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Ein letztes Mal für jenen Abend spielte ich die Kellnerin. Jesse bekam sein geliebtes Bier, Anto ein Glas lieblichen Rotwein und Amari begnügte sich mit einer Bitter Lemon. Als ich ankam unterhielten sie sich bereits angeregt über das Flos Infinitum und Feliz. Anto lernte dabei Amari und ihre Geschichte besser kennen.

„Und ihr seid, seit ihr denken könnt, beste Freunde, oder wie?", versuchte Amari auch uns besser kennenzulernen. Auf Anto und mich mochte das zutreffen. Jesse kam später dazu und unser Verhältnis war bis vor Kurzem nicht das Beste. Er war einfach der beste Freund meines Freundes und andersherum, war ich einfach die Freundin seines besten Freundes. Wir akzeptierten die Anwesenheit des anderen.

„Sie ist meine Seelenschwester", korrigierte Anto, was meine Mundwinkel unbewusst nach oben zog. „Ja, wir haben uns in der Mittelstufe gefunden und seitdem nicht mehr ohne einander gekonnt. Jesse ist eigentlich nur der Freund meines Ex-Freundes." Ich streckte ihm die Zunge raus, als er seinen Mittelfinger hob. „Jap...Nicht die beste Wahl meines Freundes", fügte er bei, bevor er mir ein zuckersüßes Lächeln schenkte.

Ich selbst, befüllte mein Glas mit Hugo Spritz. Keine vorteilhafte Voraussetzung für erfolgreiche Arbeit, aber für einen ausgelassenen Samstagabend. Mein Entschluss stand ohnehin fest. Wir würden nie herausfinden, ob Doktor Amstein, wie er sich jetzt nannte, ein Weltenwandler war, oder Vampir, wenn wir es nicht mit eigenen Augen sahen.

Nachdem der Arzt in Indien während der spanischen Grippe geholfen hatte, war er für mehrere Jahre von der Bildfläche verschwunden und dann plötzlich in Bayern wieder aufgetaucht.
Er führte eine private Praxis, unter seiner Wohnung im Tal vor den Alpen. Damit befand er sich dort, wo seine Unendlichkeit begann, etwa hundert Jahre nach seiner Verwandlung. Und laut des ersten Weltenwandlers, gelang eine Verwandlung nur einmal in hundert Jahren. War das Zufall, oder hatte der liebe Doktor Amstein etwas vor?

Ich öffnete vor allen die Akte, die mir Simon von der Informationstechnik hatte zukommen lassen und tippte mit meinem Zeigefinger darauf. „Antonella begleitet mich gleich am Montag in die Schweiz. Amari und Jesse, ihr behaltet Feliz im Auge. Bleibt in seiner Nähe und wenn irgendwas Auffälliges passieren sollte, informiert ihr mich bitte. Er darf mir nicht in die Quere kommen", versuchte ich ihnen mit Nachdruck in der Stimme einzubläuen.

„Nun ja, wenn ich Augen hätte, dann würde ich vielleicht auch was, oder jemanden in ihnen behalten", meldete sich Amari zurück, was mich dazu brachte, mir die Hand vor den Mund zu legen. Ich war in ein blödes Fettnäpfchen getreten.
„Chill Nivia, war nur ein Spaß.
Das Jungchen hier ersetzt meine Augen und ich seine fehlenden Muskeln." Amari lachte, als sie passend zu ihrer Aussage in Jesses Oberarm zwickte. Der quittierte das Ganze nur mit einem: „Ich bin von zu vielen Frauen umgeben." Dabei fuhr er mit seinen knöchrigen Fingern, durch seine langen blonden Haare.

„Sagen wir, Doktor Amstein ist ein Weltenwandler und er führt dich direkt zum Flos Infinitum.
Was hast du damit vor, Nivia?" Antonella hatte sich wohl in der Zeit, in der sie kaum ein Wort von sich gab, umso mehr Gedanken gemacht. Meine Ziele waren die gleichen geblieben. „Ich gebe es Daria Ogliastra. Sie wird wieder gesund und wir sind das Mittel los."

In meinen Gedanken flackerten die farblosen Augen dieser Familie.
Die Regenbogenhaut von Leontes und seiner Nichte glänzte lediglich silbern in der Sonne. Ich blieb daran hängen, wie an einem besonderen Schmuckstück.

„Warte, warte warte! Ogliastra, wie in Leontes Ogliastra? Dieser Schnösel-Vampir, der uns ansieht, als seien wir Dreck unter seinen Fingernägeln?" Das ging gar nicht. Dieser Mann würde Schmutz niemals in die Nähe seines Körpers lassen. Nichts konnte seine Perfektion trüben.
„Ja, warum nicht? Oder wollen wir uns jetzt auch um das Mittel streiten?", wehrte ich gleich ab, da Jesses Frage sich mehr, wie ein Vorwurf anhörte.

„Naja, das ist schon egoistisch.
Was ist, wenn dieser Feliz es wirklich vermehren kann?
Wir könnten so vielen Menschen helfen." Nachdem Amari ihm erneut erklärt hatte, dass Feliz das Wohl der Menschen nicht interessierte, widersprach ich ihm ebenfalls.
„Und selbst wenn. Ich glaube nicht, dass es spurlos am System vorbei geht, wenn plötzlich jedes Lebewesen ewig lebt. Überbevölkerung wäre da nur eins von dutzenden Beispielen." Ehrlich gesagt, konnte ich mir das Ausmaß gar nicht vorstellen. Es sollte aber erstmal darum gehen, ein ordentliches Miteinander zwischen Menschen und Vampiren zu schaffen. Das Flos Infinitum sorgte nur für Krieg.

„Stimmt schon. Es gibt genug Ungeheuer, die ewig leben."
Und ich dachte, ich wäre die einzige, die Fettnäpfchen magisch anzog, aber Jesse schaffte das auch ganz gut.
Als die Schlitze von Augen der Vampirinnen auf ihm lagen, versuchte er ihren Blicken zu entfliehen, indem er sich nach den Salzstangen streckte. Anto schlug ihm auf den Handrücken, sodass er den Snack verlor.
„Das Flos Infinitum muss weg, dann kann der Mensch sich in Ruhe wieder der Erfindung von Massenvernichtungswaffen widmen." Amaris Stimme triefte vor Sarkasmus, was ich beinahe schon witzig fand.

Als wir uns unseren Getränken und den kleinen Glasschalen, gefüllt mit allerlei Knabberzeug, hingaben, kamen wir zur Ruhe. Die Stimmung war nie angespannt gewesen, auch wenn wir was Wichtiges besprochen hatten, aber nun wurde sie immer ausgelassener. Mir fiel auf, dass unser neues Grüppchen harmonierte.
Jesse wirkte manchmal etwas genervt, doch wenn Amari ihm spielerisch in die Seite piekte, vergruben sich tiefe Grübchen in seinen Wangen. Antos Kopf lehnte an meiner Schulter und meiner auf ihrem. Eine neue Vertrautheit schlich sich ein, wenn es sowas überhaupt gab.

Am Ende des Tages, mussten die Frauen den einzigen Herren zwischen sich stützen, da er vor lauter Bier begann zu torkeln.

„Wir sin dabei, Shehuuu! Lass uns doch jetzt gleich dahin fahren. So ein Jacuzzi in den Bergen hat was", fantasierte der blonde Wuschelkopf vor sich hin, ehe sein Haupt schlaff vor seiner Brust hing.
„Bringt ihn ja gut nach Hause", bat ich meine Freundinnen.
Ob Jesse wohl so viel getrunken hätte, wenn er gewusst hätte, dass sein Leben nun zwischen zwei tendenziellen Blutsaugern hin?
Ich vertraute ihnen beiden.

Sie ließen mich mit einem Lächeln zurück. Mir hatte der Abend gefallen. Er war so typisch für eine Zwanzig-jährige. Nachdem ich aus jeder Gruppe geflogen war, fand ich langsam wieder Anschluss. Und mir gefiel der späte Abend im späten Frühling und der warme Wind, der meine Haare sachte fliegen ließ.

Ich trat weiter hinaus auf die Veranda. Die hölzernen Balken knarzten unter meinen Füßen und von meinen Freunden erkannte ich nur noch eine schwarze Silhouette.
In der Ferne leuchteten noch die Lichter der Stadt in einem warmen Gelb. Dieser Anblick geriet in letzter Zeit ganz in Vergessenheit, genauso wie die Ruhe, die unsere kleine Farm ausstrahlte. Lediglich das Gras tanzte im Wind.

Mein Herz blieb fast stehen, als Guardiano mich auf seinem Weg nach draußen, beinahe von den Beinen riss. Dass der Hund weglief, sah ihm gar nicht ähnlich.
„Hey du Verrückter, bleib stehen", schrie ich ihm hinterher, doch mit seinem schwarzen Fell, tarnte er sich hervorragend in der Nacht.

„Guardiano? Wo steckst du?" Kurz bevor die aufkommende Angst mich ergriff, raschelte es vor mir. Das junge Tierchen rannte mit wedelnder Rute auf mich zu. „Sag mal, spinnst du jetzt völlig?", schimpfte ich den Vierbeiner, doch konnte es nicht lassen, meine Finger vor Freude durch sein seidiges Fell fahren zu lassen.
Relativ unbeeindruckt, schlenderte Guardiano noch vor mir ins Haus.
Je älter er wurde, desto eigensinniger wurde er.

Wie selbstverständlich setzte er sich vor seinen Napf hinter dem Tresen und das um drei Uhr morgens.
Ich schloss die Tür ab, als ich mich schon anhörte, wie meine Mutter.
„Es ist mitten in der Nacht. Das heißt schlafen und keine Snacks mehr!" Guardiano grummelte nur, während seine großen Kulleraugen mich förmig anbettelten.
Eine Erzieherin würde aus mir nicht werden und wahrscheinlich auch keine Mutter. Dafür hielt ich mich viel zu wenig an meine eigenen Vorgaben. „Keine Schüssel, nur eine Rinderstange!" Dabei suchte ich bereits die unteren Schränke an der Wand, hinter der Rezeption ab.
Lange alleine blieb ich nicht.
Mein süßer Schatz schubste mich zur Seite, um selbst seinen Kopf in den Schrank zu stecken.

Gerade als ich mich wieder in den geraden Stand begeben wollte, blieb mein Blick an Guardianos Halsband hängen. In der metallischen Schlaufe hing ein zusammen gerolltes Papier.
Ganz nebenbei zerriss ich die Verpackung des Hundesnacks, doch in meinem Kopf kreisten bereits die Gedanken.
Dort draußen war doch jemand gewesen und unser Hund musste diese Person gekannt haben, sonst hätte er gebellt. Hatte ich eben abgeschlossen? Meine Paranoia meldete sich, aber ja, ich hatte abgeschlossen.

Meine Finger zitterten, als ich in Guardianos Halsband griff, der nur genüsslich schmatzte.
Mit beiden Händen, zog ich das Papier auseinander. Noch bevor ich die säuberlich geschriebenen Buchstaben zu Worten sortierte, bemerkte ich, dass dieser kleine Zettel schon öfter zusammen geknüllt worden sein musste. Vor lauter Knittern fühlte er sich schon ganz weich an.

𝑀𝑖 𝑑𝑖𝑠𝑝𝑖𝑎𝑐𝑒, 𝑠𝑐𝑖𝑚𝑚𝑖𝑒𝑡𝑡𝑎.

Es tut mir leid, Äffchen.

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