-𝟻𝟺-
Zuhause zu sein schenkte mir keine Wärme mehr. Mein Leben lag in Scherben und ich versuchte das Bisschen zu retten, was noch zu retten war.
Meine Eltern waren vermutlich auf dem Wochenmarkt unterwegs, wie jeden Montag, wenn das Lokal geschlossen hatte. Ardian musste in der Schule sein. Es sah alles aus, wie vor wenigen Tagen. Tage, die mir vorkamen wie mehrere Jahre.
Sie ahnten nichts von der Tragödie, die sich ganz in ihrer Nähe abspielte.
Ganz zu schweigen von Antos Eltern, die immer noch nicht wussten, dass sie ihr einziges Kind verloren hatten.
Mein Blick wollte gerade rüber zu dem Polaroid wandern, wo Anto und ich an unserer Schulbank saßen, doch ich stoppte mich selbst in diesem Vorhaben.
Nichts desto trotz fiel mir ein, wie die Kaugummiblase, für die sich Anto echt Mühe gegeben hatte, platzte, gleich nachdem das Selfie aufgenommen worden war.
Anstatt das wir den Unterricht fortsetzen konnten, mussten wir erstmal ins Bad und die pinke Masse aus Antonellas blonden Haaren bekommen.
Ich hielt inne, als sich ein Schmunzeln auf meine Lippen stahl. Damals waren nur dieses blöde Kaugummi und ein extrem wütender Geschichtslehrer unsere einzigen Probleme.
Ich riss mir den Pullover vom Körper, der eigentlich Daria gehörte und eilte zu meinem Nachtschränkchen.
„Auch wenn die Zeit eilt, wir dürfen nichts überstürzen, Nivia", warnte Amari im ruhigen Ton.
Vermutlich versuchte sie so ihre innere Ruhe auf mich zu übertragen, aber ich schaffte es nicht dem ewigen Kreis der Verzweiflung zu entfliehen.
„Roel kann zu jeder Zeit sterben und wenn meine Eltern, oder Ardian nach Hause kommen, will ich mich ihnen nicht erstmal erklären müssen."
Yvette hatte für mich gelogen.
Ich hatte sie gebeten, sie solle ihnen etwas von einem erforderlichen Außeneinsatz erzählen. Und doch plagten Mamma und Papà bestimmt viele Fragen...und Sorgen.
„Wir können reden, Nivia. Ich weiß, ich und Norvid waren nicht jahrelang befreundet, aber die Monate, die wir gemeinsam um unser Leben kämpfen mussten, haben uns zusammen geschweißt."
Nein, ich wollte nicht darüber reden, ob sie meinen Schmerz verstand, oder auch nicht.
Jesse hatte Amari dazu geholt, weil er sich um meinen seelischen Zustand sorgte. Das war unnötig. Da gab es nichts mehr zu retten. Dem einzigen, dem noch zu helfen war, lief die Zeit davon.
Andererseits fand ich es gut, dass Amari bei mir war, denn die kleine Vampirin gehörte zu meinem Plan.
Ich musste schon vorher irre gewesen sein, zumindest nach dem Inhalt meines Schränkchens zu urteilen.
Glas klimperte bereits gegen einander, als ich die Schublade auf zog.
In den kleinen braunen Fläschchen, in denen sich mal Tabletten befanden, hatte ich mir einen Vorrat an reinem Rizin abgefüllt.
Und ich ging ins Badezimmer, um noch weitere Fläschchen an Medikamenten zu leeren. Bevor ich in die Dusche ging, reichte ich diese Amari.
„In meinem Nachtschränkchen liegt auch ein Klappmesser. Amari du musst dir selbst Blut abzapfen und hier rein füllen. Bitte!", betonte ich eindringlich. Ohne ihr Blut würden wir nämlich alle drauf gehen.
„Mir gefällt das nicht", gab sie darauf nur zurück.
Keinem gefiel, was gerade geschah...
Unter der Dusche versuchte ich nicht nur den den Schweiß und Dreck der letzten Tage von meiner Haut zu spülen. Ich versuchte auch einen klaren Kopf zu bekommen. Alles, was meine Gedanken hervor brachten, waren die Erinnerungen an damals. Eine ähnliche Situation hatte ich nämlich bereits durchlebt, nur nicht in diesem Ausmaß.
Damals sollte auch eine heiße Dusche das Chaos ein wenig klären. Ich hatte gerade auf einem Kreuzfahrtschiff von den Vampiren erfahren und vor der Tür hatte Leontes gewartet und ich wusste nicht, ob er auch ein Vampir war. Seither war schon so viel passiert...
Je mehr ich in diese neue Welt abtauchte, desto schlimmer zerbrach meine alte.
Eine Weile stand ich vor dem Spiegel, der durch den Dampf nur ein verschwommenes Bild zeigte.
„Du hattest Recht mit Roel. Ich habe mich von ihm getrennt. Zwischen uns ist es aus."
Den Satz wiederholte ich so oft, doch ich fühlte ihn nicht. Es klang wie ein auswendig gelerntes Gedicht, eines welches Leontes mir abkaufen musste.
Zum Glück sah ich mein eigenes Gesicht nicht, ich hätte es sowieso nicht erkannt.
Ich stützte meine Hände am Waschbecken ab und unterdrückte den Schrei, der mir im Hals steckte. Das war nicht ich. Mit meinen eigenen Entscheidungen entfernte ich mich immer weiter von mir selbst.
Weil ich Sehnsucht nach der Vergangenheit hatte, drehte ich mich zur Heizung. Dort hing Ardians T-Shirt. Auf dem verblassten Schwarz flog ein weißer Engel empor.
Darüber stand Nirvana. Der Aufdruck blätterte bereits ein wenig ab, was kein Wunder war, so oft wie mein Bruder dieses T-Shirt trug.
Ich steckte meine Nase in den frisch gereinigten Stoff. Mamma hatte ihren lieblings Weichspüler benutzt. Keine Ahnung, wie er hieß, oder von welcher Marke er war, in meinem Kopf hatte ich ihn schon seit meiner Kindheit als das lila Zeug abgespeichert.
Dunkel und groß, es hätte auch meins sein können, stellte ich fest. Und weil ich meine Familie liebte und alles was ich liebte mir Kraft schenkte, zog ich das Shirt über meinen Kopf.
Als ich aus dem Bad trat, standen drei gefüllte Fläschchen auf meinem Schminktisch und Amari drückte sich ein Tuch gegen den Unterarm. Ich gab ihr die anderen mit Rizin gefüllten aus meinem Nachtschränkchen und nahm dafür die mit Vampirblut gefüllten an mich.
„Jesse weiß was zu tun ist", versuchte ich sie zu beruhigen, doch die Falte auf ihrer Stirn wollte nicht verschwinden.
Sie hinderte mich am gehen, indem sie nach meinen Armen schnappte. Ich bewunderte sie noch immer, wie sie ihr Leben trotz der Umstände so locker meisterte. Manchmal vergaß ich, dass sie nichts sehen konnte, bis ich ihre Sonnenbrille sah.
„Ist er es wert?" Ein Ja wäre zu egoistisch gewesen.
„Wäre Norvid es wert gewesen?
Oder deine Augen? Sind es all die gequälten Seelen nicht wert? Alle die, die wir schon in seiner weißen Zelle verloren haben und die noch dort landen werden?"
Zu sagen Feliz Tod wäre ein Trost gewesen, wäre ein Übertreibung gewesen. Ich wollte niemals über Leben und Tod bestimmen, kein Richter sein. Menschen zu schützen war mein Traum.
Als wir aus dem Haus gingen, stand Jesses Wagen bereits mitten auf dem Feldweg zwischen unseren provisorischen Parkplätzen und der endlosen Wiese, auf der Ardian und ich uns als Kinder so oft versteckt hatten.
Amari setzte sich auf den Beifahrersitz, während ich mich auf der Fahrerseite durch das offene Fenster ins Innere des alten BMWs lehnte. Jesse und ich schenkten uns ein stummes Lächeln,
als ich nach seiner Hand am Lenkrad griff.
„Vor Kurzem dachte ich noch, wir könnten uns gar nicht leiden."
Ihm entwich ein Lacher.
„Das habe ich nie gedacht", behauptete er mit einem spitzbübischem Grinsen.
„Ja, ja. Wir sehen uns, Freund meines Ex-Freundes." Darauf schüttelte Jesse nur seinen Blondschopf.
„Pass auf dich auf, kleine Shehu.
In vierundzwanzig Stunden treffen wir uns vor den Toren von MedicoSmart."
Ich nickte ihm zu und meine Hand glitt von seiner. Er fuhr los, ohne sich noch einmal umzudrehen. Als ich einen letzten Blick auf sein Gesicht erhaschte, war es so ernst, fast wie versteinert.
Ich musste ebenfalls los. Es ging mit dem Taxi nach Bologna. Die Flughäfen in der Nähe boten keine zeitnahen Flüge mehr an. Deswegen fuhr ich eine Stunde bis in die wunderschöne Großstadt, die wir als Familie seit Jahren schon besuchten, um ausgiebig shoppen zu gehen und nebenbei die großen Gebäude zu bewundern. Mein Kopf lebte seit Stunden mehr in der Vergangenheit als in der Gegenwart. Ich hasste jedes Blinzeln und jeden Atemzug, der mir die Realität aufzwingen wollte, die ich nicht akzeptieren konnte. Meine Arme schlossen sich enger um meinen Rucksack, der auf meinem Schoß lag. Mir tat der Magen weh, so als würde ihn jemand alle fünf Minuten mit Fausthieben bearbeiten.
Den Gedanken an Leontes vermied ich so gut wie möglich. Aber es war er, der sich um mich gekümmert hatte und um Anto. Ich saß erneut in einem Flugzeug der selben Fluglinie mit der wir erst vor ein paar Stunden gemeinsam geflogen waren, gemeinsam in das selbe Land, nur dass ich diesmal in einer anderen Stadt landete. Zadar. Und in jeder Stadt Kroatiens wohnte ein Zauber. Vielleicht lag er in der Luft, denn viel von der Stadt hatte ich noch nicht gesehen, aber mir schien, als könne ich hier besser atmen als in meiner Heimat.
Von Zadar ging es Richtung Süden nach Sibenik, dabei ließ ich es mir nicht nehmen, den Taxifahrer einen kleinen Umweg fahren zu lassen.
Als ich die Flüge gebucht hatte und erfahren hatte, dass ich in Zadar landen würde, erinnerte ich mich an etwas. Irgendwann und irgendwo hatte ich gelesen, dass Alfred Hitchcock mal gesagt hatte, dass man in Zadar die schönsten Sonnenuntergänge der Welt bestaunen könnte.
Ich ließ die Autoscheibe herunter, streckte meinen angewinkelten Ellenbogen heraus und legte mein Kopf auf ihm ab. Der Fahrer fuhr extra an der Küste entlang. Die Sonne ging wie ein riesiger Stern hinter den Bergen unter und setzte damit die Gipfel in Flammen. Die Wellen verwandelten sich in goldene Lava.
Es war wirklich ein Spektakel, auch wenn nur ein kurzes.
Für einen Moment hielt ich inne.
Mir flog beinahe die Bitte zwischen den Lippen hervor, das Auto anzuhalten. Ich war kurz davon überzeugt gewesen hierher zu gehören, zu verschwinden und zu bleiben, doch der Traum starb und ich schloss schnell das Fenster, um den Schmerz darüber hinter mir zu lassen.
Eine halbe Stunde später stand ich mit zittrigen Fingern vor dem Tor.
Ich berührte die Klingel ohne Druck auszuüben. Noch gab es ein Zurück, spukte es in meinen Gedanken.
Was hätte Anto jetzt gemacht? Welchen Rat hätte sie mir gegeben? Unter verschlossenen Augen, versuchte ich eine Antwort zu finden, doch es blieb dunkel. So dunkel, dass der knurrende Motor neben mir sich nach nichts anhörte.
Ich zuckte zusammen, als meine gereizte Netzhaut gegen grelles Scheinwerferlicht ankämpfen musste. Die Räder setzten sich in Bewegung, das Tor öffnete sich und der Fahrer blieb direkt neben mir stehen. Leontes musterte mich von oben bis unten, so als würde er meine Rückkehr seltsam, wenn nicht sogar scheiße finden. Wortlos fuhr er rein und ich folgte ihm, bevor sich das Tor wieder schloss.
Wie ein Schulanfänger zog ich an den Riemen meines Rucksacks. Er machte es mir nicht einfach. Mit dem grauen Hemd und der schicken Hose wirkte er wieder so unnahbar, als würde er auf einem Stern leben und nicht unter uns mickrigen Gestalten. Leontes reckte sein Kinn noch ein Stück weiter hinauf, als er an mir vorbei stolzierte.
„Kannst du mir sagen, was ich dir getan habe?" Denn noch, hatte ich definitiv nichts verbrochen.
„Nichts, ich bin einfach ein Idiota und das ist wiederum, was du aus mir machst. Dabei bist du selbst eine Idiota. Ich lass mich von einer Idiota zum Idiota machen."
Er war gereizt, so gereizt wie selten. Normalerweise sprach er nämlich nie viel, vor allem nicht, wenn er wütend wurde. Er missbrauchte das Schlüsselloch mit seinem Schlüssel, ehe dieser drinnen wuchtig auf der Kommode landete.
Er müsste doch auf Wolke sieben schweben, nachdem er nach Jahren endlich sein Ziel erreicht hatte.
Der Mensch, den er am meisten liebte war geheilt. Sie hatten Tränen vor Freude in den Augen als ich gegangen war. Außer Liebe und Freude schien in diesen vier Wänden nichts zu existieren und nun herrschte Dunkelheit. Ich schlich die Treppen vorsichtig hoch. In Darias Zimmer war keiner und mich plagte sofort die Sorge, dass ihr bereits etwas passiert sein könnte. Das Fos Infinitum hatte sie vielleicht geheilt, aber gleichzeitig auch eine Zielscheibe aufgemalt.
Ich beschleunigte meine Schritte. Unter einer der Türen im oberen Stockwerk brannte Licht und ungehalten stürmte ich in den Raum. Daria saß auf den kalten Fliesen, zwischen Waschbecken und Toilette.
Mir wurde schlagartig klar, dass mein Plan nicht funktionieren würde, nicht so. Vielleicht hätte ich Feliz leiden sehen können, aber niemals würde ich der Grund dafür werden, dass dieses zerbrechliche Wesen unter mir leiden würde.
Nein, nicht für diesen Preis, schwor ich mir, als ich auf die Knie fiel und Daria in die Arme schloss.
„Ich glaube... er ist noch da...Sie... wachsen in mir... unzählige Tumore, aber es tut nicht weh... aber ich habe so eine Angst", sprach Daria, wobei sie vor Schluchzern kaum zu Luft kam. „Und ich habe Leontes gesagt, dass ich sein Blut brauche...aber ... er weigert sich... weil sein Blut schändlich ist, sagt er... Es würde mich manipulieren und ich wäre nicht mehr ich selbst."
Ich erinnerte mich an die schwammige Andeutung meiner ehemaligen Vorgesetzten. Ein Vampir könne dich in seinen Bann ziehen. Deswegen sollte ich mich damals laut Yvette von Leontes fernhalten.
Und ich erinnerte mich auch daran, wie oft ich in den Genuss von Roels Blut kam.
„Wie soll ich rausgehen, Nivia?
Mein ganzes Leben habe ich mit der Einstellung verbracht, jeder Tag, könnte mein letzter sein. Ich weiß nicht, wie man sich benimmt, was man anzieht, über welche Themen gesprochen wird. Es war leichter, sich jeden Tag zu verabschieden. Das hat wenigstens zu mir gehört. Jetzt ist alles anders und Leontes erwartet, dass ich funktioniere, dass ich einfach glücklich und dankbar bin und in die große, weite Welt hinaus marschiere. Verstehst du mich?"
Keine Ahnung, ob man es vergleichen konnte, aber als ich damals von den Vampiren erfahren hatte, wollte ich mich in meinem Bett, unter meiner Decke verstecken und nie wieder heraus kommen. Alles, woran ich bis dahin geglaubt hatte, verlor an Bedeutung. Die Welt war eine andere und ich nur ein Mensch, der seit Jahren ein Lüge lebte. Mich plagten plötzlich täglich Sorgen, weil ich diese neuen Wesen noch nicht einschätzen konnte. Ich wusste auch nicht mehr, wie ich mich zu verhalten hatte.
Jedenfalls nickte ich, nachdem ich an der Wand gegenüber von Daria runter auf den Boden rutschte.
„Als ich vor ein paar Monaten von den Vampiren erfuhr, ist mir auch alles über den Kopf gewachsen.
Ich wusste nicht mehr, wem ich vertrauen sollte. Wenn ich raus gegangen bin, habe ich immer eine Waffe fest umklammert in meiner Jackentasche versteckt. Es war, als wäre ich auf einem ganz anderen Planeten. Hinter jeder Ecke hätten Gefahren lauern können...", erzählte ich ihr.
„Und wie geht es dir jetzt?", wollte sie wissen.
„Besser. Man lernt klar zu kommen. Ich habe immer noch allerlei Waffen in all meinen Taschen, aber ich halte mich nicht mehr an ihnen fest. Eigentlich dachte ich, die Vampire wären die einprägsamste Erfahrung, die ich machen durfte, aber heute sage ich, dass mir egal ist, welche Wesen auf dieser Erde wandern.
Mir ist egal, wo ich bin und wie fremd mir ein Ort ist. Nichts tut so weh,
wie einen Menschen zu verlieren,
den man liebt. Nichts ist so wertvoll, wie eine Seele in einem Körper, sowie der Herzschlag in der Brust. Fokussiere dich auf das, was du liebst und dich selbst, alles andere soll sich dir anpassen."
Sie schenkte mir ihr Lächeln.
Ihre schmalen Lippen zogen sich dabei zu einer gebogenen Linie.
„Du bist stark. Irgendwann hast du gelernt stark zu sein und das Leben nicht aufzugeben, sondern wertzuschätzen. Das fehlt mir noch", gab sie zu. „Fünfzehn Jahre lang hat Leontes mich von einer innovativen Idee zur nächsten geschleppt.
Das bedeutete Krankenhausaufenthalte, Nadeln, Schläuche, schmerzhafte Untersuchungen und jedes mal die Befürchtung, dass es nichts bringen würde. Und als Leontes aufgegeben hat, da habe ich nicht mehr nur mir beim Sterben zugesehen. Plötzlich hatte er der Liebe keine Chance mehr gegeben. Seine Freunde hatte er von nun an ignoriert. Er war keinen Hobbys mehr nach gegangen. Die Bücher in unserem alten Haus waren alle seine, aber sie verstaubten nur noch.
Ich habe so sehr für ihn gehofft,
dass ich einfach sterben würde."
Meine Lider senkten sich, bevor die Tränen fliehen konnten. Ohne mit der Wimper zu zucken, hätte ich ihn heute ausgeknockt, obwohl er immer nur für seine Nichte kämpfte.
Das war der Plan gewesen.
Aber wenn jemand nichts Böses im Sinn hatte, dann Leontes und das wundervolle Exemplar mir gegenüber.
„Du siehst aus wie eine Elfe. Wenn wir einkaufen gehen, dann kaufen wir dir ein Kleid, ein grünes, das würde dir stehen und gib der Menschheit zwei bis drei Wochen, sie wird dir zu Füßen liegen", versprach ich ihr, weil sie auf mich den selben Effekt hatte und das zwei bis drei Minuten nachdem ich sie kennengelernt hatte.
Daria rieb sich verlegen den Nacken, doch ich hatte es geschafft, sie zum Schmunzeln zu bringen.
"Weißt du, du bist mein Vorbild.
Eine Polizistin, die immer wieder ihr Lächeln findet und nebenbei die Welt rettet, auch wenn sie innerlich am sterben ist." Als Daria das sagte, empfand ich keinen Stolz.
Die Wahrheit schrie so laut, wie noch nie.
„Ich bin Polizistin geworden, um vor meinem übergriffigen Freund zu fliehen.
Ich habe das Fos Infinitum gesucht, um einmal Heldin zu sein, nicht wegen dir und ganz nebenbei habe ich damit noch meine beste Freundin verloren.
Ich bin heute hier her gekommen nicht um nach euch zu schauen, sondern um deinem Onkel das Bewusstsein zu rauben. Dann hätte ich dich mitgenommen und als Lockvogel benutzt, damit ich in Ruhe Rache nehmen kann. Das bin ich, Daria."
Und bevor ich wieder auf dumme Gedanken kommen konnte, stemmte ich mich wieder auf meine Beine und ging. Außerdem wollte ich Darias Blicke nicht auf mir spüren. Ihr Bild von mir musste gerade zersprungen sein, wie Glas, welches zu heftig auf dem Boden landete. Die Last dieser Enttäuschung hätte die Kraft gehabt, mich im Boden zu vergraben und wäre es nicht um Roels Leben gegangen, hätte ich mich über diesen Zustand gefreut. So war ich allerdings gezwungen weiter zu kämpfen.
Yannis Amstein. Wo auch immer der Doktor sich befand, er war mein Ziel. Ohne das Blut eines Weltenwandlers, würde Feliz mich nicht mehr auf das Industriegebiet lassen. Mir rannte aber auch die Zeit davon. Daria wäre die einfachste und greifbarste Option gewesen. Ein Mensch war aber keine Option. Mir rauchte der Schädel.
Ich hatte bereits die Eingangstür unten im Flur anvisiert, als auf der letzten Stufe angekommen, sich breite Schultern in mein Sichtfeld schoben.
„Wo willst du wieder hin Scimmietta? Dein Herz rast, du hast deine Atmung nicht unter Kontrolle, genauso wie deine Entscheidungen. Bleib hier." Leontes las in mir, wie in einem offenem Buch, worauf ich die Augen schloss, in der Hoffnung, das Buch zu schließen.
„Du redest wie immer irgendeinen Blödsinn. Leontes, der ständig meint, er wäre allen überlegen. Was mich angeht, hast du keine Ahnung."
Ich klimperte mit den Wimpern, versuchte giftgrüne Pfeile aus meinen Augenhöhlen zu feuern, sowie er mich ständig mit seinen eiskalten Iriden erdolchte.
Er bewegte sich kein Stück.
Seine Mimik erstarrte und ich wusste, er meinte sein 'Bleib hier' verdammt ernst. Das konnte doch nicht sein.
Ich drängelte mich an ihm vorbei zur Tür, doch kaum griff ich nach der Klinke, zog er mich am Rucksack zurück.
„Rizin, Vampirblut, Feuerzeuge, Benzin... Was zur Hölle hast du vor?" Mit vollem Krafteinsatz tätigte ich einen Schritt, um mich aus seinem Griff zu befreien. Es gelang mir, mich zu drehen.
„Den Wahnsinn beenden", schrie ich, rückwärts auf die Tür zugehend,
doch kaum berührten meine Finger das kalte Metall, schlug Leontes wenige Zentimeter neben meinem Kopf gegen das Holz und der Ausgang blieb versperrt.
Ich war gefangen zwischen ihm und dem verschlossenen Ausgang.
Sein Gesicht war meinem so nahe, dass ich seine bebenden Atemzüge, wie eine kalte Brise auf meiner Haut empfing.
„Wenn ein Kampf beendet ist, bedeutet das nur, dass sich der nächste bereits entwickelt.
Du kannst nur deinen eigenen Frieden finden."
Seine Finger streichelten sanft über meine Schläfe.
„Wir bleiben hier, erkunden das Land. Es gefällt dir doch hier und mir gefällt es mit dir, genauso wie Daria. Ich schaff das nicht alleine, Nivia.
Ich kann dich nicht zwingen, aber bitte bleib bei mir, bei uns."
Aus dem eisernen Griff wurde das Streicheln einer Feder. So glitten seine großen Hände meine Arme hinab bis in meine. In das kalte grau seiner Augen, schlich sich warmes Gold und ich erkannte den jungen Mann aus Darias Fotoalbum.
Ein Mann, der bereit war, sich für das, was er wirklich wollte, aufzuopfern.
Ich erwischte mich dabei, wie ich meine Finger um seine klammerte.
Doch er ließ mich viel zu schnell los.
Die Schüsse waren kaum hörbar, doch sie waren da. Und mit ihnen fiel Leontes mir in die Arme.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top