute noch weniger schmeckt als sonst.

Mit nur halb geöffneten Augen betrete ich recht spät den Vorlesungssaal. Ich sehe Kiran und Liandra in der letzten Reihe sitzen. Sie hebt die Hand und winkt mir zu. Auch ich hebe kurz die Hand, gehe dann aber in die erste Reihe. Nach anstrengender Kabbelei ist mir heute nicht. Nach anstrengendem Gerede auch nicht. Ich lasse mich einfach auf den nächstbesten Stuhl fallen und lege müde den Kopf auf meine verschränkten Arme.

Der leere Pappbecher liegt selbstvergessen im Mülleimer neben der Tür. Ich kriege von allem kaum was mit. Merke noch, dass sich Menschen um mich herum bewegen, sich neben mich setzten. Hinter mich. Höre auch die einschläfernde Stimme von unserem Prof. doch da ich in Bio immer sehr gut war höre ich nicht wirklich zu. Schlafen tue ich aber auch nicht.

Nach dieser Stunde folgt eine weitere. Und danach eine weitere. In den Pausen verziehe ich mich aufs Klo, doch als ich in Gedanken vertieft über den Parkplatz schlurfe treten zwei schlanke Füße in mein Blickfeld.

"Welche Leiche ist dir denn heute Morgen ins Müsli gelatscht?", ertönt Liandras Stimme mitfühlend. Ich will sie nicht abfertigen, aber irgendwie ist meine Laune im Keller, weshalb ich abweisend: "Kann dir doch egal sein.", brumme.

Kurz ist sie still, während ich mein Auto aufschließe und einsteigen will, dann faucht sie gereizt:

"Gott! Jungs! Habt ihr heute eigentlich alle eure Tage oder was?!"

Verständnislos hebe ich den Blick und seufze gereizt. Um zu fragen, was sie genau meint, ist meine Neugier gerade aber nicht allzu fordernd. Ich sehe sie einfach genervt an, was auch reicht, um sie zu einer Antwort zu bringen.

"Kiran war auch schon so scheiße drauf! Wenn ihr so weiter macht, dann suche ich mir neue Freunde!" Schnaufend verschränkt sie die Arme und nickt dann Richtung Bushaltestelle. "Den da wenn's sein muss. Der Redet wenigstens. Auch wenn nur Scheiße bei raus kommt."

Innerlich fühle ich tatsächlich so etwas wie ein Lächeln, doch bin ich mir sicher, dass es nicht auf meinem Gesicht ankommt. Der den Liandra meint, ist Jean-Paul und mir ist klar, dass sie nur einen Scherz gemacht haben kann, weshalb ich kurz die Augen schließe und mich wenigstens zu einem nicht zu grantigen Satz zwinge.

"Willst du mit?"

Ich deute auf die Tür, die ich geöffnet habe um einzusteigen. Ohne ihre Antwort abzuwarten setzte ich mich hinters Steuer. Ihr erleichtertes Lächeln nehme ich nur am Rande wahr.

"Ich dachte schon, du fragst gar nicht mehr!", verkündet sie schon wieder recht gut gelaunt, während sie sich anschnallt.

Auf dem Weg zur Klinik textet sie mich zu. Doch scheint sie keine Antworten von mir zu erwarten, ganz so, als würde es ihr reichen, zu erzählen. Und so schalte ich schlicht ab und brumme hin und wieder nur anstandshalber ein leises: "Aha." und "Mhm."

Ansonsten schweige ich schlecht gelaunt. Meine Stimmung sinkt jedoch immer weiter in den Keller, desto dichter wir dem Krankenhaus kommen.

"Willst du nicht aussteigen?", wendet sich Liandra schließlich an mich. Wir stehen bestimmt schon seit fünf Minuten auf dem Parkplatz, doch kann ich mich nicht wirklich aufraffen auszusteigen.

"Ne!", knurre ich verhalten, wuchte mich aber dennoch aus meinem Sitz. Dunkle Wolken scheinen über meinem Kopf zu hängen. Sie erdrücken mich regelrecht, als wir das Gebäude betreten.

Liandra geht neben mir her. Mustert mich nachdenklich von der Seite und bleibt schließlich genervt stehen.

"Echt jetzt! Komm schon Ian! Ich meine, ich kenn dich ja noch nicht lange, aber was auch immer passiert ist, SO schlimm kann es doch gar nicht sein!"

Sie seufzt, bevor sie auf den Knopf für den Fahrstuhl drückt.

"Wenn du wüsstest!", denke ich erschlagen, doch habe ich scheinbar laut gedacht.

"Ja, ne. Weiß ich ja eben nicht! Aber wenn du nicht gefeuert werden willst, solltest du dich wirklich zusammen reißen.", schlägt sie gutgemeint vor und tritt vor mich. "Hör mal. Du musst ja nicht mit mir reden. Aber wenn du die Muttis auf deiner Station mit diesem Blick ansiehst, dann rennen die schreiend vor dir davon. Und da hilft dein Blaues Auge auch nicht wirklich weiter...wobei..." mit schräggelegtem Kopf sieht sie mich an, dann zieht sie überlegend eine Augenbraue in die Höhe, "...ich finde, das Grün passt deutlich besser zu deinen grünen Augen. Die nebenbei bemerkt echt niedlich sind."

"Niedlich?!", bringe ich stöhnend hervor und verdrehe eben jene "NIEDLICHEN!" Augen.

"Ja. Ganz recht! Wenn du nicht gerade so trostlos vor dich hin starrst sind deine Augen wirklich toll! Ich wünschte, ich hätte so schöne grüne Augen.", sagt sie mit einem Schmunzeln. Mit dem Rücken lehnt sie sich gegen die Spiegelwand und streicht sich durch ihre schwarzen Zöpfe. Ihre weißen Zähne blitzen in ihrem dunklen Gesicht und ihre dunklen Augen scheinen zu Funkeln. Keine Ahnung, ob sie ihre Worte so meint, wie sie sie sagt, doch selbst wenn sie Interesse an mir hat, lässt mich das gerade vollkommen kalt.

"Aha.", gebe ich einsilbig wieder, was mir von ihr einen Stoß in die Rippen einbringt.

"Hey!", schimpft sie lachend, "Da lasse ich mich schon dazu herab und mach dir ein Kompliment und was machst du? Lässt mich auflaufen!"

"Ja...Sorry.", entschuldige ich mich lahm, "Nächstes Mal gebe ich mir mehr Mühe okay. Aber heute bin ich echt nicht zum Flirten geeignet. Sorry."

"Wer FLIRTET denn?!", sagt sie entrüstet, doch entgeht mir nicht, wie sie versucht ein schmunzeln zu verbergen.

"Na, dann habe ich mich wohl geirrt. Wenn jemand über Augen spricht, ist das für mich immer Flirten. Es sei denn, es ist ein Augenarzt.", murmel ich lustlos vor mich hin. Liandra schüttelt missbilligend den Kopf und murmelt was von Jungs! in ihren Bart, bevor wir im Keller ankommen.

"Ich muss mir noch Arbeitskleidung besorgen.", erklärt sie mir, als ich sie doch tatsächlich fragend ansehe. Ich würde ihr ja den Weg zeigen, aber...ne...keine Lust. So fies, wie das auch gerade ist.

"Viel Glück.", wünsche ich ihr deshalb erschlagen und drücke auf den Knopf mit der 3. "Wir sehen uns morgen."

"Aber nur, wenn du dann wieder der Alte bist. Und wenn du Kiran siehst...hau ihm eine rein! Der ist heute irgendwie genauso drauf wie du! Vielleicht werdet ihr dann beide wieder normal!"

Mit einem Kopfschütteln wendet sie sich ab und geht den Gang entlang. Ich hoffe, sie findet den Weg irgendwie. Kurz bekomme ich ein schlechtes Gewissen, dass ich sie in dem Labyrinth allein lasse, doch dann driftet meine Aufmerksamkeit auch schon wieder ab.

Auch wenn ich diesen einen Punkt, der mir den Verstand raubt zu ignorieren versuche. Seit Stunden zieht mich die Spirale immer tiefer. In dunklere Regionen meiner Seele. An einen Ort, wo ich lange Zeit hing und an den kein erhellendes Licht mehr kommt.

Denn gestern ist mir eines klar geworden. Was auch immer zwischen Mia und mir gewesen ist, ist Geschichte. Und das, was ich mir versucht habe einzureden, war absoluter Müll!

Ich könnte machen, was ich wollte! Sie wird mich nicht wieder in ihre Nähe lassen! Das hat mir ihr kalter Blick gestern endgültig klar gemacht. Sie will mich nicht. Also will ich sie auch nicht! Ich dränge mich ihr doch nicht auf.

Das hatte ich bisher nicht nötig. Und das habe ich auch jetzt nicht nötig!

Das Leben geht halt weiter. Auch ohne sie. Und jetzt muss ich eben Arbeiten. Und nur, weil sie ein paar Stockwerke über mir ist, wird mich das nicht davon abhalten, mein Studium durchzuziehen.

Nach dem ich mich umgezogen habe; Heute ganz ohne dämlichen Kommentar von der Stationsleitung; atme ich einmal tief durch. Ich bin mir sicher, Liandra hat recht! Mit diesem finsteren Gesicht, das mich aus dem Spiegel tödlich anfunkelt, kann ich meine Schicht nicht hinter mich bringen. Die Frauen würden alle schreiend davon laufen. Auch wenn mein Veilchen tatsächlich zurückgegangen ist. Es tut auch schon längst nicht mehr weh. Doch die grünliche Farbe ist jetzt auch nicht gerade vorteilhaft.

Auf dem Weg zum Schwesternzimmer kommt mir Alice entgegen und lächelt mich entspannt an.

"Hallo Ian. Hast du gerade was zu tun?", sie bleibt bei mir stehen und steckt sich ihr Namensschild am Kittel fest.

"Nein." Ich versuche freundlich zu klingen, doch bin ich mir nicht sicher, ob es mir gelingt, weshalb ich es mit einem verkrampften Lächeln versuche.

"Gut. Dann komm doch mit. Heute ist nicht viel los." Ohne auf meine Antwort zu warten geht sie zu einem der Kreissäle.

Ohne wirkliches Interesse erkundige ich mich nach dem "Warum"

"Kommt schon mal vor. Kinder kommen halt, wann sie wollen. Und heute will wohl keines." Sie lacht fröhlich auf und tatsächlich löst sich meine innere Anspannung ein wenig.

Alice beginnt die Schubladen der Schränke zu kontrollieren und erklärt mir, wofür die Sachen sind. Dann zeigt sie mir, wo es Nachschub gibt. Und so vergeht die erste Stunde dieses Tages. Doch da mein Glück anscheinend nicht von Dauer ist, fängt mich "die Fröhlich" ab, kaum dass wir fertig sind.

"Ian! Wir können sie heute nicht gebrauchen! Deshalb gehen sie jetzt hoch. Herrn Carstensen ist jemand ausgefallen.", bellt sie mich an und macht auf dem Absatz kehrt. Lässt mich mit einem ratlosen Blick einfach stehen.

Oben? Carstensen?

"Ähm...", fragend wende ich mich Alice zu, die Schwester Fröhlich mit finsterem Blick hinterher schaut.

"Alte Zicke!", zischt sie leise, bevor sie mich mit zerknirschtem Blick ansieht. "Sag ihr bloß nicht, dass ich das gesagt habe.", bittet sie mich eindringlich, weshalb ich grinsend nicke.

"Keine Angst. Ich werde dem Drachen nichts sagen. Also... unter einer Bedingung..."

"Okay!", sie Lacht und murmelt ein grinsendes "Drache" in sich hinein, "Und das wäre?", fragt sie nach.

"Erklärst du mir, was sie gemeint hat. Wer ist Herr Carstensen und wo genau ist OBEN?" Lässig fahre ich mir durch die Haare. Na ja...zumindest beinahe, denn alles was oben ist, ist weitaus schlimmer, als alles was unten ist. Um ehrlich zu sein, würde ich wohl lieber im Keller in der Gerichtsmedizin aushelfen, als auch nur einen Stockwerk weiter nach oben zu müssen.

"Nichts leichter als das. Du musst zur Trauma. Die ist im siebten.", erklärt sie grinsend, doch mir stockt das Herz. Ausgerechnet!

Warum ausgerechnet der siebte Stock! Warum nicht der Sechste. Der Fünfte. Egal welcher! Nur nicht der siebte!

Ich habe keine Ahnung, was ich auf ihre Worte sagen soll, doch bleibt mir eine Antwort erspart, als eine deutlich Schwangere Frau die Entbindungsstation betritt.

"Wir sehen uns später, Ian.", verabschiedet sie sich von mir, bevor sie sich fröhlich an die werdende Mutter wendet.

Doch mir sackt schon jetzt das Herz in die Hose, wenn ich nur daran denke, dass ich ihr gleich über den Weg laufen werde. Mit weichen Knien steige ich aus dem Fahrstuhl und bilde mir schon im ersten Moment ein, ihre Stimme zu hören.

Wohl gemerkt, ich bilde es mir ein, denn von Mia fehlt jede Spur.

In der Tür zum Schwesternzimmer bleibe ich stehen.

"Hey! Ian!", grüßt mich Schwerster Bea überschwänglich, "Hat 'Fröhlich' dich tatsächlich aus ihrer Hölle gelassen? Ich dachte, wir verschaffen dir mal ein paar Stunden ruhe vor ihr." Sie zwinkert mir gut gelaunt zu. Sicher ist sie davon überzeugt, dass sie mir gerade einen Gefallen getan hat. Dass das nicht so ist, kann sie ja auch nicht ahnen. Und so zwinge ich mich zu einem dankbaren:

"Ach, dann habe ich es also dir zu verdanken, dass ich da raus gekommen bin?" mein Lächeln fühlt sich alles andere als echt an, doch Bea scheint es nicht zu bemerken.

"Nicht ganz. Aber wir haben mal wieder einen 'Kranken'.", sie klingt sarkastisch und verdreht genervt die Augen, "Und ich dachte, ich frage Peter mal, ob er von Unten Unterstützung anfordern kann."

"Und du hast nicht zufällig vorgeschlagen auf der Gyn zu fragen.", sage ich schmunzelnd und nehme die Akte entgegen, die sie mir hinhält.

"Zufälliger Weise doch.", sie zwinkert mir fröhlich zu, dann fällt ihr scheinbar wieder ein, dass sie eigentlich an die Arbeit sollte. Doch vorher erklärt sie mir noch schnell, was ich zu tun habe.

Ich bin geradezu erleichtert, als ich samt Patient und Bett mit dem Fahrstuhl auf dem Weg zum MRT bin.

Eine tonnenschwere Last fällt von meinen Schultern, als wir immer mehr Stockwerke zwischen uns und die Traumatologie bringen. Es ist ja nicht so, dass ich sie nicht sehen wollen würde. Ich würde schon, wenn es nur nicht so verdammt aussichtslos wäre! Und so rede ich mir ein, dass es viel, ja geradezu tausend Mal, besser ist, sie nicht zu sehen. Nicht ihre Stimme zu hören. Ihr Lachen. Und erst recht ist es besser nicht ihren Duft in der Nase zu haben. Nicht dieses Kribbeln in den Fingern zu spüren, weil ich das Verlangen habe, sie zu berühren.

An der Tür zum Röntgen klopfe ich an und übergebe die Patientenakte und lasse Herrn Gunter dann fürs erste alleine.

"Ich hole sie dann später wieder ab.", verabschiede ich mich von ihm und mache mich auf den steinigen Weg in den siebten Stock. Immer langsamer werden meine Schritte. Immer größer die Anstrengung, die es mich kostet einen weiteren Schritt zu machen.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie mir über den Weg läuft. Und ich bin mir nicht sicher, was mir lieber ist.

Früher...oder...Später.

Es ist ja nicht so, dass ich sie nicht sehen will, wobei... besser wäre es wohl, wenn sie mir nicht über den Weg läuft. Warum muss Schwester Bea auch ausgerechnet mich als Aushilfe anfordern. Kann sie nicht jemand anderen nehmen? Kiran zum Beispiel? Der ist bestimmt froh, wenn er mal aus der Onkologie herauskommen würde. Sicher hat er es nicht leicht dort.

Ob er deshalb so schlecht drauf war? Frage ich mich und steige in Gedanken versunken im siebten Stock aus dem Fahrstuhl. Gehe wieder mit nicht geringem Flattern in der Brust zum Schwesternzimmer.

"Ich bin wieder da Bea.", melde ich mich bei ihr und nehme eine weitere Akte entgegen. Sie sieht mich mit einem verschmitzten Grinsen an, dass nichts Gutes zu bedeuten haben kann.

"Zu dieser Patientin muss ich dir ja nichts sagen.", sagt sie auch prompt. Sie kann ja nicht wissen, dass gerade mein Herz stehen geblieben ist, als ich den Namen, IHREN NAMEN, auf der Akte lese. Beinahe zittert meine Stimme, als ich sie frage, ob das nicht jemand anders machen könnte.

Sie sieht mich einen Moment erstaunt an, dann schüttelt sie langsam den Kopf. "Tut mir leid, Ian.", sie klingt verwirrt. Fragt sich wohl, warum ich das nicht machen will, doch fragt sie mich nicht nach meinen Gründen. Zuckt nur entschuldigend mit den Achseln und zuckt plötzlich erschreckt zusammen, als ein kreischen die Luft erfüllt.

Ihr Blick huscht den Flur auf und ab und bleibt schließlich an einer blinkenden Lampe über einer der Türen hängen. Und schon ist sie weg.

Sie stürmt den Flur hinunter und in das Zimmer. Notfall tippe ich mal und wende mich seufzend der Tür zu, hinter der mein ganz persönlicher Notfall zu finden sein sollte.

Jeder Schritt den ich mache, kommt mir vor wie zweitausend. Jeder Meter, den ich zurücklege wie hunderte. Und jede Sekunde die vergeht wie Stunden und doch sind nur wenige Augenblicke vergangen, als ich vor ihrer Tür ankomme.

Ich hebe die Hand. Habe das Gefühl an ihr würden Tonnen hängen und klopfe an. Bevor ich jedoch eintrete, atme ich seufzend durch und öffne die Tür, als mir Mias Stimme von drinnen die Sinne raubt.

"Frau Menderes.", spreche ich sie förmlich an. Das ist die einzige Möglichkeit, die ich sehe, mit ihr umzugehen. Ich werde sie behandeln wie jede andere Patientin auch. "Ich soll sie nach unten zu ihrer Krankengymnastik bringen.", teile ich teilnahmslos mit monotoner Stimme mit, die gefährlich ins Wanken gerät, als sie mich mit gekräuselter Stirn mustert.

"Sehr witzig Ian." sie verdreht genervt die Augen, "Und was soll überhaupt dieser Aufzug? Hast du jetzt eine Ausbildung hier angefangen, nur um mir rund um die Uhr auf die Nerven zu gehen?", funkelt sie mich an, was meine Stimmung gefährlich nah an den Abgrund zur Hölle treibt.

"Ich weiß nicht was sie meinen. Frau Menderes. Ich bin Ian Jähn und bin kurzfristig eingesprungen. Wenn sie jetzt so freundlich wären sich in ihren Rollstuhl zu begeben? Brian hat sicher nicht ewig Zeit auf sie zu warten.", versuche ich ruhig zu bleiben, was aber gar nicht so einfach ist. Ich könnte sie gerade schlicht erwürgen! Herablassend sieht sie mich an. Und was mache ich? Ich stehe da und erwidere ihren Blick. Flüchtig kommen mir die Worte des Doktors in den Sinn, doch scheint Mias Herz einfach munter weiter zu schlagen. Anders als meines, das gehörig durcheinander gerät. Noch schlimmer wird es als Mia tatsächlich von ihrem Bett klettert und sich in den Rollstuhl gleiten lässt.

Ihre Bewegungen sind geschmeidig. Auch wenn ich sehe, wie angespannt ihr Gesicht ist, während sie sich darauf konzentriert, wie sie die Beine setzen muss.

Schon will ich sie fragen, wie es denn inzwischen so läuft, als sie mir emotionslos in die Augen schaut.

"Also schön. Pflegepraktikant Ian.", sagt sie sarkastisch, "Ich wäre dann so weit."

Ein gereiztes Geräusch unterdrückend halte ich ihr die Tür auf und warte, bis sie an mir vorbeigerollt ist, dann fasse ich nach den Griffen und schiebe sie den Gang entlang zum Fahrstuhl.

Mit bockigem Gesichtsausdruck starrt sie vor sich hin und redet kein Wort mit mir. Was auch nicht weiter schlimm ist. Soll sie doch bocken. Ich mach hier schließlich nur meinen Job. Und wenn diese schlecht gelaunte Patientin keine Lust auf ein Gespräch hat, dann eben nicht!

Im Fahrstuhl lasse ich sie so stehen, dass sie gegen die Wand schaut und drehe mich zur Tür um. Starre auf die Metallenen Wände und schweige mit verschränkten Armen, weshalb sie sich mit einem Schnauben allein umdreht.

Und hätte ich meinen Fuß nicht gerade noch weggezogen, wäre sie mir wohl über den Fuß gerollt.

Ihr Blick spricht Bände und ich übersetzte ihn mal mit 'hast doch selber schuld' wofür ich sie am liebsten an die Wand gedrängt hätte, doch bevor wir dazu kommen uns etwas unfreundliches an den Kopf zu werfen gehen im sechsten Stock die Türen auf und herein kommt Frau Petersen. Sie sieht heute viel fröhlicher aus als beim letzten Mal, weshalb ich mal davon ausgehe, dass es der kleinen Larissa etwas besser geht.

Begeistert erzählt sie mir, wobei Mia interessiert die Ohren spitzt, das sie ihre kleine Tochter über eine Stunde auf dem Bauch liegen hatte, und wie sehr sie es genossen hat. Die junge Mutter strahlt übers ganze Gesicht und lässt auch mir das Herz aufgehen, wenn ich an das verkabelte Würmchen denke, dass so kraftlos in seinem Inkubator gelegen hat. Doch bleibt uns nicht lange Zeit uns zu unterhalten, denn schon hält der Fahrstuhl im dritten Stock und frau Petersen steigt aus.

"Sind sie Morgen wieder bei uns?", fragt sie noch, doch zucke ich nur ahnungslos mit den Achseln.

"Ich weiß es leider nicht.", sage ich mit einem leichten Lächeln, das noch immer auf meinem Gesicht liegt, als sich die Türen schließen und ich wieder mit Mia allein bin.

Sie sieht mich mit fragender Mine an, doch zeige ich ihr die kalte Schulter. Wozu sollte ich mir die Mühe machen, mit ihr zu reden. Sie will doch nicht mal in meiner Nähe sein, weshalb ich hier schlicht meinen Job mache. Und der beinhaltet in ihrem Fall lediglich Begleitung. Von freundlicher und zuvorkommender Behandlung steht nämlich nirgends etwas.

Gleichgültig lehne ich mich an die Spiegelwand zurück und warte darauf, dass wir im Erdgeschoss ankommen. Mit forschen Schritten schiebe ich sie die langgezogenen Flure entlang und kann es nicht verhindern trotz allem ein kleines Bisschen glücklich zu sein. Einfach, weil sie da ist. Und weil sie ausnahmsweise mal ihre Klappe hält, gelingt es mir beinahe zu glauben, dass sie nichts dagegen hat, in meiner Nähe zu sein.

Am Raum angekommen klopfe ich an und schiebe sie hinein. Überreiche Brian ihre Unterlagen und gehe dann ohne das Wort an sie zu richten wieder nach draußen.

Na gut. Ich habe kurz Tschüß gesagt, aber das zähle ich jetzt mal nicht als Gespräch.

Doch obwohl wir kaum geredet haben und sie mich anfangs eher unfreundlich angefahren hat, habe ich seltsamerweise viel bessere Laune.

Ich weiß nicht warum, aber irgendwie geht es mir allein deswegen besser, weil ich meine Schlechte Laune an dem Menschen auslassen konnte, der sie zu verantworten hat. Was Mia damit anstellt ist mir im Grunde egal. Sie wollte meine Aufmerksamkeit nicht. Dann bekommt sie halt mein Desinteresse zu spüren, auch wenn ich sie am liebsten in den Arm genommen hätte.

Aber was soll's. Ich kann es ja doch nicht ändern.
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3370 Worte
15.07.17

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