-𝟺𝟾-
„Doktor Amstein, Inka Huaman hat eine gute Wahl mit dir getroffen. Du hast deine Unendlichkeit genutzt, um Leben zu retten, um zu helfen.
Selbst nach hundert Jahren hast du noch nicht die Nerven verloren.
Ein Leben, wie dieses halte ich keine zwanzig Jahre durch. Du bist ein Geschenk und du musst fliehen und dich retten.... Ich komme hier schon klar", versprach ich ihm, was ich selbst nicht so recht glaubte.
Die Mundwinkel des freundlichen Arztes hingen kraftlos hinab.
Kaum merklich, schüttelte er seinen Kopf.
„Pass auf dich auf, kleine Rebellin." Seine Lippen zuckten kurz, doch zu einem Lächeln konnte er sie nicht aufrappeln.
Ich sah ihm hinterher, als er geräuschlos unter dem Poltern ein Stockwerk über uns, davon ging. Hinter einer Tür verschwand er und ich blieb alleine zurück im flackernden Licht des Korridors.
Es lief mir eiskalt den Rücken herunter, als Sekunden später ein Aufschrei folgte. In dem Moment, in welchem ich die Stimme von Doktor Amstein erkannte, malte ich mir bereits die schlimmsten Bilder aus. Ich brauchte eine Weile, bis mein Körper sich über den Schock hinweg bewegte.
„Yannis!", schrie ich, als ich in den Raum eilte, der sich als kleines Büro entpuppte. Der Arzt mit seinen weit aufgerissenen Augen, hatte den Tisch an die Wand geschoben. Am oberen Rand war ein Fenster, dessen Scheibe sich in tausend Teilen über dem gesamten Boden verteilte.
Ein gut genährter Körper zwängte sich durch die zu kleine Öffnung zu uns herunter.
„Guter Herr, ich höre und rieche, dass Sie ein Mensch sind. Könnten Sie mir kurz helfen. Ich gehöre zu den Guten. Ach und Nivia, bist du zufällig auch da? Sorry, mein Vampirradar ist noch in der Ausbildung." Die Paralyse fiel von mir ab und ich setzte mich in Bewegung.
„Anto", flüsterte ich, als mein Herz vor Freude begann zu hüpfen.
Ich schnappte nach ihren nackten Beinen, gab ihr Halt und dirigierte sie gleichzeitig sicher auf die Tischplatte.
Meine Freundin schaute sich verwirrt um, während ich sie von oben bis unten musterte. Ihre Haare waren noch zerzaust, ihr Gesicht natürlich und ungeschminkt. Sie trug sogar noch ihr langes Schlafshirt.
„Du bist aufgestanden und gleich hierher geeilt", stellte ich mehr für mich fest, doch mein Flüstern erreichte auch jeden anderen. Antonella zwinkerte mir zu, ehe ihr der nächste Spruch einfiel.
„Natürlich. Meinst du, ich würde mir diese Pyjama-Party entgehen lassen." Dabei sank ihr Blick kurz auf die blau gestreifte Flanell-Hose des Mannes, der unsere Unterhaltung stumm verfolgte.
„Antonella, das ist Doktor Yannis Amstein, der Weltenwandler. Yannis, das ist meine beste Freundin Antonella Caruso und seit neuestem Vampir." Anto nahm die Hand an, die der Doktor ihr reichte, doch ich unterbrach deren Kennenlernen. „Und ihr müsst jetzt gehen. Antonella, bring Yannis hier weg, ganz egal wohin, Hauptsache weit entfernt." Schon als ich sprach, schüttelte Anto ihre blonde Mähne. Resignation, symbolisierten ihre vor der Brust verschränkten Arme.
„Spinnst du?", gab sie mir nur als Antwort, die sie anschließend erklärte. „Ich bin hinten rum rein, weil über uns die Hölle los ist. Eine rothaarige Frau wird von zwanzig Vampiren zerfleischt und Leontes steht in der Tür und beobachtet das Ganze. Wir gehen zusammen, oder gar nicht!"
Ich lächelte sie an, als meine Finger Bahnen durch ihre kinnlangen Strähnen zogen.
„Das rothaarige Monster ist das einzige, was mir gefährlich werden könnte und du sagst, sie wird gerade zerfleischt. Die anderen gehören zu unserem Weltenwandler und Leontes wird mir kein Haar krümmen."
Antonella nahm meine Hände in ihre. „Das gefällt mir nicht, Nivia", gab sie mir zu verstehen, als ihre Finger sich in meine Haut bohrten.
„Anto...Es geht hier nicht um mich, oder dich, sondern um was Größeres und wir werden Helden sein.
Morgen trinken wir einen Wein drauf, okay? Einen Dom Perignon." Ich lachte beim Aufkommen der süßen Erinnerung...Es war unser letzter gemeinsamer Abend in einer normalen Welt gewesen. Nur wir, unsere Freunde, das Meer und das Lagerfeuer...
„Wenn du mich anlügst, werde ich dich für immer hassen, versprochen!" Ihr spitzer Nagel, lackiert in einem feinen Rosa, tippte mir unterhalb meines Schlüsselbeins ins Fleisch, dann wandte sie sich an den Doktor.
„Dann bringe ich die wertvolle Fracht mal in Sicherheit." Sie kletterte wieder rauf, dann nickte Doktor Amstein mir noch einmal zu, ehe auch er den Weg hinaus erklomm.
Ich schlüpfte aus meinen liebsten Sportschuhen, weil er einer von ihnen unangenehm drückte.
Dabei holte ich ein Taschenmesser hervor. Die Rosen erinnerten mich an schönere Zeiten und das Gold an die Wärme, die sie mit sich brachten. Mein Finger glitt in Gedanken über das Tattoo, gleich oberhalb Roels Beckenknochens. Dort, wo ich als Rose unter seiner Haut blühte, wohlbehütet in seiner toten Hand.
Mein Plan, mich nach oben zu begeben wurde nieder geschmettert, als ein rotes Bündel unscharf hinter der fokussierten Klinge vorbei rauschte. Mein Blick wanderte nur noch an den schmalen Waden hinab, die dabei waren durch das Fenster zu gleiten. Fiamma war an mir vorbei gezogen, als sei ich kein Hindernis. Sie hatte mir keinerlei Beachtung geschenkt und mich einfach in dieser Ecke stehen lassen, wie eine beliebige Vase. Seit unserer ersten Begegnung hatte mich diese Teufelin nicht ernst genommen.
Ich war hier. Und das sollte ihr schmerzhaft bewusst werden. Meiner Kehle entfuhr ein Schrei, als ich meine ganze Kraft in das Stück Metall zwischen meinen Fingern schickte. Die Klinge verschwand in ihrem Bein, knapp an der Achillessehne vorbei. Sie bewegte sich schnell, ganz zu meinem Vorteil.
Das Messer schnitt, wie von selbst, ihr Unterschenkel entlang, bis hinunter an die Verse.
Diesen Moment, den ich mit allen Mitteln hinaus gezögerte hatte, war geschehen. Ich spürte, wie ich lebendes Gewebe mit meinen eigenen Händen tötete. Meine Hand kämpfte gegen den Widerstand der Haut. Warmes, fremdes Blut lief mir über den Arm. Eine Gänsehaut schlich über meinen ganzen Körper und löste dabei eine so tiefgehende Übelkeit aus, dass ich den Würgereiz unterdrücken musste. Es war zu viel. Vielleicht war ich doch keine gute Polizistin und schon gar keine geborene Heldin.
Ich wich zurück, ließ das Messer stecken. Die nackten Beine der Frau wurden immer länger, bis ich auch den Ansatz ihres sandfarbenen Gabardine-Jumpsuits entdeckte, der nur knapp ihren Po bedeckte. Sie ließ sich langsam wieder hinab und landete auf dem Tisch, mit ihren nackten Füßen, in ihrer eigenen Blutlache, so sicher, wie eine Katze mit sieben Leben.
In ihren verhärteten Gesichtszügen fand ich keinen Schmerz, nur Kälte und Dunkelheit. Ihre Nasenspitze wanderte noch ein kleines Stück weiter hinauf, als ihre pechschwarzen Pupillen sich durch meine bohrten. Ohne den Blick von mir zu lösen, bückte sie sich und riss sich den Fremdkörper aus dem Bein. Es klimperte, als sie den für mich so wertvollen Gegenstand gegen die nächste rohe Wand schleuderte.
Sie wirkte insgesamt so unmenschlich, ohne den Hauch auch nur einer Emotion.
Verlor jeder Vampir mit jedem Jahr ein Stück mehr seiner Menschlichkeit?
„Was ist dir widerfahren, dass du deine Seele aufgegeben hast? Was hat dir so weh getan, dass du aufgehört hast, du selbst sein zu wollen? Was war dein Leben wert?" Ich wollte ihr Geheimnis wirklich erfahren.
Ich dachte nämlich, es würde ein Haufen Technik und Eisen dazu gehören, um einen Roboter zu schaffen. Sie verblüffte mich.
„Du wirkst noch dämlicher, wenn du meinst, du wüsstest irgendwas. Denn du weißt gar nichts",
keifte sie zurück und ich wusste zumindest, dass sie die Fragen mehr berührt hatten, als die Klinge.
„Und mit deiner Dummheit reitest du uns alle noch tiefer in die Scheiße. Feliz weiß was zu tun ist.
Leontes weiß, was zu tun ist.
Du bist nur ein kleines Mädchen, in einer viel zu großen Welt. Roel hätte dich umbringen müssen. Er hätte seinem Durst nachgeben und sein Schicksal erfüllen müssen!
Aber dein Engel ist dir gut gesinnt und damit meine ich nicht ihn."
Mit ihren letzten Worten legte sie all ihre weibliche Eleganz nieder und trampelte auf mich zu. Sie schlang ihre knöchrigen Finger um meine Kehle. Ich verarbeitete noch immer, was sie behauptete, als meine Füße den Boden nicht mehr berührten. „Und selbst jetzt, steht nicht an erster Stelle, dass ich diesen blöden Arzt, oder das Fos Infinitum finde.
Nein, Fiamma, egal, was du tust, solltest du auf Nivia treffen, fass sie nicht an", äffte sie jemanden nach und so, wie sie ihre Stimme tiefer klingen ließ und so ausgeglichen, fast schon gleichgültig, wusste ich, wer gemeint war. Leontes.
„Oh Gott, du bist menschlich. Du hast dich in den Schönling verliebt", krächzte ich mit erhobenen Mundwinkeln. In den hunderten von Jahren hatte sie es geschafft jegliche Emotionen abzulegen und nun himmelte sie diesen Mann an, wie ein kleiner Fan den großen Superstar. „Mich zu töten, wird dich in seinen Augen auch nicht schöner machen."
Ich keuchte, als ihre langen Nägel sich durch die zarte Haut meines Halses bohrten.
„Und ich wiederhole es dir nochmal. Du weißt gar nichts, kleines, dummes Mädchen."
Fiamma zog tiefe Kratzer, nachdem sie plötzlich zur Seite wich.
Luft flutete sofort mein Inneres und bis es mich stärkte, stützte ich meine eingeschlafenen Gliedmaßen an der Wand ab.
„So sieht also die Erfüllung deines Versprechens aus. Hier, die hast du Zuhause vergessen, kleines, dummes Mädchen", neckte mich meine beste Freundin, bevor sie mir meine Dienstwaffe entgegen streckte. Fiamma, die von Anto gegen die Wand geschubst wurde, fauchte, wie ein tollwütiges Tier.
Aus meinem Instinkt heraus, stellte ich mich vor Anto und drängte uns so an die Wand ihr gegenüber. Erst jetzt bemerkte ich das volle Ausmaß der Katastrophe. Fiammas Augäpfel färbten sich schwarz. Sie war von Kopf bis Fuß mit rot befleckt und ähnelte damit einem wahnsinnigem Monster. Ich richtete die Waffe auf sie, obwohl ich doch wusste, dass es nichts bringen wird.
„Fiamma! Lass die beiden!", schrie eine tiefe Stimme. „Sie ist nur ein unbedeutsamer Mensch und wegen ihr, hast du das Fos Infinitum entwischen lassen!" So wütend und außer Kontrolle hatte ich Leontes bisher noch nicht erlebt. Er trat hinein, edel gekleidet, wie eh und je. Nur seine Haare fielen ihm in die Stirn, aber ordentlich. Nichts zerstörte seine Struktur, seine Perfektion.
Seine silbern schimmernden Augen versanken in mir, wie ein Schlüssel im richtigen Schloss.
Meine Lider fuhren vor Schreck auseinander. Ich musste zum Safe!
„Ich habe ihn entwischen lassen?
Du hast ihren Herzschlag gehört und gezögert. Sieh mich an und sieh dich an. Mein ganzer Körper ist mit Blut beschmiert und deiner? Während ich dir den Weg frei gemacht habe, hast du nur gelauscht. Dir ist alles egal, wenn sie in deiner Nähe ist. Deine eigene Nichte hast du auf dem Gewissen!"
Es tat weh, ihn so zu sehen, plötzlich entblößt und wehrlos. Doch in seiner Welt tobte sein eigener Krieg, genauso wie in Fiammas. Sie lenkten sich gegenseitig ab.
Ich nahm Anto an der Hand und wir rannten. Wir drängelten uns an Leontes vorbei in den Flur und ich führte meine Freundin in die vermeintliche Speisekammer.
Der erste Weltenwandler lebte kaum dreihundert Jahre, als es ihm bereits zu viel wurde und er seine Bürde an Doktor Amstein übertragen hatte.
„Tag 21...19..10. Tag 211910. Das sind etwa 210000 durch 300. Das würde auf die 700 Jahre zugehen. Der erste Weltenwandler hat kaum 300 Jahre gelebt." Wie eine Fotokopie erschien die ausgerissene Seite, die Yvette in ihrem Safe hütete, in meinen Gedanken.
„Was faselst du da vor dich hin? Wirst du wahnsinnig?" In Antonellas Stimme spiegelte sich die blanke Panik wider und mein rätselhaftes Verhalten half da nicht weiter.
„Entweder der erste Weltenwandler konnte nicht zählen, oder aber hinter Tag 211910 verbirgt sich ein Code. Das war sein letzter Tagebucheintrag, quasi ein Abschiedsbrief für die Nachwelt. Nur, wenn er 211910 Tage gelebt hätte, dann wäre er an die 700 Jahre alt. Laut Feliz wurde Inka Huaman aber im achtzehnten Jahrhundert geboren und ist etwa im Jahr 1920 gestorben. Das sind zweihundert Jahre. Verstehst du, Anto?" Meine Freundin klimperte mit ihren himmelblauen Rehaugen.
„Nö, kein Wort. Aber tu, was du nicht lassen kannst."
Ich verlor keine Zeit. Es kribbelte mir in den Fingern, als ich das kalte Metall des Safes tastete.
„Nivia... Das ist ein elektronischer Safe. Gab es vor hundert Jahren schon sowas? Ich glaube nämlich nicht."
Für kurze Zeit, sackte mir die Hoffnung in die Füße. Antonella hatte offensichtlich recht und doch fühlte es sich an, wie endlich auf dem richtigen Weg angelangt zu sein. Unbeirrt tippte ich die Zahlenfolge ein.
Es klickte mechanisch. Ich öffnete die Tür, als eine glatte Oberfläche das künstliche Licht reflektierte. Meine Hand wanderte in die dunkle Öffnung und plötzlich trug ich die Last der Welt.
Ich nahm das gläserne Fläschchen raus. Das Glas war schwarz, der Boden geschmückt von einem Kranz aus goldenen Blättern, die in der Form, den Blüten des weißen Sonnenkelchs ähnelten.
Die Blume, die ausgestorben war, aber unendliches Leben versprach.
Ein goldener Korken versiegelte eine geheimnisvolle Flüssigkeit.
„Du hast es geschafft, Nivia! Wow." Antonella funkelte mich vor Freude an.
Mir war nach Weinen vor Erleichterung, aber auch vor Schmerz und Leid.
Wie viel hatte der Inhalt dieser Flasche gekostet? In diesem Punkt hatte Fiamma wahrscheinlich recht.
Ich kannte nur die Spitze des Eisbergs. Wer wusste schon, wie viele Kriege darum geführt, oder wie viele Leben geopfert wurden? Mit diesem Elixir war ich so mächtig, wie verloren. Es verlieh mir göttliche Kräfte und gleichzeitig malte es mir eine Zielscheibe auf.
„Jetzt nichts wie weg hier! Nivia, komm schon!" Der Versuch, es im direkten Licht wahrhaftig zu sehen, schlug fehl und ich senkte meinen Arm wieder. Anto zupfte ununterbrochen an meinem Ärmel und ich gab nach. Wir mussten hier raus. Ich packte das Fos Infinitum in meine Jeanstasche und wir gingen.
Der Streit, den wir noch als Echo im Korridor wahrnahmen, schenkte uns Sicherheit. Der Schöne und das Biest waren immer noch abgelenkt.
Ich musste mich in Gedanken vergewissern, dass Fiamma Leontes nichts antun würde. Für eine Sekunde zögerte ich sogar vor dem Treppenabsatz.
Auch wenn ich ihn noch so schlecht redete, seine Gräueltaten in den Vordergrund rückte, so schimmerte doch wieder das Gute durch. Er hatte mein Leben gerettet, nicht nur einmal.
„Nivia, er wird durchkommen."
Antonella hatte mich schon immer gelesen, wie ein offenes Buch.
Ich nickte ihr zu und ließ mich von ihr wieder ins Tageslicht ziehen.
Überall war Blut. Selbst über den Fotos der Kinder. Die Leichen bildeten ein Slalom, den ich bemühte zu ignorieren.
„Schau nicht runter, ich führe dich", ermutigte meine Freundin mich, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Sie hätte nur noch meine Ohren und meine Nase zuhalten müssen. Der säuerliche Gestank von Eisen drang mir bis tief in die Lungen und immer wieder hörte ich einen letzten, raschelnden Atemzug, aus jeder gottverdammten Ecke.
„Bleib stehen! Wo ist der Arzt hin?" Mein Arm wurde kurz vor dem Ausgang grob gepackt. Ich sah an dem dunklen Stoff entlang, der einen zitternden Arm einpackte. Leontes Atmung ging auf und ab, kaum zählbar so schnell.
„Nivia. Wir kommen hier alle heil raus, wenn du es mir sagst, ansonsten garantiere ich für nichts", drohte er mir. Er konnte mir nicht drohen.
Ich hatte keine Ahnung, wohin Doktor Amstein gegangen war. Hauptsache er war weg.
„Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts. Ich bin nur ein kleines, dummes Mädchen", wiederholte ich Fiammas Worte, als ich sie hinter dem Mann entdeckte, der wieder dabei war, meine Knochen zu zerquetschen. Es tat schon beim ersten man nicht weh. Viel mehr floss der Schmerz durch meine Adern, wie eine übernatürliche Verbindung, die von der Stelle seiner Berührung ausging. Seine Seele war nicht am zerreißen, sie explodierte gleich und wir würden mit ihm untergehen. Er wollte Daria nicht verlieren, aber ich doch auch nicht.
„Vertrau mir", formte ich deswegen stumm mit meinen Lippen, was ihn erstarren ließ.
Die Hand, mit der er mich umfasste, fiel schlaff hinab. Er trat langsam zurück.
Ein dem Tod geweihtes Stöhnen verwandelte sich in ein energisches Aufschreien. Der Mann, der mich bei meiner Ankunft hier, abgetastet hatte, war wieder zum Leben auferstanden. Ein Teil seines Darmes fiel ihm aus einer aufgerissenen Wunde im Bauchraum. Er war vor meinem Ritter aufgesprungen und er hatte keine Sekunde gewartet, um seine spitz-geformten Finger, wie ein Speer in Leontes Brust zu versenken. Beinahe bis zum Ellenbogen steckte der Arm des Wachmannes in seinem Körper.
Leontes betrachtete mich stumm.
Das Silber schwand aus seinen Iriden und zurück blieb ein steinernes Grau.
„Du hast dich entschieden", kam es von Fiamma, als sie von der Seite ihres Freundes wich und aus seinem, wie auch aus meinem Blickfeld verschwand.
Ich löste mich schlagartig von Anto, um nach meiner Waffe zu greifen. Dieser Mann würde ihm nicht das Herz heraus reißen. Das schwor ich mir. Es knallte so oft, bis keine in Rizin getränkten Patronen mehr übrig waren.
Der Arm des Wachmannes sank. Ich beobachtete genau das Blut und stellte erleichtert fest, dass Leontes Herz noch in seiner Brust schlug. Der Fremde fiel ohne Beute wieder zur Seite. Und doch hörte ich einen anderen kleinen dumpfen Aufprall. Verwirrt zog ich meine Lider zusammen. Leontes wirkte geschockt, aber er atmete. Er tastete sogar nach dem Loch in seiner Brust.
Nur sein Blick galt nicht seiner Wunde.
Ein weiteres Geräusch. Ein weiterer Körper, der in dem Blut hunderter sein Ende fand.
„Du hast dich entschieden. Ich habe dich gemeint, Nivia. Du hast dich entschieden", wiederholte sie monoton. Mein Kopf schrie, er befahl mir, mich nicht umzudrehen, doch ich tat es.
Hinter mir lag meine beste Freundin, meine Antonella. Und in ihrer Brust fand ich kein Herz mehr. Nur noch ein Loch. Und unendliche Leere.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top