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Wir hatten die anderen hinter uns gelassen. Ich spazierte über den Sand, während Kayden nicht von meiner Seite wich. Sachte Wellen bedeckten von Zeit zu Zeit meine nackten Füße.
Das Geräusch, wenn sie dicht am Ufer brachen, mochte ich am meisten. Genau darauf konzentrierte ich mich.

Die untergehende Sonne färbte die flauschigen Wölkchen von unten in feurigen Nuancen. Dadurch zogen sich goldene Fäden durch das mittlerweile schwarze Mittelmeer. Wenn es so etwas wie eine Wiedergeburt gab, dann würde ich mich immer wieder für ein Leben in Cesena, der schönsten Kleinstadt Italiens entscheiden.

„Soll ich mich nochmal hinknien?", weckte mich die Person neben mir aus meiner Trance. Na bitte nicht, wäre es mir beinahe rausgerutscht. Ich schloss meine Arme dichter um meinen Körper und hielt Ausschau nach meinen anderen Freunden. In der Ferne machte ich jedoch nur die kleine Flamme des Lagerfeuers aus. Auch wenn er mir nichts antun würde, so fühlte ich mich Kayden schutzlos ausgesetzt.
„Du hast doch noch gar nicht deinen Ring", setzte er fort, ohne mich genau zu betrachten. Vielleicht wollte er es einfach nicht wahrhaben, denn ich war mir sicher, selbst ein Blinder hätte mein Unwohlsein mitbekommen.

Er legte seine großen Hände über meine Taille und zog mich näher an sich heran. „Was ist los, Nivia? Du redest kaum noch. Wenn dir das zu schnell ging, dann ist das kein Problem. Ich kann auf dich warten, ist ja nicht so, als wären wir dann nicht mehr zusammen."
Das wäre aber genau der optimale Ausgang dieser Tragödie! Ich starrte ihm entschlossen in die Augen, doch hinter meinen Lippen bildete sich nur leere Stille. In seinem Blau strahlte so viel Wärme, welche nur mir galt. Seine Arme hielten mich, als sei ich sein wertvollster Besitz. Ich sah all seine Ausraster vor mir und wie ich die einzige war, die ihn beruhigen konnte und das nur, weil er etwas Besonderes in mir sah.

„Wie kann man nur so schön sein, Muffin? Ich werde so glücklich, allein, wenn du mich ansiehst." Und darauf verbarg ich meinen Blick vor ihm. Kayden drückte seinen Körper an meinen und verteilte schnalzende Küsse über meine Wangen, bis hinunter zu meinem Kiefer. Ein Teil von mir schrie, doch ich unterdrückte meine eigene Seele. Ich kämpfte gegen mich selbst, verpasste mir Tritte und Hiebe, während seine Zunge über meinen Hals fuhr.

„Ich vermisse dich jetzt schon, so sehr", presste er zwischen seine wilden Atemzüge. Seine Finger umschlossen meinen Po durch den dünnen Stoff des geblümten Sommerkleides. Ich hatte es gewählt, weil es besonders lang war und locker saß, fast wie ein unförmiges Bettlaken. Davon erhoffte ich, nur den Wind an meinem Körper zu spüren.

Seine wachsende Erektion stieß gegen meinen Unterleib. Kayden hatte mir nach meinem ersten Mal versprochen, dass es besser werden würde, doch das tat es nicht. Vielleicht wurde es sogar schlimmer. Ich schämte mich jedes mal meine Kleidung auszuziehen und während des Aktes tat es immer noch weh und im Nachhinein kam ich mir vor, wie ein gebrauchter Gegenstand, der nur noch die Dusche aufsuchen wollte.

„Kayden, was sollen die anderen denken?" Und damit schob ich ihn von mir und wandte mich ab. Meine Beine trugen mich wie von selbst, in einer Geschwindigkeit, die den Sand aufwirbelte. „Sorry Muffin, ich kann es nur kaum ertragen, dass du mich für sechs Wochen verlässt." Wenn ich ihn so hörte, sollte ich mir überlegen die Reise zu verlängern, oder gleich darum betteln,
in einem anderen Land herausgelassen zu werden.

Er holte auf und legte seinen Arm um mich. So marschierten wir gemeinsam zu den anderen.

Das Feuer erschien aus der Nähe natürlich viel größer. Jesse saß auf seiner Jacke und nippte ausgelassen an seiner Bierflasche. Ardian stocherte im Feuer herum und Antonella empfing uns freudestrahlend. Gott sei Dank riss sie mich förmlich aus den Armen dieses Mannes.
„Bitch, ich sehe dich für über einen Monat nicht, da kann dieser Neandertaler dich doch nicht am letzten Abend für sich beanspruchen", beschwerte sie sich lautstark über meinen leider Noch-Freund. Darauf bekam sie von ihm eine leere Dose gegen ihr Bein geschmissen.

Ich setzte mich gegenüber von Kayden in den Sand und Antonella blieb wie eine Klette an mir hängen. Sie legte sich hin und ihr Kopf landete auf meinem Schoß. Bis sie schlagartig wieder aufsprang, um sich nach ihrer Tasche zu strecken, was ihr durch den wenigen Sport und der Überdosierung an Fastfood weniger gut gelang. Mit ihren Rundungen gab sie sich aber auch nicht zufrieden. Sie lebte einen Widerspruch in sich. Ihre Eltern hatten ihr aber auch nie beigebracht, um Dinge zu kämpfen. Das meiste konnten sie ohnehin mit Geld kaufen. Ich liebte sie dennoch genauso, wie sie war. Das absolute Gegenteil von mir.

„Leute, ich habe da was", weckte sie jedermanns Erwartungen. Eine dunkle Flasche erschien. „Dom Perignon P2", las sie uns die Aufschrift in völlig falschem Französisch vor. Jesse sprang auf seine Beine, um ihr den verdammt teuren Wein aus der Hand zu reißen. „Hast du eine Ahnung, was das ist?", wollte er von ihr wissen, während er den Wein inspizierte.
„Alkohol", gab sie schulterzuckend von sich. Ich legte meinen Arm um ihre Schultern. Wer konnte ihre ahnungslose Art nicht lieben? Anto warf ihren Wasserstoff-blonden Bob zurück, so als hätte sie mit ihrer Antwort den Jackpot gewonnen.

„Der kostet mindestens fünfhundert Euro, Barbie!", offenbarte uns Jesse. Da fiel selbst mir die Kinnlade hinab. „Anto, nimm ihn lieber wieder mit nach Hause", bat ich sie, um ihr den Ärger daheim zu ersparen und fuhr dabei mit den Fingern durch ihre seidigen Haare. Ihre fast grauen Iriden leuchteten in meiner Richtung auf. „Wir verabschieden uns hier von dir, da gibt's nur das Beste!"

Also tranken wir den edlen Tropfen aus billigen Plastikbechern. Ich hielt meinen manchmal vor die Flammen und suchte die Goldpartikel, weil es nicht in meinen Schädel passte, wie ein Getränk so teuer sein konnte. Anto saß mittlerweile und konzentrierte sich selbst auf das Feuer, ohne dabei zu blinzeln. Sie war in letzter Zeit ruhiger geworden, nachdenklicher. Ich schob es auf meine anstehende Abreise.

Uns gab es sonst immer nur im Doppelpack.
Nach unserem Schulabschluss war sie so verzweifelt, dass sie auch eine Ausbildung bei der Polizei anfangen wollte, um bei mir bleiben zu können. Ich konnte es ihr zum Glück ausreden, denn ihre Stärke und Leidenschaft galt der Mode und Kosmetik.

Anto hatte es in der Mittelstufe nicht leicht. Reichtum machte einen nicht automatisch beliebt. Nein, sie hassten das pummelige Mädchen umso mehr. Ich hätte es eher Neid genannt.
Da, mich Streber auch keiner so wirklich leiden konnte, fanden wir zusammen.
'Wir gegen den Rest der Welt' hieß es von da an.

„Du Kayden, wenn Shehu weg ist, können wir wieder richtig einen drauf machen, ganz so wie in alten Zeiten, an einem besseren Ort...", begann Jesse den ersten Satz, seiner von nun an nicht enden wollenden Lobeshymne über Kalifornien. Er vermisste seine Heimat, aber Kayden hielt ihn hier und er tat es wegen mir.

„Ihr seid alle so alt geworden. Diese Treffen hier werden immer seltener und langweiliger", warf mein Bruder belanglos in die Runde, als Jesse seinen Vortrag kurz pausierte. Leider sprach er damit eine unschöne Tatsache aus. Die Schicht- und Wochenendarbeit forderte seine Tribute. Das Leiden der Menschheit schlief nie und so auch die Polizei. Früher hatten wir uns jeden Freitag hier getroffen und so viel Bier getrunken, bis alle in Unterwäsche ins Wasser gerannt sind. Die unbeschwerte Jugend war vorüber.

Sie endete für mich an dem Tag, als eine kriminelle Bande meinen Bruder und mich überfallen hatte.
Er geht, wenn wir hier fertig sind. Also beweg deinen hübschen Arsch zur Straße und warte dort auf ihn." Ich hörte die Stimme dieses Mannes als Flüstern direkt vor meinem Ohr. Erschrocken sprang ich auf.
„Muss nur kurz mal wo hin", beendete ich das Starren meiner Freunde und ging in Richtung Meer. Sollte das Rauschen meine Ängste erneut davon spülen. Das tat es doch immer.

Allein der Glanz trennte die Schwärze des Himmels von dem des Wassers. Oben glänzten die Sterne und unten die Wellen. Und dazwischen schoben sich Augen, die beides inne hatten.
Wer war dieser Mann, den meine Gedanken vor mir versteckten?
„Alles in Ordnung, Schwesterherz?"
Ich drehte mich, um seinem so seltenen Lächeln zu begegnen. Meine Arme fanden um meinen zierlichen Körper, der mich gleichzeitig zweifeln ließ. Wer würde mich ernst nehmen?
Die kleine Frau mit dem runden Mondgesicht, die schon einmal auf die Fresse bekommen hat. Instinktiv fand meine Hand die Narbe.

„Ich habe Angst", gab ich zu. Ardian näherte sich und legte seine Arme schützend um mich.
„Sie werden lernen, dich zu fürchten." Ich schmunzelte zufrieden in seine Brust. So rührende Worte hatte ich von meinem Bruder nicht erwartet. Es gab ihn noch, den Jungen, der sich um seine Familie sorgte, dem nicht alles egal war.

„Leute, da hinten gibt's eine Runde Gruppenkuscheln!", schrie meine beste Freundin und kurz darauf, spürte ich immer mehr Hände, die mein Herz bis in den Himmel katapultierten.

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