-𝟻𝟷-
Ich war tatsächlich eingeschlafen. Leontes Arm stützte mich, als ich meine Augen öffnete und der blanken Sonne entgegen blinzelte. Er fühlte sich so warm für einen Vampir an, auch wenn hart wie Stahl. Wahrscheinlich mutierte ich gerade aber auch zum Stein. Ich wusste nicht, wie ich mich in diesem Moment verhalten, oder was ich sagen sollte.
Der Mann neben mir drückte mich wortlos in eine aufrechte Position, ehe er aufstand und mir einfach seine Hand reichte, ohne mich dabei anzusehen. Er gab mir Raum und vertrieb somit jegliches Unwohlsein.
Ich bewunderte ihn ein wenig für seine souveräne Art. Die Sonne strahlte auf ihn hinab und ragte nach oben, wie ein Fels in der Brandung. Selbst die größte Welle würde einfach an ihm zerschmettern...
Eine Dusche später, stand ich in der offenen Küche, hinter dem Herd.
„Hast du Milch da?" Das Omelette war kurz vor dem Anbrennen, weswegen ich nicht selbst im Kühlschrank nachschauen konnte.
„Ich wusste nicht, dass Milch in ein Omelette kommt, aber ich hoffe, du magst dein Kaffee mit." Leontes schob dem bunten Karton eine weiße Tasse hinterher. Der Duft von Kaffeebohnen stieg mir mit dem Dampf in die Nase. Wie lange war es her, dass ich einfach einen Kaffee am Morgen trank? Ich lächelte diesem Genuss entgegen. Erstmal schaltete ich aber die Herdplatte aus.
„Dieses matte, dunkle Design ist zwar schick, aber man sieht jeden Fingerabdruck", beschwerte sich der Vampir, der tatsächlich sowas, wie Jogginganzüge zu besitzen schien. Mein Lächeln wuchs, als ich ihn dabei beobachtete, wie er verzweifelt versuchte die Indizien seiner Existenz von der Küche zu bekommen. Scheinbar übertrug sich sein Drang nach Sauberkeit und Perfektion nicht nur auf sein Erscheinungsbild, sondern auch auf seine Umgebung.
Neben Rührei, gab es eingelegte weiße Bohnen, die ich aus der Dose befreite und in ein gläsernes Schälchen schüttete. So sahen sie gleich viel appetitlicher aus. Und weil es an Vitaminen nicht mangeln sollte, zerlegte ich noch ein paar lokale Feigen.
„Ohne dich hätte es nur Dosenfleisch und diese Bohnen gegeben. Sie wird sich freuen, dich zu sehen", vermutete Leontes, der sich mir gegenüber auf einen Hocker, an die Kücheninsel gesetzt hatte. Als ich ihn ansah, schaute er schnell zur Decke und nippte nebenbei an seiner eigenen Tasse. Selbst der beige Kapuzenpullover und die gleichfarbige Jogginghose wirkten schick an ihm.
„Ich freue mich auch, sie wieder zu sehen", gab ich ehrlich zu.
Keine fünf Minuten später, schien der Vampir mit seinem Super-Gehör etwas wahrzunehmen. Gespannt, blickte ich durch den offenen Durchgang, der in den Flur führte. Und da erschien sie. Daria suchte Halt an der Ecke der Wand. Erst sah ich ihre dürren Finger, dann ihre blasse Gestalt, die farblich fast eins mit dem weißen Bademantel war.
Während bei ihrem Neffen mit seiner gebräunten Haut, die grauen Iriden strahlten, wie flüssiges Silber, so kam ihr Grau, wie ein dunkler Himmel, kurz vor einem Gewitter daher.
Ihre Lider fuhren auseinander als sie uns beide entdeckte.
„Ich dachte schon, ich werde verrückt. Da liege ich schon seit fünfzehn Minuten wach im Bett und rieche gebratenes Essen." Dazu lachte sie herrlich, als sie im Zick-zack auf uns zu ging. Sie schaffte es nicht mehr alleine zu stehen und hangelte sich an allem entlang, wo sie Halt fand. Zumindest so lange, bis Leontes ihr entgegen eilte, um ihren Arm über seine Schultern zu legen.
Wie bereits am Vortag drückte er seiner Nichte einen Kuss auf die Stirn, doch diese zog ihn nur mit aller Kraft mit sich auf dem Weg zu mir.
Daria löste ihren Arm von Leontes und schlang ihre Arme um meinen Hals. „Es ist so schön, dich wieder zu sehen, Nivia." Ich streichelte ihr über den Rücken. Ihre Wirbel zeichneten sich deutlich unter der Haut ab.
Man hatte Angst, sie kaputt zu machen, ihre Knochen ohne großen Kraftaufwand zu brechen.
„Auf mich reagierst du nie so, Piccolina", warf Leontes ein, doch Daria winkte nur ab, ohne ihm viel Beachtung zu schenken. „Du bist das einzige, was ich für Jahre gesehen habe. Verzeih, wenn ich sagen muss, dass dein Anblick mich langweilt." Dabei schenkte sie ihm aber ein zuckersüßes Schmunzeln.
Ironischer Weise fiel mir bei deren Glück mein eigenes Unglück wieder ein. Schnell, verdrängte ich den Gedanken.
Ich navigierte Daria an den großen weißen Esstisch, der zwischen Wohnzimmer und Küche stand.
Die durchsichtigen Stühle erinnerten mich an die Schuhe von Cinderella. Leontes stellte meinen Kaffee vor mich, bevor er sich zu seiner Nichte, mir gegenüber setzte.
Sie aßen und unterhielten sich, während ich meine Spiegelung auf der glänzenden Tischplatte betrachtete.
War das die Realität, oder träumte ich nur? War ich jemals aus Kroatien zurück gekehrt? Wartete Anto in Cesena auf mich?
Weil ich die Antworten auf all das kannte, breitete sich eine Leere in mir aus.
„Nivia?" Ich zuckte zusammen, als mich zwei Personen auf einmal besorgt musterten.
„Was?", hakte ich verwirrt nach.
„Ich habe Daria eben erzählt, dass sie den Krebs heute Abend besiegen wird", erklärte Leontes, als er die Hand seiner Nichte herzlich drückte. Die beiden sahen sich an. Tränen glitzerten und ich versuchte mich anzuschließen, doch meine auflodernde Hoffnung wurde unter einem Schwall Wasser gelöscht.
Daria schien es zu bemerken.
Unter ihrem neugierigen Blick, begann ich wieder an meiner Nagelhaut herum zu spielen.
Etwas, dass ich schon lange nicht mehr getan hatte.
„Als wir uns das erste Mal getroffen haben, lagst du im Sterben, aber deine Augen haben gestrahlt.
Ich wusste, dass du überlebst.
Jetzt bin ich mir nicht sicher, ob du es schaffst. Was ist los, Nivia?"
Weil ich nicht wusste, was ich dazu sagen sollte, oder ihr Glück nicht trüben wollte, biss ich mir auf die Lippe, anstatt zu sprechen.
„Es waren Nivia und ihre Freundin, die das Fos Infinitum für dich geholt haben. Leider hat Nivias Freundin dabei ihr Leben verloren", schilderte Leontes die Situation. Ich wünschte, er hätte es gelassen. Daria sah aus,
als würden sie alle Geister verlassen. Sie blickte zwischen Leontes und mir hin und her.
„Wegen mir, musste eine junge Frau sterben?" Die Arme klang entsetzt.
Ich konnte mich kaum noch zurück halten. Mein Kinn zitterte.
„Nein, wegen mir", sprach ich es aus. Antonella kannte Daria doch gar nicht. Sie wollte mich schützen. Meine Kämpfe waren auch ihre,
weil es andersrum immer genauso gewesen war.
Mein Stuhl knirschte über dem Parkettboden. Meine Beine trugen mich auf schnellstem Wege hinaus. Ich hielt mich am Pfosten des Carports fest und hechelte, wie ein verdammter Hund. Jeder Atemzug brannte in meinen Lungen, wie Alkohol in einer offenen Wunde.
„Du gibst nicht Roel, nicht mir und auch nicht Fiamma die Schuld. Du gibst sie dir selbst", stellte Leontes fest, der plötzlich vor mir stand und vielleicht war es so. Keiner hatte einen persönlichen Bezug zu meiner besten Freundin. Es wäre meine Aufgabe gewesen, sie rauszuhalten. Mir fehlte die Kraft, einen Ton von mir zu geben. Stattdessen spürte ich, wie sich warme Tränen einen Weg über meine Wangen bahnten.
„Wir sind nicht für die Entscheidungen anderer verantwortlich. Nivia, du hättest nicht ahnen können, was Fiamma vor hatte und du hättest auch nicht Antonella von dir fernhalten können."
Er streckte seinen Arm aus, berührte mein Gesicht und trocknete es.
Ich war für Sekunden gefangen in einem Käfig aus unzerstörbarem Eisen, in einem Käfig aus ihm, seinen Augen, seines Aussehens und seiner Art. Und ich wandte mich ab. Zum Glück tat ich es.
Mit meinen Händen wischte ich mir den Rest der Feuchtigkeit von der geröteten Haut.
„Tut mir leid, dass ich Daria so aufgeregt habe. Es sollte ihr Tag werden", entschuldigte ich mich.
„Morgen, wenn sie ohne Schmerzen erwacht, wird alles vergessen sein." Er glaubte daran, ich nicht. Was den Körper heilte, musste nicht zwingend die Seele heilen. Nicht ihre und bestimmt nicht seine, doch ich gab ihm stumm recht, als ich einfach nur ihm wieder zugewandt nickte.
Als ich an ihm vorbei, ins Haus zurückkehren wollte, umschloss seine Hand meinen Ellenbogen.
„Das ist für dich." Leontes reichte mir einen Umschlag.
„Am besten, du schaust erst rein, wenn du ein wenig Frieden verspürst", empfahl er mir im strengen Ton. Meine Neugierde protestierte bereits jetzt, aber er hatte Recht. Meine Grenzen waren erreicht. Was auch immer auf diesem Papier stand, es musste warten. Ich packte den Brief, ohne ein Kommentar abzugeben, in meine Hosentasche, dann ging ich rein.
„Du hast ja nichts gegessen. Weißt du, was ich mir für eine Mühe gegeben habe, Daria?", stellte ich gespielt vorwurfsvoll fest. Wie ein Häufchen Elend hing Daria über ihrem Teller. Ihre Pupillen folgten jeder meiner Bewegung.
„Es ist das beste Omelette, welches ich jemals probiert habe, ich kann nur nicht." Ihre Hände, links und rechts vom Teller, zitterten. Ich setzte mich wieder ihr gegenüber und beendete es, indem ich meine darüber legte.
„Nivia hat Erfahrung im Kochen. Ihren Eltern gehört ein ganzes Lokal, das beste in der Region.
Wenn du willst, können wir gleich morgen hin", schlug Leontes vor, kurz bevor ich spürte, wie er sich mit seinen Hände auf meinen Schultern abstützte.
Daria hatte es auch bemerkt und zum ersten Mal zuckten ihre Mundwinkel vor Freude. „Gute Idee! Sei unser Ehrengast", bot ich ihr an.
Die Frau mir gegenüber nickte. Leontes drückte seine Finger kurz zusammen, so als wolle er mir stumm danken, dann setzte er sich wieder zu seiner Nichte. Sie schaffte es sogar den halben Teller zu essen und ich leerte meinen mittlerweile kalten Kaffee.
Nach dem Frühstück half ich Daria beim Anziehen und erschrak beim Anblick ihrer Knochen. Ihre Haut saß so eng, wie eine Leggings und ließ keine Spekulation mehr offen darüber, wie ein Skelett aussehen musste. Ich fragte mich, wie sie sich sonst alleine zurecht machte.
Sie schien meine Gedanken lesen zu können. Kaum schlüpfte ihr Kopf aus dem Wollpullover, gestand sie, dass sie meist einfach ihren Bademantel über Tage anließ, oder gar nicht erst aus dem Bett ging.
Die Tage brachten ihr nichts, meinte sie. Raus durfte sie nicht, da ihre Haut nach der Chemo mit Entzündungen auf die Sonneneinstrahlung reagierte. Genauso, wie ihre Haare seit der Behandlung nie wieder nachgewachsen waren.
Es musste mit dem Vampirblut zutun haben, welches Leontes ihr regelmäßig verabreichte, dachte ich still vor mich hin. Doch ohne diese Medizin wäre sie wahrscheinlich schon längst nicht mehr unter den Lebenden.
„Ich wünschte, ich wäre gestorben. Egal, was danach kommt, es kann nicht schlimmer sein, als das."
Daria betrachtete mich durch den Spiegel, vor dem sie saß. Um sie herum, nur steriles Weiß, keine Bilder mit Erinnerungen, die es würdig waren an der Wand zu landen.
„Und Leontes hätte leben können.
Er hätte nicht für mich sterben müssen. Er war doch jung, stark und nicht krank. Seit Jahren versucht er seine Macht zu nutzen, um mein Schicksal zu ändern. Für nichts anderes hat er sein Leben aufgegeben. Und damit das nicht umsonst gewesen ist, mach ich mit."
Sie war tapfer. Nein, sie war der stärkste Mensch, dem ich jemals begegnen durfte.
„Du kämpfst nicht mehr gegen den Krebs. Du kämpfst seinen Kampf mit."
Mir stiegen wieder Tränen auf und ich hatte es satt, gegen sie anzukämpfen. Ich lief auf Daria zu und öffnete die Schublade vor der sie saß. Dort lag ein Täschchen.
„Das habe ich noch nie benutzt", gab Daria, gefolgt von einem leisen Lachen zu. Auch ich lächelte sanft. „Ich auch nicht. Meine Freundin hatte mich immer geschminkt." Weil ich zwei linke Hände besaß, wenn es um feinmotorische Arbeiten ging. Nicht, wie Antonella. Man brauchte ihr nur Farbe zu geben, den Rest erledigte ihr einzigartiges Gespür für Schönheit. „Aber vielleicht habe ich ja was von ihr gelernt", teilte ich meine Hoffnungen mit.
Jeder Pinselstrich schenkte der Frau wieder den Teint, den sie vor langer Zeit verloren hatte. Ich verteilte Rouge auf ihren Wangen, die dadurch wieder rundlicher wirkten. Und ich versank in diesem Moment. Seit Antos Tod hatte ich mich ihr nicht mehr so nahe gefühlt. Mit jeder Bewegung, spürte ich, wie die feinen Haare des Pinsels auch über meine Haut gewandert waren. Als ich meine Lider aufeinander drückte, kam es mir so vor, als könnte ich Antos süßliches Parfum direkt vor meiner Nase riechen.
„Wenn du es nicht zu langweilig findest, würde ich dir gerne mein Fotoalbum zeigen. Das nehme ich immer mit, egal in welches Gefängnis mich Leontes verfrachtet."
Ich öffnete meine Augen wieder.
Über Darias Wange lief ein Tropfen, dessen Spur über ihrem unteren Lid begann.
„Nein, ich würde es sogar sehr gerne sehen." Und das meinte ich auch genau so.
Sie strahlte, wie ich sie noch nie strahlen sah. Daria stützte sich sogar selbstständig am Schminktisch hoch. Vorsichtig setzte sie einen Schritt vor den anderen, um ein in dunkelblaues Leder gebundenes Album aus ihrem Nachtschrank zu holen. Es war so dick, wie die Bibel und doppelt so groß. Einen Einbrecher hätte sie damit jedenfalls locker in die Flucht schlagen können.
„Na komm schon her!" Ihr Körper fiel einfach auf ihr ungemachtes Bett. Daria klopfte neben sich und ich tat es ihr gleich.
Die Bilder begannen direkt auf der ersten Seite und es schienen aktuelle zu sein. Sie hatte die Aufnahmen zu schönen Collagen zusammen geklebt. Ich sah die imposanten Gebäude dieses Landes aus der Ferne. Die Fotos waren vom Auto aus entstanden. „Split ist atemberaubend", schwärmte ich, wobei ich die Umrisse des Dokletianpalastes mit meinem Finger nach zeichnete.
„Leontes sagte mir, je tiefer man in der Stadt versinkt, desto schöner wird sie. Bevor wir nach Hause fahren, müssen wir die Altstadt gemeinsam erkunden!" Nichts lieber als das. Darias Augen wurden kugelrund,
als ihr die Idee gekommen war. Scheinbar freute sie sich langsam über den Gedanken, ab morgen leben zu können.
Und so schritt der Tag voran.
Die Frau neben mir hatte zu jedem einzelnen Bild eine Geschichte parat.
Wir tauchten mit jeder weiteren Seite ein Stück mehr in die Vergangenheit ein.
„Halt! Wer ist das?!", schoss es mir zwischen den Lippen hervor. Ich sah einen Mann, gut gebaut, mit vollem braunen Haar, welches dynamisch mit dem Wind flog. Er knabberte an einem Strohhalm, das weiße Hemd befleckt. Es steckte in einer schwarzen Schlaghose.
„Das hat Mutter aufgenommen", erzählte Daria. Auch wenn es sich dem strengen Blick und der eisernen Regenbogenhaut nach, nur um Leontes handeln konnte, schaffte ich es nicht, es zu realisieren. Er wirkte so anders auf dieser Aufnahme. Saubere Kleidung war ihm wohl nicht immer so wichtig gewesen. Er war ein einfacher junger Mann gewesen. Einer, den man ernst nahm, der aber nicht eitel und teilweise überheblich wirkte, wie es nun der Fall war.
„Ich wollte ihn schon immer fragen, ob seine Haare gefärbt sind", sprach ich meine eigentlich geheimen Gedanken laut aus. Daria neben mir, prustete plötzlich los.
„Als er es das erste Mal selbst probiert hat, waren sie im Ansatz leuchtend gelb, im Übergang Orange und in den Spitzen rot. Er sah aus, wie aus einer erfolglosen Punkband geflohen."
Ich biss mir auf die untere Lippe.
Die Vorstellung tat ja beinahe schon weh.
Draußen wurde es dunkel und mein Magen knurrte bereits.
„Du musst dich vor deinem großen Moment noch stärken. Wollen wir eine Pizza bestellen?", schlug ich deshalb vor. Daria ließ ihren Kopf zaghaft auf und ab wandern.
„Gut, dann frage ich Leontes, ob er auch was will" rief ich, während ich vom Bett sprang. Ich erschrak, als sich fünf Finger, wie schmale, kalte Ketten um meinen Oberarm legten.
„Danke für den schönen Tag Nivia und danke, dass du da bist, für mich und für meinen Onkel."
- "Nicht dafür, Daria." Dabei drückte ich ihre Finger unter meinen, bevor ich ging.
Unten angekommen, schien Leontes verschwunden. Im Haus brannte kein Licht. Dann hörte ich seine Schritte, den Aufprall harter Sohlen auf Holz. Ich erinnerte mich an die aus Holzdielen provisorisch angelegte Terrasse und kaum bog ich um die Ecke in den offenen Wohn- und Essbereich, erkannte ich Schämen.
Die Außenleuchte ging an und aus.
Leontes aktivierte sie immer wieder auf's Neue, indem er hin und her marschierte. Etwas glänzendes in seiner Hand reflektierte ein paar wenige Strahlen des ohnehin schon schwachen Lichtes.
Ich ging so leise, wie möglich näher an den Ausgang, um mehr erkennen zu können.
Leontes schloss eine Faust um den Flaschenhals des Fos Infinitums.
Die Flüssigkeit, die kaum erkennbar war, schwappte mit seinen wilden Schritten hin und her. Er war angespannt. Ich erkannte auch die Furchen zwischen seinen Augenbrauen.
„Du wirst dich niemals an einen Vampir anschleichen können.
Ich höre, wie du atmest, ja sogar jeden Herzschlag." Davon würde nicht mehr viel übrig bleiben, denn ich erlitt vor Schreck fast einen Herzinfarkt.
„Ich wollte mich auch nicht anschleichen. Wir wollen Pizza bestellen. Willst du auch was haben?", stritt ich ab, dass ich ihn bis vor Kurzem noch heimlich beobachtet hatte.
„Es tut gut, wie ein Mensch behandelt zu werden." Er lächelte mich an, während ich nicht wusste, was ich darauf antworten sollte. Wie hätte ich ihn denn sonst behandeln sollen?
Sekunden später, wandte er sich ab und blickte Richtung Himmel.
Leontes atmete tief ein und geräuschvoll wieder aus. In diesem Moment lastete nicht die ganze Welt, aber alles was ihm daran wichtig war auf den Schultern. Ich trat neben ihn, bewunderte ebenfalls die klare Sternennacht.
„Ich habe Angst, dass ihr etwas passiert. Was ist, wenn das gar nicht das Fos Infinitum ist, sondern irgendein Gift? Was ist, wenn es nichts bringt?"
Es wäre alles möglich. Alles. Spätestens nachdem Vampire in mein Leben getreten waren, übernahm ich diese Einstellung.
„Ihr habt nichts zu verlieren", musste ich ihm gestehen. Für Daria war alles besser, als diese Existenz fortzuführen. Selbst der Tod wäre eine Wahl gewesen, auch wenn Leontes dies niemals einsehen wollte. Hätte ich auch nicht getan.
Ich hatte nur keine andere Wahl,
als die, los zu lassen.
Da ich aber wusste, wie schwer es war, suchte ich nach seiner Hand. Seine Finger drückten meine und wir starrten gemeinsam den Sternen entgegen.
Ich genoss den Frieden, nicht bereit mich von ihm zu lösen, auch als die Zeit gekommen war und Daria sich hinter uns räusperte. Leontes ließ mich los, was mein verfluchter Körper als Startsignal nahm, um die Nervosität ins Rennen zu schicken.
In Sekunden stieg mir ein Kloß in den Hals, den ich versuchte hinunter zu schlucken. Erfolglos. Stattdessen wich ich Darias Blicken aus und zwängte mich an ihr vorbei, ins Haus.
Es war deren Glück, deren Angelegenheit, deren Familie und dieser besondere Moment gehörte nur den beiden. Ich holte meine Schuhe, doch zog sie im Esszimmer an. Meine Pupillen wanderten stetig zwischen der Uhr und dem Fenster hin und her. Ein wenig trieb mich die Neugierde, aber vor allem die selben Sorgen, die Leontes quälten. Von hier aus, sah ich die beiden. Den Onkel, der immer tiefere Atemzüge brauchte und seine Nichte, die in einem XS-Pullover begraben wirkte.
Alle drei Zeiger zeigten nach oben. Mitternacht. Ich hielt die Luft an, als Daria ihren Kopf zur Seite neigte und das Fläschchen an ihre Lippen setzte. Sie trank es, ohne eine Miene zu verziehen. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, in der Leontes seine Nichte anstarrte, ohne die kleinste Regung in seinem Gesicht...
Doch dann ließ ich die angestaute Luft in meinen Lungen frei. In seinen sonst so kalten Augen, glänzten goldene Tränen. Der Mann aus Eis strahlte wie die Sonne selbst, als er seine Piccolina in die Arme schloss. Ich erwischte mich dabei, wie ich verloren in der Dunkelheit lächelte.
Die beiden anzusehen, ließ mich vergessen, dass es für mich kein Happy End gab.
Sie waren, wie ein Film, der mich einnahm, aber auch nicht mehr als eine Fiktion. Meine Realität wartete hinter diesen Wänden, sogar hinter diesem Land.
Ich ging und hoffte, dass ich mich besser vor einem Vampir wegschleichen als anschleichen konnte.
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